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Dr. René Paasch: Der Fußball im Wandel – Die große Chance für die Sportpsychologie?

Der deutsche Fußball ist im Wandel. Dies zeigt eine neue Interessenvertretung der Fußballprofis, die aus verschiedenen Ligen zusammengeschlossen und ein neues Bündnis gegründet haben. Mats Hummels, Sven Bender und weitere 400 Akteure haben eine breite Agenda geplant. Das Bündnis, das für mehr Transparenz, Mitbestimmung und Solidarität einstehen will, ist zum großen Teil auch aus der Coronakrise und den damit einhergehenden Folgen für den Profi- und Amateurfußball geboren. In dieser Aufbruchstimmung stecken viele Möglichkeiten auch für unsere Disziplin. Denn der Großteil der Klubs der Bundesliga, der 2. Bundesliga und der 3. Liga bietet für die Profiteams immer noch keine sportpsychologische Betreuung an, obwohl die Profis ein solches Angebot ausdrücklich befürworten. Wäre es dann nicht wünschenswert im Zuge des Wandels auch über die angewandte Sportpsychologie im deutschen Fußball zu sprechen? Vielleicht braucht es gerade deshalb Bündnisse wie die Interessenvertretung der Fußballprofis, die die Sportpsychologie nutzen wollen und dabei keine Hand vor den Mund nehmen.

Zum Thema: Das mentale Sprungbrett unserer Disziplin 

Der Zusammenschluss eines neues Spielerbündnis ist der konsequente Schritt einer bemerkenswerten Entwicklung der vergangenen Wochen und Monate. Im Zuge der Coronakrise und der zeitlich fast parallel verlaufenden massiven Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt hatten sich etliche Profis mit klaren Worten und starker Haltung öffentlich positioniert und ihre Bekanntheit genutzt. Das Spielerbündnis, das für mehr Mitbestimmung und Menschlichkeit einstehen möchte, hat bekannte Fürsprecher. Mats Hummels, Sven Bender, Neven Subotic und Nils Petersen sind schon dabei, dazu viele weitere Spieler aus der 2. und 3. Liga. Offenbar sind es schon mehr als 400 Spieler/innen. Auch wichtige Themen, die in der Gesellschaft eine hohe Priorität genießen, sollen auf der Tagesordnung stehen. So wollen sich die zusammengeschlossenen Akteure auch zu Diskriminierung und Rassismus, Mobbing, Homosexualität und Homophobie äußern und sich klar positionieren. 

In den vergangenen Monaten wurde viel über die Auswirkungen und vor allem die (langfristigen) Folgen der Coronakrise für den deutschen Fußball diskutiert. Fans, Klubs und die Liga sind sich einig: Unabhängig wie dies konkret aussehen wird, darf es im deutschen Profifußball nicht so weitergehen. Mit der Initiative „Unser Fußball“ hat sich ein weiteres neues Fan-Bündnis im Umfeld der Bundesliga gegründet. Diese Anhänger fordern Vereine und Verbände auf, die Zukunft des Fußballs grundlegend neu zu gestalten – basisnah, nachhaltig und zeitgemäß. Auch die Deutsche Fußball-Liga (DFL) hält Veränderungen für notwendig und hat angekündigt, diese im Rahmen der Task Force „Zukunft Fußball“ ab Herbst 2020 in Angriff zu nehmen.

Näheres dazu https://unserfussball.jetzt/ 

Wäre dies jetzt nicht auch wünschenswert für unsere Disziplin? Schauen wir uns dazu die aktuelle Situation der Sportpsychologie im Fußball an! 

Sportpsychologie im Fußball

Bei einer aktuellen Befragung der VDV (2017/18/19) zeigte sich, dass in den drei höchsten deutschen Spielklassen nicht einmal zehn Prozent der Vereine ihren Profiteams eine regelmäßige sportpsychologische Betreuung gewähren. Fast zwei Drittel werden hingegen überhaupt nicht sportpsychologisch betreut. Die Daten sind damit sogar noch niedriger als bei der vorigen Erhebung der VDV in der Saison 2017/2018. Damals hatten 15 Prozent der Profi-Mannschaften eine professionelle sportpsychologische Betreuung, 25 Prozent eine teilweise Betreuung und 60 Prozent überhaupt keine Betreuung.

Dr. René Paasch

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Hockey, Eishockey, Tennis

Kontakt

+49 (0)177 465 84 19

r.paasch@die-sportpsychologen.de

Zum Profil: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Besonders schlecht schneidet die 3. Liga ab. Hier verfügt nicht ein einziges Team über eine regelmäßige professionelle Betreuung. Nachdenklich ist die fehlende Unterstützung insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein sportpsychologisches Angebot zur Erhaltung der seelischen Gesundheit sowie zur Leistungsoptimierung von den Befragten durchweg gewünscht wird. Ein solches vertrauliches und professionelles Hilfsangebot für Leistungssportler/innen besteht in unserem Netzwerk „Die Sportpsychologen“ oder auf der „BISp-Datenbank“. Diese Experten-Netzwerke unterstützen Fußballvereine und weitere Sportarten darin, eine bedarfsgerechte sportpsychologische Arbeit zu installieren. Hierbei steht nicht zuletzt die Verzahnung von vorhandenen Betreuungsstrukturen auf Ebene der Nachwuchsleistungszentren mit neuen Angeboten für Profi-Teams, Einzelspieler, Trainerstäbe und Management im Fokus. Mit Hilfe dieser Kollegen/innen können Athletinnen und Athleten leicht zugänglich Kontakt aufnehmen. Alle Experten wurden nach klaren Kriterien in diesen Netzwerken aufgenommen.

Hier eine Übersicht über die Arbeitsweise der angewandten Sportpsychologie: https://www.die-sportpsychologen.de/2016/07/dr-rene-paasch-mentaltrainer-oder-sportpsychologe/

Fazit 

Als wünschenswertes Ergebnis lässt sich festhalten, dass dem sportpsychologischen Training von fast allen Akteuren im Fußball eine große Bedeutung zugesprochen wird, der Kenntnisstand und die Anwendung jedoch äußerst lückenhaft ist und der Einsatz entsprechender Kolleginnen und Kollegen kaum stattfinden. Viele Betreuungen finden nur hinter verschlossenen Türen und fernab der Öffentlichkeit statt – dieser Umstand führt auch dazu, dass einige Spieler und Vereine auf weniger seriöse Angebote hereinfallen. 

Der Fußball braucht einen Wandel und wir sollten dies mit unterstützen. Mein persönliches Anliegen und vieler weiterer Kolleginnen und Kollegen ist es, die Sportpsychologie im Fußball mehr zu etablieren und zu pflegen. Denn die Möglichkeiten unserer Disziplin werden oft unterschätzt. Dabei sind sie immense Größen für gesundheitlichen, sportlichen und menschlichen Erfolg.

Mehr zum Thema:

Literatur

Biermann, Christoph & Fuchs, Ulrich (2002): Der Ball ist rund, damit das Spiel seine Richtung ändert. Wie moderner Fußball funktioniert. Köln: Kiepenheuer und Witsch Verlag.

Ror Wolf (2008): Das nächste Spiel ist immer das schwerste. Verlag Schöffling & Co. Friedrich-Hölderlin-Preis der Stadt Bad Homburg 2008. ISBN: 978-3-89561-324-1

Weitere Leseempfehlungen:  

  1. https://www.die-sportpsychologen.de/2020/03/spielergewerkschaft-vdv-sportpsychologisches-betreuungsdefizit-im-deutschen-fussball-waechst/ 
  2. https://www.spielergewerkschaft.de/de/VDV/Aktuelles/Detail/1136/Weiterhin%20Defizite%20bei%20der%20sportpsychologischen%20Be.htm
  3. https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/sportpsychologie-im-profi-fussball-zwischen-trend-und-traeumerei/ 
  4. https://unserfussball.jetzt/pressespiegel/

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Klaus-Dieter Lübke Naberhaus: Emotionssteuerung – Umgang mit Emotionen

Emotionen sind im Leben und damit auch im Sport allgegenwärtig. Schwierig kann es immer dann werden, wenn ein zu viel oder ein zu wenig an Emotionen die sportlichen Handlungen leiten. Dies kann einen Kontrollverlust bedeuten oder einen geminderten Antrieb, der sich auf den Spielstand, die Ausgangslage oder sogar auf elementarste Dinge wie die körperliche Unversehrtheit auswirkt. Grund genug, sich dem Umgang mit Emotionen, der Emotionssteuerung, zu widmen. Zumal Sportler und Trainer intensiv nachsteuern können.

Zum Thema: Hypnose im Sport (Teil 4: Emotionssteuerung –  Umgang mit Emotionen)

Jeder Sportler und jeder Trainer kann lernen, seine Emotionen zu steuern. Meist helfen schon einfache Tricks, um in brenzlichen Situationen den Fokus darauf auszurichten, was den Einzelsportler oder das Team weiterbringt. Spannend ist in dem Zusammenhang auch die Rolle von Trainern, die bezüglich der Emotionssteuerung aktiven Einfluss haben und ein bestimmtes Gespür entwickeln können. Im Video landet Klaus-Dieter Lübke Naberhaus nicht ohne Grund bei Jürgen Klopp, dem aktuell erfolgreichsten deutschen Fußballtrainer, der immer wieder auch mit emotionalen Ausbrüchen auf sich aufmerksam macht.  

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Klaus-Dieter Lübke Naberhaus

Sportarten: Handball, Eishockey, Fußball, Volleyball, Leichtathletik, Kampfsportarten

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+49 (0)151 42623048

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Schmerzbeeinflussung durch Hypnose

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Reframing

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Moments of Excellence

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  • Schmerzbeeinflussung durch Hypnose (Link)
  • Reframing (Link)
  • Moments of Excellence (Link)

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Markus Gretz: Ein gesunder Umgang mit Ungewissheit

Wenn Menschen mit Ungewissheit konfrontiert werden, entwickeln die meisten Angst und Unbehagen. Gerade in der aktuellen Situation ist Ungewissheit und Unsicherheit ein großes Problem für viele Menschen. Werde ich meinen Job behalten? Wie wird das nächste Jahr wirtschaftlich aussehen? Kann ich wie gewohnt in den Urlaub fahren? Ist das Corona-Virus für mich oder meine Angehörigen gefährlich? Auch für viele Sportler ist die aktuelle Situation von Ungewissheit geprägt. Werde ich dieses Jahr an Wettkämpfen teilnehmen? Habe ich nächstes Jahr immer noch die Chance auf die olympischen Spiele? Werde ich in der nächsten Saison einen Vertrag bekommen? Die Sportpsychologie bietet einige Strategien wie man mit Unsicherheiten und der Angst vor dem Ungewissen umgehen kann.

Zum Thema: Ungewissheit – Ein Zukunftsphänomen

Wenn wir in die Zukunft blicken, begegnen uns immer wieder Ungewissheiten. Genau genommen ist in der Zukunft alles ungewiss. Keiner kann zu hundert Prozent vorhersagen, was die Zukunft bringt. Es ist eine Wahrscheinlichkeitsrechnung, mit der wir in die Zukunft schauen und Pläne schmieden. Wir versuchen also eigentlich immer Wahrscheinlichkeiten abzuwägen, wenn wir uns die Zukunft ausmalen. Angst lässt uns dabei aber oft nicht rational denken, indem die Emotion uns dazu bringt, immer wieder über einen möglichst schlimmen Ausgang nachzudenken. Dadurch hilft die Angst, uns auf schwierige Situationen vorzubereiten. Diese Vorbereitung ist teilweise sinnvoll, sie kann aber über lange Zeit sehr belastend werden. 

Ich weiß, dass ich nicht weiß.

Sokrates

Deshalb kann es helfen, bewusst in die Rationalität zurückzukehren und die Wahrscheinlichkeiten abzuschätzen. Am besten nimmt man sich einen Zettel und schreibt die möglichen Szenarien auf und schätzt dann die Wahrscheinlichkeiten. Dadurch wird einem oft bewusst, dass der schlimmstmögliche Ausgang, mit dem man sich so sehr beschäftigt hat, gar nicht so wahrscheinlich ist.

Das Wunschergebnis im Blick

Vielleicht fällt mir bei der Betrachtung der möglichen Szenarien auch ein besonders positiver Ausgang auf? Dann sollte man sich dieses Wunschergebnis intensiv ausmalen und sich ähnlich wie auf das Horrorszenario vorbereiten. Damit steigt im besten Fall wieder die Vorfreude auf die mögliche Zukunft.

Markus Gretz

Einer unserer Basketballexperten im Netzwerk ist ein echter Teamplayer. Holt ihn euch für Vorträge zu Themen wie Konfliktmanagement in Sportmannschaften, Wettkampfangst oder zum Pausenverhalten von Trainern ins Boot.

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Ein anderer Ansatz ist die Fokussierung auf das Hier und Jetzt. Keiner kann direkt die Zukunft verändern. Jeder hat nur einen Einfluss auf das, was er aktuell tut. Wenn wir Ziele haben, können wir zielgerichtete Handlungen ausführen. Aber ob das Ziel erreicht wird, liegt oft an vielen Faktoren. Wenn wir eine zielgerichtete Handlung ausführen, steigt aber wieder die Wahrscheinlichkeit für unser Wunschszenario. Zu lernen im Hier und Jetzt zu sein, ist deshalb eine wichtige Aufgabe für Sportler. Achtsamkeitstraining ist dafür eine tolle Methode. Dabei will ich die aktuelle Situation mit allen Sinnen erfassen und meine Gedanken auf die Handlung, die ich in diesem Moment ausführe, fokussieren. Damit werden die Gedanken weg von der Unsicherheit und der damit verbundenen Angst gelenkt.

Angst ist normal

Oft ist es auch wichtig, die Angst und die Unsicherheit anzunehmen und darauf zu hören. Es ist nämlich ganz normal, Angst vor dem Ungewissen zu haben. Was will mir meine Angst sagen? Woher kommt die Angst? Worauf sollte ich in nächster Zeit achten? Durch welche Handlung kann ich die Unsicherheit reduzieren? 

Vielleicht ist die Angst sogar ein Geschenk, weil sie mir hilft, mich auf mögliche Schwierigkeiten vorzubereiten. Wenn ich die Angst als Gegner sehe und sie bekämpfen will, wird meist die Angst immer größer, weil ich dann Angst vor der Angst bekomme. Wenn die Angst aber mein Freund wird, der mir hilft, mich zu schützen, dann kann mir auch die größte Unsicherheit nichts anhaben.

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Sina Frei: Über lange Zeit mental stark zu bleiben, ist eine Kunst

Zweifache U23-Weltmeisterin und vierfache Junioren-Europameisterin im Cross Country. Sina Frei hat in ihrer noch jungen Karriere bereits viel gewonnen. Dass sie das Zeug hat, auch auf dem Elite-Level gross rauszukommen, steht ausser Frage. Auf dem Weg dahin lässt sich Sina Frei von Cristina Baldasarre von Die Sportpsychologen (Link) begleiten. Hier berichten beide von ihrer Zusammenarbeit, die leider auch im Mountainbike-Bereich noch nicht an der Tagesordnung ist.

Zum Thema: Mountainbike-U23-Weltmeisterin Sina Frei über die Sportpsychologie

Die Mountainbikerin Sina Frei ist erfolgreich unterwegs. Gleich zweimal, 2017 und 2019, holte sie sich den Titel als U23 Weltmeisterin. Vorher gewann sie bereits zahlreiche andere Titel, so wurde sie zum Beispiel im Cross Country 2016-2019 viermal in Folge Junioren-Europameisterin. Seit der vergangenen Saison starte Sina Frei auch bei einzelnen Eliterennen, um in der höchsten Kategorie erste Erfahrungen zu sammeln und so sinnvollerweise den Übergang zu erleichtern. Die sehr begabte und erfolgreiche Athletin weiss um ihre Talente, erkennt gleichzeitig auch die grösseren mentalen Herausforderungen, die sich ihr stellen. Die Zusammenarbeit mit mir suchte sie, um besonders drei mentale Aspekte immer wieder zu diskutieren. Schön finde ich dabei ihre Erkenntnis, dass die Sportpsychologie sinnvollerweise prophylaktisch zur Unterstützung und Leistungserhaltung hinzugezogen wird und nicht erst, wenn eine Krise in vollem Gang ist. So erstreckt sich unsere Arbeit entlang ihrem saisonalen Trainingsplan. Und der Aspekt der Begleitung über die Karriere hinweg, rückt hier somit in den Fokus. Ich würde mir noch mehr solcher Athleten wünschen, die auf eine ganzheitliche Leistungsentwicklung bedacht sind, und den mentalen Aspekt als Selbstverständlichkeit ansehen. Sina Frei ist ein schönes Beispiel dafür, wie im Nachwuchsleistungssport der Grundstein für mentale Stärke gelegt werden kann.

Schwerpunktmässig drehen sich viele Gespräche um die folgenden Themen: 

  • Umgang mit dem Erwartungsdruck, wenn man so erfolgreich ist – da braucht es eine stetige Auseinandersetzung mir inneren und äusseren Ansprüchen.
  • Die Vorbereitung und Begleitung von Kategorienwechsel. Nach Wylleman & Rosier stellen diese stets kritische Momente dar, die besondere mentale Aufmerksamkeit erfordern.
  • Der erfolgreiche Umgang mit dem Druck und Medienrummel beim Start an heimischen Weltcup-Rennen wie z.B. in der Lenzerheide.

Lesen Sie selber ihr persönliches Protokoll zu mentaler Stärke:

„Ich wusste, ich will das unbedingt“

Es war ein sehr strenges Rennen 2019 am World Cup in Les Gets FR. Der Trail bot kaum Möglichkeiten, sich ein wenig zu erholen. Man musste ständig hoch konzentriert fahren und die volle Leistung bringen. Ich lag an fünfter Stelle und stellte fest, dass ich im Aufstieg immer etwas hinter die Französin Pauline Ferrand-Prévot zurückfiel. Doch in der Abfahrt konnte ich den Abstand stets wieder verkleinern. Ich setzte mir zum Ziel, Pauline zu überholen. Klar war, dass ich im Schlussspurt keine Chance hätte, weil sie im Sprint stärker ist. Also musste es in der letzten Runde passieren. Der Trail wurde nochmals eng, und ich war wirklich erschöpft. Meine Beine brannten. Aber im Kopf wusste ich: Ich will das unbedingt. Da habe ich noch mal all meine Kräfte zusammengenommen. Es hat sich gelohnt: Ich schaffte tatsächlich den vierten Platz, landete gleich hinter den drei absoluten Topfavoritinnen. Das war für mich ein grosser Erfolg.

Die Gedanken steuern

Im Spitzensport ist körperliche Fitness natürlich entscheidend. Doch mindestens so wichtig ist, was im Kopf abgeht. Man muss lernen, seine Gedanken richtig zu steuern. Oft kommt es mir so vor, als würden sich in meinem Gehirn ein Engelchen und ein Teufelchen streiten. Das Teufelchen sagt: ‹Deine Beine tun weh. Du bist müde. Du kannst nicht mehr. Die anderen sind schneller und geschickter als du. Du schaffst es sowieso nicht.› Dann muss ich versuchen, mehr auf das Engelchen zu hören. Es sagt: ‹Du bist fit und gut trainiert. In deinen Beinen ist noch Kraft. Gib nicht auf.› Häufig hilft es, auf etwas anderes zu fokussieren. Ich beginne zum Beispiel, die Tritte zu zählen. Das bringt mich wieder in meinen Rhythmus. Oder ich versuche, mir Erfolgsmomente in Erinnerung zu rufen. Zum Beispiel, welches Glücksgefühl es ist, wenn ich jemanden überhole. So gelingt es mir immer wieder, das Teufelchen zu besiegen und wieder in den Flow zu kommen.

Seit zwei Jahren bin ich Profisportlerin. Damit ist für mich ein grosser Traum in Erfüllung gegangen: Ich konnte meine Leidenschaft zum Beruf machen. Jede Woche trainiere ich etwa 20 Stunden – vor allem auf dem Velo, aber auch im Kraftraum. Im Winter bin ich oft in Trainingslagern in wärmeren Regionen. Dieses Jahr verbrachte ich wegen des Corona-Shutdowns mehr Zeit in der Schweiz. Zum Glück war das Wetter super. Ich war oft in der Ferienwohnung meiner Eltern in der Lenzerheide und habe völlig neue Trails entdeckt.

Um meine Denkstrategien zu optimieren, gehe ich regelmässig zu einer Mentaltrainerin. Da lerne ich immer neue Techniken kennen. Sie hat mir etwa einen Punkt am linken Zeigefinger gezeigt, wo ich bei Nervosität draufschlagen kann. Patentrezepte gibt es aber nicht, ich muss selber herausfinden, was funktioniert.

Vor Rennen die Zeit gut einteilen

Wichtig ist für mich, vor dem Rennen die Zeit gut einzuteilen. Etwa vier Stunden vorher esse ich meinen Reisporridge mit Datteln und Bananen. Dann gehe ich die Strecke im Kopf nochmals durch. Ich präge mir Steigungen und Abfahrten ein, Hindernisse sowie enge oder etwas breitere Stellen. Danach dehne ich die Muskeln und höre dazu meist Musik.

Cristina Baldasarre

Sportarten: Kunstturnen, Eiskunstlaufen, Synchronschwimmen, Tanz, Unihockey, Fussball, Eishockey, Judo, Tennis, Bogenschiessen, Springreiten, Schiedsrichter und Trainer, Sporteltern

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c.baldasarre@die-sportpsychologen.ch

Mehr Infos: Zur Profilseite, zum Kompetenzzentrum mind2win.ch

Das entspannt mich. Darauf packe ich langsam mein Rucksäckli mit den nötigen Kleidern und Getränken. Ins Teamzelt gehe ich erst kurz vor dem Start. Denn da ist die Stimmung oft etwas hektisch. Auf dem Wettkampfgelände warten Verwandte, Freunde, Sponsoren und Medienleute – und alle wollen etwas von mir: Hier eine Umarmung, dort ein Foto … Ich versuche, mich abzuschirmen und bei mir zu bleiben. Etwas Anspannung braucht es schon. Doch allzu viel Nervosität ist kontraproduktiv.

Eigentlich habe ich die letzten Wochen ziemlich genossen: Ich hatte mehr Zeit zum Trainieren und weniger Druck. Nun geht es aber bald wieder los. Mein nächstes wichtiges Rennen ist der Weltcup in der Lenzerheide, der wahrscheinlich anfangs September stattfindet. Da will ich mich in den ersten fünf klassieren. Nach der langen Pause wird es schwierig sein, die Gegnerinnen einzuschätzen. Da ist es besonders wichtig, dass ich mich gedanklich gut vorbereite und eine gute Portion Selbstvertrauen tanke.»

Hinweis: Das Protokoll ist im Juni 2020 in Migros-Magazin Impuls (Link) erschienen.

Fotos: privat, Sina Frei

Mehr zum Thema:

Literatur:

Wylleman, P. & Rosier, N. Holistic perspective on the development of elite athlete,Sport and Exercise Psychology Research,269-288, 2016.

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Johanna Constantini: Wenn online, dann auch nach Corona richtig!

Vor allem in Zeiten der Coronakrise und damit in einer Phase, in der wir vielfach nicht selbst über „lieber online“ oder „lieber face-to-face“ entscheiden können, ist es herausfordernd, die Frage nach der besten Kommunikationsform beantwortet zu wissen. Wer durch Abstandsregelungen oder gar die vorübergehende Schließung von Sportstätten dazu verdammt wurde, sich in den eigenen vier Wänden via Videokonferenz in Trainings- oder Wettkampfbesprechungen einzuloggen, dem stellt sich diese Frage schließlich schlichtweg nicht. Sobald wir aber stärker die Wahl haben, sollten wir uns gern nüchtern an eine Risiko-Chancen-Abwägung machen.

Zum Thema: Was moderne Sportpsychologen von sozialen Medien wissen sollten

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Johanna Constantini Beitrag zum Hören.


Davon ausgehend, dass auch jene Krise mit all ihren notwendigen oder auch weniger notwendigen Maßnahmen ein Ende nimmt, gibt es auch im Sport sinnvolle und sinnlose Tätigkeiten, die sich on- und offline ausführen lassen. Was können wir, also Sportler, Trainer, Funktionäre, Sponsoren und Eltern sowie wir Sportpsychologen, daraus lernen?

Johanna Constantini

Sportarten: Pferdesport, Laufsport, Wintersport, u.a.

Kontakt: j.constantini@die-sportpsychologen.at

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zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/johannaconstantini/

Digitale und soziale Medien als Chance im Sport 

Trainingsinhalte als Chance

Einige Ideen zur sinnvollen Nutzung digitaler Medien finden sich vor allem dann, wenn es um die Einsicht und Verfügbarkeit von trainingsspezifischen Inhalten geht. So lassen sich online Trainingseinheiten via Bildschirm praktizieren und auch eigene Fortschritte über Applikationen am Smartphone festhalten. 

Informationsspender Smartphone

Genauso hilfreich können digitale und soziale Medien auch im Wettkampf sein. Nämlich dann, wenn sowohl Informationen über Wettkampfstätten, als auch der Leistungsstand der Konkurrenz online eingesehen werden kann. 

Kommunikationstool Social Media

Auch zur Abstimmung mit Mannschaftskollegen dienen vor allem soziale Netzwerke wie Whatsapp als sinnvolle Tools. 

Digitale und soziale Medien als Risiko im Sport 

Risikofaktor Erreichbarkeit

Genauso risikoreich kann jedoch die Anwendung sein. Vor allem dann, wenn Erreichbarkeiten team- und mannschaftsintern nicht im Vorhinein abgestimmt werden und dadurch Stress zu entstehen droht. 

Stressauslöser Dauer-Surfing

Stressauslösend sind digitale und soziale Medien vor allem dann, wenn das Durchforsten von Trainingsvideos und Wettkampfinhalten dazu führt, dass einzelne Athleten nicht mehr „abschalten“ können. Im wahrsten Sinne also „always on“ bleiben und dadurch Gefahr laufen, sich von den Technologien steuern zu lassen. 

Zauberwort: Selbststeuerung

Sowohl bei den Chancen, als auch bei den Risiken ist Selbststeuerung das Zauberwort, das es stets gilt zu beachten. 

Aktiv statt passiv zu agieren bildet die Grundvoraussetzung, um nicht nur im Sport, sondern auch im allgemeinen Umgang mit digitalen und sozialen Medien langfristig erfolgreich sein zu können. Meine Kollegen von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Johanna Constantini) stehen gern für Rückfragen und praktische Unterstützung bereit.

Mehr zum Thema:

Mehr Interesse am Thema? Johanna Constantini hat bereits zahlreiche Texte verfasst – hier eine kleine Übersicht:

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Thorsten Loch: „Monkey Mind“ vs. Donkey Kong

Donkey Kong? Was hat die Figur des Konsolenklassikers mit der Sportpsychologie zu tun? Eine durchaus berechtigte Frage. Jedoch alles der Reihe nach. Worum dreht es sich bei diesen Game? Bei Donkey Kong handelt es sich um den Begründer des Jump-„n“-Run-Genres und zählt zu den beliebtesten Arcade-Spielen der 1980er Jahre. Der Spieler schlüpft in die Rolle des Tischlers Jumpman, der seine Freundin Pauline aus den Fängen des Gorillas Donkey Kong befreien muss. Dazu gilt es, in den einzelnen Spielstufen das jeweilige Ziel zu erreichen, indem man den gestellten Fallen ausweicht und den mit Hindernissen gespickten Weg überwindet. Um dies zu schaffen, kann Jumpman nicht nur Laufen und vertikal Klettern, sondern auch Springen. Je nach erreichter Spielstufe werden die an den Spieler gestellten Herausforderungen immer schwieriger und Jumpman kommt wortwörtlich nicht zur Ruh. Man läuft, springt hin und her und versucht unter anderem den rollenden Fässern zu entkommen. In solch einer Sequenz, wenn die Anforderungen unser Können vermeintlich überschreiten, kommt es darauf an, dass unser „Monkey Mind“ nicht die Kontrolle übernimmt und uns daran hindert, optimale Leistung abzurufen. An dieser Stelle nehmen wir die Ausfahrt und nehmen die Sportpsychologie mit. Denn: Vergleichbar mit einer Wettkampfsituation aus dem traditionellen Sport muss der (E-)Sportler im Hier & Jetzt sein, um erfolgreich agieren zu können (vgl. dazu meinen Text über den Leichtathleten Florian Reuß unter diesem Beitrag).

Zum Thema: Wie schaffe ich es, in stressinduzierten Situation meinen Monkey Mind zu kontrollieren, um in letzter Konsequenz den Gorilla zu besiegen?

Der Begriff „Monkey Mind“ steht im deutschsprachigen Raum für Gedankenkarussell. Die englischsprachige Umschreibung klingt zwar fancy, jedoch ist der Begriff schon sehr alt und hat seinen Ursprung aus dem Buddhistischen. Er meint einen unruhigen, unkontrollierten und verwirrten Geist. Wir springen von Gedanke zu Gedanke, gleich einem Affen, welcher von Baum zu Baum springt. Unbeständig und launisch. 

Genauso schwirren unsere Gedanken umher, hindern uns z.B. klare Entscheidungen zu treffen; schüren Zweifel und sorgen dafür, dass wir uns vor/während des sportlichen Wettkampfes Gedanken über die möglichen Konsequenzen machen. Die Gedanken machen sich selbstständig, kreisen ständig um dasselbe Thema, wir ärgern uns und regen uns auf. In letzter Konsequenz verlieren wir den Fokus für das Wesentliche (handlungsrelevante) und müssen Leistungseinbußen in Kauf nehmen (vgl. https://www.die-sportpsychologen.de/2016/07/thorsten-loch-pepe-vom-ruepel-zum-musterprofi/). Das kennst du nicht? Dann lade ich dich zu einem kleinen Experiment ein:

Ein Experiment, um den Gedankenstopp zu üben

Setz dich aufrecht mit geradem Rücken hin. Wenn du eine angenehme Position gefunden hast, in welcher du eine Weile sitzen kannst, nimm kurz deine Umgebung wahr und schließe dann für ungefähr eine Minute deine Augen. Während dieser Minute ist deine einzige Aufgabe, deine Aufmerksamkeit auf die bewusste Wahrnehmung deiner Atmung an deinen Nasenflügeln zu lenken. Du brauchst nichts Weiteres tun, als während dieser Zeit dein Bewusstsein kontinuierlich auf die Empfindung beim Ein- und Ausatmen auszurichten – und zwar in einer offenen, neugierigen Art und Weise. Einfach wahrnehmen und schauen, was du für eine Erfahrung in dieser einen Minute machst.

Und? Wie war es für dich? Ist es dir gelungen? Eine solche kurze und einfache einminütige Achtsamkeitsübung kann eine ganze Reihe von unterschiedlichen Sinneserfahrungen, Gedanken und Emotionen auslösen und wunderbar veranschaulichen, wie unser Bewusstsein die Eigenschaft hat, sehr schnell von einem Gedanken zum nächsten, von einem Ort zum anderen, von der Vergangenheit in die Zukunft und in die Gegenwart zu springen. Wenn es dir so oder so ähnlich erging, dann war dein Gedankenkarussell in voller Fahrt. Und hier wird es sehr deutlich, dass ein solches Springen, besonders während eines Wettkampfes einen daran hindert, an sein Leistungspotential zu gelangen. 

Achtsamkeitsbasierte Interventionen

Um etwa mit Wettkampfangst umzugehen, gibt es In der Sportpsychologie im Wesentlichen zwei Wege: Eine weitverbreitete Lösung aus kognitiv-behavioralen Sichtweise ist der systematische Aufbau von Selbstwirksamkeit mittels der inhaltlichen Veränderung der kognitiven Prozesse. Es wird dadurch möglich, Verhalten zu ändern, indem man die zugrundeliegenden Prozesse (Gedanken) verwandelt. So wird der Versuch unternommen, in einer sehr sachlichen Art und Weise, die Kontrolle über Kognitionen und Emotionen zu gewinnen und eine Leistungssteigerung zu provozieren. Im Gegensatz dazu stehen die achtsamkeitsbasierten Interventionen. Primäres Ziel hier ist es nicht Kognitionen, Emotionen und körperliche Empfindungen zu kontrollieren, sondern die Beziehung zu ihnen zu verändern. 

Thorsten Loch

Sportarten: Fußball, Badminton, Leichtathletik, Sportschießen, Karate, Skateboarding, eSport

Kontakt

+49 (0)177 716 676 7

t.loch@die-sportpsychologen.de

Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/thorsten-loch/

Achtsamkeit als eine der edlen Wahrheiten des Siddhartha Gautama (Buddha) hat zum Ziel, die Reduktion von Leiden und das Anstreben von Glück. Rechte Achtsamkeit bedeutet im buddhistischen Kontext die Bewusstwerdung von äußeren und inneren Sinnesreizen, ohne die kontrollieren zu wollen. Rechtes, achtsames Sein beinhaltet, ganz im Hier & Jetzt zu sein, ohne sich in der Vergangenheit oder Zukunft zu verstricken. Ein wesentliches Detail ist hierbei, dass im Buddhismus sechs Sinnesorgane unterschieden werden:

  • Auge
  • Ohr
  • Nase
  • Zunge
  • Tastsinn
  • Denkorgan

Dies ist insofern von Bedeutung, denn nach der Vorstellung der Buddhisten können die inneren Vorgänge wie Emotionen und Kognitionen genauso als Sinneseindrücke wahrgenommen werden wie äußere. Primär geht es also um die Bewusstwerdung von Affekten, Empfindungen und Denkinhalten. So gelangt man zu dem Punkt, dass “rechte” Achtsamkeit als eine Art Bewusstseinszustand definiert werden kann. Die Fähigkeit, möglichst häufig in jenen Bewusstseinszustand zu gelangen, wird mit der Fertigkeit erreicht, den unruhigen und abschweifenden Geist zu kontrollieren. Dies wird als die höchste Konzentration verstanden und kann mittels verschiedenen Meditationstechniken trainiert werden. 

Fazit 

Achtsamkeit als allgemeiner Wirkfaktor für die verschiedenen „Problemstellungen“ im sportlichen Kontext scheint aus theoretischen Überlegungen Sinn zu machen, da es eine Anzahl von leistungsmindernden psychischen Faktoren gibt (z.B. Wettkampfangst), welche mittels achtsamkeitsbasierte Interventionen beeinflusst werden können. Der vorliegende Beitrag soll als ein Einstieg in den Bereich Mindfullness verstanden werden, um im weiteren Verlauf der Reihe vertieft auf die Wirkungsweisen und Möglichkeiten zu Training der Achtsamkeit einzugehen. Man lernt bekanntlich nie aus und wir im Netzwerk freuen uns über einen Austausch diesem spannenden Bereich.

Mehr zum Thema:

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Kathrin Seufert und Klaus-Dieter Lübke Naberhaus: Gedankensteuerung nach Joshua Kimmich

Führungsspieler des FC Bayern München sowie des Nationalteams und für viele junge Fußballer im Land ein glühendes Vorbild – und das mit gerade einmal 25 Jahren. Mittlerweile ist Joshua Kimmich auch Vater. Ein Umstand, der ihn im Frühjahr 2019 vor eine echte Herausforderung stellte: Berliner Olympiastadion oder Kreißsaal? In einer ZDF-Dokumentation von Jan Medelin und Lars Ruthemann (31.05.2020, https://www.zdf.de/sport/zdf-sportreportage/fussball-fc-bayern-joshua-kimmich-doku-100.html) lässt Kimmich private Einblicke zu. Eine Aussage, die er bezüglich der Schwangerschaft seiner Freundin Lina tätigt, lässt aufhorchen. Und es zeigt, an einem besonderen Beispiel, wie die Gedankensteuerung funktionieren kann.

Zum Thema: Aufmerksamkeit lenken und Fokus setzen

Der errechnete Geburtstermin des gemeinsamen Kindes von Joshua Kimmich und seiner Freundin Lina lag zwischen dem letzten Bundesligaspiel der Saison 18/19 und dem DFB-Pokalfinale, in welchem der Bayern-Spieler auf seinen früheren Arbeitgeber RB Leipzig traf.

Obwohl wir unterstellen dürfen, dass Kimmich als werdender Vater emotional hochgradig beteiligt war, schaffte er es nach eigenem Bekunden in der Doku, für die Dauer des Pokalspiels am 25.05.2019 im Berliner Olympiastadion die Gedanken an die bevorstehende Geburt seines Sohnes vollkommen auszublenden. Sein Fokus war einzig und allein auf das Spiel ausgerichtet, auf das Finale und die Möglichkeit, nach der Meisterschaft und dem Pokalsieg eine grandiose Woche einzuläuten, welche mit der Geburt seines Kindes gekrönt werden kann.

Es müssen nicht immer die großen Räder sein, an denen wir drehen  

Doch wie kann das gehen? Wie funktioniert es, dass sich ein Sportler trotz eines solch einschneidenden Ereignisses mit dieser immensen emotionalen Tragweite seinen Fokus voll auf die sportliche Höchstleistung ausrichten kann? Damit wollen wir uns nun konkret beschäftigen: 

Eines vornweg. Oft helfen uns scheinbar kleine Dinge, um unseren Fokus zu behalten. Es geht vor allem darum, Gedanken, die dazu führen, dass ich vom Fokus abschweife, möglichst nicht zuzulassen oder wenn sie auftreten, schnellstmöglich wieder zum Fokus des Spiels zurückzukehren. Verlieren wir unser Ziel aus dem Blick, fehlt die notwendige Fokussierung, dann geht unsere Aufmerksamkeit und die Wirksamkeit unserer Handlungen zurück. Damit können wir nicht mehr die volle Leistungsfähigkeit auf den Platz bringen. 

Klaus-Dieter Lübke Naberhaus

Sportarten: Handball, Eishockey, Fußball, Volleyball, Leichtathletik, Kampfsportarten

Kontakt:

+49 (0)341 23477343

+49 (0)151 42623048

k.luebke-naberhaus@die-sportpsychologen.de

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Anker setzen und Pendelübungen

Wenn wir sogenannte Anker setzen, Bezugspunkte haben, um unsere abschweifenden Gedanken loszulassen und zu unserem Fokus zurückzufinden, dann ist dies hilfreich. Und das sind ganz einfache Dinge, wie z.B. ein bestimmter Punkt an der Wettkampfkleidung, der mich dabei unterstützt, bei aufkommenden abweichenden Gedanken zurück ins Hier und Jetzt zu gelangen. Ein konkretes Beispiel ist das Patch am Oberarm, die Werbung auf der Brust oder die Nahtkante am Unterrand des Trikots. Die Kontaktaufnahme mit dieser auserwählten Stelle soll mich selbst daran erinnern, mich wieder voll auf die jetzige Aufgabe zu fokussieren. Der „Hier und Jetzt-Punkt“ kann jederzeit, ohne dass es jemanden auffällt, genutzt werden und durch die taktile Berührung des Ankers speichert unser Gedächtnis diesen Punkt als Unterstützung zur Aufmerksamkeitslenkung. Und auch hier bestimmt die Übung den Meister. Je öfter ich diesen Punkt nutze, trainiere, desto effektiver kann er auch in schweren Situationen eingesetzt werden.

Doch auch so genannte Pendelübungen sind einsetzbar, gerade wenn es um emotional stark beladene Situationen geht, wenn die Emotionen sozusagen „überkochen“. Dann braucht es einen Regulator, damit ich aus der Situation der emotionalen Überwältigung herauskomme und meine Handlungsfähigkeit mit relativ klarem Kopf zurückerlange. Pendelübung deshalb, weil ich aus mir heraus meine Gedanken auf einen neutralen Gegenstand, wie etwa den Ball, das Trikot des Gegenspielers oder ein Element des Stadions richte. Kurz ein, zwei sachliche Merkmale beschrieben, wie zum Beispiel „der Ball ist rund und schwarz-weiß“ – und schon bin ich aus der Emotion und den nachfolgenden reduzierten Handlungsweisen wie Angriff, Flucht und Schockstarre heraus. Diese Emotionen spielen sich auf der Ebene meines Hirnstammes ab, der entwicklungsgeschichtlichen alten Struktur unseres Gehirns. Genau da wollen wir aber nicht hin, stattdessen leiten wir die Gedanken auf die Ebene des rationalen Bewusstseins – damit werden wir wieder handlungsfähig.

Kathrin Seufert

Sportarten: Fußball, Schwimmen, Eishockey, Basketball, Schießsport, E-Sports aber auch offen für alle anderen Sportarten

Kontakt:

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k.seufert@die-sportpsychologen.de

Zum Profil: https://www.die-sportpsychologen.de/kathrin-seufert/

Das Stoppschild

Für diejenigen unter euch, die sich ihrer Gedankengänge noch nicht wirklich bewusst sind, kann es helfen, diese zunächst aufzuspüren und zu bewerten, inwieweit diese förderliche oder hinderlichere sind. Notiere dir dafür alle Gedanken, bei denen du glaubst, dass sie dich nervös machen oder dich von deiner vollen Leistungsfähigkeit abbringen. Nutze die Gelegenheit und formuliere für diese „ungünstigen“ Gedanken positive hilfreichere Gedanken, Sätze oder Symbole. Nehmen wir uns das Beispiel von Joshua Kimmich dafür noch mal zur Hand: Vor dem entscheidenden Spiel hat er das Gefühl, bei der bevorstehenden Geburt eventuell nicht dabei sein zu können. Dieser Umstand beschäftigt ihn. Dass diese Gedanken im Endspiel um den DFB Pokal eher als ungünstig bezeichnet werden müssen, ist selbstredend.

Stattdessen muss er versuchen, diese Gedanken beim Aufkommen zu stoppen. Die Vorstellung eines imaginären Stoppschildes aus dem Straßenverkehr ist dafür eine geeignete Variante. Nachdem mit Hilfe dieser Vorstellung die sportlich „hinderlichen“ Gedanken gestoppt wurden, kann die Ausrichtung wieder auf die Zielfokussierung erfolgen. Der Satz, „Ich spiele diese 90 Minuten, für meine Mannschaft, für mich, für meine Freundin und unseren Kleinen, damit ich ihm als Pokalsieger bald auf der Welt begrüßen kann,“ kann der entgegengesetzte positive Satz oder Gedanke sein. Wie gut das funktionieret hat, erfahrt ihr übrigens in der ZDF-Doku.

Hinweis

Unsere Kollegen (zur Übersicht) und wir, Klaus-Dieter Lübke Naberhaus (zum Profil) und Kathrin Seufert (zum Profil), helfen dir gern dabei, die für dich passende Technik zu finden, um deine Aufmerksamkeitslenkung in die richtigen Bahnen zu lenken. Vielleicht ist die Sommerpause eine wunderbare Gelegenheit, um dafür den Grundstein zu legen. Nimm gern Kontakt auf!

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Gastbeitrag: Von Widerstandskraft bis Depression – Wie sich Rassismus auf die Psyche von Fussballspielern auswirkt

Immer wieder erreichen uns von Die Sportpsychologen Medienanfragen. Gern vermitteln wir unsere Experten für TV-Produktionen, Hintergrundrecherchen und Interviews. Einfach deshalb, weil noch so viel Aufklärungsarbeit rund um sportpsychologische Themen getan werden muss. An dieser Stelle verweisen wir auf einen Beitrag des Fußballblogs Miasanrot und den tollen Beitrag, den die Autorin Katrin Figge auf Basis eines Interviews mit Uwe Knepel (zum Profil auf Die Sportpsychologen) veröffentlicht hat.

Gastbeitrag von Miasanrot: VON WIDERSTANDSKRAFT BIS DEPRESSION – WIE SICH RASSISMUS AUF DIE PSYCHE VON FUSSBALLSPIELERN AUSWIRKT

Auch in der Bundesliga setzen Spieler und Vereine Zeichen gegen Rassismus und unterstützen die Black-Lives-Matter-Bewegung, die ihren Ursprung in der afroamerikanischen Gemeinschaft in den USA hat und Gewalt gegen Schwarze und People of Color bekämpft.

Diese Solidarität ist extrem wichtig – und lange überfällig. Auch Rassismus im Fußball ist leider kein neues Phänomen: Schmähgesänge und Beleidigungen auf dem Platz und im Stadion gibt es immer wieder. Es hat durchaus Fortschritte gegeben in den vergangenen Jahren, wie beispielsweise die zahlreichen „Fanprojekte“, für die Fußballfans mit professionellen Sozialarbeitern zusammenarbeiten.

Dennoch war es in der Vergangenheit oft so, dass die die Fußballer, die sich öffentlich gegen Rassismus ausgesprochen haben, oft diejenigen waren, die selbst Rassendiskriminierung zum Opfer gefallen sind, ob in ihrem Alltag oder im Stadion.

Der Berliner Sportpsychologe Uwe Knepel, der unter anderem im Nachwuchsleistungszentrum des Fußball-Bundesligisten Hertha BSC aktiv ist, sagt, dass die Auswirkungen auf die Psyche eines Spielers, der rassistischen Beleidigungen oder Anfeindungen ausgesetzt ist, von unterschiedlichen Faktoren abhängen.

„Zum einen geht es um die Häufigkeit, also die Anzahl der erlebten Wiederholungen, die man in so einem Fall betrachten muss, und zum anderen um die eigene psychische Widerstandskraft, die sogenannte Resilienz,“ erklärt Knepel. „Die eigene individuelle Vorgeschichte spielt immer eine Rolle.“

Was passiert also mit einem Fußballer, wenn er auf dem Platz rassistisch beleidigt wird, sei es von Fans, anderen Spielern oder Offiziellen?

„Kurzfristig, in der Situation, ist es zunächst einmal eine riesige Ablenkung für den Spieler, der das gedanklich mit sich trägt und sich vielleicht nicht mehr hundertprozentig auf das Spiel konzentrieren kann,“ sagt Knepel.

„Einige werden vielleicht gereizt oder empfinden einen emotionalen Schmerz und suchen nach Möglichkeiten, um sich zu entladen. Zum Beispiel kann es dazu führen, dass der Betroffene ruppig spielt oder viele Fouls begeht, oder Getränkekisten in die Gegend wirft. Oder man ist nicht mehr im Spiel, und auf einmal funktioniert nichts mehr. Im schlimmsten Fall ist es so, dass wirklich gar nichts mehr geht, oder dass aufgrund eines groben Fouls eine rote Karte kommt – einiges davon ist ja auch in der jüngsten Vergangenheit schon passiert.“

Im Extremfall kann natürlich auch eine Depression die Folge sein

Langfristig jedoch kann es zu weitaus gravierenderen Folgen kommen. Laut Knepel haben Studien gezeigt, dass sich bei Jugendlichen nach länger anhaltenden und sich immer wiederholenden Feindseligkeiten häufig Verhaltensauffälligkeiten gezeigt haben.

„Da gibt es Veränderungen im Verhalten allgemein, aber es können auch depressive Symptome wie anhaltende Müdigkeit, erhöhte Reizbarkeit oder Schlafstörungen auftauchen,“ erklärt der Sportpsychologe. „Im Extremfall kann natürlich auch eine Depression die Folge sein – und für einen Fußballer oder Sportler kann das im schlimmsten Fall bedeuten, dass er aufhören muss.“

Wenn ein Fußballer während eines Spiels rassistischen Beleidigungen ausgesetzt ist, so muss er diesen Reiz von außen zunächst realisieren und für sich bewerten – dies ist etwas, was in der Regel sehr schnell und automatisch geschieht.

„Es ist ja nicht so, dass ein Spieler sich dazu entscheidet, jetzt wütend, traurig oder ängstlich zu werden, sondern das passiert ganz automatisch,“ sagt Knepel. „Hier gibt es mithilfe sportpsychologischer Maßnahmen und Techniken Möglichkeiten, Prozesse zu wiederholen und auch Verhaltensziele mit den Sportlern zu erarbeiten, damit sie sich selber darüber im Klaren sind, wie sie in so einer Situation eigentlich reagieren wollen. Das kann trainiert werden.“

Es geht um mehr als nur den Preis für Fair Play

Die Betroffenen haben auch die Möglichkeit, sich direkt oder über den Mannschaftskapitän an die Offiziellen oder die Bank zu richten und damit den Drei-Punkte-Plan der Fußballverbände in Gang zu bringen. Das dreistufige Verfahren reicht von einer Unterbrechung bis zum vollständigen Abbruch einer Partie.

„Das ist schon einmal ein Schritt in die richtige Richtung, aber natürlich muss man auch erst einmal sehen, ob dieser Drei-Punkte-Plan langfristig etwas bringt,“ sagt Knepel. „Dazu müsste man zunächst Ergebnisse und Informationen sammeln und auswerten, um ein Urteil darüber fällen zu können. Als Mannschaft geschlossen vom Feld zu gehen, ist in der Jugend schon passiert, aber das wurde am Ende am grünen Tisch gegen sie entschieden. Das muss man leider auch berücksichtigen, dass es eben um mehr geht als nur den Preis für Fair Play.“

Das Wichtigste für einen Spieler, so Knepel, ist es, ein gutes und funktionierendes Netzwerk zu haben, das sie auffängt – von Vertrauenspersonen im Team und Verein über Sportpsychologen bis hin zu Familie und Freunden. Dabei ist es aber nicht unbedingt so, dass jeder Fußballverein sportpsychologische Betreuung anbietet.

„Es gibt Spieler, die haben ihre eigenen Sportpsychologen und machen das privat, aber es gibt auch Vereine, die stellen Sportpsychologen,“ erklärt Knepel. „Es soll auch welche geben, die haben gar keine. Natürlich wäre es eigentlich vorteilhaft, aber leider ist die ‚Laiensicht‘ auf den Sportpsychologen häufig noch vorbelastet, vor allem im Fußball. Das ist noch Aufklärungsarbeit, die geleistet werden muss.“

Uwe Knepel

Sportpsychologe aus Berlin

Sportarten: Fußball, Futsal, Basketball, Tennis, Hockey, Triathlon, Handball, Schwimmen, Wasserball, Boxen, Volleyball, Faustball, Radsport, Motorsport, Leichtathletik, Klettern

Kontakt

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Der Sport allein wird nicht reichen

Es sind aber nicht nur Situationen im Alltag oder auf dem Platz, in denen der Fußball mit Rassismus zu kämpfen hat. Seit dem Aufstieg der sozialen Netzwerke gehört es beinahe wie selbstverständlich für einen Fußballer dazu, auf Plattformen wie Instagram, Facebook, Twitter oder TikTok aktiv zu sein. Das hat aber nicht nur Vorteile – es öffnet den Raum zu Online-Bashing.

„Rassistische Anfeindungen im Netz können ähnliche Auswirkungen haben wie auf dem Platz, obwohl hier der Unterschied ist, dass man sich besser mit der Situation arrangieren kann, da der Fußballer sich in dem Moment nicht auf dem Spielfeld befindet,“ sagt Knepel. „Man kann sich ja zum Beispiel bewusst dazu entscheiden, ein oder zwei Tage vor einem Spiel nicht mehr online zu gehen, um keine Kommentare lesen zu müssen.“

Um langfristig und effektiv gegen Rassismus im Fußball – und natürlich in der kompletten Gesellschaft – vorgehen zu können, muss noch mehr Aufklärung in der Bildungsarbeit passieren, so Knepel.

„Wir sind uns alle einig, dass es wichtig ist, dass in dem Bereich etwas passiert, und dass es auch durchdacht sein muss, um langfristige Wirkung zu haben. Das geht natürlich über den Sportbereich hinaus, da es nicht nur ein sportliches, sondern ein gesellschaftliches Phänomen ist, und da muss sich auch die Politik drum kümmern,“ sagt er.

„Wichtig ist, dass das Thema an- und ausgesprochen und nicht totgeschwiegen wird. Solange diese Ungerechtigkeit herrscht, müssen wir das Thema aktuell halten, und durch Bildungsarbeit eine andere Richtung einschlagen – in voller Breite, nicht nur im Sport, denn das wird nicht reichen.“

Hinweis: Erschienen ist der Text im Original am 25. Juni 2020, genau hier: https://miasanrot.de/wie-sich-rassismus-auf-die-psyche-von-fussballspielern-auswirkt/

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DVD: Alles geschieht im Kopf (Jürgen Walter)

Der 65-min. Film zur Praxis der Sportpsychologie „Alles geschieht im Kopf“ zeigt anhand vieler Praxisbeispiele sportpsychologische Interventionsmögichkeiten und soll das Image der Sportpsychologie verbessern.

Mitwirkende u.a. Mats und Jonas Hummels, Frank Busemann, Christian Keller, Patrik Kühnen, Peter Neururer, Claus-Dieter Wollitz u.a.

„…kann ich dir zu deinem Film ruhigen Gewissens gratulieren. Finde diese Art der Vermittlung von sportpsychologischer Arbeit sehr passend für unsere Zeit und auch die Themenwahl gefällt mir. Toll ist natürlich, dass dir so bekannte und glaubwürdige Sportler und Trainer zur Verfügung gestanden sind.

Besonders wichtig erscheinen mir die guten und sehr interessanten Beispiele, wie zum Teambuilding, die den Zuseher erleben lassen, wie so etwas ablaufen kann und auch die ruhige Arbeitsweise des Psychologen gut abbilden“.

TONI INNAUER, SKISPRINGEN, GOLDMEDAILLENGEWINNER

Der Film wurde erstmalig am 26. März 2016 im BR ausgestrahlt und mehrfach in den ARD-Programm wiederholt.

Preis

DVD „Alles geschieht im Kopf“, 65. Min.

29,95 EUR (zzgl. Versand)

(mit Vorführrechten 99,00 EUR)

Bestellung

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    Lehren aus der “Geistersaison”: Matthias Ginters Studie, Vereinsbosse als Gatekeeper für Sportpsychologen und über das Finden des passenden Experten

    Menschenleere Stadien. Dieses Bild wird bleiben, wenn auf die Bundesliga-Saison 2019/2020 zurückgeblickt wird. Aber wie sehr hat die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen für Fans und Vereine den Sport verändert? Erleben wir aktuell den Start eines Booms der Sportpsychologie? Und wie können die vielen Profis und Vereine, die dem möglichen Trend nach besserer psychologischer Betreuung folgen wollen, fündig werden? Nicht zuletzt: Darf bei der Bewertung der Leistungsentwicklung des FC Schalke 04 die Rolle des Sportpsychologen außen vor gelassen werden?

    Interview mit Dr. Jan Rauch, Prof. Dr. Oliver Stoll, Ilias Moschos, Janosch Daul, Anne Lenz, Kate Seufert und Anke Precht 

    Im Frühjahr wurde das Thema „Einfluss der Fans“ sehr kontrovers diskutiert. Was haben die Geisterspiele – quasi als Experiment unter Laborbedingungen – nun für eine Erkenntnis hervorgebracht: Haben Fans im Profi-Fußball nun Einfluss auf das Geschehen auf dem Platz? 

    Dr. Jan Rauch (zur Profilseite): Aus meiner Sicht haben die Fans grundsätzlich natürlich schon einen Einfluss. Die Richtung des Einflusses (also eher positiv richtung Leistungssteigerung vs. eher negativ) ist aber sehr individuell ausgeprägt. Es wird Spieler geben, die sich gefreut haben, ohne den “Druck” der Fans agieren zu können und andere, denen ein Teil der Motivation wegfiel. Da man davon ausgehen darf, dass sich solche Ausprägungen über die Mannschaften etwa ausgleichen, sehe ich keine Wettbewerbsverzerrung. 

    Prof. Dr. Oliver Stoll (zur Profilseite): Kürzlich habe ich im Deutschlandradio im Sportgespräch mit Matthias Ginter von Borussia Mönchengladbach gehört, dass es in der Corona-Zeit Forschung gegeben hätte, die den Einfluß der Fans belegen würde. Mir ist keine Studie über den Weg gelaufen gekommen – ist ja vielleicht auch erst ein Pre-Print 😉 Aber auch das hätte ich eigentlich finden müssen. Anyway – mein Bauchgefühl sagt mir… sportlich betrachtet – alles wie vor Corona!    

    Ilias Moschos (zur Profilseite): Natürlich hat das Fanverhalten in einem bestimmten Maß Einfluss auf das Geschehen auf dem Platz. Fanverhalten kann aktivierend aber auch hemmend wirken. Was das Fanverhalten allerdings nicht schafft ist, fehlende Qualität auszugleichen. 

    In den vergangenen Wochen konnten wir das Gefühl bekommen, dass auch in den Topligen, u.a. durch die Verpflichtung von Philipp Laux bei Borussia Dortmund, die Bedeutung der Sportpsychologie wächst. Täuscht das oder ist Bewegung im Markt?

    Prof. Dr. Oliver Stoll (zur Profilseite): Unstrittig ist, dass Sportpsychologie – auch im professionellen Fußball etwas beizutragen hat – ich vermute aber eher, dass diese Wahrnehmung eine Einzelwahrnehmung ist – und nicht für “Dynamik” im Markt spricht.

    Dr. Jan Rauch (zur Profilseite): Ich mache gerade die Erfahrung, dass der Einbezug von Sportpsychologen/-innen im Profifussball (noch stärker als in anderen Sportarten) von einzelnen Entscheidungsträgern (Sportchef, Trainer, Präsident) geprägt ist – und leider nicht von einem dynamischer werdenden Markt.

    Ilias Moschos (zur Profilseite): Zum Einen hängt vieles von den Verantwortlichen in den Vereinen ab, zum anderen spielt auch die Kompetenz und Professionalität der Sportpsychologen eine große Rolle. Da klafft oft zwischen Theorie und Praxis ein großes Gap. Wir sollten da auch so offen sein und bestehende Seilschaften benennen. Manche Beauftragung findet genau aus dem Grund statt. Ich persönlich halte die Aktion für ein Strohfeuer, da nach wie vor die Sportpsychologie nicht das erforderliche Standing hat. 

    Mit Sascha Lense ist im vergangenen Sommer ein Sportpsychologe zum FC Schalke gewechselt. Ein Verein, der gerade im Jahr 2020 wie ein taumelnder Boxer unterwegs ist. Böse gesagt, wenn die sportliche Entwicklung für einen Sportpsychologen zeugnisrelevant wäre, dürfte die Versetzung als gefährdet gelten. Aber so einfach ist es nicht, oder?

    Prof. Dr. Oliver Stoll (zur Profilseite): Eines der größten Missverständnisse zu unserer Arbeit. Unsere Arbeit rein am sportlichen Erfolg zu messen, ist kurzfristig, unrealistisch und verkennt ein humanistisches Menschenbild.

    Janosch Daul (zur Profilseite): Den Ergebniserfolg eines Teams, beispielsweise greifbar am Tabellenstand, insbesondere in einer hochkomplexen Spielsportart wie dem Fußball als Bewertungsgrundlage für die Arbeit eines Sportpsychologen heranzuziehen, ist mehr als fragwürdig. Selbst dem Trainer als Hauptverantwortlichen wird aus meiner Sicht ein zu großer Einfluss auf das Endergebnis eines Teams unterstellt, welches im Fußball ja aus über zwei Dutzend autonomen Individuen besteht. Insbesondere im Vergleich zu CEOs mächtiger Wirtschaftsunternehmen – das belegen die Zahlen – werden Trainer viel öfter für fehlende Ergebnisse verantwortlich gemacht und rigoros ausgetauscht. Ein langfristiger Effekt ist oftmals nicht gegeben. Vielmehr ist ein Ergebnis im Fußball von zahlreichen Faktoren abhängig und nicht wenige von ihnen sind sowohl für einen Trainer als auch einen Sportpsychologen kaum kontrollierbar – beispielhaft seien strittige Elfmeterentscheidungen genannt.

    Will insbesondere die Vereinsführung die Leistung eines Sportpsychologen bewerten, muss sie sich ganzheitlich mit dem Wirken des Sportpsychologen auseinandersetzen und versuchen, ein möglichst ganzheitliches Bild zu kreieren. Dabei müsste sie systematisch Einblicke in die Arbeit des Sportpsychologen über die gesamte Saison hinweg erhalten. Eine unabdingbare Voraussetzung, um diese Eindrücke dann auch interpretieren und letztlich eine Bewertung vornehmen zu können, besteht darin, dass die Vereinsführung selbst über (sport)psychologisches Know-How verfügen muss. Aber: Die Leistung eines Sportpsychologen wird – wie die eines Trainers – (in naher Zukunft) nie objektiv messbar sein.

    Für Medien und Fans ist die Leistung eines Sportpsychologen aus meiner Sicht keinesfalls beurteilbar; schließlich nehmen sie ausschließlich eine Außenperspektive ein, haben keine Einblicke in das tatsächliche Wirken des Sportpsychologen und gelangen höchstens vereinzelt an gewisse Infos aus dem inneren Zirkels des Systems “Team”, was aber keinesfalls eine Bewertungsgrundlage darstellen kann.

    Anne Lenz (zur Profilseite): Die Leistung eines Sportpsychologen kann (wenn überhaupt) von direkt betreuten Sportlern und Trainern durch den Mehrwert der Betreuungs- & Beratungstätigkeit bemessen werden. Dieser Mehrwert ist für jeden Sportler/Trainer genauso hoch individuell, wie das eigene Anliegen der Zusammenarbeit. Die Wirksamkeit eines Sportpsychologen sollte nicht an Tabellenpositionen abgelesen werden, sondern an der Ausschöpfung und Weiterentwicklung des individuellen Potenzials des Sportlers/Trainers/Teams. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass in einer professionellen sportpsychologischen Betreuung die Verantwortung für die eigenen Fortschritte auch bei Sportlern und Trainern liegen & ein ausgeprägtes Commitment für eine leistungsstarke Zusammenarbeit unabdingbar ist. 

    Wann wäre der richtige Zeitpunkt, sich einen Sportpsychologen mit ins Boot zu holen? Und wie sollten Vereine scouten oder wen sollten die Manager fragen?

    Anke Precht (zur Profilseite): Der Sportpsychologe kann von Beginn an in die Prozesse eingebunden werden: Scouting, Kommunikation, Teambuilding. Am besten frühzeitig. Sonst: Lieber spät als gar nicht. 

    Kathrin Seufert (zur Profilseite): Die Einbettung eines Sportpsychologen/in erfolgt bestenfalls zu Beginn einer neuen Saison. So haben Spieler und Trainer gleich die Gelegenheit, diese Facette der Entwicklungsmöglichkeit von Anfang an mit in die Abläufe zu integrieren. Neben dem Kennenlernen des großes Spektrums an Möglichkeiten, die die Sportpsychologie bietet, sind es zu Saisonwechsel ja auch andere personelle Veränderungen, so dass es eine Gruppe “Neuer” gibt. Auch zur Winterpause ist ein Einstieg sicherlich möglich. Das Einsetzen eines Sportpsychologen/in als “Feuerwehrmann/frau” halte ich hingegen für nicht zielführend.

    Janosch Daul (zur Profilseite): Der Sportpsychologe als Teil des Trainerteams hat zumeist zwei Aufgaben. Auf der einen Seite geht es darum, durch ein systematisches und strukturiertes Vorgehen die Beteiligten des Systems Team auf individueller Ebene dabei zu unterstützen, mentale Leistungsressourcen auszuschöpfen. Und auf der anderen Seite das Trainerteam fachkundig dabei zu beraten, wie dieses – insbesondere durch das Schaffen passender Rahmenbedingungen – aus individuellen Höchstleistern ein funktionierendes Team entwickeln kann. 

    Um diesen Aufgaben gerecht werden zu können, braucht es die Einbindung des Sportpsychologen in alle wesentlichen Teamprozesse ab Beginn des Vorbereitung. Nur so kann er sich den so wichtigen Überblick über das System Team – z.B. die Persönlichkeiten, wesentliche Abläufe, Strukturen etc. – verschaffen, um dann wirkungsvoll intervenieren zu können. Wenn möglich, wird er sogar in den vor der Saison so bedeutsamen Scoutingprozess eingebunden, der die Teamzusammenstellung maßgeblich beeinflusst.

    Ilias Moschos (zur Profilseite): Wann der richtige Zeitpunkt ist? Immer!

    Viele Profis stehen in den kommenden Wochen bis zum Ende der ausgeweiteten Transferperiode vor einer großen Unsicherheit. Nicht wenige sind ohne Verein. In welcher Form kann die sportpsychologische Betreuung in einer solchen Phase helfen? Wie sollten sich die Kicker oder auch Trainer ihren persönlichen Sportpsychologen aussuchen, wenn ihnen gerade keiner empfohlen wird oder sie Hemmungen haben, sich mit den ggf. im Verein oder dem Ex-Verein beschäftigten Kollegen anzuvertrauen?

    Anke Precht (zur Profilseite): Die meisten Profis suchen sich ihren Sportpsychologen auf Empfehlung. Dass heißt, sie fragen Kollegen aus dem Verein. Die meisten sind gut vernetzt. Wenn nicht, kann auch die Recherche im Internet, zum Beispiel bei “Die Sportpsychologen” (zur Übersicht) helfen. Einfach mit ein paar Kollegen telefonieren. Fußballer merken, wo es eine Passung gibt. Sich den Sportpsychologen selbst aussuchen zu können, ist oft auch eine Chance, nicht wenige Profis machen das ja sowieso schon zusätzlich. Der freie Sportpsychologe ist dem Verein nicht verpflichtet und kann den Spieler weiter über den Tellerrand schauen lassen, was zum Beispiel die Wahl des nächsten Arbeitgebers angeht. 

    Kathrin Seufert (zur Profilseite): Die Sportpsychologie kann dazu beitragen, diese Unsicherheit besser aushalten zu können, bzw. sich dem Thema mit einem Perspektivwechsel anders anzunehmen. Die Möglichkeiten sind vielfältig und individuell sehr gut anpassbar. Auf der Suche nach einem geeigneten Sportpsychologen/in ist die Experten-Datenbank des bisp oder unsere Seite von die-sportpsychologen.de (zur Übesicht der Profilinhaber) eine gute Anlaufstelle. Ein erstes Kennenlernen zeigt dann vielleicht schon, ob die “Chemie stimmt” und die Grundlagen zur Vertrauensbildung vorhanden sind. Sorgen und Ängste bezüglich der Konsultation eines solchen Experten dürfen sehr gerne angesprochen werden und können bestenfalls gleich beim ersten Treffen aus dem Weg geräumt werden.

    Ilias Moschos (zur Profilseite): Die Empfehlung ist das, wonach sich Profis ihren Kooperationspartner aussuchen. Sie tauschen sich untereinander aus und erfahren so “aus erster Hand”, wer vertrauenswürdig, loyal, seriös und kompetent ist.

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