Dr. René Paasch: Mentaltrainer oder Sportpsychologe?

Die Fußball-Europameisterschaft hat nicht zuletzt eines gezeigt: Die Sportpsychologie ist längst zu einem Trendthema der kickenden Elite geworden. Nicht nur, dass ZDF-Experte Oliver Kahn in jedem zweiten Satz die Bedeutung des Kopfes, mentale Aspekte oder das sperrige Wort Sportpsychologie maltretierte. Nein, spätestens seit der Grußnote des portugiesischen Finaltorschützen Éder, der seinen Treffer zum entscheidenden 1:0 seiner “Mentaltrainerin” widmete, dürfte der letzte Fußballer auf die Idee gekommen sein, dass der Kopf nicht nur als Bühne für mehr oder weniger schöne Frisuren dient, sondern zum trainierbaren Equipment zählt. Gehen wir also davon aus, dass nun der ein oder andere Kicker nach sportpsychologischen Angeboten sucht, wird es in Deutschland schnell unübersichtlich. Dies fängt schon bei der Frage an, ob sich der Athlet besser an einen Sportpsychologen/in oder eine (Sport-)Mentaltrainerin/Mentaltrainer wenden solle?

Zum Thema: Worin liegt der Unterschied zwischen (Sport-)Mentaltrainerin/Mentaltrainer vs. Sportpsychologe/in?

Oft werden diese Bezeichnungen synonym verwendet und rechtlich sind beide in Deutschland aktuell noch nicht geschützt. Der Unterschied liegt in den unterschiedlichen Qualifikationen dieser Personengruppen. Dazu später mehr, vorab aber noch eine wichtige allgemeine Abgrenzung: Athlet/innen müssen weder auf die Couch, noch reden wir hier über psychische Erkrankungen. Solche Erkrankungen obliegen dem Psychologischen Psychotherapeuten und dieser wird als enger Partner im Notfall hinzugezogen.

Im Sport wird vielmehr gezielt mental trainiert und an psychischen Kompetenzen gearbeitet und das über einen längerfristigen Zeitraum. Sportpsychologie ist vielfach nichts anderes als Krafttraining für den Kopf. Ausgebildete Experten unterstützen Athletinnen und Athleten u.a. bei einem gezielten und geplanten Training der Psyche in Training und Wettkampf.  

Sportpsychologen/innen

Für Sportpsychologen/innen gelten folgende Richtlinien der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp):   

  •         Sie besitzen einen universitären Ausbildungsabschluss auf Diplom oder Masterniveau (i.d.R. Psychologie oder Sportwissenschaft oder einer Kombination dem Masterabschluss Sportpsychologie).
  •         Sie haben eine postgraduale Weiterbildung im Bereich Sportpsychologie absolviert z.B. über  Weiterbildungscurricula der asp Sportpsychologie im Leistungssport bzw. Sportpsychologie im Gesundheitssport.
  •         Ihre Expertise ist durch ihren Ausbildungshintergrund (Universitätsabschluss plus Weiterbildungscurricula), Supervision und Praxiserfahrung begründet und eindeutig nachvollziehbar.
  •         Ihre Arbeitsweise in der sportpsychologischen Betreuung ist klar, transparent und wissenschaftlich fundiert. Das heißt: Alle Methoden und Techniken sind dem Klienten bekannt, bevor sie angewendet werden und können i.d.R. durch wissenschaftliche Befunde erklärt werden.
  •         Innerhalb der Beratung passiert nichts, was der Klient nicht möchte und nichts, was nur durch Magie oder ähnliche übersinnliche Kräfte zu erklären ist.
  •         Die Philosophie der sportpsychologischen Betreuung lautet Hilfe zur Selbsthilfe. Der Klient sollte im Verlauf der Zusammenarbeit die mentalen Techniken immer besser selbständig anwenden können und die sportpsychologische Betreuung soll eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverantwortung unterstützen. Deshalb werden zu keinem Zeitpunkt Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Klienten und sportpsychologischen Expert/innen etabliert bzw. gefördert. (http://www.asp-sportpsychologie.org/content.php?cont=181, Zugriff am 11.07.2016):

Sportpsychologen/innen beschäftigen u.a. mit folgenden Themen:  

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Abbildung 1: Tätigkeitsfelder angewandte Sportpsychologie, Paasch, R. (2016)

Mentaltrainern/in

Sie weisen zum Teil weder einheitliche Qualifikationsstandards, noch ethische Arbeitsgrundsätze zum Selbstverständnis in Beratung und Coaching auf. Daher sind der Ausbildungshintergrund, Qualifikationen und Haltung zur sportpsychologischen Tätigkeit innerhalb dieser Personengruppe stark schwankend. Hinzu kommt, dass sich jede/r Mentaltrainer/in nennen darf. Unabhängig davon, ob diejenige Person seit mehreren Jahren in der Praxis aktiv ist oder nur im Rahmen eines Wochenendkurses Grundlagen gelernt hat. Des Weiteren gibt es  keine offizielle Gebührenordnung zu den Kosten des Mentaltrainings, hingegen weisen Sportpsychologen diese auf (GOSP, 2012). Die GOSP wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp), der Zentralen Koordinierungsstelle Sportpsychologie (ZKS) und der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) festgelegt. Die darin enthaltenen Honorare stellen keine rechtliche Verpflichtung dar, sondern definieren einen gewünschten Standard.

“Ich widme das Tor meiner Mentaltrainerin

Eder, Portugals Siegtorschütze (EM 2016) 

Wie finde ich einen Sportpsychologen/in vs. Mentaltrainer/innen?

Die Expertendatenbank auf dem Sportpsychologie-Portal des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) sowie die-sportpsychologen.de/die-sportpsychologen.ch enthalten eine große Anzahl  qualifizierter Expertinnen und Experten für die sportpsychologische Betreuung im Leistungssport. Mit Hilfe dieser Datenbanken können Athletinnen und Athleten leicht zugänglich Kontakt aufnehmen. Alle Experten wurden nach klaren Kriterien in die Datenbank aufgenommen oder weisen einen Masterabschluss in der angewandten Sportpsychologie auf.

Demgegenüber ist die Weiterbildung zum Sport-Mentaltrainer (bspw. das IST-Diplom) leicht zugänglich (Schulabschluss und abgeschlossene Berufsausbildung). Berufserfahrungen werden nicht vorausgesetzt. Sie erhalten eine Hilfestellungen bei Aspekten wie Konfliktmanagement, Gruppenführung sowie Entspannungstechniken. Die Weiterbildung Sport-Mentaltraining vermittelt berufsqualifizierendes Know-how in den Bereichen: Allgemeine Psychologie, Kommunikation und Gesprächsführung, Konfliktmanagement, Gruppenführung, Motivationstraining, Mentaltraining im Breitensport und Leistungssport. Bei Durchsicht der Studienhefte ist deutlich zu erkennen, dass die Inhalte nur einen  Teilbereich der Sportpsychologie abdecken – eben: Mentales Training.

Zusammenfassung

Schlussendlich entscheiden die Athletinnen und Athleten, welcher Dienstleister für Sie in Frage kommt. Grundsätzlich steht eines dabei nicht mehr in Frage: Sportpsychologie ist ein wichtiger Bestandteil des modernen Sports, genauso wie Athletik- und Taktiktraining, Ernährungsberatung oder Physiotherapie. Das Mentaltraining ist dabei ein Teilbereich der angewandten Sportpsychologie. Sie ist ein Baustein von vielen, der einen Beitrag leisten kann.  

 

Zu den Profilen von die-sportpsychologen.de:

http://www.die-sportpsychologen.de/die-sportpsychologen-2/

Zu den Profilen von die-sportpsychologen.ch:

http://die-sportpsychologen.ch/die-sportpsychologen-2/

 

Literatur

Beckmann, J., Elbe, A. (2011). Praxis der Sportpsychologie. Mentales Training im Wettkampf- und Leistungssport. Balingen: Spitta Verlag (2. erw. Auflage).

Internet:

http://www.asp-sportpsychologie.org/content.php?cont=181

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Prof. Dr. René Paasch
Prof. Dr. René Paaschhttp://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Volleyball, Hockey, Eishockey, Tennis

Gelsenkirchen, Deutschland

+49 (0)177 465 84 19

E-Mail-Anfrage an r.paasch@die-sportpsychologen.de

7 Kommentare

  1. Ich finde es sehr gut, dass Sie endlich einmal auch auf dem gebiet der Sportpsychologie Kriterien aufzählen, die einen Bezug zur wissenschaftlichen Psychologie aufweisen. Mentaltrainer sind in der Regel Scharlatane, die irgend eine pseudowissenschaftliche Sparte anbieten und nicht über die genügenden psychologischen Kenntnisse verfügen, um auf diesem Gebiet professionell zu beraten.
    Die Sportpsychologie ist wie die Orgpsychologie eine angewandte Wissenschaft. Um auf diesem gebiet kompetent arbeiten zu können, muss man sich in verschiedenen psychologischen Disziplinen zu hause fühlen. Seit es Sozialpsychologie(Kommunikation), sei es Kognitive Psychologie(Mentale Prozesse) Sei es Motivation und Persönlichkeitspsychologie(zB. Emotionale Kompetenz)Mannschaftssportler müssen ganz anders beraten werden als Einzelsportler. Auch da ergibt sich in der Sportpsychologie eine Differenzierung und Spezialisierung.
    Ich denke, dass auch der Sportpsychologe etwas von der Psychopathologie und psychotherapeutischen Interventionen verstehen muss, nicht nur Verhaltenstherapeutisch. ich persönlich bin sehr zufrieden, dass die wissenschaftliche Psychologie solche Fortschritte in der letzten Zeit gemacht hat, sodass immer mehr der Scharlatanerie ein Riegel vorgeschoben werden kann. Ich denke aber, dass noch sehr viel Arbeit geleistet werden muss. Ich finde Ihre Beiträge sehr oft erhellend und sie dienen der Aufklärung.
    Als ich vor 36 Jahren mit erfahrenen Trainern diese psychologisch weiterbildete, waren alle der Meinung, dass man die Psychologie als legales Doping gebrauchen kann. Heute sieht das Ganze schon anders aus. Die Psychologie ist eine Wissenschaft, die es den Trainern und Athleten ermöglicht, ihre Trainingsmöglichkeiten signifikant zu erweitern und dadurch die Leistung zu steigern.
    Im übrigen bin ich der Meinung, dass noch immer die Trainer zu wenig Bescheid wissen über Psychologie, vor allem in den Mannschaftssportarten. Hier sehe ich den grössten bedarf an Weiterbildung. Es ist eine Binsenweisheit, dass es nicht jedem gegeben ist, zur Wissenschaft Psychologie eine sachliche Beziehung aufzunehmen. Natürlich haben die Psychologen mit ihrem Auftreten auch ihren Anteil daran, dass das Image manchmal noch schlecht ist. Ich stelle fest, dass in den Therapien immer mehr Menschen kommen, die zuerst sich regelrecht einer psychoedukativen Kur unterziehen müssen, damit man optimal arbeiten kann. Der Klient muss verstehen, was er macht und kann sich nicht einfach passiv behandeln lassen. Er muss sich auch inhaltlich mit dem Angebot auseinandersetzen. Dann ist die Wirkung optimal. Dasselbe gilt auch für die Sportpsychologie.

    • Sehr geehrter Herr Miller,
      ihren Beitrag habe ich mit Genuss gelesen und stimme überein. Vor allem, wenn es darum geht, das Potenzial der Sportpsychologie einem durchschnittlichen Trainers einer Mannschaft, die sich in den unteren Ligen befindet, nahe zu bringen. Dort herrscht in der Tat Nachholbedarf. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

      Einen wundervollen Wochenstart wünsche ich,
      Pascal Kühner

      P.S. Was machen sie beruflich? Supervisor?

    • Sehr geehrter Herr Miller!
      Vielen Dank für Ihre ausführliche Nachricht. Wir sind froh u. dankbar dass Sie unsere Beiträge konstruktiv lesen u. an der Entwicklung u. Betrachtung der angewandten Sportpsychologie teilnehmen. Vielen Dank. Mit freundlichen u. kollegialen Grüßen aus Münster/Essen

  2. Guter Artikel, finde es gut das Mentaltraining immer mehr an Bedeutung gewinnt und mehr Leute davon erfahren. Welche Sportpsychologen können Sie empfehlen, und wo kann man sich zum Thema Sportpsychologie weiterbilden, würde mich gerne zu diesem Thema weiterbilden?

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