Erst vor kurzem war ich auf einer Veranstaltung eingeladen, die voll und ganz im Zeichen der digitalen Revolution stand. Neben einem Vortrag, den ich zu Digitalem Stress halten durfte, erfuhr ich auch wieder einiges über Trainingssimulationen von anderen Kollegen. Die gezeigten Erkenntnisse und Entwicklungsschritte in Bezug auf virtuelle Trainings ließen mich stutzig werden. Wenn es um Widerstandsfähigkeit und mentale Gesundheit geht, so geht es immer auch um analoge Bezugspersonen (Werner, 1977). Um zwischenmenschlichen Austausch und um Face-to-Face Kontakte. Mehr noch als um Face-time, wie sich die anwenderfreundliche IPhone Videotelefonie nennt – geht es um allgemeine Sicherheiten im Umgang mit digitalen Medien. Was in der Wirtschaft gilt, gilt nämlich auch im Sport: Verunsicherungen durch Technik verursachen das höchste Maß an digitalem Stress (Gimpel et. al., 2018). Auch im Sport sollten wir darüber Bescheid wissen. Schließlich geht es dabei einerseits um die mögliche Unzuverlässigkeit unserer (Tracking-)Geräte und andererseits um die nicht vorhersagbaren technologischen Entwicklungen. Warum sollten sie im Sport nicht auch zu Stress führen? Digitalen Stress verursachen? Wie kann ein heute noch analoger Coach dem entgegenwirken?
Zum Thema: Wie sollten Trainer reagieren, um nicht der digitalen Entwicklung zum Opfer zu fallen?
Mit Zwischenmenschlichkeit. Mit Wertschätzung. Mit Empathie. Und damit mit all dem, weshalb wir uns als Gattung Mensch an die Spitze der Nahrungskette reihen dürfen. Der Homo Sapiens beschreibt den Weisen – der Homo Digitalis hat in Bezug auf die Menschlichkeit immer noch einiges an Nachholbedarf.
Warum ist Zwischen-Menschlichkeit im Sport also so wichtig? Manfred Spitzer beschreibt diese kleinen zwischenmenschlichen Begegnungen als „Schmierstoff unserer Gesellschaft“ (Spitzer, 2018). Diesen sollten wir fördern und daher auch im Sport auf ein empathisches Miteinander setzen. Auch mal Lob den TeamkollegInnen gegenüber aussprechen, sich Feedback vom Trainer oder der Trainerin holen, Bezugspersonen in Ziele einbeziehen und auch während Wettkämpfen für Raum für Gespräche sorgen. Auch aus der Hirnforschung wissen wir, dass ein analoges Miteinander als einer der wichtigsten Faktoren für langfristige psychische und physische Gesundheit gilt (Spitzer, 2018).
Johanna Constantini
Sportarten: Pferdesport, Laufsport, Wintersport, u.a.
Kontakt: j.constantini@die-sportpsychologen.at
zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/johannaconstantini/
Inkompetenz reagiert – Kompetenz agiert
Im Umkehrschluss bedeutet ein höheres Selbstmanagement im Umgang mit digitalen Medien und neuen Technologien auch mehr Kompetenz und Wissen. Wissen ist auch Macht und nicht zu wissen, macht ohnmächtig! Welcher Verein, Verband oder Einzelathlet möchte im Umgang mit der digitalen Moderne schon gerne Passagier bleiben?
Die Maschinen und Technologien sollten dem Menschen dienen und nicht umgekehrt. Sodass der Mensch von dem Reagieren (wieder) in ein selbstständiges Agieren kommt. Wo sonst, wenn nicht im Sport sollten Individuen das Steuer selbst in die Hand nehmen können? Dabei nicht ausschließlich durch virtuelle Begleiter gelenkt werden, wo wir uns ohnehin so gerne tracken (was auch Vorteile mit sich bringen kann).
Fazit: Selbstmanagement und eine Ausgewogenheit zwischen Analog und Digital lautet die Devise.
Quellen:
Gimpel,H., Lanzl,J., Manner-Romberg,T. & Nüske,N. 2018. Digitaler Stress in Deutschland. Eine Befragung von Erwerbstätigen zu Belastung und Beanspruchung durch Arbeit mit digitalen Technologien. Universität Augsburg. Hans Böckler Stiftung Forschungsförderung Nummer 101
Spitzer, M. 2018. Die Smartphone-Epidemie: Gefahren für Gesundheit, Bildung und Gesellschaft. Stuttgart: Klett-Cotta
Werner, E. 1977. The Children of Kauai. A longitudinal study from the prenatal period to age ten. University of Hawai’i Press, ISBN 0-8248-0475-9.
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