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Prof. Dr. René Paasch: Humanistisches Coaching im (Leistungs-)Sport

Das Humanistische Coaching im Sport ist ein interessantes und aufstrebendes Gebiet. Im Fokus steht die Bedeutung des menschlichen Erlebens und der persönlichen und kollektiven Entwicklung. Aber: Egal ob in der Kita, in der Schule, im Studium, in den verschiedenen Ausbildungsberufen oder in den Trainerausbildungen im Sport – es findet wenig Berücksichtigung! Welche Ansätze gibt es, was sollten wir dazu wissen und wie können wir die theoretischen Ansätze in die sportliche Praxis überführen?  

Zum Thema: Ein integrativer Ansatz für mehr Menschlichkeit und individuelle/kollektive Potenzialentfaltung im (Leistungs-)Sport 

Der Gegenstand der Humanistischen Psychologie erschließt sich aus einer pointierten Essenz ihres Gründungsmitgliedes James Bugental: „Wir Humanistischen Psychologen sind es leid, Psychologen*innen zu sein, wenn Psychologie darin besteht, den Menschen als eine größere weiße Ratte oder einen langsameren Computer zu betrachten.“ (Bugental, J.: Challenges of Humanistic Psychology, New York 1967). 

Wie sehen Sie das? Ist unsere Disziplin ähnlich zu sehen und wenn ja, was sollten wir zukünftig verändern? 

Für mich spielen daher humanistische Menschenbilder und die Orientierung anhand gelebter Praktiken eine wichtige Rolle im Sport, da sie den Fokus auf die persönliche Entwicklung und das Wohlbefinden des Einzelnen legen. Treu dem Motto: 

„Die Theorie ist interessant und wichtig, aber am Ende des Tages haben Sinn, Verstehbarkeit und Handhabbarkeit im Feld eine größere Bedeutung.” 

Die Anwendung dieser Menschenbilder kann Ihnen dabei helfen, eine förderliche Umgebung zu schaffen, die es den/die Athleten*innen ermöglicht, sein/ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Nun möchte ich Sie einladen, an meinen Gedanken teilzunehmen!

Von Bedürfnissen und Empathie

Die Psychologen Abraham Maslow und Carl Rogers begleiten mich schon seit vielen Jahren in meiner Arbeit.  Was meine ich damit? Abraham Maslow war ein bedeutender Psychologe, der für seine Hierarchie der Bedürfnisse bekannt geworden ist. Dieser besagt, dass Menschen eine Reihe von hierarchischen Bedürfnissen haben, die sie antreiben – wie auch die Säulen der Selbstverwirklichung und Selbsttranszendenz. Obwohl Maslows Modell weit verbreitet ist, haben viele Forscher*innen und Psychologen*innen im Laufe der Zeit Erweiterungen und Modifikationen vorgeschlagen, um den ursprünglichen Rahmen zu ergänzen oder zu verbessern, wie bspw. die spirituellen-, kognitiven und ästhetischen Bedürfnisse, soziale Gerechtigkeit und Zusammenarbeit sowie kulturelle Unterschiede. Es ist wichtig anzumerken, dass diese Erweiterungen oft kontrovers diskutiert werden und nicht allgemein akzeptiert sind. 

Hingegen suggeriert Carl Rogers die Bedeutung von Empathie, positiver Wertschätzung und Echtheit in zwischenmenschlichen Beziehungen. Er entwickelte die personenzentrierte Begleitung, die darauf abzielte, dass sich Menschen selbst verwirklichen und ihr volles Potenzial entfalten können. Diese philosophische Denke ist meine Inspiration als (sport-)psychologischer Humanist. Obwohl Carl Rogers Ansatz selbst keine Erweiterungen seiner Methodik umfasste, wurden im Laufe der Zeit verschiedene Erweiterungen vorgeschlagen, um die Wirksamkeit zu verbessern oder sie auf verschiedene Anwendungsbereiche ausdehnen zu können (bspw. Focusing, Emotionale Fokussierung, Expressive Therapien, Gruppen- und Familientherapien und das Mindfulness). Diese Erweiterungen bieten verschiedene Herangehensweisen für unser Feld, jedoch sollten diese Bereiche von geschulten Kollegen*innen angeboten werden.  

Praktisches Beispiel nach Rogers: 

Sie betreuen einen Spieler bzw. eine Spielerin wegen „Angst vor Misserfolg“. Sie würden in diesem Fall einen sicheren Raum schaffen, in dem Ihr(e) Sportler*in ihre Gefühle und Gedanken ausdrücken können, ohne beurteilt zu werden. Sie hören aktiv zu, zeigen Verständnis und arbeiten mit Spiegelung der Gefühle des Gegenübers. Durch die empathische Unterstützung kann Ihr Gegenüber eine tiefere Selbsterkenntnis erlangen, seine/ihre Ängste besser verstehen und lernen, damit umzugehen. Der Fokus liegt darauf, dass der/die Sportler*in seine/ihre eigenen Lösungen entwickelt und seine/ihre persönliche Entwicklung vorantreibt.

Grundannahmen

Der Humanismus im (Leistungs-)Sport basiert aus meinen Erfahrungen heraus auf einer Reihe von Grundannahmen, die den Fokus auf den Menschen als Ganzes legen. Ein zentraler Aspekt des humanistischen Ansatzes ist der organismische-, konstruktivistische-, integrative und systematische Aspekt, der die Individualität jedes Individuums betont. Hier sind einige Anregungen, wie Sie als Trainer*in diese Grundannahmen auf den (Leistungs-)Sport übertragen können: 

Organismischer Aspekt im (Leistungs-)Sport

Die persönliche Entwicklung und das Wohlbefinden des Einzelnen sind ein zentraler Aspekt in diesem Abschnitt. Dies bedeutet, dass wir uns nicht nur auf die Leistung oder die Ergebnisse konzentrieren sollten, sondern auch darauf, dass die Athleten*innen als Menschen wachsen und sich weiterentwickeln dürfen. Sie können den/die Athleten*in dahingehend unterstützen, seine/ ihre Stärken zu entdecken, Ziele zu definieren und ihre Fähigkeiten auf und neben dem Spielfeld zu verbessern. Jede(r) Athlet*in ist einzigartig und hat unterschiedliche Bedürfnisse. Es geht darum, diese individuellen Bedürfnisse zu erkennen und darauf einzugehen. Sie können bspw. individuelle (kognitive) Trainingspläne entwickeln, um den Bedürfnissen jedes(r) Athleten*in gerecht zu werden, und sie ermutigen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und Verantwortung für ihre Entwicklung zu übernehmen. Weitere Anregungen finden Sie hier:

Des Weiteren liegt dieser große Wert auf positive und unterstützende zwischenmenschliche Beziehungen. Trainer*innen können eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit schaffen, in der/die Athleten*innen sich sicher fühlen, ihre Gedanken und Gefühle ausdrücken dürfen. Somit entwickeln Sie eine starke Beziehung zu Ihren Athleten*innen, verstehen sie und können individuell auf ihre Belange eingehen. Weiterführende Gedanken finden Sie hier:

https://www.die-sportpsychologen.de/wp-content/uploads/2018/08/ft18_0607_Paasch.pdf

Auch die Integration von körperlichem und geistigem Wohlbefinden spielt dabei eine Rolle. Es geht nicht nur darum, die körperliche Fitness und Leistung zu verbessern, sondern auch um die Förderung einer gesunden mentalen Einstellung. Sie können mit Unterstützung eines/einer Kollegen*in Techniken wie Mentales Training, Achtsamkeit und Stressbewältigung in den Trainingsalltag einbauen. Anregungen für die mentale Stärke finden Sie hier: 

Selbstverwirklichung im (Leistungs-)Sport 

Dieses Prinzip basiert auf der Grundannahme, dass Menschen den Wunsch in sich tragen, ihr volles Potenzial zu entfalten. Unterstützen Sie Ihre Athleten*innen daher, ihre eigenen Ziele zu definieren und zu verfolgen, somit können Sie ihre Selbstverwirklichung voranbringen. Auch das Angleichen mit Teamzielen ist ohne weiteres möglich. Dies bedeutet, dass die Ziele nicht nur von außen vorgegeben werden. Sich eigene Ziele zu suchen und sie mit Leidenschaft und Engagement zu verfolgen, befeuert die regelmäßige Ausschüttung von neuroplastischen Botenstoffen. Sie können somit den/die Athleten*innen Möglichkeiten bieten, neue Fähigkeiten zu erlernen, sich selbst herauszufordern und ihre Komfortzone zu verlassen. Sie können auch einen Raum schaffen, in dem Athleten*innen sich selbst reflektieren, aus Fehlern lernen und kontinuierlich an ihrer persönlichen Entwicklung arbeiten können. Eine unterstützende Umgebung wäre daher zu empfehlen, die von Vertrauen, Wertschätzung und positiver Unterstützung geprägt ist – dies kann die Selbstverwirklichung der Athleten*innen nachhaltig fördern. Schaffen Sie des Weiteren eine Atmosphäre, in der/die Athleten*innen sich sicher fühlen, ihre Fähigkeiten und Ideen ausdrücken dürfen, dies stärkt das Selbstvertrauen und ermutigt Ihre Schützlinge, Risiken einzugehen und ihr volles Potenzial zu entfalten. Selbstverwirklichung im Sport beinhaltet somit nicht nur die sportliche Leistung, sondern auch andere Aspekte des Lebens der Athleten*innen. Als Trainer*in sollten Sie die Ganzheitlichkeit im Blick haben und fördern, indem Sie darauf achten, dass die Athleten*innen ein ausgewogenes Leben führen: körperlich, geistig und emotional. Mehr zu den Themen Ziele und Selbstverwirklichung finden Sie hier:

Jede(r) Athlet*in ist einzigartig, daher ist es wichtig, individuelle Unterstützung und Coaching anzubieten. Nehmen Sie sich Zeit, um die individuellen Bedürfnisse, Stärken und Schwächen jedes(r) Athleten*in zu verstehen und maßgeschneiderte Hilfe zur Selbsthilfe anzubieten. Schaffen Sie eine Umgebung, in der Sie anleiten, regelmäßig Feedback erteilen und Mentoring anbieten. Mehr dazu finden Sie hier:

Der systematische Ansatz im (Leistungs-)Sport

Der systematische Ansatz im (Leistungs-)Sport bezieht sich auf die Betrachtung des Individuums als Teil eines größeren Systems, das verschiedene Einflussfaktoren auf die sportliche Leistung umfassen. Ich betrachte daher immer das sportliche und private Umfeld, als zwei wichtige Faktoren, die die Leistung beeinflussen können. Dies umfasst Aspekte wie das Trainingsumfeld, die soziale Herkunft und Werte, die Teamdynamik und das Teamverständnis, die Wettkampfbedingungen und die organisatorischen Rahmenbedingungen. Darüber hinaus sollten Sie die verschiedenen Komponenten, wie die körperlichen Fähigkeiten, technischen Fertigkeiten, taktisches Verständnis, psychologische Stärke, Ernährungsweisen und das Schlafverhalten kontinuierlich begleiten. Statt diese Komponenten isoliert zu betrachten, ist es wichtig, sie miteinander zu integrieren und darauf abzuzielen, eine ganzheitliche Leistung zu entwickeln. Das bedeutet, dass wir nicht nur die individuellen Fähigkeiten und Eigenschaften betrachten, sondern auch die Art und Weise, wie sie miteinander in Beziehung stehen und sich gegenseitig beeinflussen. Durch die Förderung von Synergien und positiven Wechselwirkungen können wir die Leistung somit verbessern. Dies bedingt auch die Bedeutung der kontinuierlichen Begleitung und Anpassung. Es ist wichtig, den Fortschritt des/der Athleten*innen regelmäßig zu bewerten, humanistische und physiologische Leistungsdaten zu analysieren und auf Veränderungen zu reagieren. Durch eine flexible und adaptive Herangehensweise können wir dann den Trainingsprozess optimieren und die Leistung kontinuierlich verbessern. Der systematische Ansatz im (Leistungs-)Sport beinhaltet auch die Zusammenarbeit und Kommunikation innerhalb des Teams. Trainer*innen, Athleten*innen, Ärzte*innen, Athletiktrainer*innen und andere Akteure im Sport arbeiten eng zusammen, um Leistungsoptimierung, Gesunderhaltung und Persönlichkeitsentwicklung zu fördern. Durch den Austausch von Wissen, Ideen und Perspektiven können Sie somit die Leistungsfähigkeit optimieren. Indem wir diesen Ansatz im (Leistungs-)Sport anwenden, können wir eine umfassende Herangehensweise an die Entwicklung fördern. Wir betrachten daher den/die Athleten*in nicht isoliert, sondern in Bezug auf sein Umfeld, seine Interaktionen und die verschiedenen Komponenten, die seine/ihre Leistung beeinflussen. Durch die Integration dieser Elemente, die kontinuierliche und wertschätzende Begleitung und Anpassung sowie die Zusammenarbeit im Team können wir die Leistung des/der Athleten*in Optimieren und ihm/ihr dabei helfen, sein volles Potenzial zu erreichen. Weiteres dazu finden Sie hier:

Der konstruktivistische Ansatz im (Leistungs-)Sport 

Dieser basiert auf der Annahme, dass Wissen und Bedeutung durch individuelle Erfahrungen und soziale Interaktionen konstruiert werden. Im konstruktivistischen Ansatz wird der Wert auf die aktive Teilnahme des/der Athleten*in gelegt. Statt passiv Wissen zu vermitteln oder fremdzusteuern, ermutigen Sie Ihre Schützlinge, aktiv am Lernprozess teilzunehmen. Dies kann durch Diskussionen, Reflektionen, problembasiertes Lernen und die Teilnahme an Entscheidungsprozessen geschehen. Indem Sie ihnen erlauben, ihr eigenes Wissen und Verständnis aufzubauen, fördern Sie ihre Lernmotivation und Eigenverantwortung. Schaffen Sie eine attraktive und kreative Lernumgebung, da sie von zentraler Bedeutung ist. Stellen Sie sicher, dass die Trainingsumgebung interaktiv, offen und unterstützend ist. Bieten Sie die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit, zum Austausch von Perspektiven und zur individuellen Gestaltung des Lernprozesses an. Durch den Aufbau einer positiven Lernkultur können Sie das Engagement und die Motivation der/die Athleten*innen fördern. Konstruktivistisches Lernen wird oft durch machbare Herausforderungen und praktische Beispiele erleichtert. Stellen Sie den/die Athleten*innen realistische Herausforderungen und Aufgaben, bei denen sie ihr Wissen und ihre Fähigkeiten anwenden können. Dies fördert das kritische Denken, die Problemlösungsfähigkeiten und die kreative Herangehensweise. Die Reflexion über die eigene Leistung und das Erhalten von konstruktivem Feedback sind zentrale Elemente des konstruktivistischen Ansatzes. Ermutigen Sie die Athleten*innen, ihre eigenen Leistungen zu reflektieren, indem sie ihre Stärken und Entwicklungsbereiche identifizieren. Geben Sie regelmäßig Feedback, das auf konstruktiven Dialog und persönlichem Wachstum ausgerichtet ist. Dies hilft den/die Athleten*in, ihr Verständnis und ihre Fähigkeiten zu erweitern.

Der konstruktivistische Ansatz betont auch die individuellen Perspektiven und Erfahrungen jeder(s) Athleten*in. Berücksichtigen Sie die Vielfalt der Hintergründe, Ansichten und Erfahrungen in Ihrem Team. Schaffen Sie Raum für den Austausch und die Integration unterschiedlicher Perspektiven, um ein umfassendes Verständnis und eine kreative Herangehensweise an den Sport zu fördern. Somit können Sie den Lernprozess der/die Athleten*innen aktivieren, ihre Motivation steigern und ein tieferes Verständnis und Engagement für den Sport entwickeln. Weiterführende Anregungen finden Sie hier:

Der integrative Ansatz im (Leistungs-)Sport 

Dieser bezieht sich auf die Integration verschiedener Ansätze, Methoden und Perspektiven, um die sportliche Leistung zu optimieren. Dieser berücksichtigt die verschiedenen Aspekte des/der Athleten*in, einschließlich körperlicher, mentaler, emotionaler und sozialer Komponenten. Anstatt sich nur auf die technischen oder physischen Aspekte zu konzentrieren, betrachten Sie den/die Athleten*in als Ganzes. Dies beinhaltet die Berücksichtigung von Faktoren wie Schlaf, Ernährung, Erholung und Belastung und sozialer Unterstützung, um eine umfassende Leistungsoptimierung zu erreichen. Im integrativen Ansatz arbeiten verschiedene Fachleute zusammen, um ihre Expertise zu kombinieren und die bestmögliche Unterstützung für den/die Athleten*in zu bieten. Dies kann beispielsweise die Zusammenarbeit von Trainern*innen, Sportwissenschaftlern*innen, Ernährungsexperten*innen, Sportpsychologen*innen und Physiotherapeuten*innen umfassen. Durch die Integration verschiedener Perspektiven und Ansätze können Sie somit ein umfassendes Unterstützungssystem aufbauen. Auch das kontinuierliche Monitoring und eine regelmäßige Anpassung ist entscheidend. Verwenden Sie alle Daten und Leistungsmessungen, um den Fortschritt des/der Athleten*in zu überwachen und den Trainingsprozess anzupassen. Dies ermöglicht es Ihnen, gezielt auf Veränderungen zu reagieren und die Leistung zu optimieren. Ein ganzheitliches Zielmanagement, bei dem sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele berücksichtigt werden. Stellen Sie sicher, dass die gesetzten Ziele realistisch, spezifisch und messbar sind. Berücksichtigen Sie dabei nicht nur die sportlichen Leistungsziele, sondern auch die persönlichen Ziele und Werte des/der Athleten*in. Durch die Integration von verschiedenen Zielen können Sie eine ausgewogene und nachhaltige Leistungsentwicklung fördern. Indem Sie den integrativen Ansatz im (Leistungs-)Sport anwenden, können Sie eine umfassende und individuelle Herangehensweise an die Leistungsoptimierung fördern. Durch die Integration verschiedener Ansätze und die Zusammenarbeit zwischen Fachleuten können Sie ein unterstützendes Netzwerk aufbauen. 

Fazit

Die Anwendung humanistischer Prinzipien in der Sportpsychologie ermöglicht es, den Sportler*innen als individuelle Persönlichkeit zu betrachten und seine Bedürfnisse, Werte und Ziele zu berücksichtigen. Indem der Fokus auf Selbstverwirklichung, persönlichem Wachstum und Selbstbestimmung liegt, kann die Sportpsychologie dazu beitragen, dass Sportler*innen ihr volles Potenzial entfalten und ihre sportlichen Ziele schrittweise erreichen. Die Anerkennung der Einzigartigkeit jedes Sportlers bzw. Sportlerin, die Schaffung einer unterstützenden und vertrauensvollen Beziehung zwischen Sportpsychologen*innen und Sportlern*innen sowie die Förderung von Autonomie und Selbstreflexion sind zentrale Aspekte des humanistischen Ansatzes. Durch die Betonung der positiven psychologischen Ressourcen und die Stärkung des Selbstvertrauens und der mentalen Stärke können Sportler*innen ihre Leistungsfähigkeit steigern und mit Herausforderungen besser umgehen. Darüber hinaus kann die Sportpsychologie im Rahmen des Humanismus dazu beitragen, eine gesunde Work-Life-Balance zu fördern und die psychische Gesundheit der Sportler*innen zu unterstützen. 

Mehr zum Thema:

Literatur

Baltzell, A., & Kaufman, S. (2016). Existential-humanistic sport psychology: An overview and development of the existential sport coaching model. Journal of Humanistic Psychology, 56(3), 247-269. – Dieser Artikel bietet einen Überblick über die existential-humanistische Sportpsychologie und stellt das existentielle Sport-Coaching-Modell vor.

Cushman, D. (2018). Coaching beyond the Xs and Os: Exploring the existential and humanistic foundations of effective coaching. International Journal of Sports Science & Coaching, 13(4), 574-582. 

Koltko-Rivera, M. E. (2006). Rediscovering the later version of Maslow’s hierarchy of needs: Self-transcendence and opportunities for theory, research, and unification. Review of General Psychology, 10(4), 302-317. – Obwohl nicht spezifisch auf Sport-Coaching ausgerichtet, bietet dieser Artikel Einblicke in das Konzept der Selbsttranszendenz und wie es in humanistischen Ansätzen im Sport angewendet werden kann.

Pierce, D., Gould, D., & Camiré, M. (2017). Understanding and promoting transformative learning in the coaching context. Journal of Sport Psychology in Action, 8(2), 67-79. 

Stelter, R. (2015). Existenzanalyse und Daseinsanalyse in Sport und Bewegung: Eine praktische Einführung. Springer-Verlag. 

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Sebastian Ayernschmalz: Wie Trainer:innen mit innerer Haltung Leistung beeinflussen

Als Trainer:innen verfügen wir über einzigartige Fähigkeiten, um Wissen und Erfahrungen an andere weiterzugeben. Doch die wertvollste Fähigkeit, die wir haben, ist unsere innere Haltung. Diese spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermittlung von Fähigkeiten und der Entwicklung des Wissens unserer Spieler:innen. Wie wir unsere innere Haltung nutzen können, um effektiv Fähigkeiten zu vermitteln und das Maximale aus den Atleth:innen herauszuholen, stelle ich hier dar. 

Zum Thema: Innere Haltung der Trainer:innen bei der Vermittlung von Fähigkeiten

Wenn du als Trainer:in Fähigkeiten vermitteln möchtest, ist es wichtig, dass du dich auf deine innere Haltung konzentrierst. Denn diese spiegelt sich in deinem Verhalten und deiner Kommunikationsweise wider. Eine positive innere Einstellung, die von Empathie, Offenheit und Respekt geprägt ist, kann dazu beitragen, dass deine Teilnehmer:innen sich wohl und verstanden fühlen. Eine negative Haltung hingegen, die von Unmut, Abwertung und Überheblichkeit geprägt ist, kann dazu führen, dass deine Teilnehmer:innen sich unwohl und unsicher fühlen. Deshalb solltest du dir bewusst machen, welche innere Haltung du an den Tag legst und gegebenenfalls an deinem Mindset arbeiten, um eine positive Lernumgebung zu schaffen. 

Eventuell neigen wir als Trainer:in dazu, unsere Sportler:innen zu unterschätzen. Wählen unbewusst sogar die Übungen aus, die eher zum Stillstand als zur Weiterentwicklung führen. Dies kann über eine kritische Betrachtung der eigenen Haltung hinterfragt und angepasst werden. 

Was ist der Pygmalion-Effekt?

Ein Einflussfaktor kann der Pygmalion-Effekt sein. Der Pygmalion-Effekt beschreibt die Tatsache, dass die Erwartungen, die wir an andere Menschen haben, einen Einfluss auf deren Leistung haben. Wenn wir davon ausgehen, dass jemand talentiert und fähig ist, wird diese Person höchstwahrscheinlich auch erfolgreich sein. Umgekehrt gilt das Gleiche: Wenn wir davon ausgehen, dass jemand unfähig und erfolglos ist, wird diese Person wahrscheinlich auch schlechter abschneiden. Trainer:innen sollten sich dieser Tatsache bewusst sein und ihre Erwartungen an ihre Sportler:innen entsprechend positiv formulieren. Eine positive innere Haltung kann dazu beitragen, dass die Sportler:innen motivierter und erfolgreicher sind.

Dabei handelt es sich um ein psychologisches Phänomen, bei dem die Erwartungen einer Person über die Leistung einer anderen Person die folgende Leistung tatsächlich beeinflussen können. Das bedeutet, dass wenn ein Trainer:in hohe Erwartungen an die Sportler:innen hat, diese auch tatsächlich besser abschneiden können. Dabei hat die Forschung einen anderen Ursprung. Und zwar fand die Forschung hierbei im Klassenraum statt. Der Pygmalion-Effekt wurde zuerst in den 1960er Jahren von dem Soziologen Robert Rosenthal untersucht. Rosenthal führte ein Experiment mit Grundschulkindern durch, bei dem er ihnen mitteilte, dass einige von ihnen besonders intelligent seien. Im Verlauf des Jahres stellte er fest, dass diese Kinder tatsächlich besser in der Schule abschneiden als die anderen.  

Studien zum Pygmalion-Effekt haben gezeigt, dass die innere Haltung bzw. Erwartungen der Lehrer:innen bei der Vermittlung von Fähigkeiten eine entscheidende Rolle spielt., Quelle: Sebastian Ayernschmalz

Trainer:innen können ihren positiven Einfluss geltend machen

Auch wenn dies eine empirische Frage ist, können wir einiges aus den Studien lernen. Wenn du als Trainer:in also davon überzeugt bist, dass deine Sportler:innen erfolgreich sein werden, dann wird sich das auch auf ihre Leistung auswirken. Es ist wichtig, dass du als Trainer:in also eine positive Einstellung hast und deine Sportler:innen ermutigst, an sich selbst zu glauben. Denn nur so können sie ihr volles Potenzial entfalten und ihre Fähigkeiten verbessern. Dabei liegt es vor allem an den Trainer:innen das Leistungsniveau passend zum einzelnen Sportler oder zur einzelnen Sportlerin einzuschätzen, damit eine Steigerung der Anforderung zum gewünschten Leistungszuwachs und nicht zur Überforderung führt. 

Wenn es darum geht, Fähigkeiten zu vermitteln, ist es wichtig, dass Trainer:innen sich bewusst sind, dass jeder Sportler:in individuell ist. Das bedeutet, dass sie ihre innere Haltung entsprechend anpassen müssen. Dies erfordert Geduld, Einfühlvermögen und Anpassungsfähigkeit. Einige Sportler:innen benötigen vielleicht mehr Zeit, mehr Wiederholungen oder mehr Erklärungen, während andere es schneller und einfacher verarbeiten können. Hierbei gilt es Tools zu schaffen, die den Trainingserfolg sichtbar machen (z.B. Quizzes bei theoretischen Aufgaben oder Übungen, die in wettkampfnahen Situationen Entscheidungen abverlangen oder die Umsetzung einer Technik einfordern). Ein positives Mindset der Trainer:innen hilft dabei ein Gefühl der Unterstützung bei den Athlet:innen zu erzeugen, was auch zu einem Umfeld führen kann, in denen Fehler eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung sein können. Entsprechende Selbstreflexion kann sich später positiv auf die Ergebnisse der Athlet:innen auswirken.

Innere Haltung 

Eine positive innere Haltung ist der Schlüssel zur erfolgreichen Vermittlung von Fähigkeiten als Trainer:in. Wenn du als Trainer:in mit einer positiven Einstellung und einem offenen Geist an die Sache heran gehst, wirst du automatisch eine bessere Verbindung zu deinen Teilnehmer:innen aufbauen können. Es ist wichtig, dass du dich auf die individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten deiner Teilnehmer:innen einstellst und ihnen das Gefühl gibst, dass du ihnen helfen möchtest, ihre Fähigkeiten zu verbessern. Eine positive innere Haltung kann auch dazu beitragen, dass du dich besser auf unerwartete Situationen einstellen kannst, die während des Trainings auftreten können. Wenn du mit einer offenen und positiven Einstellung an die Sache heran gehst, wirst du in der Lage sein, deine Teilnehmer:innen zu motivieren und ihnen das Vertrauen zu geben, das sie benötigen, um ihre Fähigkeiten zu verbessern.

Take home message

Und was ist nun die „take home message“ für dich als Trainer:in? Eine positive innere Haltung ist der Schlüssel zur erfolgreichen Vermittlung von Fähigkeiten. Wenn du selbst begeistert und motiviert bist, überträgt sich das auf deine Teilnehmer:innen. Außerdem solltest du immer im Blick behalten, dass jeder Mensch individuell ist und unterschiedliche Lernmethoden benötigt. Sei geduldig und unterstütze deine Teilnehmer:innen dabei, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Auch Fehler gehören zum Lernprozess dazu und sollten nicht als Scheitern gewertet werden. Stattdessen solltest du sie als Chance nutzen, um gemeinsam mit deinen Teilnehmer:innen zu reflektieren und zu wachsen. Eine positive innere Haltung, Geduld und Empathie sind somit die Grundlagen für eine erfolgreiche Vermittlung von Fähigkeiten.

Mehr zum Thema:

Quellen: 

Rosenthal, R., & Jacobson, L. (1968). Pygmalion in the classroom. The urban review3(1), 16-20.

Szedlak, C., Smith, M. J., Day, M. C., & Greenlees, I. A. (2015). Effective Behaviours of Strength and Conditioning Coaches as Perceived by Athletes. International Journal of Sports Science & Coaching, 10(5), 967–984. doi:10.1260/1747-9541.10.5.967 

Luis Armando Leonardo Filho (2016): The Pygmalion and Galatea effects in the coaching process from the perspective of high-performance volleyball athletes, Sports Coaching Review, DOI: 10.1080/21640629.2016.1201355

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Janosch Daul und Leo Hein: Wie Sportpsychologie auf dem Weg in den Profi-Fußball helfen kann

Wie sieht sportpsychologische Arbeit in der Praxis aus? Inwiefern profitieren junge Sportler von der Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen? Mit welchen Fragen können Athleten den Experten gegenübertreten? Wir von Die Sportpsychologen liefern auf solche Fragen gern Antworten. Janosch Daul (zum Profil), Sportpsychologe im Nachwuchszentrum des Halleschen FC, erlaubt uns hier einen Einblick in seine Zusammenarbeit mit einem Nachwuchsfußballer, der die Sportpsychologie als Werkzeug nutzen will, um sich seinen Traum vom Profi-Fußball zu ermöglichen. 

Zum Thema: Insiderbericht über die Zusammenarbeit zwischen einem Nachwuchskicker und einem Sportpsychologen

Leo Hein ist ein äußerst talentierter Spieler der U16-Mannschaft des Halleschen FC. Im Nachwuchszentrum des Fußball-Drittligisten arbeitete ich seit einigen Monaten sehr intensiv mit ihm zusammen. Leo gehört zur neuen Spielergeneration, die quasi mit der Sportpsychologie aufwächst. So lag es für den Zehntklässler des Gymnasiums Mücheln nahe, sich im Rahmen einer Facharbeit mit einem sportpsychologischen Thema auseinanderzusetzen. Der Titel seiner Arbeit lautet:

Auswirkungen auf die intrinsische Motivation und Leistungsbereitschaft im Leistungssport durch die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen im Selbstversuch.“

Über seine Beweggründe, die Facharbeit zu einem sportpsychologischen Thema zu schreiben, meint Leo folgendes: „Seit ich denken kann, bin ich leidenschaftlicher Fußballer. Ich bin heute 15 Jahre alt und habe mit Freuden bereits 8,5 Jahre Leistungssport erleben dürfen. Fußball ist mehr als nur ein Hobby für mich. Mein größter Wunsch wäre es, einmal Profi zu werden. Natürlich ist mir bewusst, dass der Weg nach oben nicht nur mit Talent und Trainingsfleiß zu schaffen ist. Deshalb ist die Frage, ob die Sportpsychologie dabei eine Hilfe sein kann, sehr bedeutsam für mich. Ich versuche diese Frage im Selbstversuch zu klären, da ich davon ausgehe, dass die Antwort sehr subjektiv belastet sein wird. Die Auswertung könnte meine weitere sportliche Entwicklung extrem beeinflussen, da ich nach Abschluss die Erkenntnis haben könnte, ob ein Sportpsychologe meine Leistung bzw. Einstellung verbessern kann. Falls diese Frage mit ja zu beantworten ist, habe ich eine weitere Möglichkeit für mich gefunden, mir den langen Weg zum Ziel etwas zu erleichtern.“ 

Ein Tief in der Vorsaison

Zudem spielte die vorangegangene Saison eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Entstehung dieser Facharbeit: „Die letzte Saison lief für mich wenig erfreulich. Durch geringe Einsatzzeiten verlor ich ein wenig mein Selbstvertrauen und befand mich in einem sogenannten Tief. Am Ende der Vorsaison war ich immer noch enttäuscht und hatte mein Selbstvertrauen noch nicht wieder gewonnen, deshalb gab mir mein Vater den Rat, doch mal mit unserem Sportpsychologen zu reden.“ 

In diesem Artikel möchte ich gemeinsam mit Leo den Ablauf sowie die Ergebnisse des Selbstversuchs vorstellen und anschließend erzählen, wie aus einer anfangs kleinen Zusammenarbeit im Saisonverlauf eine immer umfangreichere und intensivere wurde.

Der Startpunkt

Im September des vergangenen Jahres suchte mich Leo mit folgenden Worten auf: „Du, Janosch, ich möchte meine Facharbeit über die Sportpsychologie schreiben. Kannst du mit mir Gespräche führen, die mich im Hinblick auf das jeweils anstehende Training und Spiel motivieren?“ Ich war sofort begeistert von dieser Idee und Leos Initiative. 

In den folgenden zwei Monaten beschäftigte sich Leo primär mit dem theoretischen Grundgerüst seiner Arbeit, ehe wir dann, von November bis Februar, fünf Mini-Interventionen in Form eines formellen Gesprächs vor Trainingseinheiten führten. Jede Intervention folgte demselben Aufbau: 

  • Begrüßung & Small-Talk 
  • Erfassung von Leos aktuellem Motivationslevel auf einer Skala von 1 bis 10 bzw. 1 bis 100 bzw. vom Kreisligafußballer bis zum Idol Ronaldo
  • Vorstellung der Methode
  • Durchführung dieser Methode
  • Erfassung des aktuellen Motivationslevels
  • Abschluss und Verabschiedung 

Thematisch gingen wir in den fünf Interventionen wie folgt vor: 

  • Reflexion bisher angewandter Strategien zur Selbstmotivation (Intervention 1)
  • Reflexion guter Gründe, sich aufs anstehende Training zu freuen (Intervention 2)
  • Detaillierte Beschreibung seines persönlichen Fußball-Highlightmoments: ein Fallrückziehertor in einem Spiel als Spieler von RB Leipzig inklusive Formulierung einer knackigen Überschrift aus der Perspektive eines Journalisten (Intervention 3) zu diesem Tor 
  • Intensive Visualisierung dieses Erfolgsmoments mit allen Sinnen vor dem inneren Auge aus der Ich-Perspektive (Intervention 4)
  • Darstellung des persönlichen Lieblings-Spielzugs an der Taktiktafel aus der Rolle eines Trainers (Intervention 5)

Leo meint zu den Interventionen: „Die Gespräche mit Janosch waren immer ein voller Erfolg. Mit verschiedenen Methoden, egal ob ich in die Rolle eines Trainers schlüpfte oder ein imaginäres Interview mit Ronaldo führte: Janosch konnte mich immer motivieren. Er hat dadurch einen wichtigen Beitrag zu meiner Leistungsfähigkeit beigesteuert, wofür ich sehr dankbar bin.“ 

Welchen Einfluss hatten unsere Gespräche?

Zudem führten wir ab Oktober informelle Gespräche, z.B. in Form eines kurzen SMALL-Talks auf dem Weg zum Trainingsplatz. Leo füllte an jedem Trainings- und Spieltag einen selbst entwickelten Fragebogen aus, in dem er u.a. seine Leistungsbereitschaft und intrinsische Motivation subjektiv bewertete. So konnte er den Einfluss unserer Gespräche auf diese Parameter erfassen, indem er die Ausprägung dieser an Tagen, an denen wir Gespräche führten, mit solchen, an denen wir in keinem Kontakt standen, miteinander verglich.

Die Studienergebnisse zeigen, dass Leos Motivation und Leistungsbereitschaft an Tagen, an denen wir Gespräche geführt hatten, um 6% bzw. 9% ausgeprägter war im Vergleich zu kontaktlosen Tagen. Zudem zeigen die Daten, dass Leo insbesondere dann hinsichtlich seiner Motivation und Leistungsbereitschaft von den Gesprächen profitierte, wenn er seine Tage, bedingt durch die Belastungen des Alltags, als besonders anstrengend empfand. Zudem ist der Zusammenhang an Trainingstagen im Vergleich zu Spieltagen ausgeprägter. Was jedoch mit Blick auf die Ergebnisse kritisch angemerkt werden muss, ist die Tatsache, dass die Studie weitere potenzielle Faktoren, die Einfluss auf Leos Motivation und Leistungsbereitschaft ausgeübt haben könnten, nicht berücksichtigt. Demnach wäre es nicht schlüssig, fest von einem direkten Zusammenhang zwischen den Gesprächen und Leos gestiegener Motivation und Leistungsbereitschaft auszugehen. Jedoch lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass die Gespräche für Leo ein positiver Einflussfaktor waren. 

Ausweitung der Zusammenarbeit

Auf Grundlage von Leos Positiverfahrungen im Rahmen seiner Studie und auf Basis unseres gewachsenen Vertrauensverhältnisses nahm die Intensität und Häufigkeit unserer Zusammenarbeit nach Abschluss der Interventionen weiter zu. Zum einen startete ich ab Oktober, nach Absprache mit dem Trainerteam, mit Führungsspielercoachings im Kleingruppenformat, die insbesondere im Frühjahr an Fahrt aufnahmen. Regelmäßig arbeiteten also die Leader des Teams – Leo ist einer von diesen – mit meiner Unterstützung an ihren Leaderkompetenzen. Zum anderen kam Leo, auf Initiative seiner Mannschaftstrainer, in den Genuss einer zusätzlichen individuellen Toptalenteförderung, die im April dieses Jahres begann. In diesem Zusammenhang äußerte Leo sein Bedürfnis, neben seinem Passspiel und Torabschluss sowie seiner Zweikampfführung primär auch im Einzelcoaching verstärkt an seinen Qualitäten als Leader, insbesondere den Bereich der Kommunikation betreffend, zu arbeiten. Auf dieser Basis erstellte ich mit dem Cheftrainer Entwicklungspläne für Leo und führe seitdem mit ihm wie gewünscht Einzelcoachings durch. 

Im Ergebnis seiner nun gesammelten vielfältigen eigenen Erfahrungen mit der Sportpsychologie hat Leo inzwischen eine eindeutige Antwort für sich auf die Frage gefunden, inwieweit ihm die Sportpsychologie dabei hilft, seine Leistung, Einstellung und Verfassung zu verbessern: „Die Zusammenarbeit mit Janosch hilft mir in vielen Bereichen weiter, z.B. meine Psyche generell und speziell meine Leistungsbereitschaft und Motivation betreffend. Die Gespräche helfen mir einfach dabei, mich noch mehr aufs anstehende Spiel oder Training zu fokussieren und deshalb bessere Leistungen zu bringen. Ich danke Janosch dafür, dass er mich immer unterstützt, egal ob ich Probleme habe oder einfach mal keine Lust aufs Training habe. Janosch bekommt es immer hin, eine Lösung zu finden. Deshalb könnte ich jedem Sportler raten, mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten.“

Foto: privat

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asp-Tagung 2023: Zukunftsweisend für die Disziplin?

Mehr Praxisworkshops gab es bei der asp-Tagung noch nie. Damit hat das jährlich Treffen der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie, welches vom 18. bis 20. Mai 2023 in Stuttgart stattfand, neue Standards gesetzt. Von Seiten von Die Sportpsychologen waren zahlreiche ExpertInnen auf der Ebene der Praxisworkshops im Einsatz. Redaktionsleiter Mathias Liebing hat sich von Ihnen einen Feedback zur asp-Tagung 23 eingeholt.

Markus Gretz

Markus Gretz (zum Profil):

„In meinem Praxis-Workshop zum Thema „Bio- und Neurofeedbacktraining in der Sportpsychologie“ durfte ich neben jungen Kolleg*innen auch mehrere erfahrene Sportpsycholog*innen begrüßen. Die Teilnehmer*innen erhielten zunächst einen Überblick über die Theorie und Wirkweise von Bio- und Neurofeedbacktraining, das die psychophysiologischen Prozesse von Athlet*innen sichtbar und regulierbar macht. Kurzfristig konnte ich den erfahrenen Neurofeedback-Therapeuten Steven Jones von der Praxis-Jones.de aus Stuttgart als Co-Referenten gewinnen, wodurch wir zwei Teilnehmer gleichzeitig ans EEG für die praktische Demonstration von Neurofeedbacktraining anschließen konnten. Während des gesamten Workshops hatten Teilnehmer*innen die Möglichkeit, Fragen zu stellen, eigene Erfahrungen auszutauschen und sollten in Kleingruppen die Chancen und Grenzen für die eigene Praxisanwendung diskutieren.“

Praxisworkshop von Markus: Bio- und Neurofeedbacktraining in der Sportpsychologie (Link)

Philippe Müller (zum Profil):

„Auf den Punkt bereit sein! Die Unmittelbare Wettkampfvorbereitung (UWV) gehört zum Repertoire jeder Athletin und jedes Athleten. In unserem Workshop haben wir uns auf die letzten 24h vor Wettkampfstart fokussiert und den Teilnehmenden einen Einblick in unsere tägliche Arbeit ermöglicht. Mit zwei Spitzensportlerinnen wurden spezifische Sequenzen der UWV erarbeitet.

Wir hoffen den Teilnehmenden mit dem sehr praxisnahen Workshop neue Ideen zur Gestaltung der letzten Stunden vor dem Wettkampf mitgegeben zu haben.“ 

Cristina Baldasarre (zum Profil):

„Die Unmittelbare Wettkampfvorbereitung (UWV) ist zentral für eine gute Leistungserbringung. Dieses Konzept lässt sich super an jede Sportart mit seinen individuellen Gegebenheiten, sowie an alle Alters- und Leistungsklassen der Athleten anpassen. Somit ist dies ein zentrales Werkzeug und gehört in jeden Koffer eines Sportpsychologen und auch Mentaltrainer.

Anhand der Athletinnen vor Ort wurde diese Methode sehr spürbar und dadurch hoffentlich der Schritt der eigenen Anwendung mit den eigenen Athleten reduziert.“

Dr. Hanspeter Gubelmann (zum Profil):

„Aus Sicht der Sportwissenschaft gilt die unmittelbare Wettkampfvorbereitung (UWV) als mitentscheidendes Puzzle-Teil auf dem Weg zur sportlichen Spitzenleistung. So lapidar dies klingen mag, so unterschiedlich, facettenreich und anspruchsvoll erweist sich ihre individuelle, auf die jeweilige Sportsituation angepasste Umsetzung in der Sportpraxis. Catia und Valeria – zwei ambitionierte Leistungsportlerinnen – zeigten in unserem Workshop ihren selbstverständlichen und leistungsförderlichen Umgang mit dem Wettkampf-Countdown.“  

Praxisworkshop von Cristina, Hanspeter und Philippe: «Countdown» – ein Tool zur optimalen Wettkampfvorbereitung (Link)

Klaus-Dieter Lübke Naberhaus
Prof- Dr. Oliver Stoll

Klaus-Dieter Lübke Naberhaus (zum Profil):

„Ein Grundsatz im therapeutischen Arbeiten auf Grundlage der Haltung der humanistischen Psychotherapie ist das neugierig sein, das offen sein und sich wundern können. Und es geht darum, mit dem, was der Klient oder die Klientin und die Situation bietet, zu arbeiten.

Zusammen mit Oli Stoll wurde das in unserem Praxisworkshop erleb- und erfahrbar. Spontan konnten wir uns die Töchter zweier Kolleginnen/Kollegen für eine praktische Demo mit Spizensportlerinnen zum Arbeiten mit Glaubenssätzen und zum Thema Visualisierung/Imagination „ausleihen“. Und die Arbeit mit Ihnen machte nicht nur Spaß, sie war auch wunderbar schön und hilfreich, so konnte hoffentlich für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Workshops die Techniken hautnah erleb- und erfahrbar gemacht werden.“

Prof. Dr. Oliver Stoll (zum Profil):

„Die Tagung war rundum eine gelungene Veranstaltung. Mit 20 Praxisworkshops hatten wir hier mehr als je zuvor und das Tagungsthema sowie die damit verbundenen Hauptvorträge waren zukunftsweisend für unsere Disziplin. Danke Klaus für den sehr gelungenen gemeinsamen Workshop. Ein echtes persönliches Highlight für mich an den Tagen in Stuttgart.“ 

Praxisworkshop von Klaus-Dieter und Oliver: Hypnotherapeutische Techniken und ihr Einsatz im Sport (Link)

Dunja Lang (zum Profil):

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Praxisworkshop von Dunja Lang: Comeback Stronger! Hypnotherapeutische Ansätze für den besseren Umgang mit und schnellere Genesung bei Stürzen, Verletzungen und Schmerzen (Link)

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Dr. Rita Regös: Die Supereigenschaft mentale Stärke

Mentale Stärke ist die Supereigenschaft, welche erfolgreiche Athleten von weniger erfolgreichen unterscheidet. Die Eigenschaft, die Trainer ihren Sportlern predigen und über die Sportpsychologen schwärmen – ja, sie theoretisch überflüssig machen – denn mental starke Athleten brauchen keinen Sportpsycho. Ist das wirklich so oder ist diese Vorstellung doch etwas Oldschool, gar eine Stereotypisierung in mental stark und schwach? Vielleicht keins von beidem, vielleicht einfach nur eine Vorstellung von mentaler Stärke als etwas Unerreichbares, etwas voller Anstrengung, etwas ganz Besonderes. Na eben etwas, das einem Respekt einflößt.

Zum Thema: Wie uns ein Stuhl aufzeigt, was uns vermeintlich stark oder schwach macht

Wenn man sich die zwölf Kerneigenschaften mentaler Stärke durchliest, ertappt man sich dabei, sie abzuhaken: Mache ich, habe ich, kenn ich – ups, mache ich nicht, ich denk nicht so, ich bin nicht immer überzeugt. Selten kann eine einzelne Person alle aufgelisteten Eigenschaften für sich verbuchen. Und da fängt es an, denn wenn man nicht alle hat, fühlt man sich schwach.

Selbstverständlich gibt es auch andere Definitionen von mentaler Stärke aber dieses Bündel von zwölf Kerneigenschaften trifft es am besten. Er ist dem Sportalltag einfach am nächsten. Jeder Sportler, egal ob im Leistungssport oder Breitensport, weiß ganz genau was gemeint ist. Wahrscheinlich wissen auch genauso Menschen mit besonderem Leistungsdruck im Beruf was es mit dieser Supereigenschaft auf sich hat.

Automatisierte Abläufe

Wenn also die Checkliste nicht hundertprozentig ausfällt, kommt man ins Schwanken. Vielleicht ist man doch nicht so stark und überhaupt, vielleicht muss man so geboren sein oder ganz früh gelernt haben, so zu denken.

Nun, nein und hier kommt der Stuhl ins Spiel: Stellt Euch vor, ihr steigt auf einen Stuhl. Ganz easy, stimmt’s? Da muss man nicht lange überlegen, linker Fuß, rechter Fuß, eventuell nimmt man die Hand zu Hilfe. Jeder weiß wie es geht und jeder kann ohne lang überlegen einfach auf einen Stuhl steigen. Ähnlich wie die sportliche Technik, der Bewegungsablauf, welche der Sportler längst automatisiert hat und problemlos abrufen kann.

Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Nun stellt Euch vor, dieser Stuhl, auf den ihr steigen wollt, steht nicht im Zimmer, sondern nahe einem Abhang. Die Technik, wie man auf den Stuhl steigt, ist dieselbe, aber das Draufsteigen wird in diesem Fall weniger leichtfallen.

Was genau unterscheidet also die Personen, die problemlos auf den Stuhl am Abhang steigen, von denen, die zögern? Eigentlich nicht viel: Die ersten tun das, was sie können, nicht mehr aber auch nicht weniger. Die, die zögern, möchten es besonders gut, besonders genau machen, denn es könnte ihnen ein Fehler unterlaufen, sie könnten fallen, daher zögern sie. Sie verlieren das Vertrauen in ihre Fähigkeit, auf den Stuhl steigen zu können, weil der Stuhl am Abhang steht, also wegen der äußeren Umstände. Erstere hingegen behalten ihr Vertrauen in ihre Fähigkeit und tun genau das, was sie können, gefühlt schon immer konnten: linker Fuß, rechter Fuß.

Eine Frage des Fokus

Die Technik und der Bewegungsablauf ändern sich also nicht. Das Umfeld ändert sich und somit selbstverständlich auch der Fokus. Im ersten Fall ist der Fokus auf der Technik, mit dem Vertrauen in die eigene Fähigkeit auf einen Stuhl steigen zu können. Im zweiten Fall ist der Fokus, auf den Abhang, auf die Angst und auf die möglichen Risiken und Konsequenzen.

Ganz ehrlich, der Fokus auf letztere würde wirklich jeden zögern lassen, aber es geht eben auch anders. Wenn man lernt, sich zu fokussieren und auf das Richtige zu konzentrieren, die Gefühle zu regulieren und weiß, was man kann – wird es kein Problem mehr, längst automatisierte Bewegungsabläufe unter allen Umständen abzurufen – stark nicht? Man kann die Supereigenschaft mentale Stärke doch lernen.

Das Wissen um die eigenen Fähigkeiten 

Und woher weiß man, was man kann? Indem man sich mutig, aber auch ehrlich vor die Augen führt, was einem schon gelungen ist. Mutig sei betont, weil viele Sportler ihre Erfolge nicht auf sich und ihre Fähigkeiten zurückführen – das ist nicht optimal. Und ehrlich, weil es aber auch durchaus Erfolge gibt, wo man gewann, weil der andere nicht alles gab. Es geht also um eine ehrliche Selbsteinschätzung, um das Wissen über die eigenen Fähigkeiten. Steht dieses Wissen, geschöpft aus vergangenen Erfolgen, nutzt man es für zukünftige Herausforderungen: Nicht das Wissen über vergangene Erfolge, sondern das Wissen über die Fähigkeit, Erfolge erzielen zu können.

Das ist der Kern von Selbstbewusstsein – das Wissen, was man kann.

Die zwölf Kerneigenschaften der mentalen Stärke (Mentale Toughness im Sport)

  1. Unerschütterlicher Glaube, seine wettkampfbezogenen Ziele erreichen zu können.
  2. Unerschütterlicher Glaube an seine Fähigkeit, die einzigartigen Qualitäten und Fähigkeiten und zu besitzen, die einem im Vergleich zu seinen Gegnern überlegen machen.
  3. Unstillbares Verlangen und internalisierte Motive nach Erfolg.
  4. Fähigkeit, sich von Rückschlägen schnell zu erholen.
  5. Neigung, sich unter Wettkampfdruck (besonders) wohl zu fühlen.
  6. Akzeptanz, dass Wettkampfangst unausweichlich ist und Überzeugung, mit Unsicherheiten fertig zu werden.
  7. Fähigkeit, sich durch die (guten und schlechten) Leistungen anderer nicht beeinflussen zu lassen.
  8. Fähigkeit, bei Ablenkungen aus dem außersportlichen Leben weiterhin vollkommen fokussiert zu bleiben.
  9. Fähigkeit, den Fokus nach Bedarf schnell auf den Sport hin- und wegzurichten.
  10. Fähigkeit, sich bei Ablenkungen im Wettkampf vollkommen auf die bevorstehende Aufgabe zu konzentrieren.
  11. Fähigkeit, seine physische und psychische Schmerztoleranzgrenze nach oben zu regulieren.
  12. Fähigkeit, nach unerwarteten und unkontrollierbaren Ereignissen schnell wieder psychologische Kontrolle zu erlangen.

(Gerber, M. (2011). Mentale Toughness im Sport: Ein Review. Sportwissenschaft, 41(4), 283-299.)

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Henning Thrien und André Haber: Sportpsychologie im Handball

Über drei Jahre haben der Sportpsychologe Henning Thrien und André Haber als Cheftrainer des Handball-Bundesligisten SC DHfK Leipzig zusammengearbeitet. Ziemlich erfolgreich. Bei der asp-Tagung 2023 in Stuttgart haben die beiden nun in einem Praxisworkshop über ihre Zusammenarbeit gesprochen und damit einen exklusiven Einblick hinter die Kulissen des professionellen Mannschaftssports zugelassen.

Zum Thema: Sportpsychologie als Dienstleistung für Profi-Trainer

Das Feedback auf die Veranstaltung in Stuttgart überraschte Henning Thrien ein wenig: Mehr noch, die ersten Eindrücke des Publikums erzürnten den Wahl-Leipziger ein wenig. Denn aus seiner Sicht wird noch zu wenig über das Arbeiten, Wirken und Scheitern in der Praxis gesprochen. Im Interview formuliert er einen klaren Auftrag an seine Disziplin:

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Henning Thrien im Interview mit Die Sportpsychologen

André Haber – ein Profi-Trainer, der von der Sportpsychologie überzeugt ist

Im Praxisworkshop wurde deutlich, wie eng und vertrauensvoll die Zusammenarbeit zwischen Sportpsychologe und Cheftrainer passierte. Im Interview gibt Haber, der quasi zusammen mit seinem Sportpsychologen im Oktober 2022 beim SC DHfK Leipzig entlassen wurde, sehr aufschlussreiche Einblicke. Behält der Trainer recht, dann hat die Sportpsychologie nicht nur im Handball Zukunft:

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André Haber im Interview mit Die Sportpsychologen

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Dunja Lang: Sportler finden Lösungen in der Hypnotherapie

Bei der asp-jahrestagung 2023 in Stuttgart ließ sich bei den Praxisworkshops ein Trendthema ausmachen: Hypnotherapie. Neben Dunja Lang haben sich an den drei Veranstaltungstagen mit Klaus-Dieter Lübke Naberhaus, Prof. Dr. Oliver Stoll, Cristina Baldasarre, Dr. Hanspeter Gubelmann und Philippe Müller noch mehr ExpertInnen von Die Sportpsychologen mit dem Thema befasst. Es lohnt sich also, genauer hinzuschauen.

Zum Thema: Hypnotherapeutische Verfahren im Sport

Der Schwerpunkt von Dunja Langs Praxisworkshop „Comeback Stronger! Hypnotherapeutische Ansätze für den besseren Umgang mit und schnellere Genesung bei Stürzen, Verletzungen und Schmerzen“ lieferte reichlich Inspiration und Hintergrundwissen. Unsere Profilinhaberin (zum Profil) konnte nicht zuletzt aus ihrer mehrjährigen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Top-SportlerInnen, vorrangig aus den Ski Alpin-Disziplinen sowie dem Reitsport, berichten.

Mathias Liebing, Redaktionsleiter von Die Sportpsychologen, traf Dunja Lang direkt nach ihrem Praxisworkshop zum Interview. Im Gespräch geht es natürlich um die Anwendbarkeit hypnotherapeutische Verfahren aber auch um ihre persönliche Einschätzung der asp-Tagung sowie einen Ausblick auf zukünftige Entwicklungen in der Sportpsychologie.

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Janosch Daul: Dein innerer Geschichtenerzähler – mach ihn zu deinem Freund!

Wer von uns kennt sie nicht, die Situation, in der uns unser Verstand, der wohl mächtigste Geschichtenerzähler der Welt, mal wieder ungefragt die heftigsten Storys auftischt? Die Situation, in der uns etwas misslingt und wir dann in negativen Gedankenspiralen gefangen sind? Die Situation, in der wir uns innerlich so stark kritisieren, dass wir fast der Verzweiflung nahe sind? In diesem Blogbeitrag möchte ich auf die Bedeutung positiver Selbstgespräche im Sportkontext eingehen und Wege aufzeigen, wie wir uns mit unserem Geschichtenerzähler anfreunden können.

Zum Thema: Selbstgespräche im Sport

Unsere Gedanken kommen oft in Form von Selbstgesprächen zum Ausdruck, die uns unser größter Geschichtenerzähler der Welt, unser Verstand, auftischt. Oftmals erfolgt dies gar nicht bewusst, sondern automatisch. Manche Geschichten, die er uns erzählt, sind wahr und hilfreich, indem er uns dabei unterstützt, Pläne zu formulieren, uns selbst Anweisungen zu geben, die eigenen Gedanken zu ordnen oder das eigene Handeln zu kommentieren. Andere jedoch sind unwahr, helfen uns weniger und stellen eher Ansichten, Überzeugungen, Vorstellungen, Urteile, Einstellungen und Vorhersagen dar. Unser Geschichtenerzähler ist niemals still, sondern weiß immer eine Geschichte zu erzählen. Immer wieder versucht er, unsere Aufmerksamkeit zu erlangen – was ihm auch meistens gelingt. 

An dieser Stelle lade ich dich, lieber Leser, zu einem kleinen Experiment ein: Schließe mal deine Augen und lausche für 30 Sekunden auf neugierige und offene Art und Weise deinem Geschichtenerzähler: Welche Storys erzählt er dir?

Typische Selbstgespräche

Gerade in Situationen, in denen es im Sport mal nicht so läuft, beginnt unser Verstand oftmals unentwegt zu plappern. „Shit, ich hab verkackt!“, könnte so ein typisches Selbstgespräch lauten. Gedanken wie diese sind typische Selbstgespräche, die z.B. Fußballspielern nach misslungenen Aktionen durch den Kopf schießen. Entscheidend ist es, dass du dir dessen bewusst bist, welche Auswirkungen diese Gedanken auf deine eigene Leistung haben können. Negative Gedanken sorgen in der Regel dafür, dass deine Aufmerksamkeit abgelenkt wird von dem, was gerade wirklich wichtig ist, nämlich die anstehende Handlung. Im Ergebnis werden bei dir negative Gefühle hervorgerufen und dein Selbstvertrauen wird in Mitleidenschaft gezogen. Letztlich leidet deine Leistungsfähigkeit und demgegenüber steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du erneut einen Fehler machst. Wie heißt es so schön: „Du kannst nicht negativ denken und Positives erwarten.“

Das Gute ist: Als Sportler bist du deinem Geschichtenerzähler keineswegs hilflos ausgeliefert! Vielmehr hast du die Möglichkeit, ihn gezielt zu steuern. Einerseits, indem du ihn gezielt stoppst, wenn er mal wieder zu viel plappert. Und andererseits, indem du lernst, für bestimmte Situationen unterstützende Selbstgespräche zu entwickeln und in der Praxis anzuwenden – also gezielt lernst, deine innere Sprache so zu steuern, dass sie der Leistungserbringung dient.

Gedankenstopptechnik

An dieser Stelle möchte ich dir die Gedankenstopptechnik vorstellen. Diese Technik kannst du im und außerhalb des Sportkontexts wirkungsvoll einsetzen – insbesondere dann, wenn du Stress empfindest und dein Geschichtenerzähler dich mal wieder zutextet. Als Fußballspieler kannst du diese Technik z.B. nach einem Gegentor oder in einer Unterbrechungssituation, in der der Ball gerade im Aus ist, anwenden; als Schüler z.B. in der laufenden Klausur, wenn du dank deines Geschichtenerzählers den Fokus verloren hast. Die Technik umfasst folgende Schritte: 

Diese Technik hilft dir gegen negative Stresszustände, unterbricht deine störenden Gedankenketten und lenkt deinen Fokus auf das wirklich Wichtige. Doch damit du diese Technik insbesondere im Wettkampf stabil abrufen kannst, braucht es Übung. Genau wie du auf dem Feld z.B. Flugbälle trainierst, muss auch eine solche mentale Technik regelmäßig trainiert, ggf. auch für dich individuell passend modifiziert und stabilisiert werden. 

Entwicklung positiver Selbstgespräche

Wie kann es dir nun gelingen, konkret unterstützende Selbstgespräche für bestimmte Situationen zu entwickeln – wie gelingt es, dass du dir den eigenen Geschichtenerzähler also zum Freund machst? An dieser Stelle braucht es zunächst einmal eine Differenzierung in heiße und kalte Selbstgespräche, am Beispiel eines Fußballspielers: 

Beide Formen des Selbstgesprächs haben situationsabhängig ihre Berechtigung. Auch hier geht es für jeden Sportler darum, sich auszuprobieren: Welche Form des Selbstgesprächs hilft mir in welcher sportartspezifischen Situation? Brauche ich gerade eher eine emotionale Unterstützung oder geht es gerade eher darum, mich per Selbstgespräch konkret auf die anstehende Anforderungssituation einzustimmen?

Checkliste für gute Selbstgespräche

Damit dein Selbstgespräch auch wirklich seine Wirkung entfaltet, solltest du als Sportler einige Aspekte beachten: 

Gute Selbstgespräche sollten…  

  • positiv formuliert sein, z.B.: „Ich schaffe das!“
  • das Wort „ich“ enthalten, z.B.: „Ich fokussiere mich auf den Ball.“
  • die eigenen Stärken betonen, z.B.: „Ich bin verdammt schnell.“  
  • lösungsorientiert und handlungsrelevant sein, z.B.: „Ich achte auf meine Vororientierung.“
  • sich auf die Gegenwart oder Zukunft beziehen, z.B.: „Wir werden das Spiel drehen!“

Es ist ratsam, dass du diese Checkliste als Orientierungsstütze immer im Hinterkopf behältst.

Die ersten Schritte in der Praxis

Um nun konkret an der eigenen inneren Sprache zu arbeiten, macht in einem ersten Schritt die Protokollierung deiner eigenen Gedankenwelt in sportartspezifischen Situationen Sinn. Dieser Gedankencheck kann dir hierfür als Orientierung dienen. In diesen kannst du als Sportler eben jene Storys, die dein Geschichtenerzähler dir in entsprechenden Situationen in Spielen und Trainingseinheiten erzählt, notieren.

SituationMeine Gedanken & Selbstgespräche
eigener Fehler




Gegentor




Kritik von Mitspielern und Trainern




Fehler, bedingt durch Rasenplatz




direkt vor Anpfiff des Spiels 




gelungene Aktion




Schiedsrichterentscheidung gegen mich & mein Team




In einem zweiten Schritt kannst du nun überprüfen, ob deine eigenen Gedanken einem förderlichen Selbstgespräch entsprechen. Dafür kannst du die Checkliste (s. oben) sowie die nachfolgende Tabelle nutzen. Auf einer Skala von 10 (=extrem) bis 1 (=überhaupt nicht) kannst du nun bewerten, wie hilfreich die Selbstgespräche gewesen sind, die du als Sportler in den entsprechenden Situationen geführt hast.

SituationBewertung meine Gedanken & Selbstgespräche (10 – 1)
eigener Fehler
Gegentor
Kritik von Mitspielern und Trainern
Fehler, bedingt durch Rasenplatz
direkt vor Anpfiff des Spiels 
gelungene Aktion
Schiedsrichterentscheidung gegen mich & mein Team

Nun besteht die Möglichkeit, dass du deinen eigenen Geschichtenerzähler durch gezielte Beeinflussung steuern kannst. Notiere in dieser Tabelle, welche Gedanken und Selbstgespräche dir in den entsprechenden Situationen in Zukunft helfen werden!

SituationMeine hilfreichen Gedanken & Selbstgespräche
eigener Fehler




Gegentor




Kritik von Mitspielern und Trainern




Fehler, bedingt durch Rasenplatz




direkt vor Anpfiff des Spiels 




gelungene Aktion




Schiedsrichterentscheidung gegen mich & mein Team




Nun geht es um Übung, Übung, Übung: Auch wenn es dir anfangs vielleicht komisch vorkommen mag, deine Gedanken und Selbstgespräche aktiv zu steuern, wirst du schnell merken: Es lohnt sich! Durch eine regelmäßige Anwendung dieser für dich hilfreichen Selbstgespräche, ganz konkret in diesen Trainings- und Spielsituationen, kannst du deine Gefühle und letztlich dein Handeln und somit deine Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen. Durch ein fleißiges Training kann es dir gelingen, deinen Geschichtenerzähler immer mehr zum Freund zu machen und deine beste Leistung abzurufen. 

Aktueller TV-Beitrag mit Janosch Daul:

Bild von den MDR-Dreharbeiten (Quelle: privat)
Bild von den MDR-Dreharbeiten (Quelle: privat)

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Die Sportpsychologen bei der asp-Tagung 2023 in Stuttgart

Münster, Halle/Saale, Bern – das Netzwerk Die Sportpsychologen ist seit seiner Gründung im Jahr 2014 sehr regelmäßig Gast der asp-Tagung. Der Branchentreff der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie in Deutschland bringt alljährlich angewandte SportpschologInnen und WissenschaftlerInnen zusammen. Vom 18. bis 20. Mai 2023 heißt die Station Stuttgart.

Diese Experten und Expertinnen von Die Sportpsychologen sind mit den folgenden Angeboten mit von der Partie:

Donnerstag, 18. Mai 2023

  • 19.00 – 21.00 Uhr Get together, Campus Beach

Freitag, 19. Mai 2023

  • 08.30 – 10.00 Uhr «Countdown» – ein Tool zur optimalen Wettkampfvorbereitung Praxisworkshop mit Dr. Hanspeter Gubelmann (zum Profil), Cristina Baldasarre (zum Profil) und Philippe Müller (zum Profil)
  • 12.30 – 14.00 Uhr Hypnotherapeutische Techniken und ihr Einsatz im Sport Praxisworkshop mit Prof. Dr. Oliver Stoll (zum Profil) und Klaus-Dieter Lübke Naberhaus (zum Profil)
  • 14.30 – 15:45 Uhr Podiumsdiskussion: Was sind aktuelle sportpsychologische Themen in der Trainer*innenausbildung? Was hat sich in den letzten Jahren geändert und was wird sich in Zukunft ändern müssen? mit u.a. Prof. Dr. Oliver Stoll (zum Profil)
  • 16.15 – 17.45 Uhr Bio- und Neurofeedbacktraining in der Sportpsychologie Praxisworkshop mit Markus Gretz (zum Profil)
  • ab 19 Uhr Conference-Dinner: Palm Beach Stuttgart

Samstag, 20. Mai 2023

  • 08.30 – 10.00 Uhr Comeback Stronger! Hypnotherapeutische Ansätze für den besseren Umgang mit und schnellere Genesung bei Stürzen, Verletzungen und Schmerzen Praxisworkshop mit Dunja Lang (zum Profil)

zum kompletten Tagungsprogramm

zur Event-Homepage

Darüber hinaus sind wir von Die Sportpsychologen gern bereit, zwischen den Vorträgen, Workshops und Keynotes sowie während der Abendveranstaltungen über die Weiterentwicklung der Sportpsychologie und über unser Netzwerk zu sprechen. Zudem kann Redaktionsleiter Mathias Liebing über den Start der Schwesterseiten Sportpsychologie.plus und Sportmentaltraining.plus informieren.

Mathias Liebing

Kontakt:

Mathias Liebing, Redaktionsleiter Die Sportpsychologen

+49 170 9615287

m.liebing@die-sportpsychologen.de

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Prof. Dr. René Paasch: Der Angst die Stirn bieten

Die Angst ist allgegenwärtig! Allein in Europa leiden rund 60 Millionen Menschen daran, ungefähr 17 Millionen sind es in Deutschland, Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Nach Einschätzung der DGPPN wird rund die Hälfte aller Ängste nicht erkannt und deshalb nicht richtig begleitet oder behandelt. Die Folge: Es drohen Chronifizierung und mögliche Begleiterkrankungen. Damit rangieren Angststörungen an der Spitze der psychischen Erkrankungen – noch vor Depressionen. Die Pandemie und weitere gesellschaftliche Herausforderungen in den vergangenen Jahren haben die Zahlen zusätzlich in die Höhe getrieben.  Doch was genau ist Angst eigentlich? Worin unterscheiden sich die unterschiedlichen Formen der Angst? Und welche Mittel und Methoden können unterstützend helfen? Dieser und weiterführende Blogbeiträge sollen Ihnen einige Anregungen im Umgang mit der Angst liefern. 

Zum Thema: Wie Sie ihre Ängste im Sport und Ihrem Alltag mit wegweisenden Denk- und Verhaltensweisen verändern können

Wenn Ihr Herz rast, der Schweiß ausbricht und Sie sich plötzlich in erhöhter Alarmbereitschaft befinden, dann übernimmt wahrscheinlich gerade eines Ihrer archaischen Grundgefühle die Kontrolle über Ihren Körper und Geist – die Angst. Wir alle kennen verschiedene Formen von Angst. Und wir alle erleben diese in ganz unterschiedlichen Situationen. Dabei ist ihre ursprüngliche Funktion einfach und notwendig. Die körperlichen Reaktionen, die wir mit Angst verbinden, sind nichts anderes als Zeichen von Stress. Denn genau das bewirkt Angst: Sie setzt uns unter Stress. Doch nicht, um Sie zu ärgern, sondern um uns gegen Gefahren zu wappnen. Der erhöhte Herzschlag bereitet uns auf körperliche Höchstleistungen vor. Die geschärften Sinne helfen uns, Fluchtmöglichkeiten zu finden. Angst ist eine uralte physiologische Reaktion, die vorübergehend unsere Leistungsfähigkeit erhöht. Heutzutage hilft sie uns nicht nur in körperlichen Gefahrensituationen, in denen wir uns wehren oder wegrennen müssen, sondern auch in denkbar zivilisierten oder sportlichen Settings. Erinnern Sie sich an Ihre letzte Prüfung oder an eine wegweisende Präsentation? So unangenehm das Lampenfieber ist – die Angst versetzt Ihr Gehirn in den Leistungsmodus und hilft Ihnen dabei, wach und konzentriert zu sein. 

Und was passiert nach den oben genannten Ereignissen? Die ganze Last fällt von Ihnen ab. Sie sind erleichtert, aber auch erschöpft. Kein Wunder, denn Ihr Gehirn wurde auf Hochtouren gebracht. Und weil diese Höchstleistung so anstrengend ist, kann Ihr Körper sie nicht dauerhaft aufrechterhalten.  Auf starke Angst folgt zwangsläufig Erschöpfung. Genau diesen Mechanismus macht sich die Verhaltenstherapie zur Behandlung von Phobien zunutze, und zwar bei der sogenannten Konfrontationstherapie. Wer zum Beispiel Angst vor größeren Menschenmengen hat, wird gezielt damit konfrontiert. Ab einem bestimmten Punkt nimmt die Angst automatisch ab, weil das Gehirn schlichtweg nicht genug Energie zur Verfügung hat, um den Angstzustand länger zu befeuern. Dann kommt es zur Habituation, also einer Gewöhnung. Eine ähnliche Möglichkeit bietet die systematische Desensibilisierung – bedingt jedoch eine professionelle Begleitung. Falls bei der Vorstellung eines Reizes Angst auftritt, wird diese sofort unterbrochen und zur Entspannung übergegangen. Hat sich die Person mental daran gewöhnt, ist sie desensibilisiert, so kann sie die nächste Stufe in Angriff nehmen und mit der Vorstellung eine weitere Annäherung wagen. Problematisch wird es allerdings bei Ängsten, die sich nicht auf einen konkreten, fassbaren Auslöser wie Menschenmengen beziehen, sondern auf abstrakte Bedrohungen wie globale Krisen oder die Abstiegsangst nach einem verpatzten Saisonstart. Hier zeigt die Konfrontation keine Wirkung. Ebenso wenig können wir die Angst vor einer Inflation oder der nächsten Pandemie durch Exposition bekämpfen. Hier sind andere Strategien gefordert. 

Weitere Anregungen zum Thema Angst finden Sie hier: 

Achtsamkeit praktizieren

Die Wissenschaft geht davon aus, dass Kopf und Körper nicht getrennt voneinander betrachtet werden können. Was der Psyche hilft, kann auch physische Symptome lindern, und umgekehrt. Aus diesem Grund sollten wir den Verstand regulieren. Das verschafft Ihnen einen entscheidenden Vorteil: Sie aktivieren Ihre inneren Ressourcen und Selbstheilungskräfte. Sie stärken Ihre grundsätzliche Widerstandsfähigkeit. Der wichtigste Baustein ist jedoch ein anderer – achtsames Verhalten. Es kann Ihnen helfen, sich auf gesunde Weise von Ihren Emotionen zu distanzieren. Durch Achtsamkeit lernen Sie, Ihre Gefühle zu beobachten, anstatt ihnen hilflos ausgeliefert zu sein. Das ist besonders bei solchen Ängsten wichtig, deren Auslöser sich nicht ohne Weiteres beseitigen oder durch Exposition konfrontieren lassen.  Das heißt nicht, dass Sie gleichgültig gegenüber wichtigen Themen wie dem Klimawandel, steigenden Energiekosten oder anderen persönlichen Themen werden sollten. Es geht nicht um Gleichgültigkeit, sondern um situationsgerechte Gelassenheit. Wie können Sie eine achtsame Beobachterposition einnehmen? Dafür eignet sich eine einfache Übung mit einer Mandel: 

Legen Sie eine Mandel auf die flache Hand und stellen Sie sich vor, Sie würden diese zum ersten Mal in Ihrem Leben sehen. Welche Form und Farbe hat sie? Hat die Oberfläche eine bestimmte Struktur? Gibt es andere Details, die Ihnen auffallen? Versuchen Sie, sich ganz aufs Beobachten zu konzentrieren. Tauchen ablenkende Gedanken auf, dann hegen Sie keinen Groll. Versuchen Sie vielmehr, Ihre Gedanken zu registrieren, ohne sie zu bewerten. Loslassen…! Lenken Sie Ihren Fokus wieder zurück auf die Mandel. Weiter geht es mit dem Fühlen: Legen Sie die Mandel vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger: Welche Beschaffenheit hat sie? Führen Sie diese dann zur Nase und nehmen Sie ihren Geruch wahr. Gefällt Ihnen dieser? Als Nächstes nehmen Sie die Mandel zwischen Ihren Lippen: Was passiert mit Ihrer Ober- und Unterlippe? Legen Sie diese anschließend auf Ihre Zunge. Spüren Sie Ihr Gewicht? Bewegen Sie die Mandel im Mund umher – und beißen Sie anschließend hinein. Wie ist Ihr Geschmack? Bevor Sie die Mandel herunterschlucken, kauen Sie langsam und bewusst, und nehmen Sie alles wahr, was Ihnen dabei auffällt. Der Effekt solcher Übungen ist wissenschaftlich nachgewiesen: Ihr Nervensystem arbeitet stärker auf dem parasympathischen Zweig, der für Beruhigung zuständig ist. Ihr Gehirn reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol. Und die Aktivität Ihrer Amygdala, also Ihres Angstzentrums, nimmt schon nach wenigen Wochen des Achtsamkeitstrainings nachhaltig ab. Weitere Anregungen zum Thema „Achtsamkeit“ finden Sie hier: 

Auch die regelmäßige Meditation kann helfen, Ihr Gehirn neu zu verschalten. Sie können neue neuronale Verbindungen herstellen, die Ihr Leben nachhaltig verändern und somit negative Gedankenmuster durchbrechen können. Näheres dazu finden Sie hier:  

Gedanken und Gefühle kontrollieren 

Mithilfe solcher einfachen Übungen können Sie auch Ihre Achtsamkeit für Gedanken und Gefühle schärfen. Das ist wichtig, weil uns manchmal gar nicht bewusst ist, wenn wir von negativen Gedanken oder Gefühlszuständen geplagt werden. Nehmen wir als einfaches Beispiel die Kassen am Stadioneingang Ihres Lieblingsvereins. Stellen Sie sich vor, Sie wollen kurz vor Spielbeginn noch rasch eine Eintrittskarte kaufen, um Ihre Mannschaft zu unterstützen. Das notwendige Kleingeld oder die Kreditkarte haben Sie schnell griffbereit und an der Kasse ist es egal, wo Sie sich anstellen, denn alle Schlangen sind gleich lang. Oder doch nicht? Denn natürlich dauert es viel länger an der Kasse, an der Sie sich angestellt haben. Und schon setzen bestimmte „automatische“ Gedanken ein. So werden in der Psychologie unangepasste Reaktionen auf Stresssituationen genannt, die Sie weder beabsichtigt noch reflektiert haben. An der Stadionkasse könnten die Gedanken dann sein wie: „Das passiert mir immer!“ Oder: „Nur weil ich es eilig habe, zählt der angetrunkene Typ vor mir seine Münzen!“ Manchmal setzen diese automatischen Gedanken dann einen Angstkreislauf in Gang: „Na großartig, jetzt verpasse ich die ersten Spielminuten. Und dann kann ich womöglich keinen guten Sitzplatz ergattern…“ Das Problematische an solchen Gedankenkreisläufen ist ihre selbsterfüllende Wirkung. Vereinfacht ausgedrückt: Wer negativ denkt, dem geht es tatsächlich schlechter. Das liegt daran, dass unser Gehirn schlecht zwischen Realität und Vorstellung unterscheiden kann. Wenn wir uns das Worst-Case-Szenario ausmalen, produziert unser Nervensystem Stresshormone und wir fühlen uns tatsächlich angespannt und schlecht. Versuchen Sie deshalb, Ihre Gedanken zu überprüfen, wenn Stress oder schlechte Laune in Ihnen aufkommen. Was geht Ihnen gerade durch den Kopf? Mit großer Wahrscheinlichkeit entdecken Sie dabei mentale Verzerrungen, wie die übertriebene Verallgemeinerung an der Stadionkasse – also die unrealistische Annahme, Sie stünden immer in der langsamsten Schlange und verpassen daher immer die ersten Spielminuten Ihrer Lieblingsmannschaft. Weitere Klassiker sind die automatische Abwehr positiver Gedanken, etwa: „Das wird niemals funktionieren!“, oder voreilige Schlussfolgerungen wie: „Meine Vorgesetzte oder Vorgesetzter hat den Termin mit Ihnen bestimmt nur deshalb ausgemacht, weil sie/er mich kündigen möchte.“ Wenn Sie solche Gedanken bemerken, dann unterziehen Sie sich einem Realitätscheck. Überlegen Sie, ob Ihr Verhalten übertrieben ist oder ob Sie voreilige Schlüsse ziehen. Und fragen Sie sich, ob sich die Situation nicht auch ganz anders deuten ließe. Wie würden Sie zum Beispiel beurteilen, wenn an Ihrer Stelle jemand anderes betroffen wäre? Was würden Sie einer Kollegin oder einem Kollegen empfehlen? Oder Sie nutzen die Fragen von Byron Katie: 

  1. Ist das wahr? 
  2. Können Sie absolut sicher sein, dass es wahr ist?
  3. Wie reagieren Sie oder was passiert mit Ihnen, wenn Sie diese Gedanken tatsächlich glauben?
  4. Wer wären Sie und wie fühlen Sie sich ohne diesen Gedanken?

Untersuchen Sie jede einzelne Ihrer Aussagen, indem Sie die vier obenstehenden Fragen verwenden. Verzichten Sie auf jede Aussage, die mit „aber“, „weil“ oder „und“ beginnt. Gehen Sie jeweils mit nur einer einzigen negativen Überzeugung durch den Untersuchungsprozess. Mit solchen Gegenfragen übernehmen Sie Verantwortung für Ihre Gedanken und Gefühle. Statt Ihrer Angst ausgeliefert zu sein, gewinnen Sie die Kontrolle zurück. Das ist ein wichtiger Schlüssel im Umgang mit Ihren Ängsten. 

Es gibt allerdings auch Situationen, in denen man nicht allein mit seinen Ängsten fertig wird. In diesem Fall kontaktieren Sie bitte Ihren Arzt bzw. Ärztin des Vertrauens oder einen Therapeuten bzw. eine Therapeutin, um Ihre Situation professionell begleiten zu lassen. 

Ernährung und Psyche 

Auch die Ernährung spielt übrigens eine grundlegende Rolle für unsere Psyche. Das hat vor allem mit der sogenannten Darm-Hirn-Achse zu tun. Sprüche wie: „Das schlägt mir ganz schön auf den Magen“, kommen nicht von ungefähr: Über den Vagusnerv sind Darm und Gehirn direkt miteinander verbunden. Sie stehen in ständiger Wechselwirkung. Dabei rücken zunehmend die Darmbakterien in den Fokus. Experimente mit Mäusen zeigen eindrucksvoll den Zusammenhang von Angst und Darmflora: Überträgt man den Stuhl mutiger Mäuse in den Darm ängstlicher Mäuse, dann entwickeln diese tatsächlich ein mutigeres Verhalten.  Was heißt das für uns Menschen? 

Gesunde Ernährung ist nicht nur für den Körper wichtig, sondern auch für unsere Psyche. Das hat zuletzt das fünfjährige EU-Forschungsprojekt „My New Gut“ anhand umfangreicher Datenanalysen nachgewiesen. Die Ergebnisse lassen sich grob auf folgenden Grundsatz reduzieren: Eine überwiegend pflanzenbasierte Ernährung mit gesunden Fetten, Vollkornprodukten und viel Gemüse sowie Ballaststoffen ist in diesem Zusammenhang sehr bedeutsam.  Neben gesunder Ernährung haben auch die regelmäßige Bewegung und soziale Beziehungen einen positiven Einfluss auf die Psyche. 

Fazit

Sie können selbst einiges tun, um sich gegen Angstgefühle zu wappnen. Dabei geht es stets darum, die Widerstandsfähigkeit und Abwehrkräfte Ihres Körpers und Ihrer Psyche zu stärken! Kopf und Körper beeinflussen sich gegenseitig bei der Entstehung von Ängsten – aber auch bei deren Bekämpfung! Denn dadurch haben Sie gleich zwei Stellschrauben, mit denen Sie Ihre innere Gelassenheit trainieren können. Es geht nicht darum, dass Sie Ihre Ängste ignorieren oder unterdrücken. Das funktioniert bestenfalls vorübergehend oder mit zum Teil nicht zu empfehlenden Ventilen. Auf lange Sicht verursachen unterdrückte Ängste unbewussten Stress und werden früher oder später umso stärker zurückkehren. Vielmehr geht es darum, innere Ressourcen aufzubauen, sich regelmäßig zu bewegen, gesund und ausgewogen zu ernähren und mit Ihren Ängsten einen Weg zu finden. So können Sie die Fähigkeit entwickeln, der Angst auf Augenhöhe zu begegnen und am Ende des Tages Kapitän ihres Lebens zu werden. 

Umso mehr gilt das für den Sport. Nur, es braucht Zeit. Deshalb ist es ratsam, sich frühzeitig an meine Kollegen und Kolleginnen (zur Übersicht) oder mich (zum Profil von Prof. Dr. René Paasch) zu wenden. Für uns gehört der Umgang mit Ängsten im Sport zum Handwerkszeug.  

Mehr zum Thema:

Literatur 

  1. Bangsgaard Bendtsen, K.M., Lukasz Krych,L., Dorte Bratbo Sørensen, D., Wanyong Pang, W., Dennis Sandris Nielsen, D.S., Knud Josefsen, K., Hansen, L., Søren J. Sørensen, S., Axel Kornerup Hansen, A. (2012). Gut Microbiota Composition Is Correlated to Grid Floor Induced Stress and Behavior in the BALB/c Mouse | PLOS ONE 

Studie lesen: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0046231 

  1. Byron Katie (2002): Lieben was ist. Wie vier Fragen Ihr Leben verändern können Gebundene Ausgabe – 4. Juli 2002
  2. Zeng, B. Meiling Liu, Chen, Junxipan, Yu Han, J. Liu, Ke Cheng, L., Zhou, C. J., Haiwang, H., Zhou, X., Gui, S., Perry, S., Licinio, M. W. J., Hong Wei, H., Xie, P. (2019). The gut microbiome from patients with schizophrenia modulates the glutamate-glutamine-GABA cycle and schizophrenia-relevant behaviors in mice | Science Advances. 

Studie lesen:  https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.aau8317

  1.  Vollmer, J. B. (2014). Der Darm-IQ – Wie das Bauchhirn unser körperliches und seelisches Wohlbefinden steuern. 2. Auflage. München

Internet: 

  1. www.mynewgut.eu 
  2. https://www.gutmicrobiotaforhealth.com/ 
  3. https://www.dgppn.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2017/themendienst-angststoerungen.html 

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