Prof. Dr. René Paasch: Leben! – Im Hier und Jetzt 

Hand aufs Herz: Wie oft Sind Sie mit Ihren Gedanken in der Vergangenheit oder in der Zukunft? Wie oft geht Ihnen durch den Kopf, was Sie als Nächstes tun müssen oder wie dieses oder jenes wohl ausgehen wird? Vermutlich ziemlich oft, richtig? Dies ist nur menschlich und natürlich ist Vorsicht besser als Nachsicht. Aber was ist mit dem Moment dazwischen? Dem Hier und Jetzt? Wer ständig in der Zukunft lebt, verpasst die Gegenwart. In diesem Blogbeitrag führe ich Sie sanft und gütig an das Thema Achtsamkeit heran. Ich erkläre anhand meiner Erfahrungen als ehemaliger Marinesoldat und mit praktischen Beispielen, wie Sie Ihren aufgewühlten Geist zur Ruhe bringen können. 

Zum Thema: Zurück in die Gegenwart – Achtsames Verhalten für mehr innere Balance 

“Wo immer du bist, sei ganz dort.”

Eckhart Tolle

In den 1990er-Jahren verpflichtete ich mich als Marinesoldat für zwölf Jahre für die Überwasseroperationsdienstlaufbahn „Verwendungsreihe 23“ im 2. Schnellbootgeschwader, um die Gewässer in Europa zu verteidigen. Damals wurde mir oft die unliebsame Pflicht der Nachtwache zugeteilt. Selbst im klirrenden Winter stand ich an Deck, um meine schlafenden Kameraden*innen vor ungewöhnlichen Situationen auf hoher See zu bewahren. Noch schlimmer war, dass ich mich zum Teil bei starken Wellen übergeben musste. Glücklicherweise hat sich seitdem viel getan. Zwanzig Jahre später gibt es mittlerweile technische Hilfsmittel dafür. Doch ich empfand damals schon, dass diese Modernisierung Nachteile haben wird. Ich sehe sie sogar als Problem für die neue Generation von Seefahrern an. Warum? Weil das Erleichtern der Arbeit nur bedingt der richtige Ansatz ist. Beim Überwachen des Seegebiets, das Überprüfen der Kontrollleuchten, der zwischenmenschliche Austausch auf meinen Rundgängen, das Überprüfen des Bootes u.v.m., ging es nicht einfach nur um das Ergebnis „Überwachung“, sondern um das Gesehene und die damit verbundenen realen Erlebnisse. Wenn Sie lieblos nur auf das Taktikboard, die Kontrollleuchten oder die Überwachungskameras schauen, begreifen Sie dies als lästige Pflicht, die schnell zur Langeweile führen kann. Ihre Gedanken sind schon während der Beobachtung bei der anschließenden Tagesruhe. Sie vergeuden den Augenblick, weil Sie nur an das Ergebnis denken. „Hoffentlich endet bald die Nachtschicht und ich kann schlafen gehen.“ Sie verpassen, was in Ihrem Körper und Ihrem Geist passiert, während Sie auf den Bildschirm schauen. Das ist fast so, als würden Sie nicht wirklich beobachten. Als fänden diese Momente Ihres Lebens gar nicht statt. Und es geht munter so weiter. Denn später, wenn Sie nach der Nachtwache an die Back, den „Essenstisch“ kommen, wandert Ihr Geist schon wieder weiter, anstatt das Frühstück mit den Kameraden*innen zu genießen. Sie hetzen erneut aus der Gegenwart nach vorn in die Zukunft. Dies erschwert, einfach mal im Hier und Jetzt zu verweilen. Doch es geht auch anders. 

Die gütige Achtsamkeit ist ein praktikabler Weg, der uns lehrt, im Hier und Jetzt zu sein. Was immer Sie gerade tun – Sie können lernen, den Moment mit vollem Bewusstsein wahrzunehmen. Wie das gehen könnte, möchte ich Ihnen anhand der lebensnotwendigen Atmung erklären. 

Ein- und Ausatmen

Achtsamkeit meint also, dass Sie den Fokus Ihre Gedanken auf den gegenwärtigen Moment richten, statt sich in Erinnerungen oder Zukunftssorgen zu flüchten. Viele von uns bemühen sich intuitiv um Achtsamkeit, werden aber immer wieder aus dem Hier und Jetzt gerissen. Wir sind heute auf vielen unterschiedlichen Ebenen gefragt. Unser Geist wird alle naselang mit persönlichen Zielen, familiären Aufgaben und beruflichen Pflichten bombardiert. Unsere Gedanken springen und rasen so viel, dass wir schlichtweg nicht die Ruhe finden, uns mit vollem Bewusstsein auf die einfachen Dinge des Lebens zu konzentrieren. Wie leben Sie trotz all der Hektik in der Gegenwart? Wie bleiben Sie geistig beweglich? Dabei hilft ausgerechnet eine Tätigkeit, der wir meistens kaum Beachtung schenken: das Ein- und Ausatmen (Ott, Epe, 2018):  

Achtsames Atmen ist ein simples, aber äußerst effektives Mittel gegen gedankliche Zerstreuung. Stellen Sie sich Ihren Atem als Bindeglied vor – als Verbindung zwischen Ihrem Bewusstsein und der Gegenwart, zwischen Ihrem Verstand und Ihrem Körper. Angenommen, Ihre Gedanken sind zerstreut und unruhig. Dann zügeln Sie Ihren Geist, indem Sie lang und tief einatmen. Achten Sie dabei ganz bewusst darauf, was Sie beim Einatmen wahrnehmen. Lassen Sie sich einen kurzen Moment Zeit und halten Sie den Atem an, bevor Sie die Luft langsam wieder aus Ihren Lungen strömen lassen. Machen Sie sich bewusst, dass Ihre Lungenflügel erst langsam an diese neue Art der Atmung gewöhnen müssen. Wenn Sie sich geduldig im achtsamen Atmen üben, werden Ihr Atemzüge nach und nach länger und gleichmäßiger. 

Aber ist das alles wirklich mit unserem modernen Leben vereinbar? Wie oft und wann sollten wir uns denn im Alltag in achtsam verhalten? Genau darum geht’s im nächsten Abschnitt. 

Tag der Achtsamkeit 

Im Idealfall würden Sie Achtsamkeit als festen Bestandteil Ihres Lebens sehen. Aber wir wissen alle, dass dies nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Dafür ist unser Leben zu dicht getaktet und vielschichtig. Darum empfehle ich Ihnen einen Tag in der Woche der Achtsamkeit zu widmen. 

Ein ganzer Tag in der Woche „Nur“ für Ihr seelisches Wohlbefinden? Machen Sie sich bewusst, wie wichtig Achtsamkeit ist, um im Stress des modernen Lebens ein klares und gesundes Mindset zu bewahren. Ihre geistige Gesundheit ist die Voraussetzung dafür, dass Sie belastbar und leistungsfähig bleiben. Wie könnte also Ihr persönlicher Tag ablaufen:  

Reservieren Sie immer denselben Wochentag für Ihre Achtsamkeitspraxis. Durch die regelmäßige Wiederholung schaltet Ihr Unterbewusstsein irgendwann von allein an diesem Tag in den Achtsamkeitsmodus. Sobald Sie sich für einen Tag entschieden haben, brauchen Sie ein Aufhänger oder Signal für diesen Tag. Das kann ein bestimmtes Musikstück sein oder ein kleiner Zettel mit der Aufschrift „Sich selbst ein Geschenk machen – Mein Tag für innere Ruhe“. Atmen Sie direkt nach dem Aufwachen mehrmals langsam und tief ein und aus, bevor Sie vorsichtig aufstehen. Konzentrieren Sie sich auf jeden einzelnen Ihrer Abläufe. Erledigen Sie Ihre Aufgaben ganz bewusst und ohne zu hadern. An Ihren ersten Achtsamkeitstagen kann es Ihnen helfen, so lange wie möglich zu schweigen. Somit bekommen Sie einen inneren Zugang zu sich und Ihren Gedanken. Wenn Sie können, verbringen Sie den Nachmittag in der Natur. Sie bietet uns Nahrung, sauberes Wasser, reine Luft und gehört somit zu den wertvollsten und bekanntesten Leistungen für den Menschen. Später bleibt dann vielleicht noch Zeit für ein gutes Buch oder ein weiterer Artikel auf unserer Seite. Nehmen Sie sich auch einen Zeitpunkt, für die Familie oder um Freunden etwas zu schreiben. Was auch immer Sie tun: Bleiben Sie im Hier und Jetzt! 

Fazit

Wie wir alle wissen, kommt es darauf an, mehr im Augenblick zu leben – viel zu oft sind wir gedanklich mit der Vergangenheit und der Zukunft beschäftigt, ohne die Gegenwart wahrzunehmen. Wenn Sie immer nur gedankenlos durch Aufgaben hasten, vergeuden Sie kostbare Lebenszeit und fühlen sich oft gestresst. Schon ein achtsamer Tag pro Woche kann Ihnen Kraft geben und Ihren Blick wieder für die kleinen Freuden des Lebens öffnen. Manchmal reicht aber auch schon ein Lächeln oder gelebte Dankbarkeit. Wann immer Sie einen Moment Zeit finden, setzen Sie ein sanftes Lächeln auf oder zeigen Sie Ihren Mitmenschen, wie dankbar und glücklich Sie sind, ein Teil Ihres Lebens sein zu dürfen. Denn Dankbarkeit und achtsames Verhalten, schaffen in unserer Gesellschaft Wiederholungstäter.  

Mehr zum Thema:

Unser Online-Coaching:

Literatur 

  1. Hier finden Sie auch aktuelle Einzel- und Metastudien. Allein im Jahr 2018 erschienen 842 Beiträge in wissenschaftlichen Journalen, die sich auf Achtsamkeit bezogen. MBSR: https://goamra.org/
  2. Michaelsen, M. et al (2021): Wirksamkeit von Achtsamkeitstechniken im Arbeitskontext. Studie lesen: https://www.iga-info.de/veroeffentlichungen/igareporte/igareport-45/
  3. Eckhart Tolle (2010): Die Kraft der Gegenwart. Herausgeber, Kamphausen Media GmbH. 
  4. Ulrich Ott, U., Epe, J. (2018): Gesund durch Atmen. Ein Neurowissenschaftler erklärt die Heilkraft der bewussten Yoga-Atmung. 

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Prof. Dr. René Paasch
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