Janosch Daul und Leo Hein: Wie Sportpsychologie auf dem Weg in den Profi-Fußball helfen kann

Wie sieht sportpsychologische Arbeit in der Praxis aus? Inwiefern profitieren junge Sportler von der Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen? Mit welchen Fragen können Athleten den Experten gegenübertreten? Wir von Die Sportpsychologen liefern auf solche Fragen gern Antworten. Janosch Daul (zum Profil), Sportpsychologe im Nachwuchszentrum des Halleschen FC, erlaubt uns hier einen Einblick in seine Zusammenarbeit mit einem Nachwuchsfußballer, der die Sportpsychologie als Werkzeug nutzen will, um sich seinen Traum vom Profi-Fußball zu ermöglichen. 

Zum Thema: Insiderbericht über die Zusammenarbeit zwischen einem Nachwuchskicker und einem Sportpsychologen

Leo Hein ist ein äußerst talentierter Spieler der U16-Mannschaft des Halleschen FC. Im Nachwuchszentrum des Fußball-Drittligisten arbeitete ich seit einigen Monaten sehr intensiv mit ihm zusammen. Leo gehört zur neuen Spielergeneration, die quasi mit der Sportpsychologie aufwächst. So lag es für den Zehntklässler des Gymnasiums Mücheln nahe, sich im Rahmen einer Facharbeit mit einem sportpsychologischen Thema auseinanderzusetzen. Der Titel seiner Arbeit lautet:

Auswirkungen auf die intrinsische Motivation und Leistungsbereitschaft im Leistungssport durch die Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen im Selbstversuch.“

Über seine Beweggründe, die Facharbeit zu einem sportpsychologischen Thema zu schreiben, meint Leo folgendes: „Seit ich denken kann, bin ich leidenschaftlicher Fußballer. Ich bin heute 15 Jahre alt und habe mit Freuden bereits 8,5 Jahre Leistungssport erleben dürfen. Fußball ist mehr als nur ein Hobby für mich. Mein größter Wunsch wäre es, einmal Profi zu werden. Natürlich ist mir bewusst, dass der Weg nach oben nicht nur mit Talent und Trainingsfleiß zu schaffen ist. Deshalb ist die Frage, ob die Sportpsychologie dabei eine Hilfe sein kann, sehr bedeutsam für mich. Ich versuche diese Frage im Selbstversuch zu klären, da ich davon ausgehe, dass die Antwort sehr subjektiv belastet sein wird. Die Auswertung könnte meine weitere sportliche Entwicklung extrem beeinflussen, da ich nach Abschluss die Erkenntnis haben könnte, ob ein Sportpsychologe meine Leistung bzw. Einstellung verbessern kann. Falls diese Frage mit ja zu beantworten ist, habe ich eine weitere Möglichkeit für mich gefunden, mir den langen Weg zum Ziel etwas zu erleichtern.“ 

Ein Tief in der Vorsaison

Zudem spielte die vorangegangene Saison eine wichtige Rolle im Hinblick auf die Entstehung dieser Facharbeit: „Die letzte Saison lief für mich wenig erfreulich. Durch geringe Einsatzzeiten verlor ich ein wenig mein Selbstvertrauen und befand mich in einem sogenannten Tief. Am Ende der Vorsaison war ich immer noch enttäuscht und hatte mein Selbstvertrauen noch nicht wieder gewonnen, deshalb gab mir mein Vater den Rat, doch mal mit unserem Sportpsychologen zu reden.“ 

In diesem Artikel möchte ich gemeinsam mit Leo den Ablauf sowie die Ergebnisse des Selbstversuchs vorstellen und anschließend erzählen, wie aus einer anfangs kleinen Zusammenarbeit im Saisonverlauf eine immer umfangreichere und intensivere wurde.

Der Startpunkt

Im September des vergangenen Jahres suchte mich Leo mit folgenden Worten auf: „Du, Janosch, ich möchte meine Facharbeit über die Sportpsychologie schreiben. Kannst du mit mir Gespräche führen, die mich im Hinblick auf das jeweils anstehende Training und Spiel motivieren?“ Ich war sofort begeistert von dieser Idee und Leos Initiative. 

In den folgenden zwei Monaten beschäftigte sich Leo primär mit dem theoretischen Grundgerüst seiner Arbeit, ehe wir dann, von November bis Februar, fünf Mini-Interventionen in Form eines formellen Gesprächs vor Trainingseinheiten führten. Jede Intervention folgte demselben Aufbau: 

  • Begrüßung & Small-Talk 
  • Erfassung von Leos aktuellem Motivationslevel auf einer Skala von 1 bis 10 bzw. 1 bis 100 bzw. vom Kreisligafußballer bis zum Idol Ronaldo
  • Vorstellung der Methode
  • Durchführung dieser Methode
  • Erfassung des aktuellen Motivationslevels
  • Abschluss und Verabschiedung 

Thematisch gingen wir in den fünf Interventionen wie folgt vor: 

  • Reflexion bisher angewandter Strategien zur Selbstmotivation (Intervention 1)
  • Reflexion guter Gründe, sich aufs anstehende Training zu freuen (Intervention 2)
  • Detaillierte Beschreibung seines persönlichen Fußball-Highlightmoments: ein Fallrückziehertor in einem Spiel als Spieler von RB Leipzig inklusive Formulierung einer knackigen Überschrift aus der Perspektive eines Journalisten (Intervention 3) zu diesem Tor 
  • Intensive Visualisierung dieses Erfolgsmoments mit allen Sinnen vor dem inneren Auge aus der Ich-Perspektive (Intervention 4)
  • Darstellung des persönlichen Lieblings-Spielzugs an der Taktiktafel aus der Rolle eines Trainers (Intervention 5)

Leo meint zu den Interventionen: „Die Gespräche mit Janosch waren immer ein voller Erfolg. Mit verschiedenen Methoden, egal ob ich in die Rolle eines Trainers schlüpfte oder ein imaginäres Interview mit Ronaldo führte: Janosch konnte mich immer motivieren. Er hat dadurch einen wichtigen Beitrag zu meiner Leistungsfähigkeit beigesteuert, wofür ich sehr dankbar bin.“ 

Welchen Einfluss hatten unsere Gespräche?

Zudem führten wir ab Oktober informelle Gespräche, z.B. in Form eines kurzen SMALL-Talks auf dem Weg zum Trainingsplatz. Leo füllte an jedem Trainings- und Spieltag einen selbst entwickelten Fragebogen aus, in dem er u.a. seine Leistungsbereitschaft und intrinsische Motivation subjektiv bewertete. So konnte er den Einfluss unserer Gespräche auf diese Parameter erfassen, indem er die Ausprägung dieser an Tagen, an denen wir Gespräche führten, mit solchen, an denen wir in keinem Kontakt standen, miteinander verglich.

Die Studienergebnisse zeigen, dass Leos Motivation und Leistungsbereitschaft an Tagen, an denen wir Gespräche geführt hatten, um 6% bzw. 9% ausgeprägter war im Vergleich zu kontaktlosen Tagen. Zudem zeigen die Daten, dass Leo insbesondere dann hinsichtlich seiner Motivation und Leistungsbereitschaft von den Gesprächen profitierte, wenn er seine Tage, bedingt durch die Belastungen des Alltags, als besonders anstrengend empfand. Zudem ist der Zusammenhang an Trainingstagen im Vergleich zu Spieltagen ausgeprägter. Was jedoch mit Blick auf die Ergebnisse kritisch angemerkt werden muss, ist die Tatsache, dass die Studie weitere potenzielle Faktoren, die Einfluss auf Leos Motivation und Leistungsbereitschaft ausgeübt haben könnten, nicht berücksichtigt. Demnach wäre es nicht schlüssig, fest von einem direkten Zusammenhang zwischen den Gesprächen und Leos gestiegener Motivation und Leistungsbereitschaft auszugehen. Jedoch lassen die Ergebnisse den Schluss zu, dass die Gespräche für Leo ein positiver Einflussfaktor waren. 

Ausweitung der Zusammenarbeit

Auf Grundlage von Leos Positiverfahrungen im Rahmen seiner Studie und auf Basis unseres gewachsenen Vertrauensverhältnisses nahm die Intensität und Häufigkeit unserer Zusammenarbeit nach Abschluss der Interventionen weiter zu. Zum einen startete ich ab Oktober, nach Absprache mit dem Trainerteam, mit Führungsspielercoachings im Kleingruppenformat, die insbesondere im Frühjahr an Fahrt aufnahmen. Regelmäßig arbeiteten also die Leader des Teams – Leo ist einer von diesen – mit meiner Unterstützung an ihren Leaderkompetenzen. Zum anderen kam Leo, auf Initiative seiner Mannschaftstrainer, in den Genuss einer zusätzlichen individuellen Toptalenteförderung, die im April dieses Jahres begann. In diesem Zusammenhang äußerte Leo sein Bedürfnis, neben seinem Passspiel und Torabschluss sowie seiner Zweikampfführung primär auch im Einzelcoaching verstärkt an seinen Qualitäten als Leader, insbesondere den Bereich der Kommunikation betreffend, zu arbeiten. Auf dieser Basis erstellte ich mit dem Cheftrainer Entwicklungspläne für Leo und führe seitdem mit ihm wie gewünscht Einzelcoachings durch. 

Im Ergebnis seiner nun gesammelten vielfältigen eigenen Erfahrungen mit der Sportpsychologie hat Leo inzwischen eine eindeutige Antwort für sich auf die Frage gefunden, inwieweit ihm die Sportpsychologie dabei hilft, seine Leistung, Einstellung und Verfassung zu verbessern: „Die Zusammenarbeit mit Janosch hilft mir in vielen Bereichen weiter, z.B. meine Psyche generell und speziell meine Leistungsbereitschaft und Motivation betreffend. Die Gespräche helfen mir einfach dabei, mich noch mehr aufs anstehende Spiel oder Training zu fokussieren und deshalb bessere Leistungen zu bringen. Ich danke Janosch dafür, dass er mich immer unterstützt, egal ob ich Probleme habe oder einfach mal keine Lust aufs Training habe. Janosch bekommt es immer hin, eine Lösung zu finden. Deshalb könnte ich jedem Sportler raten, mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten.“

Foto: privat

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Janosch Daul
Janosch Daul

Sportarten: Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, Leichtathletik, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Badminton

Halle/Saale, Deutschland

+49 (0)176 45619041

E-Mail-Anfrage an j.daul@die-sportpsychologen.de