Die Diskussion ist so alt wie die Sportpsychologie im Leistungssport ernst genommen wird: Also noch sehr jung. Und an vielen Stellen wird die Frage noch gar nicht gestellt, ob ein Sportpsychologe nun mit auf die Bank gehört oder nicht? Dabei gibt es immer wieder auch einzelne Offensiven, die Sportpsychologen oder Sportpsychologinnen im Spielsport in außergewöhnlich exponierte Positionen bringen. In jedem Fall ist es nötig, dass die Frage, ob der Sportpsychologe nun auf die Bank gehört oder eben, diskutiert wird.
Zum Thema: Die Rolle und die Platzierung der Sportpsychologie im Teamsport
Klaus-Dieter Lübke Naberhaus und Prof. Dr. Oliver Stoll sind in Leipzig quasi berufliche Nachbarn. Beide sind im direkten Einzugsgebiet des Hochleistungssports der mitteldeutschen Metropole angesiedelt, unweit der Spielstätten von Rasenballsport, den Bundesliga-Handballern des SC DHfK, den Trainingszentren diverser olympischer Disziplinen sowie der Sportschule und der Universität.
Klaus-Dieter Lübke Naberhaus ist seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Funktionen im Handball aktiv. Als Spieler, als Trainer, als Referent in der Trainerausbildung, Sportmediziner und Mannschaftsarzt. Und nicht zuletzt als sportpsychologischer Coach (zum Profil). Aktuell steht er neben seiner Tätigkeit als Teamarzt beim Deutschen Handballbund beim Frauen-Zweitligisten HC Leipzig auch im Trainerteam, eine zeitlang sogar als Co-Trainer, in der Verantwortung. Gerade bei seinem Vereinsteam muss er als Sportmediziner, sportpsychologischer Experte und Trainer einen Rollenkonflikt aushalten. Lübke Naberhaus: “Natürlich bin ich, wenn ich beim HCL auf der Bank sitze, primär Co-Trainer, aber ich kann meine sportpsychologische oder sportmedizinische Seite nicht komplett außen vor lassen. Aber, und das ist der entscheidende Punkt: Die Arbeitsfelder dürfen nicht zu sehr verschwimmen, sonst leidet die Qualität, die besonders an die Tätigkeit des Co-Trainers oder des Sportpsychologen geknüpft sind.”
Individuelle Lösungen
Die Lösung von Lübke Naberhaus in der aktuellen Saison beim HC Leipzig: Der Fokus liegt auf der Rolle als Co-Trainer, für die er wiederum sein Wissen und seine Erfahrungen aus der Sportpsychologie nutzt. Dabei hat er im Co-Trainer-Spielerinnen-Verhältnis sehr deutlich gemacht, dass er für die Akteurinnen als sportpsychologischer Coach auf individueller und mannschaftlicher Ebene in diesem Zeitraum nicht zur Verfügung steht. Lübke Naberhaus: “Das kann das Vertrauensverhältnis stören und auch die Spielerinnen in einen Konflikt führen. Denn im Trainerstab dürfen solche Informationen, die als sportpsychologischer Coach erhalte, nicht verwertet werden oder nur mit Erlaubnis der Spielerin. Die Rolle und Begrenzungen als sportpsychologischer Experte und die Rolle und Grenzen als Co-Trainer sind unterschiedlich.”
Soll heißen: Der Sportpsychologe mit Blick für Motivation, Taktik und Ansprache sitzt in Person des Co-Trainers Lübke Naberhaus mit auf der Bank des HC Leipzig. Aber nur in der zweiten Reihe und nur als Ergebnis seiner persönlichen Zusatzqualifikation.
Innovative Wege?
Einen anderen Weg wählte der heutige Fußball-Regionalligist FC Carl Zeiss Jena im Zuge seiner bislang letzten Drittliga-Aufstiegssaison 2016/2017. Damals war der Sportpsychologe Peter Schneider als Co-Trainer einzig und allein für die sportpsychologischen Komponenten zuständig. Aber auf Augenhöhe mit dem Torwarttrainer oder den anderen Co-Trainern, die sich vornehmlich um die Taktik oder die Physis kümmerten.
In dieser Zeit ist ein Interview entstanden, auf welches wir unter dem Text gesondert hinweisen. Mittlerweile ist Schneider als Sportpsychologe im Trainerstab von RB Leipzig aktiv. Vom Feldversuch beim FC Carl Zeiss Jena inklusive Aufstieg in die Dritte Liga führte sein persönlicher Weg sogar bis in die Champions League. Prof. Dr. Oliver Stoll vermutet: “Die großen Innovationen sind in den oberen Ligen des Profi-Fußballs noch eher weniger zu finden, hier spielt die Sportpsychologie noch eine untergeordnete und alles andere als öffentlich wahrnehmbare Rolle.”
Unser Kollegengespräch
Im Kollegengespräch diskutieren Klaus-Dieter Lübke Naberhaus und Prof. Dr. Oliver Stoll (zum Profil) über die unterschiedlichen Positionen und beziehen Stellung. Im Eingangsstatement überrascht Stoll gleich damit, dass aus seiner Sicht Sportpsychologen nicht auf die Bank gehören. Denn die eigentliche Arbeit werde anderenorts und zu anderen Zeiten gemacht.
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