Die Situation scheint einfach: Ein junger BMX-Fahrer scheitert immer wieder am Backflip. In anderen Situationen, etwa auf dem Trampolin, ist die Bewegung kein Problem. Aber auf dem Rad und in der Halle funktioniert es nicht. Was lässt sich da tun, wurden wir über den für Sportler, Sportlerinnen, TrainerInnen und Eltern offenen Kanal “Frage und Antwort” gefragt?
Pauschal auf die Frage zu antworten, ist immer ein bisschen abenteuerlich. Jeder Fahrer hat seine ganz eigenen Gründe (oder Blockaden), den Backflip nicht zu machen oder zu schaffen. Meistens liegt eine Angst darunter oder eine körperliche Zurückhaltung, bedingt entweder durch die Vorstellung möglicher Komplikationen oder Stürze, oder bedingt durch eine reale ungünstige Erfahrung aus der Vergangenheit, oder bedingt durch eine reale Erfahrung eines anderen Fahrers, die man beobachtet oder angeschaut hat, oder von der man gehört hat.
Heißt: Hinter einem “einfachen” Problem im Training kann sich eine komplexe mentale Gemengelage befinden. Darum verstehen Sie die folgenden beiden Tipps als Möglichkeiten, die vielleicht helfen können, aber nicht müssen. Gegebenenfalls kann es sinnvoll, sich individuelle sportpsychologische Unterstützung zu holen, sogar vor Ort, um die Blockade zu lösen. Die von Dr. Michael Bohne entwickelte Methode des PEP kann zum Beispiel auch im Park durchgeführt werden, und mit einem erfolgreichen Backflip enden.
Die folgenden beiden Vorschläge kann der Sportler selbst durchführen, um zu schauen, ob einer davon den Backflip auslöst, den der Körper ja schon kann – auf dem Trampolin.
Kopplung des erfolgreichen Backflips auf dem Trampolin mit einer bestimmten Situation, zum Beispiel auf der Rampe, durch einen auditiven Trigger. Das bedeutet konkret: Während der erfolgreichen Durchführung des Backflips auf dem Trampolin ruft oder spricht der Fahrer ein ganz bestimmtes Wort, das er sonst nicht verwendet – und zwar laut. Das kann auch ein Fantasiewort sein, es sollte sich gut anhören und auch nach Erfolg klingen. Dieses Wort koppelt sich mit jeder Wiederholung stärker an den gewünschten Bewegungsablauf und kann dann nach etwa 100 Wiederholungen auf dem Trampolin, einmal automatisiert, auf der Rampe genutzt werden, um genau diesen Bewegungsablauf erneut abzurufen. Die Mechanik, die dahinter liegt, ist die: Was gleichzeitig passiert, wird im Gehirn auch verknüpft – selbst wenn es ursprünglich nicht zusammenhängt.
Der erfolgreiche Backflip wird für die Situation, in der er noch nicht klappt, mental in die Vorstellung geholt: Das heißt, der junge Fahrer stellt sich wieder und wieder vor, wie er sich selbst dabei beobachtet, wie er den Backflip bravourös ausführt, und zwar auf der Rennstrecke oder im Park. Das macht er so lange, bis sich diese Vorstellung vollkommen natürlich anfühlt. Erst dann wechselt er die Perspektive und stellt sich vor, wie es sich anfühlt, den erfolgreichen Backflip auf der Rampe zu machen, mitsamt der perfekten Landung und der Freude danach. So trainiert er sein Gehirn auf die Leistung, die er abrufen möchte, sie kommt ihm nach und nach immer normaler vor.
Wichtig kann dabei sein, dieses mentale Training ein Woche sehr intensiv durchzuführen, zum Beispiel täglich zehnmal, und während dieser Zeit zwar auf dem Trampolin, aber nicht auf der Rampe zu trainieren, damit die positiven Bilder nicht während ihrer Installation durch eine Misserfolgserfahrung gestört werden. Wenn sich das Schaffen des Backflips dann normal anfühlt, geht es ins Training, mit der klaren Entscheidung: Dieses Mal ziehe ich ihn zu 100% durch.
Deine Frage?
Wir von Die Sportpsychologen sind für dich da. Und weil wir wissen, dass manchmal eine kleine Schwelle im Weg steht, Kontakt zu einem “Psychologen”, einer “Psychologin” oder einer/einem “MentaltrainerIn” zu suchen, machen wir einen Schritt auf dich zu. Wenn du also auch eine Frage an uns loswerden möchtest, dann nutz dafür das folgende Formular.
Wichtig zu wissen: Manche Fragen und deren Antworten veröffentlichen wir nicht. Wir treten dann mit den jeweiligen FragestellerInnen persönlich in Kontakt. Dies behalten wir uns für Fälle vor, in denen die Anonymität nicht gewährleistet werden kann oder das angestoßene Thema besser im geschützten Raum besprochen wird. Zudem gilt: Unsere Antworten können nicht mehr als Anstösse liefern. Anstösse, von denen du als Leser oder Leserin ableiten kannst, wie wir von Die Sportpsychologen ticken und was wir so machen.
Die Sportpsychologie ist zur grossen und bunten Werkzeugkiste des Sports geworden. Atemübungen gegen Nervosität, Visualisierung für bessere Leistung, Selbstgespräche für mehr Motivation. Diese Sammlung mag funktional erscheinen – doch sie verfehlt möglicherweise das Wesen dessen, was mentale Exzellenz wirklich ausmacht. Das Problem: Wir reparieren Symptome, statt Systeme zu verstehen.
Zum Thema: Vom Defizit-Modell zur mentalen Exzellenz
Der sportpsychologische Ansatz, der sich im Sport aus meiner Sicht bisher etabliert hat, folgt oft einem Defizit-Modell: Problem identifiziert, Technik angewandt, Problem gelöst. Stellen Sie sich vor, ein Mechaniker repariert immer nur einzelne Autoteile, ohne zu verstehen, wie das ganze Fahrzeug funktioniert. Genau das passiert oft in der Sportpsychologie: Wir behandeln Aufmerksamkeit, Aktivierung und Zielsetzung als getrennte Baustellen, anstatt sie als integriertes System zu begreifen.
Die Sportpsychologen zeigen im Beitrag vom 25. Jänner 2025 (In den Köpfen und zwischen den Ohren… Sportpsychologie im Biathlon | Die Sportpsychologen) das Gegenteil: Wie die drei Ebenen Attention (Tunnelblick-Fokussierung auf das Ziel), Intensity (Druckregulation durch Entspannungstechniken) und Intent (klare Absicht des erfolgreichen Schiessens/Treffens) ein selbstverstärkendes System bilden. AthletInnen lernen, sich der der (brutal) hohen Intensität hinzugeben, in dem sie physische, mentale (kognitive Ebene) und emotionale (Gefühls Ebene) Aspekte berücksichtigen, statt nur auf ein Punkt einzugehen oder diesen zu eliminieren versuchen.
Die Illusion der Durchgriffskausalität
Das klassische Mentaltraining folgt einem naiven Modell: Problem identifiziert → Technik angewandt → Problem gelöst. Wie ein Lichtschalter: Drücken und das Licht geht an. Doch das menschliche System funktioniert nicht wie eine Maschine!
Die Realität im Training sieht daher oft so aus:
Athlet lernt Entspannungstechnik
Im Wettkampf funktioniert sie nicht
Trainer ist ratlos: „Wir haben das doch geübt!“
Warum? Weil das System Athlet bestimmt, wie es auf unsere Interventionen reagiert – nicht umgekehrt.
Die drei fatalen Denkfehler der modernen Sportpsychologie
1. Der Defizit-Mythos
Nervosität = schlecht, Entspannung = gut. Ablenkung = Problem, Konzentration = Lösung. Diese Schwarz-Weiss-Malerei ignoriert die Funktionalität mentaler Zustände. Manchmal ist Nervosität genau das, was ein Athlet braucht.
2. Die Werkzeugkiste-Illusion
Wir sammeln Techniken wie Briefmarken. Progressive Muskelentspannung hier, Visualisierung dort. Doch mentale Exzellenz entsteht nicht durch Addition von Methoden, sondern durch das harmonische Zusammenspiel psychologischer Systeme.
3. Die Kontroll-Fantasie
„Du musst nur wollen!“ – Als ob mentale Prozesse per Befehl funktionieren würden. Doch Spitzenleistung entsteht oft gerade dann, wenn wir loslassen statt krampfhaft zu kontrollieren.
Was die Systemtheorie uns lehrt
Hier wird’s interessant: Organisationen können nichts vermittelt bekommen – sie können es nur selbst entdecken. Das gilt auch für das „System Athlet“. Unsere Aufgabe als Trainer und Berater ist nicht, Lösungen zu liefern, sondern Bedingungen zu schaffen, unter denen Athleten ihre eigenen optimalen Muster entwickeln.
Der Paradigmenwechsel: Von der Reparatur zur Navigation
Statt zu fragen: „Wie eliminiere ich Nervosität?“, fragen wir: „Welche Funktion hat diese Nervosität?“ Statt zu fordern: „Konzentrier dich!“, schaffen wir: „Bedingungen für flexible Aufmerksamkeit“. Statt „Die richtige Technik“ zu trainieren, entwickeln wir: „Adaptive Regulationsfähigkeit“.
Warum Trainer diese Perspektive brauchen? Weil die Realität im Leistungssport komplex ist:
Ein Spieler braucht Power-Musik, der andere Ruhe
Was gestern funktionierte, versagt heute
Mentale Stärke zeigt sich nicht in Perfektion, sondern in flexibler Anpassung
Die Lösung: Integration statt Isolation
In den nächsten Wochen zeige ich Ihnen, wie Attention (Aufmerksamkeit), Intensity (Aktivierung) und Intent (Absicht) als integriertes System funktionieren. Nicht als einzelne Werkzeuge, sondern als orchestrierte Symphonie mentaler Exzellenz.
Sie erfahren: Warum „Konzentrier dich!“ oft kontraproduktiv ist, weshalb manche Athleten bei hoher Nervosität ihre beste Leistung zeigen und wieso „Ich will gewinnen!“ häufig zur Niederlage führt.
Die unbequeme Wahrheit
Die Sportpsychologie muss erwachsen werden. Weg von der Symptombekämpfung, hin zum Systemverständnis. Weg von der Werkzeugkiste, hin zur adaptiven Navigation.
Denn mentale Exzellenz ist kein Schalter, den man umlegt. Sie ist ein lebendiges System, das verstanden, nicht repariert werden will.
Die entscheidende Frage für Sie als Trainer: Wollen Sie weiterhin einzelne mentale „Probleme“ reparieren – oder Bedingungen schaffen, unter denen sich mentale Exzellenz von selbst entwickelt?
Hinweis: Ich freue mich auf Basis meiner kritischen und vielleicht spitz formulierten Töne auf Austausch, sowohl innerhalb des Netzwerks (zur Übersicht) als auch von außen. Meine Kontaktdaten stehen auf meiner Profilseite: Zur Profilseite von Christian Bader.
Wir von Die Sportpsychologen werden regelmäßig für interessante Interviews angefragt: Kürzlich war ich live bei Radio 3 vom RBB zu Gast (Link siehe unten). Thema des Gesprächs: Eine brandaktuelle Untersuchung der University College London (UCL), die derzeit in der Sportpsychologie und Gesundheitspsychologie diskutiert wird. In der Studie von Ronco et al. (2025) gingen die Forschenden der spannenden Frage nach, ob unsere Persönlichkeit vorhersagen kann, welche Trainingsintensitäten uns am meisten Freude bereiten – und wie stark wir nach einem Trainingsprogramm tatsächlich Stress abbauen? Die Ergebnisse könnten nicht nur für Sportler*innen, sondern auch für Trainer*innen und Therapeut*innen wegweisend sein.
Zum Thema:Integration von Persönlichkeitsmerkmalen in die Sportpsychologie: Optimierung von Trainingsprogrammen und psychischer Gesundheit
Persönlichkeit – was ist das ?
Die „Big Five“ sind ein weit verbreitetes Konzept in der Psychologie, das fünf Hauptdimensionen der Persönlichkeit beschreibt. Diese Dimensionen helfen, die grundlegenden Unterschiede zwischen Individuen zu erklären und ihre Einflüsse auf Verhalten, Emotionen und Interaktionen zu verstehen. Diese fünf kulturübergreifenden Dimensionen umfassen:
Neurotizismus: Dieses Merkmal beschreibt die Tendenz zu emotionaler Instabilität und Anfälligkeit für negative Emotionen wie Angst, Wut oder Depression. Personen mit hohem Neurotizismus haben häufiger Schwierigkeiten im Umgang mit Stress und neigen eher zu pessimistischem Denken und emotionaler Reaktivität.
Extraversion: Extraversion steht für die Neigung zur Geselligkeit, Aktivität und emotionalen Ausdrucksfähigkeit. Extravertierte Menschen suchen aktiv soziale Kontakte und sind oftmals lebensfroh und durchsetzungsstark, während Menschen mit niedrigerem Extraversion-Wert oft eher zurückhaltend und introvertiert sind.
Offenheit für Erfahrungen: Diese Dimension beschreibt das Interesse und die Offenheit gegenüber neuen Ideen, Erfahrungen, kreativen Prozessen und der Vielfalt des Lebens. Personen mit hoher Offenheit sind oft neugierig, künstlerisch interessiert und unkonventionell in ihrem Denken.
Verträglichkeit: Verträglichkeit bezieht sich auf die Neigung zur Kooperation, zum Mitgefühl und zur sozialen Harmonie. Personen, die in diesem Merkmal hoch bewertet werden, sind oft freundlich, mitfühlend und altruistisch veranlagt, während niedrige Werte für Misstrauen und Wettbewerb orientiertes Verhalten stehen können.
Gewissenhaftigkeit: Diese Kategorie beschreibt das Maß an Organisation, Disziplin und Zielstrebigkeit einer Person. Menschen mit hoher Gewissenhaftigkeit sind oft zuverlässig, fleißig und detailorientiert, während Menschen mit geringer Gewissenhaftigkeit oft spontaner und unstrukturierter sind.
Beeinflussen Persönlichkeit und Sport sich gegenseitig? – Zur Beziehung zwischen Sportpräferenzen, Persönlichkeit und Motivation
Es ist allgemein bekannt, dass Menschen Tätigkeiten bevorzugen, die ihnen Freude bereiten. Die Studie von Ronco (2025) an der UCL verdeutlicht, dass Persönlichkeitsmerkmale einen Einfluss darauf haben, welche Intensität des Sports als angenehm empfunden wird und in welchem Maße das Training zur Stressreduktion beiträgt. Aus den Persönlichkeitsmerkmalen lassen sich Präferenzen für bestimmte Sportarten ableiten. Extrovertierte Personen neigen dazu, hochintensive Workouts zu bevorzugen, während gewissenhafte Individuen strukturierte Programme wie Krafttraining bevorzugen. Personen mit einem hohen Maß an Neurotizismus ziehen kürzere Einzelsportarten vor, während solche mit hoher Verträglichkeit Freude an ausgedehnten Ausdauereinheiten finden. Gewissenhafte Menschen meiden hochintensive Einheiten. Diese Ergebnisse liefern der sportpsychologischen Praxis wertvolle Anhaltspunkte für eine gezieltere Gestaltung von Angeboten im Breitensport und tragen zur Reduzierung von Einstiegshürden bei. Eine gezielte Ansprache kann helfen, diese Hürden abzubauen, indem Trainingseinheiten individuell angepasst werden und der Sport somit Spaß und Freude bereitet.
Kurz gesagt: Die Studie zeigt, dass Sport nicht für alle gleich „wirkt“ – welche Trainingsart uns Spaß macht und wie sehr sie uns entspannt, hängt auch von unserer Persönlichkeit ab.
Verändert Sport die Persönlichkeit?
Das Ausüben einer neuen Sportart und der regelmäßige Besuch von Fitnesstudios führt zwangsläufig nicht zu einer Veränderung der Persönlichkeit. Vielmehr steigt die Motivation, kontinuierlich körperlich-sportlich aktiv zu bleiben (z.B. regelmäßige Trainingsbesuche), wenn Sportart und Persönlichkeit gut passen und Spaß bereiten. Positive Erlebnisse, möglicherweise durch biologisches Feedback (z.B. Dopaminausschüttung, Muskelaufbau, Stressreduktion), können im Laufe der Zeit zu einer Verhaltensänderung führen. Diese automatisierten Verhaltensweisen können sich dann zu Gewohnheiten und schließlich zu einem neuen, gesünderen und sportlicheren „Lifestyle“ entwickeln. Aufgrund dieser neuen (gesundheitsfördernden) Gewohnheiten kann sich dann die (kognitive und emotionale) Einstellung zum Sport im Laufe der Zeit wandeln, während Persönlichkeitsmerkmale relativ stabil bleiben – jedoch kann sich daraufhin die PersönlichkeitsWEITE verändern (z.B. dass eine Person, die introvertiert ist, sich eher in Teamsportarten einzubringen, als diese zu meiden) – eine Persönlichkeit lässt sich nicht „komplett verändern“, aber entwickeln.
Ähnliche Ansätze sind auch in der Wirtschaft bekannt, indem durch gezielte Personalentwicklungsmaßnahmen (z.B. Führungskräfteentwicklung auf Basis eines systemischen Coachings) führungsrelevante Persönlichkeitsmerkmale, wie z.B. Dominanz oder Einfühlungsvermögen entwickelt werden.
Wie kann der Sportpsychologe bei der Persönlichkeitsentwicklung im Gesundheits- und Leistungssport helfen?
Sportpsychologen spielen eine bedeutende Rolle bei der Persönlichkeitsentwicklung sowohl im Gesundheits- als auch im Leistungssport. Ihre Unterstützung reicht von der Verbesserung der mentalen Stärke und Selbsterkenntnis bis hin zur Förderung eines gesunden Umgangs mit Stress und Leistungsdruck.
Im Leistungssport sind mentale Stärke, Konzentration, Selbstvertrauen und Motivation entscheidend für den Erfolg. Sportpsychologen helfen nicht nur dabei, diese mentalen Fähigkeiten zu entwickeln, sondern bieten auch Werkzeuge zur Bewältigung von Ängsten und zur Steigerung der Leistungseffizienz.
Systemische Beratungsansätze können eine wichtige Rolle bei der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung im Sport spielen, indem sie einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der die physischen, psychologischen und zwischenmenschlichen Aspekte des Lebens eines Sportlers in Einklang bringt. Dieser Ansatz konzentriert sich darauf, den Sportler in seinem weiteren sozialen Kontext zu verstehen, einschließlich seiner Beziehungen zu Trainern, Teamkollegen und seiner Familie. Die Forschung betont, wie wichtig es ist, diese zwischenmenschlichen Beziehungen bei der Entwicklung von Sportlern zu berücksichtigen, da sie sowohl zum psychischen Wohlbefinden als auch zur sportlichen Leistung einen wesentlichen Beitrag leisten.
Wie kann die Sportpsychologie beim Aufbau von gesundheitsfördernden Routinen von regelmäßiger sportlicher Aktivität und Fitness unterstützen?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Erwachsenen, wöchentlich mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive aerobe körperliche Aktivität zu betreiben. Diese Aktivität sollte über die Woche verteilt werden – im Alltag werden diese Empfehlungen oft nicht erreicht.
Die Sportpsychologie ist entscheidend für die Etablierung gesundheitsfördernder Gewohnheiten durch regelmäßige sportliche Betätigung. Sie trägt zur Verbesserung der psychischen und physischen Gesundheit bei, indem sie Strategien zur Verhaltensänderung und zur Steigerung der Motivation einsetzt. Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert die psychische Gesundheit durch Stressabbau und die Förderung positiver Stimmungen. Dies geschieht durch die Regulation des hormonellen Stresssystems und verbessert die neuronale Plastizität im Gehirn, was die Stimmung und das kognitive Leistungsniveau steigern kann.
Sportpsychologen, die zusätzlich eine systemische Ausbildung vorweisen, wie etwa eine Approbation in Systemischer Psychotherapie abgeschlossen haben, können in der sportpsychologischen Betreuung den Schwerpunkt auf die Interaktionen und Beziehungen zwischen Individuen und ihren sozialen Systemen setzen. Diese Herangehensweise kann beim Etablieren von Routinen für körperliche Aktivität von Vorteil sein. Diese Beratungsform betrachtet den Einzelnen nicht isoliert, sondern als Teil eines Beziehungsnetzwerks, das das Verhalten beeinflusst. Durch diese Perspektive kann der systemische Ansatz helfen, Routinen für körperliche Aktivitäten zu schaffen, indem sie Faktoren wie Unterstützung durch Familie und Freunde, persönliche Ziele und Motivationen sowie organisatorische und zeitliche Strukturen einbezieht. Sportpsychologen mit systemischen Schwerpunkt können mit Athleten*innen und Laiensportler*innen zusammenarbeiten, um Hindernisse zu identifizieren und Strategien zu entwickeln, die soziale Unterstützung und Motivation zur regelmäßigen Fitness-Ausübung maximieren. Ein weiterer Aspekt des systemischen Beratungsansatzes ist die Betonung individueller Stärken und Ressourcen, die aktiviert werden können, um Veränderungen zu fördern und zu stabilisieren. Durch das Erkennen und Nutzen dieser Ressourcen kann der Einzelne effektivere Strategien finden, um körperliche Aktivität in den Alltag zu integrieren, aufrechtzuerhalten und langfristig die Gesundheit zu fördern.
Ronca, F., Tari, B., Xu, C., & Burgess, P. W. (2025). Personality traits can predict which exercise intensities we enjoy most, and the magnitude of stress reduction experienced following a training program. Frontiers in psychology, 16, 1587472. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2025.1587472
Silverman, M. N., & Deuster, P. A. (2014). Biological mechanisms underlying the role of physical fitness in health and resilience. Interface Focus, 4(5), 20140040. https://doi.org/10.1098/rsfs.2014.0040 Walton, C. C., Tamminen, K. A., Rice, S., Frost, J., Gwyther, K., Kerr, G., Purcell, R., Kim, J., Henderson, J. L., & Pilkington, V. (2024). Mental Health Among Elite Youth Athletes: A Narrative Overview to Advance Research and Practice. Sports Health: A Multidisciplinary Approach, 16(2), 166–176. https://doi.org/10.1177/19417381231219230
Basketball und sportpsychologisches Training lassen sich hervorragend kombinieren, mehr noch: sie ergänzen sich sogar gegenseitig. Der mentale Aspekt ist im modernen Basketball ein echter Leistungsfaktor, nicht nur für Profis, sondern auch im Jugend- und Amateursport. Aber dennoch sind sich einige Trainer und Trainerinnen unsicher, ob sie mentale Bausteine in ihr Training einbauen können. Hin und wieder taucht sogar die Frage auf: Lässt sich sportpsychologisches Training auch ohne ein Psychologiestudium umsetzen?
Zum Thema: Sportpsychologie im Basketball
Um gleich auf die Frage zu antworten: Klar, mentales Training ist definitiv auch ohne Studium möglich und kann von jedem Basketballtrainer umgesetzt werden. Es braucht vor allem Verständnis, Praxisnähe und Struktur. Grundsätzlich funktioniert mentales Training auch ohne Studium, weil Du nicht wissen musst, wie das limbische System funktioniert (unter uns: es handelt sich um eineFunktionseinheit des Gehirns, die der Verarbeitung von Emotionen und der Entstehung von Triebverhalten dient) – es reicht, wenn du Dir und anderen hilfst, ruhiger, fokussierter und selbstbewusster zu werden.
Als Mensch kennst Du Dich besser als jeder Außenstehende. Du kannst Übungen direkt an deinen Bedürfnissen, unabhängig vom Alter und des Leistungsniveaus anpassen. Mentales Training = Techniktraining, da es von Wiederholung und Einfachheit lebt. Es ist wie beim Freiwurf: regelmäßig üben, gezielt verbessern, nicht verkomplizieren.
So baust du mentales Training ganz einfach ein
A. Einfache Zielsetzung
Nimm dir drei Minuten pro Training. Definiere am Anfang des Trainings und des Spiels zwei Ziele und notiere sie, z.B.:
„Ich bleib ruhig und atme bewusst ein und aus.“
„Ich nehme Würfe auch ausserhalb meiner Komfortzone.“
B. Visualisierung im Sitzen oder im Stand
Schließ die Augen. Stell dir vor, Du hast den Ball in der Hand, stehst auf beiden Beinen, wirfst und triffst deinen Wurf. Der Ball geht sauber „swish“ durch. Spür die Bewegung im ganzen Körper nach. Hör das Netz, hör den Ball auf den Boden aufkommen.“ Du kannst Sprachmemos aufnehmen oder diese dir aufsprechen lassen und sie dir immer wieder vorspielen.
C. Positive Selbstgespräche
Finde für dich einfache Sätze, die Du dir sagen, aufschreiben kannst und immer dabei hast, z.B.
„Ich bleib ruhig.“
„Ich vertraue meinem Wurf.“
D. Atemübungen vor/und während des Spiels
Führe eine kurze Atemtechnik durch, z.B. die Box-Atmung (4 Sekunden ein – 4 halten – 4 aus – 4 halten; 3 Runden reichen). Das geht in der Kabine, am Spielfeldrand oder im Stehen und hilft, die Nervosität zu zügeln.
E. Fokuswechsel üben
Das Trinken oder Atmen und in sich hineinspüren, hilft einem beim Mindfulness-basierten Fokuswechsel – z. B. im Moment ankommen (trinken/atmen), Gedanken loslassen (Auswechslung).
F. Einfache Reflexionsrunde nach Spiel und Training
Stell dir z.B. drei Fragen am Ende und überprüfe Deine gesetzten Ziele:
Was hat heute gut funktioniert?
Was kannst du beim nächsten Mal besser machen?
Was war heute am Besten?
Warum passen Basketball und sportpsychologisches Training eigentlich so gut zusammen?
Weil Basketball ein schneller, emotionaler Sport ist. Durch Entscheidungen in Sekundenbruchteilen, ständigem Wechsel zwischen Offensive und Defensive, herrscht ein hoher Druck in engen Spielsituationen, somit ist es nur logisch, dass Stressmomente aufkommen und man cool bleiben sollte. Die mentale Stärke entscheidet immer in den Spielen mit, wer den entscheidenden Freiwurf trifft, wer ruhig bleibt und den Fokus behält, wenn es läuft oder eben nicht läuft. Mit sportpsychologischen Training kann man genau das systematisch entwickeln – Fokus, Resilienz, Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Teamgeist.
Basketball ist darüber hinaus ein Teamsport, fordert und fördert auch die Gruppendynamik. Jedes Individualziel, ist auch ein Teil des Gesamtziels, um die Kommunikation und das Vertrauen auf dem Feld zu stärken und die Teamchemie untereinander zu fördern.
Beispiele, um sich selber im Training zu fordern und fördern:
Ziel
Mentales Tool
Integration im Training
Konzentration verbessern
Kurze Atemübung oder Visualisierung
Vor Freiwurf-Drills oder Spielsituationen
Selbstvertrauen aufbauen
Positive Selbstgespräche
In Challenges oder 1-1 Drills
Fehler verarbeiten
„Reset-Rituale“ üben (z. B. durchatmen, klatschen, Fokus neu setzen)
Nach Turnovers oder missglückten Aktionen
Teamzusammenhalt fördern
Zielgespräche, Feedbackrunden, Gruppenreflexion
Nach Spielen oder Turnieren
Fazit
Du brauchst keine Ausbildung – nur Bereitschaft zur Umsetzung. Mentaltraining ist ein Werkzeug, das jeder nutzen kann – genau wie Pass- oder Wurftraining. Aber: Basketball wird mental entschieden. Technik, Taktik und Athletik sind wichtig – aber die mentale Stärke macht einen erfolgreichen Menschen aus. Unabhängig ob nach einem Sieg oder einer Niederlage, der Umgang damit ist der Schlüssel. Mentales Training lässt sich leicht in jede (Basketball-)Trainingseinheit integrieren, auch ohne großen Aufwand. Es macht jeden nicht nur besser, sondern auch resilienter, fokussierter und selbstbewusster – auf dem Feld und darüber hinaus. Wenn Kopf, Gefühle und Gedanken „miteinander trainiert“ werden, entsteht Raum für echtes Wachstum, für den ganzen Menschen.
Wenn Du die Werkzeuge des Mentaltrainings, was ich grundsätzlich empfehle, nicht komplett allein, sondern mit Unterstützung und fachlicher Expertise umsetzen willst, dann nimm Kontakt auf: Meine Kollegen und Kolleginnen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Danijela Bradfisch) stehen dir gern zur Verfügung. Wenn Du willst, schicke ich dir gern einen Leitfaden für die Integration des Mentaltrainings in eine Trainingswoche zu.
Im professionellen Tennissport entscheiden oft Millimeter über Sieg oder Niederlage – und manchmal auch über das Verhalten ganzer Sportnationen. Im Mai 2025 sorgte Alexander Zverev für Schlagzeilen, als er beim ATP-Masters in Madrid in einem Drittrundenmatch gegen Alejandro Davidovich Fokina plötzlich sein Smartphone zückte. Nicht etwa, um Nachrichten zu checken, sondern um einen Ballabdruck auf dem Sandplatz zu fotografieren. Der Hintergrund: Ein strittiger Ball wurde durch das elektronische Linienüberwachungssystem (Electronic Line Calling, kurz ELC) als „gut“ bewertet. Zverev hingegen war überzeugt, dass der Ball klar im Aus war. Der Schiedsrichter durfte laut Reglement den Abdruck nicht prüfen, also entschied sich Zverev zum Alleingang. Das Bild zeigte er dem Schiedsrichter – und kassierte prompt eine Verwarnung wegen unsportlichen Verhaltens. „Ich wollte einfach, dass es fair bleibt. Für mich war der Ball klar draußen“, soll Zverev später gegenüber einem Journalisten gesagt haben. Ein kurioser Regelbruch? Ein impulsiver Ausrutscher? Oder steckt hinter diesem Verhalten mehr? Die Sportpsychologie liefert wertvolle Hinweise, wie Athlet:innen unter Druck denken, fühlen und handeln – und was wir daraus für Coaching, Training und unseren Alltag lernen können.
Zum Thema: Kognitive Grundlagen – Verhalten zwischen Intuition, Norm und Handlungskontrolle
Zverevs Verhalten lässt sich hervorragend mit der Theory of Planned Behavior (Ajzen, 1991) erklären. Diese Theorie beschreibt drei zentrale Einflussfaktoren, die darüber entscheiden, ob und wie ein Verhalten ausgeführt wird:
Die persönliche Einstellung zum Verhalten
Die subjektive Norm, also die wahrgenommene Erwartung der Umwelt
Die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, also das Gefühl, tatsächlich handeln zu können
Im Fall von Zverev sind alle drei Faktoren erkennbar:
Einstellung: Zverev war fest davon überzeugt, dass der Ball seines Gegners im Aus war. Sein Verhalten diente einem inneren Gerechtigkeitsempfinden.
Subjektive Norm: Das Match war live im Fernsehen, der Druck durch Publikum und Medien hoch. Der Gedanke, sich „nicht alles gefallen lassen zu können“, wird durch soziale Erwartungen verstärkt.
Verhaltenskontrolle: Er hatte ein Mittel zur Verfügung (Smartphone), einen klar sichtbaren Abdruck und das Gefühl, durch eigenes Handeln die Entscheidung beeinflussen zu können.
Damit wird deutlich: Sein Verhalten war nicht bloß emotional oder unüberlegt, es war die Folge eines inneren Aushandlungsprozesses, geprägt durch subjektive Bewertung, sozialen Druck und situative Handlungsoptionen.
Stress und Bewältigung: Ein zweiter psychologischer Blickwinkel
Neben kognitiven Modellen wie der Theory of Planned Behavior bietet auch das transaktionale Stressmodell von Lazarus & Folkman (1984) eine wertvolle Perspektive zur Erklärung von Verhaltensreaktionen in akuten Belastungssituationen, insbesondere im Hochleistungssport. Dieses Modell versteht Stress nicht als bloßes Reiz-Reaktions-Phänomen, sondern als das Ergebnis einer individuellen Bewertung der Situation (Appraisal) im Zusammenspiel mit den wahrgenommenen Bewältigungsmöglichkeiten.
Zentral sind zwei kognitive Bewertungsprozesse:
Primäre Bewertung (primary appraisal): Hier wird eingeschätzt, ob die Situation für die Person bedeutsam ist und potenziell als schädlich, bedrohlich oder herausfordernd erlebt wird.
Sekundäre Bewertung (secondary appraisal): In einem zweiten Schritt wird reflektiert, ob und welche Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, um mit der Situation umzugehen.
Im Fall von Alexander Zverev lässt sich rekonstruieren, dass er die Entscheidung des elektronischen Linienüberwachungssystems (ELC) als ungerecht und leistungsrelevant empfand – eine klassische Stressauslösung im Sinne einer Bedrohung der Handlungsgerechtigkeit. Diese Einschätzung aktiviert das Stresssystem und kann zu einem intensiven emotionalen Zustand führen, insbesondere wenn Kontrollverlust wahrgenommen wird. In der sekundären Bewertung nahm Zverev offenbar Handlungsspielraum wahr: Der Abdruck war sichtbar, das Smartphone griffbereit. Aus Sicht des Modells entschied er sich für eine Form des problemorientierten Copings (problem-focused coping) – also für aktives, auf die Veränderung der Situation gerichtetes Verhalten. Indem er den Ballabdruck fotografierte und dem Schiedsrichter zeigte, versuchte er, Kontrolle über die Bewertung des Spielgeschehens zurückzugewinnen. Auch wenn dies gegen das Regelwerk verstieß, war es aus psychologischer Sicht eine adaptive Bewältigungsstrategie, die auf Wiederherstellung subjektiver Fairness und Einflussnahme zielte. Hier schließt sich auch das Konzept der Selbstwirksamkeit (Bandura, 1997) an – das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, Herausforderungen kompetent zu begegnen. Zverevs Verhalten zeigt, dass er nicht in Passivität oder Verzweiflung zurückfiel, sondern aktiv gestaltend eingriff. Dies unterstreicht die enge Verzahnung von Stressbewältigung, Handlungsorientierung und innerem Kontrollglauben im Spitzensport.
Praxisperspektive: Was Trainer:innen und Athlet:innen daraus lernen können
Gerade im Hochleistungskontext sind Situationen emotionaler Überforderung keine Seltenheit. Stress ist dabei nicht grundsätzlich negativ, im Gegenteil: Eine gut bewältigte Stressreaktion kann zur Weiterentwicklung beitragen. Entscheidend ist jedoch, wie Athlet:innen lernen, Stress bewusst zu reflektieren und zu regulieren. Dazu zählen:
Die Frühwarnzeichen individueller Stressreaktion (körperlich, emotional, kognitiv) zu erkennen
Coping-Repertoires zu erweitern (z. B. zwischen problemorientierter und emotionsorientierter Bewältigung zu unterscheiden)
Fallbeispiele (wie zum Beispiel die Situation von Zverev) im Mentaltraining zu nutzen, um ähnliche Situationen gedanklich durchzuspielen („mentale Simulation“)
Selbstwirksamkeit gezielt zu stärken, z. B. durch Rückmeldung, Erfolgserlebnisse oder die Arbeit mit persönlichen Stärken
Eine reflektierte Auseinandersetzung mit Stressmechanismen auf individueller und systemischer Ebene kann nicht nur zur Leistungsoptimierung beitragen, sondern auch langfristig der psychischen Gesundheit, der Entscheidungsqualität und dem Teamklima zugutekommen.
Impuls oder Strategie? Wie unser Gehirn unter Druck entscheidet
Neuropsychologisch betrachtet agieren Menschen in Hochdrucksituationen oft im limbischen Modus gesteuert von Emotionen wie Ärger, Angst oder Frustration. Der präfrontale Kortex – zuständig für rationales Denken und Impulskontrolle, tritt kurzfristig in den Hintergrund. Doch auch in solchen Momenten greifen wir auf mentale Schemata, Werte und gewohnte Reaktionsmuster zurück. Der Griff zum Handy war bei Zverev keine Laune, sondern Ausdruck eines erlernten Handlungsmusters: „Ich tue etwas, wenn es unfair wird.“
Hier setzen sportpsychologische Strategien an, insbesondere die Implementation Intentions (Gollwitzer, 1999). Dabei entwickeln Athlet:innen im Vorfeld konkrete Handlungspläne für kritische Situationen. Diese Wenn-Dann-Pläne fördern die Selbstregulation und geben Struktur in emotionalen Ausnahmesituationen:
Praxisimpuls: Mentale Vorbereitung auf Stresssituationen
Ein bewährter Trainingsansatz ist das Einüben mentaler Handlungspläne, insbesondere für typische „Trigger-Momente“. Hier ein Beispiel aus dem mentalen Training im Leistungssport:
Wenn …
Dann …
Ich fühle mich ungerecht behandelt
Ich atme dreimal tief durch und gehe zum Stuhl, bevor ich etwas sage.
Ich verliere einen wichtigen Punkt
Ich richte meinen Blick auf den Boden und fokussiere den nächsten Ball.
Der Gegner provoziert mich
Ich erinnere mich an meinen inneren Leitsatz: Ruhe gewinnt.
Diese Techniken lassen sich nicht nur im Profisport anwenden. Auch Schüler:innen, Führungskräfte, Ärzt:innen oder Eltern profitieren von solchen Strategien. Entscheidend ist, sich der eigenen Reaktionsmuster bewusst zu werden und in ruhigen Momenten vorbereitende Alternativen zu entwickeln.
Vom Tennisplatz ins Leben – und zurück
Die Szene mit Alexander Zverev wirft ein Schlaglicht auf eine zentrale Frage, die weit über den Tennissport hinausreicht: Wie gehen Menschen in Momenten innerer Erregung mit emotionaler Spannung, subjektiver Ungerechtigkeit oder plötzlichem Kontrollverlust um? Es sind diese Situationen – ob auf dem Platz, im Büro, am Esstisch oder im Klassenzimmer – die oft wie ein Brennglas auf unser Verhalten wirken. Wenn Emotionen überkochen, zeigen sich nicht nur unsere automatischen Reaktionen, sondern auch unsere Fähigkeit zur Selbstregulation. Die Sportpsychologie spricht hier von Emotionsregulation unter Belastung, einem zentralen Aspekt mentaler Stärke. Studien zeigen, dass die Fähigkeit, eigene Emotionen wahrzunehmen, einzuordnen und situationsangemessen zu steuern, in fast allen Lebensbereichen ein Prädiktor für Erfolg, Wohlbefinden und Beziehungsqualität ist (Gross, 2015; Berking & Whitley, 2014). Dabei geht es keineswegs darum, Emotionen zu „kontrollieren“ oder zu unterdrücken – im Gegenteil: Ziel ist ein bewusster, akzeptierender und gleichzeitig handlungsorientierter Umgang mit dem, was in uns lebendig ist.
Zverevs Reaktion – emotional, impulsiv und zugleich zielgerichtet – zeigt beispielhaft, wie Emotion und Handlung in belastenden Situationen eng verwoben sind.
Für den Spitzensport ist das nicht neu: Hier werden Athlet:innen systematisch trainiert, in Sekundenbruchteilen zwischen Gefühl und Handlung zu unterscheiden und ihre Energie in konstruktive Bahnen zu lenken. Im Alltagsleben hingegen fehlt diese gezielte Vorbereitung oft. Dabei erleben auch Führungskräfte, Eltern, Lehrer:innen oder Pflegekräfte täglich hochkomplexe, emotional fordernde Situationen.
Alltagsrelevanz: Vom Tennisplatz ins Teammeeting, Klassenzimmer oder Familienleben
Emotionale Selbststeuerung ist eine Schlüsselressource im modernen Leben – vor allem in Zeiten zunehmender Komplexität, sozialer Spannungen und Leistungsdruck. Wer in kritischen Momenten innehält, reflektiert und bewusst reagieren kann, trifft nicht nur bessere Entscheidungen, sondern schützt auch seine Beziehungen, sein Selbstbild und seine psychische Gesundheit.
Praxisnahe Beispiele für „Zverev-Momente“ im Alltag:
Eine Führungskraft wird im Meeting öffentlich kritisiert und verspürt das Bedürfnis, sofort zu kontern.
Ein Lehrer fühlt sich von einem Schüler provoziert und steht kurz davor, impulsiv zu reagieren.
Ein Elternteil erlebt eine scheinbar ungerechte Behandlung im Umgang mit Behörden und kämpft mit dem Impuls, „mal richtig laut zu werden“.
In all diesen Momenten entscheidet sich, ob aus Emotion blinder Aktionismus wird – oder bewusstes Handeln mit Haltung.
Der Beitrag sportpsychologischer Methoden
Hier zeigt sich das Potenzial sportpsychologischer Transferarbeit: Techniken wie mentales Training, Selbstgesprächsregulation, Körperachtsamkeit oder Imagination lassen sich aus dem Hochleistungssport in berufliche und private Lebenswelten übertragen. Gerade für Fachkräfte in sozialen, medizinischen oder pädagogischen Berufen ist es essentiell, sich der eigenen Emotionsdynamik bewusst zu werden – nicht nur zur eigenen Stabilität, sondern auch als Modell für andere.
Zentrale Interventionen, die auch im Alltag wirksam sind:
Achtsamkeitsbasierte Emotionswahrnehmung: Frühwarnsignale innerer Erregung erkennen und benennen („Ich spüre Hitze in meinem Bauch…“)
Kognitive Reframing-Strategien: Neue Deutungsmuster entwickeln („Was könnte der andere gerade erleben?“)
Atmung und Embodiment: Körperliche Selbstregulation (z. B. 4–7–8-Atmung, Haltung verändern)
Szenarientraining und Rollenspiele: Kritische Situationen gedanklich oder praktisch durchspielen (z. B. mit kollegialem Feedback)
Take-Home-Message
Was wie ein impulsiver Regelbruch aussieht, ist oft Ausdruck innerer Werte, sozialer Erwartungen und des Bedürfnisses nach Kontrolle. Zverevs Verhalten beim ATP-Turnier in Madrid zeigt eindrucksvoll: Selbst im Spitzensport sind Entscheidungen nicht rein rational, sie sind zutiefst menschlich. Für Trainer:innen und Athlet:innen heißt das: Wir sollten nicht erst im Ernstfall über Reaktionen nachdenken. Wer typische Auslösesituationen kennt, mentale Pläne einübt und sich selbst reflektiert, schafft die Grundlage für bewusstes, verantwortungsvolles Handeln, selbst wenn der Druck hoch ist und das Spielfeld bebt.
Reflexionsfrage
Wann hast du zuletzt aus einem Gefühl heraus gehandelt, obwohl du wusstest, dass es Regeln oder Erwartungen widerspricht? Was war dein innerer Antrieb und wie würdest du heute damit umgehen?
Im Spitzensport gehört es zur täglichen Herausforderung, auf höchstem Niveau zu funktionieren – unter Druck, unter Beobachtung, unter Strukturen. Viele Trainer:innen erleben dabei Momente, in denen sie spüren: Etwas läuft hier grundsätzlich falsch.
Zum Thema: Zwischen innerem Konflikt und äußerem Schweigen. Warum gute Führung oft nicht am Mut, sondern an der Umgebung scheitert
Vielleicht sind es Transferentscheidungen, die ohne sportliche Rücksprache getroffen werden. Vielleicht wird die Kommunikation mit der Vereinsführung immer unklarer. Vielleicht spüren sie im eigenen Team eine Dynamik, die längst toxisch geworden ist – doch niemand spricht es an.
Und dann beginnt das Ringen: Spricht man es offen an – mit allen Risiken? Oder bleibt man loyal – und damit still?
Aus sportpsychologischer Perspektive ist das keine Schwäche, sondern ein klassisches Beispiel für ein tieferliegendes psychologisches Spannungsfeld. Zwischen innerem Wissen und äußerem Verhalten entsteht eine kognitive Dissonanz (Festinger, 1957). Ob diese innere Spannung benannt wird oder nicht, hängt oft nicht von Mut ab – sondern von einem Faktor, der selten sichtbar, aber entscheidend ist: psychologische Sicherheit (Edmondson, 1999).
Im Spitzensport wie in Unternehmen
Was im Spitzensport passiert, ist dabei kein Einzelfall. Dieselben Mechanismen wirken auch in Unternehmen, Teams, Behörden – überall dort, wo Verantwortung und Systemlogik aufeinandertreffen.
Konkret: Wer führt, steht immer wieder im Spannungsfeld zwischen persönlicher Überzeugung und systemischer Einbettung. Wer Missstände erkennt, trägt Verantwortung. Doch wer sie anspricht, riskiert auch etwas – Rückhalt, Einfluss oder sogar den eigenen Posten. Dieses Dilemma lässt sich sportpsychologisch auf zwei Ebenen analysieren:
Kognitive Dissonanz – Wenn das Bauchgefühl gegen das System spricht
Das psychologische Modell der kognitiven Dissonanz (Festinger, 1957) beschreibt das innere Spannungsgefühl, das entsteht, wenn zwei widersprüchliche Kognitionen aufeinandertreffen. Im Fall einer Führungskraft könnten das folgende Gedanken sein:
„Ich will loyal gegenüber meiner Organisation bleiben.“
„Ich sehe aber, dass hier etwas gravierend schief läuft.“
Diese kognitive Dissonanz erzeugt Unbehagen – und Menschen neigen dazu, sie zu reduzieren. In der Praxis passiert das oft über Verdrängung, Rationalisierung oder Verschiebung der Verantwortung:
„Ich bin ja nicht der oder die Hauptverantwortliche.“ „Vielleicht irre ich mich auch.“ „Ich will nicht illoyal wirken – das bringt nichts.“
Die Konsequenz: Führungskräfte schweigen, arrangieren sich oder verbiegen sich – auf Kosten der eigenen Überzeugung. Je länger dieser Zustand andauert, desto höher ist die psychische Belastung. Im Sport wie in der Wirtschaft zeigt sich das in Form von Rückzug, Zynismus oder stiller innerer Kündigung.
Psychologische Sicherheit – Der entscheidende Unterschied im System
Ob jemand in einer solchen Situation offen handelt oder schweigt, hängt entscheidend davon ab, wie sicher das soziale Umfeld ist (siehe Link unten: Thorsten Loch: Wie es dir als Coach gelingt, dass dir das Team vertraut | Die Sportpsychologen). Amy Edmondson (1999) prägte hierfür den Begriff psychologische Sicherheit – das Gefühl, dass man in einem Team oder einer Organisation unbequeme Wahrheiten ansprechen darf, ohne negative persönliche Konsequenzen befürchten zu müssen.
Ein Klima psychologischer Sicherheit entsteht nicht zufällig. Es ist das Resultat von Führungskultur, Kommunikationsstil und systemischen Rahmenbedingungen. Und es zeigt sich nicht in Hochglanz-Strategiepapiere, sondern in Alltagssituationen:
Wird in Meetings widersprochen – auch der Führungsebene gegenüber?
Dürfen auch kritische Stimmen Gehör finden – oder bleiben sie außen vor?
Werden Fehler als Lernchancen gesehen – oder als Schwächen sanktioniert?
Je unsicherer sich eine Führungskraft fühlt, desto weniger wird sie Dissonanzen nach außen tragen. In der Folge bleibt das System stabil – aber nicht gesund.
Der Transfer: Von der Kabine ins Konferenzzimmer
Das Dilemma ist kein Sonderfall des Spitzensports. Es zeigt sich in unzähligen Organisationen – von der Klinikleitung bis zum Start-up-Board, vom Familienbetrieb bis zur NGO.
Denn immer dann, wenn Menschen Verantwortung übernehmen und gleichzeitig Teil eines fehlerhaften Systems sind, entsteht diese psychologisch erklärbare Zwickmühle. Und solange Führung ausschließlich als Durchsetzen von Entscheidungen verstanden wird – statt als Gestalten von Kultur – bleibt diese Falle bestehen.
Doch: Diese Dynamik lässt sich verändern. Führung kann trainiert werden. Psychologische Sicherheit kann geschaffen werden. Dissonanz kann konstruktiv genutzt werden – als Motor für Entwicklung statt als lähmender Zustand.
Fazit: Mut ist wichtig – aber kein Zufallsprodukt
Führung zeigt sich nicht nur in Titeln oder Entscheidungen, sondern oft in den Momenten, in denen etwas nicht gesagt wird. Wer Missstände erkennt, aber aus Loyalität oder Unsicherheit schweigt, steckt in einem Dilemma, das psychologisch erklärbar – und veränderbar – ist.
Wer lernt, kognitive Dissonanz zu reflektieren und psychologische Sicherheit aktiv mitzugestalten, kann auch in komplexen Systemen klar, wertschätzend und verantwortungsbewusst handeln. Ob in der Kabine oder im Vorstandsbüro: Führung beginnt mit innerer Klarheit – und wird durch strukturelle Sicherheit erst wirklich wirksam.
Sie arbeiten in einem Umfeld, in dem kritische Themen schwer anzusprechen sind – obwohl sie offensichtlich sind?
Als Coach begleite ich Führungskräfte dabei, diese Spannungsfelder professionell zu navigieren – mit psychologischem Know-how und einem klaren Blick auf das, was möglich ist.
Edmondson, A. (1999). Psychological safety and learning behavior in work teams. Administrative Science Quarterly, 44(2), 350–383. https://doi.org/10.2307/2666999
Festinger, L. (1957). A theory of cognitive dissonance. Stanford University Press.
Die Schwimm-Weltmeisterschaften 2025, von World Aquatics durchgeführt, finden gerade in Singapur statt. Unsere Schweizer Delegation ist klein aber fein, und ich darf sie als Sportpsychologin begleiten. Es ist ein klares Statement von Swiss Aquatics gegenüber der Wichtigkeit unserer sportpsychologischen Arbeit. Für diese Möglichkeit bin ich sehr dankbar und auch für alle Einsichten, die ich dadurch in Sport und Grossanlass bekomme.
Ich möchte meine Beobachtungen und Eindrücke heute mit euch teilen, mit Fokus auf mentale Aspekte, vorwiegend auf die Herausforderungen bei der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung.
Zum Thema: Hinter den Kulissen der Schwimm-Weltmeisterschaften 2025 in Singapur
Für die WM wurden hier in Singapur zwei komplette Schwimmhallen neu aufgebaut. Im Trainingsbad haben die einzelnen Teams ihre Zonen, die Rückzugs- und Treffpunkte der einzelnen Nationen sind. Unser Territorium, abgemessen und mit Klebeband umrandet, misst neun Quadratmeter. Bei einem Teilnehmerrekord mit 202 Nationen (!) sind wir noch gut weggekommen. Andere begnügen sich mit zwei Quadratmetern oder Gemeinschaftsplätzen.
Bild aus der Einschwimmhalle in Singapur, Quelle: Cristina Baldasarre
Es wimmelt nur so von Athlet:innen, Trainer:innen und Betreuungspersonal. Physios massieren, Trainer rufen laut ins Wasser, die Eisbäder haben alle auch ihren Platz gefunden und die Athlet:innen geben ihr Bestes, sich unter ihren Badetüchern umzuziehen.
Sportpsychologische Fragen
Der Lärmpegel ist immens, die Halle hallt, ständige Wassergeräusche, grosse Ventilatoren brummen … den ganzen Tag.
Da stellen sich doch ein paar sportpsychologische Fragen:
⁃ Wie konzentrieren sich die Schwimmer:innen?
⁃ Was tun sie für etwas Privatsphäre?
⁃ Wer hält das besser und wer weniger gut aus?
⁃ Wie lange ist dieser Lärmpegel erträglich und ab wann wird‘s schwierig?
Ich weiss, alle Schwimmer:innen und Schwimmtrainer:innen werden nun sagen: „Das ist ja normal, alles wie immer.“ So auch die Statements unseres Staffs. Aber aus vielen Studien ist bekannt, dass Lärmbelastung Auswirkungen auf unsere Konzentration hat. Sie beeinflusst auch unsere Leistungsfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden. Vor allem Hintergrundgeräusche wie wir sie hier an der WM vorfinden, führen dazu, dass unser Gehirn ständig zwischen Reizen hin und her springt. Auch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bei mentalen Aufgaben Fehler passieren. Vor allem erhöht dauerhafter Lärm das Stresslevel und führt zu schnellerer geistiger Ermüdung.
Die gestörte Wettkampfvorbereitung
Dies kann die Wettkampfvorbereitung beeinträchtigen, vor allem bei weniger Erfahrenen, die zum ersten Mal an einem solchen Grossanlass mit dabei sind. Oder aber bei Sportler:innen, die sehr sensitiv auf Lärm und auf die Vielzahl an Reizen reagieren.
Obschon viele Profischwimmer:innen wie beispielsweise Noè Ponti, der über 50m Schmetterling die Silbermedaille geholt hat, sich mit der Zeit an die Geräuschkulisse gewöhnen und lernen, den Lärm besser auszublenden. Zum Glück findet Schwimmen im Wasser statt – dort spielt die Geräuschkulisse eine weniger zentrale Rolle als vor- und nachher.
Der Umgang mit äusseren Störfaktoren wie Lärm (und z.B. auch Hitze/Kälte) ist ein wichtiger Teil der mentalen Vorbereitung von Sportler:innen. Dabei kann Mentales Training helfen, die Routinen zur Wettkampfvorbereitung trotz erschwerten Bedingungen aufrechtzuerhalten.
Unsere Lösungen
Wir haben im Schweizer Team grundsätzlich darüber gesprochen, wie mit diesen Störfaktoren umgegangen werden soll. Und die Jüngeren lernen zusätzlich auch noch von den erfahreneren Schwimmer:innen.
Konkret haben wir es so gelöst, dass die Schwimmer:innen möglichst wenig Zeit in der Einschwimmhalle verbringen. Weiter benutzen sie vermehrt ihre Kopfhörer, um durch gewohnte Musik ein gewohntes Gefühl zu erhalten und sich bewusst abzuschotten.
Positives Selbstgespräch im Sinne der Akzeptanz der äusseren Gegebenheiten hilft, sich nicht ständig darüber aufzuregen. Diese Emotionskontrolle ist wichtig, um die gesamte Energie fürs Schwimmen zur Verfügung zu stellen. Wir vom Staff versuchen, ihnen genügend Platz zu verschaffen und gehen aus dem Weg.
Privatsphäre gibt es praktisch keine, aber alle haben sich mehr oder weniger arrangiert. Nach dem Motto: “Wir sitzen alle im selben Boot.”
Ruhe als Genuss
Die Athleten verbringen dadurch so viel Zeit wie möglich im Hotel, wir vom Staff hingegen stehen mehr oder weniger den ganzen Tag in der Schwimmhalle und sind diesem Lärmpegel ausgeliefert. Abends machen sich dann die Auswirkungen der permanenten Lärmbelastung bemerkbar. Wir sind erschöpft und am Tisch wird weniger als sonst gesprochen. Und dann sind alle froh, im eigenen Zimmer verschwinden zu können, um endlich die Ruhe zu geniessen.
Reden wir nicht drumherum: Die Sportpsychologie verkauft sich schlecht. Viele Experten und Expertinnen sind sehr zurückhaltend, gehen geradezu devot mit ihren Qualitäten, Fähigkeiten und Erfolgen um. Alles aus gutem Grund und mit dem Blick auf die Berufsethik einfach zu begründen. Allerdings wächst der Markt für sportpsychologische Dienstleistungen und seit Jahren stellen viele schlecht bis mäßig ausgebildete Mentalcoaches ein Problem dar, wenn sie viel lauter agieren und gleichzeitig fachlich wenig zu bieten haben.
Also, was können wir besser machen, wollen wir vom Vortrags- und Motivationsredner sowie Autor und Moderator Michael Wigge wissen. Von einem, der weiß, wie man sich seriös in der Wirtschaft, in den Medien und unter Führungskräften verkauft…
In der Sportpsychologie ist es verpönt, sich allzu werblich zum Beispiel als Vortragsredner oder Coach am Markt zu platzieren. Wie ist deine Erfahrung: Mit welcher Strategie überzeugst du deine Kunden und Kundinnen am besten?
Aus meiner Erfahrung als Speaker und Coach in Deutschland und den USA ist Zurückhaltung selten ein Erfolgsrezept, wenn man Menschen wirklich erreichen will. Aber: Werblich zu sein heißt nicht, marktschreierisch aufzutreten. Es geht um authentische Sichtbarkeit. Ich gewinne meine Kunden meist nicht durch Verkaufsrhetorik, sondern durch:
authentische Geschichten aus meinen Selbst-Experimenten („Ohne Geld bis ans Ende der Welt“, etc.)
humorvolle Selbstironie – das bricht das Eis und schafft Nähe
und konkreten Nutzen, den ich vermittle: etwa zu Themen wie Resilienz, Selbstführung, mentaler Stärke
Ich platziere mich nicht als „der Coach mit der Lösung“, sondern als jemand, der durch Herausforderungen gewachsen ist – das überzeugt mehr als jede Hochglanzbroschüre. So würde ich das auch in der Sportpsychologie sehen: Persönlich, authentisch und als Person mit offen gezeigten Facetten (Stärken und Schwächen)
Die Sportpsychologie ist nicht zuletzt wissenschaftlich geprägt. Was ist dein Rat an die Kollegen und Kolleginnen aus der Sportpsychologie – wie viel Wissenschaftsfesseln müssen sie über Bord werfen oder reicht es schon, sich an prominenten Speakern zu orientieren? Welche beispielhaft agierenden Personen kannst du nennen und wie hast du deine Performance im Laufe der Jahre angepasst?
Wissenschaft ist wichtig – aber sie darf auf der Bühne nicht trocken wirken. Mein Rat an Kolleginnen und Kollegen aus der Sportpsychologie: Die Inhalte dürfen fundiert sein, aber die Verpackung muss lebendig sein.
Wissenschaft und Wirkung schließen sich nicht aus, aber der Transfer zur Bühne muss empathisch, emotional und visuell erfolgen. Ich habe z.B. gelernt:
weniger Theorieblöcke, mehr Erlebnisse und Bilder im Kopf
statt Zahlen: Emotionale Erkenntnisse und interaktive Übungen
Beispiele für gelungene Speaker mit wissenschaftlichem Hintergrund:
Prof. Volker Busch – verbindet Neurowissenschaft und Humor brillant.
Dirk Nowitzki (in Speaker-Rolle) – keine Wissenschaft, aber Authentizität pur mit starker Wirkung.
Ich selbst habe meine Performance im Laufe der Jahre weg von „ich erzähle euch etwas“ hin zu „ihr erlebt mit mir etwas“ entwickelt. Heute kombiniere ich Keynote, Coaching-Elemente und Entertainment – das bleibt hängen.
Fakt ist, Geschichten aus dem Sport interessieren ein breites Publikum. Mit welchen Zutaten würdest du daraus ein feuriges Bühnenprogramm zaubern?
Sport hat alles, was gute Geschichten brauchen: Kampf, Krisen, Comebacks, Charakter. Um daraus ein packendes Bühnenprogramm zu machen, braucht es drei Zutaten:
Identifikation statt Heldenverehrung
Zeige nicht nur den Sieg, sondern auch das Scheitern, den Zweifel, die Angst. Dann fühlen sich Menschen abgeholt – auch wenn sie keine Sportler sind.
Interaktive Elemente
Ich lasse mein Publikum gerne kleine Challenges lösen (z. B. Mini-Nein-Sagen-Challenge oder Balanceübung auf der Bühne), um Mentales erlebbar zu machen.
Starker Spannungsbogen
Vom Tiefpunkt zur Transformation – das zieht. Eine gute Sportgeschichte folgt dramaturgisch dem Prinzip.
Mit diesen Elementen entsteht kein Vortrag, sondern ein Erlebnis. Und genau das motiviert Menschen wirklich – im Sport wie im Leben.
Zur Person: Redner und Challenger Michael Wigge
Der Motivationsredner und Abenteurer Michael Wigge hat sich darauf spezialisiert, unglaubliche Challenge-Geschichten zu dokumentieren. „Ohne Geld bis ans Ende der Welt“ und „Wigges Tauschrausch“ (als er einen Apfel in ein hawaiianisches Traumhaus nur durch das Tauschen verwandelte), sind nur zwei seiner Reiseaktionen.
Sein Selbstversuch „Ohne Geld bis ans Ende der Welt“ wurde zum Erfolg. Das ZDF verlieh ihm dafür den VJ Award in der Kategorie „Bester Videojournalist-Newcomer“. Die Reportagereihe wurde für den Grimme Preis nominiert. Der Keynote Speaker trat in den USA in der Tonight Show zusammen mit Katy Perry auf, um sein Projekt dort vorzustellen.
Viele Athleten nutzen sie – oft unbewusst, manchmal instinktiv: Selbstgespräche. Dabei sind sie ein fester Bestandteil mentaler Selbstregulation und können einen echten Unterschied machen, wenn es um Fokus, Motivation und Leistungssteigerung geht. Gerade im Bodybuilding, wo neben dem äußeren Erscheinungsbild oft auch der Wunsch nach messbaren Kraftzuwachs besteht, können gezielte Selbstgespräche helfen, mentale Barrieren zu durchbrechen.
Zum Thema: Ein Athlet, ein Ziel, ein Plateau(Praxisbericht)
Seit Ende 2022 begleite ich einen ambitionierten Bodybuilder, der sich auf sein erstes Bühnen-Debüt vorbereitet (An dieser Stelle ein herzliches Danke an Jannik – mit seinem Einverständnis darf ich unsere Geschichte hier teilen.)
Interessant war: Er hatte anfangs wenig Interesse an mentalem Training – er ist zu mir gekommen, um „nur“ trainiert zu werden. Kein psychologisches Coaching. Seine Vorstellung von meinem Coaching als Personal Trainer war klar auf das Physiologische ausgerichtet – Trainingsplanung, Technik, Ernährung, Regeneration. Für mentale Themen zeigte er eher höfliches Desinteresse. Wenn ich solche Inhalte andeutete, kam meistens ein knappes:
„Lass uns einfach trainieren, ich will nur stärker werden.“
Genau das wollte er – vor allem beim Latzug, einer Übung, bei der er über Monate auf einem hartnäckigen Plateau festhing. Sein geschätztes 1RM lag Ende 2024 konstant bei etwa 120 kg. Nach einem weiteren stagnierenden Versuch sagte er halb im Scherz:
„Vielleicht muss ich das Ding mal anschreien, damit’s endlich hochgeht.“
Was als Witz gemeint war, wurde für mich endlich ein strategischer Einstiegspunkt. Kein neues Mentalprogramm, kein „großes Kino“ – sondern die Idee, ganz pragmatisch mit einfachen Selbstgesprächen zu arbeiten. Alltagsnah, konkret und umsetzbar. Und siehe da: Er ließ sich darauf ein.
Mentale Vorbereitung: Was vorher im Kopf passiert, zeigt sich später an der Maschine
Wir begannen damit, seine typischen Gedanken vor dem Latzug zu analysieren. Immer wieder fielen Sätze wie:
„Heute ist wieder Pullday – mal sehen, ob ich das überhaupt schaffe…“ „Bestimmt geht das heute wieder nicht.“
Ich fragte irgendwann:
„Wenn dein Trainingspartner sowas sagen würde – was würdest du antworten?“
Seine Antwort war im O-Ton:
„Halt die Klappe und zieh.“
Jannik und Chang-Hun in Pose. (Quelle: Chang-Hun Jung)
Warum sagen wir uns selbst nicht das, was wir anderen motivierend entgegnen würden?
Wir entwickelten also kurze, klare Selbstansprachen, die er sich vor jeder Trainingseinheit sagen sollte – bewusst und mit Überzeugung, manchmal sogar laut.
„Ich bin fokussiert. Ich ziehe kontrolliert. Mein Rücken wächst mit jeder Wiederholung.“ „Ich arbeite heute an meiner Bestleistung. Ich bin bereit.“
Anfangs war ihm das ein wenig unangenehm – nach dem ersten Mal im Studio sagte er:
„Ich glaube, dass die an der Beinpresse dachten, ich hab ’ne Schraube locker…“
Aber es wirkte. Die Konzentration stieg, der Fokus war klar, die Wiederholungen sauberer. Nach ein paar Wochen wurde es zur Routine – so selbstverständlich wie das Aufwärmen.
Aktivierende Cues im Training: Einfach, aber effektiv
Zusätzlich integrierten wir kurze verbale Cues direkt im Satz. Ein besonders einfacher, aber wirkungsvoller war:
„Komm, zieh!“
Ich erinnere mich an eine Personal-Training-Einheit im Gym voller Leute. Nach einem lauten „Komm, zieh!“ kam vom Nachbargerät ein trockener Kommentar: „Alles klar, Kollege, ich zieh auch – aber am Kabelzug.“
Ich gebe zu: Dieses „Komm, zieh!“ war sehr häufig mehr ein Kampfgeschrei als ein „Selbstgespräch“. Aber genau das hat es so wirksam gemacht: roh, direkt, ehrlich – und genau im richtigen Moment.
Ergebnis: 1RM-Leistungssteigerung von 120 kg auf 140 kg
Im April 2025 konnten wir seinen geschätzten 1RM-Wert im Latzug auf 140 kg steigern:
Was war nun ausschlaggebend?
Natürlich war es nicht nur das Selbstgespräch, das diesen Fortschritt möglich gemacht hat. Die Leistungssteigerung war das Ergebnis aus:
kontinuierlichem, gut strukturiertem Krafttraining
durchdachter Ernährung
solider Regeneration
progressivem Training … und, und, und zuletzt: gezielter mentaler Arbeit
Die Selbstgespräche haben dabei nicht die Muskeln wachsen lassen – aber sie haben geholfen, mentale Bremsen zu lösen. Und das genau in den Momenten, wo es zählt.
Fazit: Es muss nicht immer kompliziert sein
Selbstgespräche im Training wirken – nicht als Wundermittel, sondern als Werkzeug. Wer lernt, sich selbst klar, motivierend und zielgerichtet anzusprechen, schafft oft mehr als durch Technikfeinschliff allein.
In diesem Fall war der Satz „Komm, zieh!“ kein psychologisches Fachkonzept – aber er hatte Wirkung. Und der Weg dahin zeigte: Auch Skeptiker können von mentalen Methoden profitieren, wenn sie alltagstauglich und individuell passen.
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Mathias Liebing ist Gründer und Redaktionsleiter der Plattform Die Sportpsychologen. Als freier Journalist mit dem Themenschwerpunkt Sportpsychologie arbeitet er für die ARD, DAZN, ZDF, SRF, MDR, Deutsche Welle und diversen Print- und Online-Medien. Sein Magister-Studium der Sportwissenschaften, der Medien- und Kommunikationswissenschaften und der Zeitgeschichte absolvierte er an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Prof. Dr. Oliver Stoll (* 5. Februar 1963) studierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen Sportwissenschaft, Psychologie und Pädagogik sowie am College of Charlestin (S.C., USA). Er promovierte 1993 zum Dr. phil. im Fach Sportwissenschaft an der Universität Gießen und wechselte 1995 an die Universität Leipzig. Hier absolvierte er eine wissenschaftliche Assistentenzeit und habilitierte hier im Jahr 2000. Im Jahr 2002 folgte er einen Ruf auf eine Professur für Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sportpsychologie und Sportpädagogik an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.