Zunächst einmal: Was genau ist Boreout? Boreout ist ein Zustand, der auf ständiger Unterforderung im Joballtag zurückzuführen ist und zu ähnlichen psychischen und physischen Symptomen wie Burnout führen kann. Im Sport wird der Zusammenhang von Anforderungen und Fähigkeiten, unter anderem in Verbindung mit Flow, stets diskutiert. Wenn die Anforderungen die Fähigkeiten der Athleten übersteigen, entsteht Überforderung. Sind sie hingegen ausgewogen, kommt es zu Flow, einem Zustand, in dem Sportler in ihren Aufgaben vollkommen versinken oder aufgehen können. Übersteigen die Fähigkeiten die Anforderungen, spricht man über Unterforderung und genau in diesem Bereich kann es zu Boreout kommen. Sowohl Boreout, wie auch sein Pendant Burnout, birgt die Gefahr des Dropouts, also ein frühzeitiges Ausscheiden.
Zum Thema: Unterforderung im Sport
Wenn wir die Gründe für Unterforderung in der Arbeitswelt betrachten, erscheint Boreout auf den ersten Blick für den Sportalltag irrelevant. Höher, schneller, weiter ist stets eine Anforderung, ja sogar Herausforderung – es kann also gar nicht zu Unterforderung kommen. Doch so einfach ist es nicht. Im Leistungssport ist immer besser werden, zwar die Aufgabe schlechthin, doch der Sportalltag kann durchaus unterfordern. Gemäß der AOK können Unterforderung durch zu wenige Aufgaben entstehen oder durch stumpfsinnige, die den Fähigkeiten der Betroffenen nicht entsprechen. Dies kann dazu führen, dass Betroffene sich nicht wertgeschätzt fühlen.
Die empfundene Unterforderung und der gefühlte Mangel an Anerkennung führen zu Desinteresse und zur stetigen Minderung der Motivation, zur sogenannten inneren Kündigung. Infolge des Desinteresses und geminderter Motivation werden Betroffene bei zukünftigen Aufgaben ignoriert, was ihr Empfinden zusätzlich verstärkt, ihre Unlust sich einzubringen steigt weiter. Diese Negativspirale führt letztlich zu tatsächlicher Kündigung, Entlassung oder Dropout.
Im sportlichen Kontext
Betrachten wir also das Phänomen im sportlichen Setting: Von Sportlern wird erwartet, dass sie in ihren Aufgaben versinken und das tun sie in der Regel jedes Mal wenn es um den Fokus auf die Technik, die Konzentration im Training, und den stetigen Blick auf die eigenen Ziele geht. Betrachtet man diese Aufgaben für sich alleine, erscheint Boreout tatsächlich irrelevant. Aber der sportliche Alltag ist viel mehr als die Trainingsaufgabe, der Wettkampf oder die Zielstellung. Mit Sportlern arbeiten ganze Teams zusammen: An Sportler werden vielschichtige Optimierungspunkte herangetragen, sei es vom Athletiktrainer, Physio, Sportwissenschaftler, Sportpsycho oder Ernährungsberater. Es gibt verschiedene Optimierungsbereiche, die zu bewältigen sind, somit entstehen Aufgaben für den Sportler. Von zu wenig Aufgaben kann also keine Rede sein – aber sehr wohl von stumpfsinnigen.
Stumpfsinnig ist etwas, was keiner Aufmerksamkeit bedarf, lediglich erledigt werden muss. Also die Frage „warum“ ausklammert. Wenn Athleten die Frage „warum“ stets verwehrt bleibt, wird von ihnen erwartet, dass sie die Aufgabe erledigen – stumpfsinnig einfach machen. Genau da kommt Boreout im Sport ins Spiel. Denn lediglich Aufgaben erfüllen ohne ein „Warum“ mag für den Sport ein Zugewinn an reibungslosem Ablauf sein, für den Sportler hingegen eine Aberkennung seiner Fähigkeiten: Erstens das „Warum“ überhaupt zu begreifen, zweitens die Gründe nachvollziehen zu können und drittens sein Engagement daran knüpfen zu können.
Mögliche Folgen
Die Folge – ähnlich wie in der Arbeitswelt: Sinkende Motivation, wachsende Unzufriedenheit, eventuell offen ausgetragene oder auch innere Konflikte und letztlich Dropout. Wenn zum Beispiel auf die Frage, welche Kriterien für die Teilnahme an dem oder dem Wettkampf zu erfüllen sind, die Antwort: „Jetzt wird erst einmal trainiert“ folgt – klammert das zum Beispiel die Fähigkeit des Athleten aus, sich mit konkreten Zielen auseinanderzusetzen, aber auch sein Commitment, also seine Bereitschaft, sich voll für die Aufgabe zu engagieren und sich anzustrengen, wird ihm aberkannt. Die so signalisierte Unfähigkeit lässt Anerkennung vermissen, dies führt zu Frust und reduziert die Motivation des Sportlers.
Folgeversuche der Klärung sind aufgrund der verlangten Stumpfsinnigkeit unerwünscht, somit ist der Weg der Kommunikation versperrt. Die Folge ist nicht nur Unzufriedenheit und Vertrauensverlust – Null-Bock auf den Trainer, auf das Trainingslager, auf gemeinsame Unternehmungen usw. – sondern eben auch die Negativspirale, die zu einem Dropout führen kann. Wenn Athleten Fragen verwehrt bleiben, weil zum Beispiel „es immer dieselben sind, die Fragen stellen“, signalisiert man letztlich, dass Fragen unerwünscht sind. Die Fragen nerven sogar oder anders formuliert: Ein stupides Ausführen ist das, was erwünscht ist. Das mag den Trainerjob erleichtern, die erforderliche Wertschätzung für eine produktive Zusammenarbeit lässt es allerdings gänzlich vermissen. Kommt ein autoritärer Touch dazu, also „weil ich der Trainer bin, weil ich es sage, weil wir das so entschieden haben“ usw. ohne weitere Begründung, nähern wir uns dem Bereich psychischer Gewalt oder Machtmissbrauch.
Fazit
Summa summarum: Boreout ist durchaus ein Thema im Sport. Anerkennung und ausbalancierte Anforderungen sind nicht nur für sportliche Leistungen wichtig, sondern im gesamten Umfeld eines jeden Menschen – Sportler, Trainer und Sportalltag inklusive. Sie entscheiden nicht nur oft darüber, ob Athleten frühzeitig aus dem Sport ausscheiden oder nicht. Sie sind auch sehr oft relevant für die berufliche Entscheidung von ehemaligen Sportlern, den Trainerberuf zu wählen oder ihrem ehemaligen Verband und Sport für immer den Rücken zu kehren.
Letztlich ist jede Medaille eine Anerkennung der Leistung. Aber damit es zu einer Medaille kommt, bedarf es der Anerkennung auch abseits des Podiums. Es geht um die Anerkennung vielfältiger Fähigkeiten im gesamten Sportalltag und gleichzeitig um die Vermeidung von Stumpfsinnigkeit.
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