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Dr. Fabio Richlan: Sportpsychologie im Radsport

Der psychologische Zustand eines Profi-Radfahrers spielt eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, in Training und Rennen auf höchstem Niveau zu bestehen. Diese Erkenntnis setzt sich zusehends im internationalen Radsport durch. Demgegenüber hat die altmodische Ansicht, dass ein Sportpsychologe ausschließlich bei psychischen Problemen um Unterstützung gebeten wird, in der Welt des Profiradsports mehr und mehr ausgedient. Nichtsdestotrotz ist die Arbeit an der psychischen Gesundheit ein essenzielles Betätigungsfeld – aber eben nicht das einzige. Hier beschäftige ich mich mit sportpsychologischen Ansätzen, mit deren Hilfe Radsportler ihre Leistung optimieren können.

Zum Thema: Was Radsportler über psychologische Fähigkeiten wissen sollten

Egal welcher Fahrertyp, welche vergangenen Erfolge oder zukünftigen Ziele, eines ist den meisten Profis gemeinsam: das Streben nach Spitzenleistung und der stetige Wunsch, sich zu verbessern. Die Entwicklung der psychologischen Fähigkeiten trägt entscheidend dazu bei. Denn sie hat zum Ziel, die eigene maximale Leistung im Rennen nicht nur abzurufen, sondern in Drucksituationen aufzublühen und über sich hinauszuwachsen.

Die Rolle des Sportpsychologen besteht darin, ein umfassendes Verständnis der psychologischen Vorgänge des Fahrers zu entwickeln, sowie die richtigen Strategien zur Verfügung zu stellen, welche dabei helfen, die für den Fahrer individuell benötigten psychologischen Fähigkeiten zu entwickeln, um seine Leistung auf dem Rad zu verbessern.

Mögliche Gefahren

Die Rolle des Fahrers besteht darin, ehrlich in seiner Selbsteinschätzung zu sein, sowie diszipliniert und konsequent an der Entwicklung der eigenen psychologischen Fähigkeiten zu arbeiten. Das kann natürlich auch unangenehme Erfahrungen beinhalten, aber dieses Risiko besteht ohnehin immer, wenn man sich verbessern will.

Manche Fahrer drücken sich davor, sich mit den eigenen Gedanken und Gefühlen auseinanderzusetzen und hoffen darauf, dass diese ihre Leistung im Rennen nicht negativ beeinflussen werden. Die meisten Profis aber haben bereits erkannt, dass sie ihre individuellen psychologischen Fähigkeiten aktiv entwickeln können, um eine bessere Leistung abzuliefern.

Mehr Infos zu Dr. Fabio Richlan: https://www.die-sportpsychologen.de/fabiorichlan/

Psychologische Flexibilität

Dabei geht es weder um die perfekte Vorbereitung, noch um den idealen psychologischen Zustand vor einem Rennen, denn diesen erreichen auch die größten Champions nur selten. Was sie aber besitzen, ist psychologische Flexibilität: Die Fähigkeit, sich einer Situation mit Offenheit und Konzentration anzupassen und den psychologischen Zustand zu entwickeln, der es ihnen ermöglicht, die individuelle optimale Leistung abzurufen. Und zwar unabhängig von den Herausforderungen.

Die psychologischen Anforderungen an den Fahrer sind hochkomplex: Unterschiedliche Rollen und Aufgaben, Akzeptanz dieser Rollen, Teamtaktik und –verhalten bzw. –leistung, Kommunikation, Verhalten in vorhersehbaren und unvorhersehbaren Rennsituationen, intuitive Entscheidungen in Sekundenbruchteilen, und so weiter. Das Ganze in einem hochdynamischen und gefährlichen Umfeld und unter höchster körperlicher Belastung. Solange sich der Fahrer aber dessen bewusst ist, was er im Renngeschehen denkt, fühlt, macht, und wie er die Kontrolle über diese Bereiche zurückerlangen kann, wenn es die Situation erfordert, wird er auch dem höchsten Druck standhalten können. Und nicht nur standhalten können, sondern aufblühen und über sich hinauswachsen!

Selbstreflexion und Selbstregulation

Das Gefühl, die Kontrolle über sich selbst zu haben ist ein wesentlicher Faktor für sportlichen Erfolg und wird von Fahrern oft in Flow-Situationen beschrieben, die sich automatisch und mühelos anfühlen. Durch die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen psychologischen Vorgängen im Vorfeld eines Rennens (oder Trainings) kann die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, in solch einen automatischen Zustand zu gelangen. Mit zunehmender Expertise wird die psychologische Flexibilität automatisiert und geschieht danach ohne bewusste Intervention.

Die kritische Selbstreflexion ist der erste Schritt auf dem Weg zur automatischen Selbstregulation. Die folgenden Fragen können dabei helfen, die Selbstbeobachtung und -wahrnehmung zu unterstützen:

  • Verstehst du deine aktuellen psychologischen Vorgänge und bist du dir dessen bewusst, was du denkst, was du fühlst und wie du in Drucksituationen reagierst?
  • Weißt du, in welchem psychologischen Zustand du in kritischen Momenten deiner Leistung sein möchtest und verstehst du die Auslöser, die diesen Zustand stören können?
  • Kannst du deine Gedanken und Gefühle in Drucksituationen effektiv regulieren und weißt du, wie du in einen automatischen Zustand kommen (und darin bleiben) kannst?

Erfolgreiche Fahrer und ihre Verantwortung

Diese oder ähnliche Fragen sind nur der erste Einstieg in die bewusste Auseinandersetzung mit den eigenen psychologischen Vorgängen, denn ein Fahrer muss sich dessen bewusst sein, was er denkt, fühlt und macht, um es zu verändern. Einzelne psychologische Fähigkeiten können niemals separat vom restlichen psychologischen Zustand des Fahrers betrachtet oder entwickelt werden (dazu zählt natürlich auch die psychische Gesundheit). Erfolgreiche Fahrer übernehmen die Verantwortung für die Entwicklung ihrer psychologischen Fähigkeiten und scheuen sich nicht vor den ehrlichen und vertraulichen Gesprächen mit dem Sportpsychologen ihres Vertrauens.

Mehr zum Thema:

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Dr. René Paasch: Talententwicklung im Nachwuchsfussball

Die sportliche Leistungsfähigkeit eines Nachwuchsspielers wird durch physische, physiologische, psychologische und soziale Faktoren beeinflusst. Wie sich diese Voraussetzungen entwickeln, ist immer noch schwer zu bestimmen. Wie aber lässt sich dennoch bestmöglich voraussagen, wer die Fähigkeit dazu hat und was können soziale Prädikatoren eines jungen Leistungskickers aussagen? Dieser spannenden Frage möchte ich in dem nun folgenden Beitrag näher auf den Grund gehen. 

Zum Thema: Soziale Prädikatoren für die Talententwicklung im Nachwuchsfussball 

Die sozialen Eigenschaften eines Nachwuchsspielers haben einen ganz entscheidenden Einfluss darauf, was er aus seinen vorhandenen sportlichen Talenten und Fähigkeiten macht. Faktoren wie elterliche Unterstützung, Trainer-Spieler-Beziehung, Disziplin, Systematik oder der richtige Umgang mit Kritik und Misserfolg sind es, die letztlich den Unterschied ausmachen können. Diese sind im Sport nahezu ständig gefragt, in der täglichen Arbeit mit dem Trainer und dem Zusammenwirken mit den Mannschaftskameraden. Doch es gibt auch nachteilige Auswirkungen. In einer interessanten Recherche der Sportredaktion der ARD (Sportschau: Hype um junge Fussballer, 2018), wurden Zahlen aus den Nachwuchsleistungszentren veröffentlicht. Von insgesamt 5.736 ehemaligen U19-Nachwuchsspielern, seit dem Jahr 2010/11 stehen aktuell 198 Spieler (3,5 Prozent) im Kader eines Profivereins (Deutschland, England, Spanien, Italien und Frankreich). Eine geringe Anzahl, die es zu verbessern gilt. 

Ein Problem stellt sich dar, dass die tatsächlichen Erfolgschancen eines talentierten Spielers im Profi-Fußball sich nicht leicht voraussagen lassen. Denn die individuelle Entwicklung ist von vielen verschiedenen Bedingungen abhängig. In diesem Zusammenhang gibt es ein spannendes Modell von Williams & Reilly (2000). Das Modell mit vier verschiedenen Dimensionen, ermöglicht eine wahrscheinliche Aussage über die Talentidentifikation und -entwicklung im Nachwuchsfussball (s. Abb. 1). 

Abb.1.  Modell der Prädikatoren in der Talentwicklung im Fussball. Mod. Reeves et. al. Soccer & Society, 2018 

Stand der Forschung

Forschungsarbeiten zu den Dimensionen „physische und physiologische Prädiktoren“ für die Talentidentifikation und Talententwicklung im Fußball gibt es reichlich (Dodd & Newans, 2018). Näheres über einzelne Prädikatoren finden Sie auch hier: 

https://www.die-sportpsychologen.de/2017/07/09/dr-rene-paasch-von-wegen-ein-einfacher-pass-exekutivfunktionen-im-fussball/

https://www.die-sportpsychologen.de/2015/12/17/prof-dr-daniel-memmert-kreatives-taktisches-entscheiden-im-fussball/

Hingegen sind die sozialen Prädiktoren für die Talentidentifikation nur wenig erforscht und sind auch ansonsten weniger relevant in der Praxis. Aus diesem Grund versuche ich ein wenig Licht ins Dunkle zu bekommen. Inhaltlich konzentriere ich mich dabei auf folgende vier Faktoren: 

  • Stundenanzahl des Trainings, 
  • Trainer-Spieler-Beziehung
  • Einfluss der Eltern 
  • Schule

Der Einfluss des kulturellen sowie des sozio-ökonomischen Hintergrunds ist wissenschaftlich noch unbeleuchtet und daher nicht Gegenstand dieses Artikels. Starten möchte ich mit der Stundenanzahl des sportlichen Trainings, die sehr häufig in Verbindung mit der „10.000 – Stunden – Regel“ von Ericsson und Kollegen (1993) fällt.  

Stundenanzahl des sportlichen Trainings 

Wie viel Aufwand und Zeit ein Nachwuchskicker wiederkehrend für ein sportliches Training verwendet, wird allgegenwärtig kritisch diskutiert. Beispielsweise konnten Haugaasen, Tynke, Geir (2014) & Ford et al. (2009) nachweisen, dass spätere Profikicker in jungen Jahren im Alter zwischen sechs und zwölf bis zu 20 Prozent mehr fußballspezifisch trainierten. Allerdings sind diese Angaben nicht ganz unstrittig, weil die in den Studien verwendeten Begriffe nicht näher definiert sind (Profikicker, Elitespieler). Eine weitere Studie von Ford et al. (2012) zeigt, dass Kinder im weltweiten Durchschnitt mit knapp fünf Jahren mit dem Fußballspielen beginnen, mit sieben Jahren in den vereinsorganisierten Fußball eintreten und mit elf Jahren in das Training von Nachwuchsleistungszentren einsteigen. Was die Ergebnisse nicht zeigen, ob eine frühe Vielseitigkeit die Leistungsentwicklung auf dem Weg zum Profifussball positiv beeinflusst. Ein häufig kontrovers diskutiertes Thema ist in der Talententwicklung die Trainer-Spieler-Beziehung und die damit vorhandenen Strukturen.  

Trainer-Spieler-Beziehung und strukturelle Faktoren

Im Nachwuchsfussball ist der Trainer neben dem Spieler die zentrale Person. Seine Kompetenz und seine Arbeitsweise sind entscheidend für Erfolg oder Misserfolg  (Brand, Schmidt, Klinger, Ranze & Wieneke, 2000, S. 17). In struktureller Hinsicht ist die gelebte Vereinsphilosophie prägend sowie der individuelle Entwicklungsspielraum und die finanzielle Investition in den Spieler (Morris et al. 2016).  

In diesem Zusammenhang wäre es wünschenswert, dass die  Herausbildung von Offenheit, Sicherheit und Verlässlichkeit im Rahmen des Trainingsalltags und in den Vereinsstrukturen ihren Platz finden. Hierbei ist die Bereitschaft des Trainers vorausgesetzt, die Spieler als individuelle Subjekte zu akzeptieren und dass die Vereinsphilosophie Lust auf mehr macht. Näheres zum Thema Trainer-Spieler-Beziehung finden sie hier: 

https://www.die-sportpsychologen.de/2016/10/12/dr-rene-paasch-empathiefaehigkeit-fuer-trainer/

Eltern 

Eltern haben grundsätzlich einen wichtigen Einfluss auf die Karriereentwicklung Ihrer Kinder. Clarke, Harwood, 2014 &  Clarke et al. 2016 haben das Elternverhalten näher erforscht. Ihre Ergebnisse sind relevant und können einen Anhaltspunkt für Verbesserungen liefern: Eltern durchlaufen ebenfalls einen Entwicklungsprozess, der sie in ihrer Rolle als Erziehungsberechtigter stärkt. Sie sind dem Vereinsleben ihres Kindes verbunden und somit emotional an den Erfolg oder Misserfolg beteiligt und fordern bei den Trainern eine realistische Einschätzung über dessen Erfolgschancen ein (Atkin et al. 2008.). Auch die Etablierung gemeinsamer Werte und Erwartungen im Rahmen der Talententwicklung sowie der Aufbau eines nachhaltigen Vertrauensverhältnisses zwischen Trainern und Eltern sind wichtige Themen (Clarke et al. 2016). Denken Sie bitte immer daran: Die Kindheit ist der entscheidendste und prägendste Abschnitt der körperlichen, seelischen und geistigen Reife eines jungen Spielers und Bedarf einer sensiblen Führung aller Beteiligten. Weiteres zum Thema Eltern und Trainer finden Sie hier: 

https://www.die-sportpsychologen.de/2017/12/12/dr-rene-paasch-trainer-und-eltern-am-spielfeldrand/

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/03/21/dr-rene-paasch-wenn-nachwuchsfussballer-den-traum-der-eltern-leben/

Häufig ist auf den Sportplätzen von ambitionierten Eltern zu hören, dass sich ihre Kinder entscheiden müssten zwischen Sport und Bildung, da beides nicht mit einer Profikarriere zu verbinden sei. Schauen wir uns das mal aus wissenschaftlicher Perspektive an. 

Mehr Infos zu Dr. René Paasch: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Schule  

Die Trainer und Vereine der Nachwuchsleistungszentren in Deutschland erwarten einen hundertprozentigen Einsatz von ihren Nachwuchstalenten. Dieser Anspruch steht jedoch der zeitlichen Anforderung der Schule und Freizeit widersprüchlich gegenüber. Daher hat das dänische Bildungssystem ein besonders flexibles Schulkonzept entwickelt, um mit jungen Fussballern und deren Anforderungen des Nachwuchsfußballs (Zeitdruck, hohes Maß an Selbstdisziplin, psychologische Unterstützung) gerecht zu werden. Christensen und Sorensen (2009) stellten fest, dass die Schule zur Nebensächlichkeit wird, jedoch die Erwartung bei den Eltern an gute Noten steigt. Nicht selten wird daher die weiterführende Schule abgebrochen, um sich ganz der Fußballkarriere zu widmen. 

Zu weiteren Einflussfaktoren gehören die Nähe zum Verein und entsprechende Fahrzeiten sowie die Beziehungen zu Freunden. Kein einfaches Unterfangen und doch wird in den Nachwuchsleistungszentren halbjährlich das Zeugnis eingesammelt, überprüft und bei Bedarf pädagogisch unterstützt. Auch besitzen wir mittlerweile etwa 40 Eliteschulen in ganz Deutschland. Diese bieten derzeit ein flächendeckendes Netzwerk an speziellen Bildungs- und Fördereinrichtungen für Fußball-Talente an. Dieses System ist darauf ausgerichtet, schulische und sportliche Anforderungen optimal zu koordinieren.

Fazit

Soziologische Prädikatoren in der Talentwicklung sind mittlerweile immer mehr Gegenstand der Forschung. Sie sind ein wichtiger Baustein einer ganzheitlichen geprägten Talentförderung im Fußball. Auch erste empirische Evidenzen zur Bedeutung von soziologischen Prädikatoren im Nachwuchsfussball weisen immer stärker daraufhin, dass eine individuelle Talententwicklung eines Spielers, hoch komplex und wechselseitig ist und eine kompetente Führung bedingt. Die Wirkungsweisen von soziologischen Prädiktoren auf die Leistungsentwicklung sind bisher noch nicht vollständig untersucht, doch in der Praxis sind diese als stillschweigende Wirkmechanismen allgegenwärtig. 

Mehr zum Thema:

Literatur 

  1. Atkin AJ, et al. Critical Hours (2008): Physical Activity and Sedentary Behavior of Adolescents after School. Pediatric Exercise Science, 20, 4: 446–456
  2. Brand, H., Schmidt, P., Klinger, U., Ranze, H. & Wieneke, F. (2000): Trainer – Macher oder Mitläufer? Rolle und Stellenwert im neuen Jahrtausend. Leistungssport, 30 (6), 17.
  3. Clarke, NJ, Harwood CH. (2014): Parenting Experiences in Elite Youth Football: A Phenomenological Study. Psych of Sport and Exercise, 15, 5: 528–537
  4. Clarke et al. (2016): A Phenomenological Interpretation of the Parent–Child Relationship in Elite Youth Football. Sport, Exercise, and Performance Psychology, 5, 2: 125–143
  5. Christensen MK, Sorensen JK (2009): Sport or School? Dreams and Dilemmas for Talented Young Danish Football Players. Europ Phys Education Review, 15, 1: 115–133
  6. Dodd, K. D., & Newans, T. J. (2018): Talent identification for soccer: Physiological Aspects. Journal of science and medicine in sport.
  7. Ford PR et al. (2012): The Developmental Activities of Elite Soccer Players Aged under-16 Years from Brazil, England, France, Ghana, Mexico, Portugal and Sweden’. Journal of Sports Sciences, 30, 15: 1653–166
  8. Haugaasen M, Tynke T, Geir J. (2014): From Childhood to Senior Professional Football: A Multi-Level Approach to Elite Youth Football Players’ Engagement in Football-Specific Activities. Psychology of Sport and Exercise 15, 4: 336–344
  9. Morris R, et al. (2016): From Youth Team from Youth Team to First Team: An Investigation into the Transition Experiences of Young Professional Athletes in Soccer. Int Jour of Sport and Exercise Psychology, 15: 523–539
  10. Williams AM, Reilly, T. (2000): Talent Identification and Development in Soccer. Journal of Sports Sciences, 18, 9: 657–667
  11. Reeves, M. J., McRobert, A. P., Littlewood, M. A., & Roberts, S. J. (2018): A scoping review of the potential sociological predictors of talent in junior-elite football: 2000–2016. Soccer & Society, 1-21.

Internet

https://www.sportschau.de/fussball/allgemein/hype-um-junge-fussballer-100.html (veröffentlicht am 14.11.2018) 

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Dr. Hanspeter Gubelmann: The best a sport psychologist can be…!?

1991 in Köln – vor genau 28 Jahren – besuchte ich als forschender ETH-Assistent erstmals einen europäischen Kongress der Sportpsychologie (FEPSAC). Schon damals trieb mich die Idee an, die besten und bekanntesten Sportpsycholog*innen hautnah zu erleben, auch um von ihnen zu lernen. Im Juli ludt die FEPSAC zu ihrem 50-Jahr-Jubiläum nach Münster ein. Die 900 Teilnehmer*innen gewinnen dabei einen faszinierenden Einblick in die „state-of-the-art“-Forschung und -Anwendung in unserem Fachbereich. Meine Frage aber, was einen hervorragenden angewandten Sportpsychologen insbesondere charakterisiert, bleibt unbeantwortet – damals wie heute!

Zum Thema: Das professionelle Selbstverständnis von Sportpsychologen

In Münster treffe ich einen alten Bekannten und Freund – Andreas Küttel. Der Skisprungweltmeister von 2009 hat im Bereich „career transition“ geforscht und promoviert. Am Kongress präsentiert der Sportwissenschaftler einen Überblick zum Thema „psychische Gesundheit von Spitzensportlern“. Wenn es um Qualität und Kompetenz geht, äussert sich der heute in Dänemark lebende Assistenz-Professor in seinen Forschungsbemühungen ähnlich pointiert wie zur Zeit seiner Karriere als Weltklasseathlet. In der Planung auf sein sportliches Karriereziel folgte er stets seinem Motto: „Wenn ich Skisprungweltmeister werden will, muss ich leben, denken und handeln wie es einem Weltmeister angemessen ist.“ 

In bester Erinnerung in meiner damaligen Funktion als sportpsychologischer Begleiter der Schweizer Skispringer ist mir ferner der Ausspruch des Disziplinenchefs Gary Furrer geblieben. Gary stellte Andreas’ Leitsatz in einen übergreifenden Zusammenhang: „Wenn wir Betreuer von unserer Athleten in ihrem Streben nach Erfolg «Weltklasse-Format» erwarten, müssen wir denselben «Weltklasse-Massstab» auch an uns und unsere Dienstleistungen in der Athleten- und Teambetreuung stellen“. Wie aber definiert sich „Weltklasse“ für einen angewandten Sportpsychologen? Woran soll sich die junge, ambitionierte Sportpsychologin halten, um einen „Weltklasse-Job“ zu verrichten? Die Antworten zu  diesem Thema fielen in Münster leider spärlich aus.

Ethische Grundhaltung ? Werte ? Rollen (-zuschreibung)

Als bedeutend fruchtbarer in dieser Hinsicht erwies sich die diesjährige asp-Tagung 2019 in Halle/Saale, wo u.a. Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe der dt. Fussballnationalmannschaft, zum Thema „Sportpsychologie in der Praxis – Versuch einer Rollendefinition“ referierte. In seinen Ausführungen lehnte er sich an Gedanken an, die er in seinem kürzlich erschienen Aufsatz (Hermann, 2019) detailliert beschreibt. Dabei leitet Hermann aus der Ethik jene Werte ab, die letztlich die Integrität einer Sportpsychologin bzw. eines Sportpsychologen ausmachen. Ethik bestimmt dabei die Wertehierarchie. „Ethik will verdeutlichen, welcher Wert in der Hierarchie der Güterabwägung vor dem andern steht und warum. (…) Werte markieren die Haltung zum beruflichen Handeln und zum Leben generell. Aus der Praxis der Werte entsteht die Haltung (Tugenden) und letztlich ein wichtiger Teil der Persönlichkeit, die Ich-Stärke. Psychologisch Tätige brauchen eine Art „ethische Sonnenbrille“, um sich nicht von (sportspezifischen) Konventionen oder dem Geschrei aus der Branche blenden zu lassen (S.68f).“ Sehr lesenswert auch die inhaltlichen Fassungen seiner fünf Grundwerte, die Hermann folgendermassen bezeichnet: Persönlichkeit, Respekt und Verantwortung, Vertrauen, Professionalität und Demut.

Was Hans-Dieter Hermann mit „Ich-Stärke“ der Sportpsychologin meint, beschreiben Weidig und Liesenfeld (2019) als „professionelles Selbstverständnis“. Diese grundsätzliche (individuelle) sportpsychologische Haltung basiert auf Fachkompetenz (Wissensfundament), Beratungskompetenz in der sportpsychologischen Zusammenarbeit (Prozess- und Beziehungsgestaltung) und der Rollenkompetenz (Rollenprofilierung). In der Praxis der angewandten Sportpsychologie entpuppt sich diese Rollenzuschreibung und –ausgestaltung vermehrt als „(…) eine Herausforderung im Spannungsfeld von Selbstverständnis und angetragenen Erwartungen (S.54).“ Meine „Ich-Stärke“ als Sportpsychologe dürfte massiv beeinträchtigt werden, sobald ich zu viele (mögliche) Rollen (siehe Abbildung, Kasten) unreflektiert und ohne entsprechende „Qualifikation“ annehme! 

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Weitere Informationen

Abbildung: Identifikationsverlust durch Rollendiffusion (in Anlehnung an H.-D. Hermann): 

Reflexion des professionellen Selbstverständnisses

Weidig und Liesenfeld (2019, S.57) präsentieren folgenden Katalog mit Leitfragen für die Reflexion der eigenen Fach-, Beratungs- und Rollenkompetenz:

  • 1) Welche Kompetenzen habe ich?
  • 2) Wo liegen Grenzen meiner Kompetenzen?
  • 3) Muss oder darf ich Kompetenzen zurückhalten?
  • 4) Handelt es sich um Prozessberatung und/oder Expertiseberatung?
  • 5) Findet eine eingehende Auftragsklärung zu Beginn statt?
  • 6) Wird der Auftrag prozessbegleitet reflektiert?
  • 7) Welche Rolle(n) möchte ich einnehmen?
  • 8) Gibt es Rollengemeinsamkeiten oder Rolleninkompatibilitäten?

Mit dem oben dargestellten Fragenkatalog lässt sich ein viertes Schlüsselelement des professionelles Selbstverständnisses ableiten: die Selbstreflexion als Grundlage des eigenen Leitbildes. Benthien und Heiss (2019) definieren in ihrem lesenwerten Artikel zu „Qualitätsoptimierung sportpsychologischer Praxis“ vier Reflexionsräume in Verbindung mit praxisnahen Handlungsanweisungen zur Optimierung des Selbstmanagements. Neben Berufs- und Qualitätsethos fordern die Autoren ein kritisches Hinterfragen von Arbeitsprozessen, eine Würdigung der eigenen Prozesskompetenz sowie die Beurteilung der strukturellen Bedingungen. Besonderes Gewicht legen sie schliesslich auf die Einschätzung der Produkt- und Ergebnisqualität. In der praktischen Umsetzung hat sich der von Brand et al. (2014) entwickelte Leitfaden zur Qualitätssicherung für die sportpsychologische Betreuung im Leistungssport bewährt.

Mehr Infos zu Dr. Hanspeter Gubelmann: https://www.die-sportpsychologen.de/hanspeter-gubelmann/

Beispielhafte Umsetzung „Ten Years in Team Denmark“

Welcher Weg zwischen ethischer Grundhaltung und Selbstmanagement beschritten werden kann, lässt sich im persönlichen Leitfaden von Kristoffer Hendriksen Ten Years in Team Denmark & Ten Valuable Lessons Learned eindrucksvoll nachlesen (siehe Referenzen). Ich empfehle allen Berufskolleginnen und –kollegen wärmstens, diese Art der Selbstreflexion zu „The best a sport psychologist can be“ und in Anlehnung an die oben dargestellten Schlüsselelemente aktiv anzugehen. Es muss ja nicht erst nach zehn Jahren erfolgen!

Epilog:

Als ich 1999 meine Tätigkeit bei den CH-Skispringern begann, erhielt ich von meiner damaligen amerikanischen Mentorin Prof. Evelyn Hall ein kleines Buch geschenkt: „Consultant’s Guide to Excellence“. Geblieben ist mir von den bekannten Autoren Halliwell, Orlick, Ravizza und Rotella (1999, p.82) vor allem dieses Zitat: „Working with athletes provides a tremendous opportunity to grow and continually learn about the fascinating mental side of sport and performance enhancement. At the same time we make a meaningful contribution to the performance and lives of many people. This is a great source of satisfaction – knowing that we have had a positive influence on people’s lives by helping them pursue their dreams and develop mental and emotional skills that become life skills.“ 

Wenn ich dieses Zitat lese, dabei „satisfaction“ spüre und auch etwas schmunzle, wird „career-transition“-Experte Andreas Küttel den Grund dafür auch kennen!

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2017/08/09/prof-dr-oliver-stoll-muessen-wir-boeser-werden/

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/10/johannes-stuppi-darf-ich-vorstellen-ich-bin-sportpsychologe/

https://www.die-sportpsychologen.de/2019/01/22/johanna-constantini-sportpsychologie-auf-dem-arbeitsmarkt-der-zukunft-inkl-audio/

Referenzen: 

Benthien, O. & Heiss, C. (2019). Qualitätsoptimierung sportpsychologischer Praxis. In: Staufenbiel, K., Liesenfeld, M. & Lobinger, B. (Hrsg). Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport. Göttingen: Hogrefe, 72-88.

Brand, R., Benthien, O., Decker, S., Grote, M., Heinz, K., Hust, D. & Wippich, S. (2014). Leitfaden zur Qualitätssicherung für die sportpsychologische Betreuung im Leistungssport: Beitrag Qualitätssicherung in der Sportpsychologie. Köln: Sportverlag Strauss.  

Halliwell, W., Orlick, T., Ravizza, K. & Rotella, B. (1999). Consultant’s Guide to Excellence. Chelsea, Quebec: Orlick Excel.

Henriksen, K. (2018). Ten Years in Team Denmark & Ten Valuable Lessons Learned
https://www.issponline.org/images/isspdata/latest_news/10_years_in_Team_Denmark___ten_valuable_lessons.pdf

Hermann, H.-D. (2019). Sportpsychologische Ethik: Pflichten – Werte – Grenzen. In: Staufenbiel, K., Liesenfeld, M. & Lobinger, B. (Hrsg). Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport. Göttingen: Hogrefe, 59-71.

Lobinger, B.H. & Stoll, O. (2019). Leistung beschreiben, erklären, vorhersagen und optimieren: Ein sportpsychologischer Beitrag. Zeitschrift für Sportpsychologie, 26 (2), 58-70.

Weidig, T. & Liesenfeld, M. (2019). Professionelles Selbstverständis. In: Staufenbiel, K., Liesenfeld, M. & Lobinger, B. (Hrsg). Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport. Göttingen: Hogrefe, 46-58.

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Kathrin Seufert: Als Profi, einfach mal loslassen. Geht das überhaupt?

Die Sommerpause im Fußball. Für die Fans die wohl längste Zeit im Jahr, für die Spieler die einzige Zeit, sich einmal zu entspannen. Wie ist in der kurzen Zeit aber eine echte Erholung möglich? Sollten die Kicker dort nicht auch einfach mal die Sau rauslassen? Sich mal weg vom Fußball bewegen? Abschalten, Runterfahren, Loslassen? Die Freizeit genießen? Aber wie kann es eigentlich gelingen, trotz beruflicher Verpflichtungen und täglichem individuellem Training in der Sommerpause die letzte Saison hinter sich zu lassen und mit voller Energie und aufgeladenem Akku in die neue Serie und die anstehenden Trainingslager zu starten?

Zum Thema: Wie Fußball-Profis Sommer- und Winterpausen richtig nutzen können

Eines steht fest, eine Musterlösung gibt es hierfür nicht. Was aber klar ist, dass ein jeder in der Sommerpause die Gedanken auch mal weg vom Fußball bekommen sollte. Wie jeder Arbeitnehmer, sollten auch die Fußball-Profis Zeit haben, auszuspannen, Zeit mit ihren Familien zu verbringen und auch mal Dinge zu tun, die im Saisonverlauf eher die Ausnahme sein können.

Was da ein jeder benötigt, um die Gedanken auch mal weg lenken zu können, muss individuell herausgefunden werden oder sich mit Hilfe von sportpsychologischer Arbeit angeeignet werden. Dem Kopf als Schaltzentrale unseres Körpers muss – wie dem Körper auch – Regeneration gegönnt werden. Zu einer Regeneration kann auch gehören, sich Nahrungsmittel zu genehmigen, welche während der Saison als Leistungssportler eher tabu sind. Doch auch hier sollte der Kopf ein klein wenig weiter denken…

Drohende Quittung

Zu viel oder mehr ungesundes Essen und zwangsläufig weniger sportliche Betätigung können sich auf der Waage widerspiegeln. Das überschüssige Gewicht und die damit verbundenen Konsequenzen des Vereins und der Presse lassen nicht lange auf sich warten. Das im besten Fall gerade auf „0“ gesetzte Stresslevel des Athleten wird schon zu Beginn der Vorbereitung wieder strapaziert. 

Also sich besser gar nichts gönnen und weiter täglich Sport treiben? Auch nicht der richtige Weg! Nur Verzicht und Belohnungsaufschub verhindern Glücksgefühle und hemmen die Stimmung. Zudem bringen sie nicht das Gefühl, wirklich mal entspannt zu haben und den Fußball für ein paar Tage Fußball sein zu lassen. 

Mehr Infos zu Kathrin Seufert: https://www.die-sportpsychologen.de/kathrin-seufert/

Belohnungen sind ein Muss

Eine Empfehlung ist daher, sich gezielt, punktuell und bewusst im Urlaub zu verhalten. Belohnungen für die abgelaufene Saison in Form von einem tollen Dinner, der Urlaub an den schönsten Stränden der Welt oder einfach Zeit mit der Familie ist da sicherlich eine gute Grundlage. Aber wieso nicht mal festhalten, was einem ganz persönlich in Erinnerung geblieben ist, bezüglich der letzten Saison. Mit dem Notieren dieser Highlights und Tiefpunkte wird Platz für neue Erfahrungen gemacht. 

In dem Zusammenhang ist es auch sinnvoll sich noch mal selbst zu reflektieren und zu ergründen, wie man es während der Saison schafft, nach einer Niederlage beispielsweise abzuschalten. Das Aufräumen im Kopf, das Reflektieren der Geschehnisse und des innerlichen Vorbereitens ist wie das Spa für die Seele.

Neuer Anlauf im Winter?

Also gönnt euch bewusst, belohnt euch für das, was ihr geleistet habt und räumt eure Köpfe als die Schaltzentrale eurer Handlungen auf. Lebt eine befreite aber gewissenhafte Zeit, ohne das runde Leder. Verbannt es nicht ganz aus euren Köpfen, sondern habt es immer ein wenig im Hinterkopf, um bösen Überraschungen beim Start in die Vorbereitung vorzubeugen.

Wem das bei der jetzigen Sommerpause nicht gelungen ist, kann die kurze Winterpause nutzen, um erste Versuche zu unternehmen. Meine Kollegen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Kathrin Seufert) helfen euch gern dabei, mental frisch und frei wieder ans Werk zu gehen.

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2019/07/06/dr-christian-reinhardt-entspannung-fuer-harte-jungs/

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/07/24/johannes-wunder-anspannung-und-entspannung-leicht-gemacht/

https://www.die-sportpsychologen.de/2015/08/06/thorsten-loch-der-neue-im-team/

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Miriam Kohlhaas: Was macht persönliches Coaching aus?

Neulich hatte ich einen tollen Austausch einem meiner Kollegen und dabei kam folgende Frage auf: Wenn wir täglich anderen Menschen dabei helfen herauszufinden, für was genau sie brennen, ist es nicht wahnsinnig wichtig genau zu wissen, wofür wir selbst brennen? Oder anders formuliert: Was genau macht eigentlich unser ganz persönliches Coaching aus, was sind unsere größten Stärken, was ist das Besondere an unserer Begleitung?

Zum Thema: Demut, Begeisterung, Entwicklung – was unsere Arbeit ausmacht

Ich persönlich denke, dass es unglaublich wichtig ist, dass jeder Coach, jeder Sportpsychologe, jeder Mentaltrainer, jeder Trainer diese Antworten für sich findet.

Schon des Öfteren habe ich davon erzählt, wie sehr mein Coaching davon geprägt ist, dass ich Menschen dabei begleite, Antworten in sich selbst zu finden. Dabei gehe ich davon aus, dass ich niemals eine Antwort für sie habe, eine Antwort in einem Buch oder sonst irgendwo finden könnte, die für einen anderen Menschen zu 100% passt. Ich bin ein Begleiter, jeder Zeit auf Augenhöhe meines Klienten.

Mehr Infos zu Miriam Kohlhaas? Dann besuch ihr Profil: https://www.die-sportpsychologen.de/miriam-kohlhaas/

Profi-Fußballer bis American Football-Amateure

Ich liebe diese Reisen mit anderen Menschen und ja, ich bin emotional 100% an Bord. Das ist es sicher, was meine Arbeit am meisten ausmacht. Dabei ist es völlig egal, ob vor mir ein Fußballprofi sitzt oder ein Footballspieler aus der unterstes Liga. Ich bin so unendlich dankbar dafür, andere Menschen wachsen sehen zu dürfen – andere Menschen beim Fliegen zu helfen.

Ich sitze im Stadion und kann mich nach Wochen, Monaten oder Jahren der Zusammenarbeit mit einem Spieler emotional kaum zurückhalten. Ich spüre ihre Ängste, ihre Trauer oder ihre Freude, ihren Stolz. Und ich kenne ihre Dämonen, ihre dunkelsten Zeiten. Ich allein – neben dem Sportler selbst oft als einziger Mensch im gesamten Stadion voller mehrerer tausender Menschen – weiß dies alles! Und es erfüllt mich in diesen Momenten mit so viel Demut, dieser eine Mensch sein zu dürfen. Dass andere Menschen mir so viel Vertrauen entgegen bringen – Wahnsinn!

Bedeutung der Demut

Und ich nehme mir jeden Tag auf’s Neue vor, diese Demut niemals zu verlieren. Es niemals für selbstverständlich zu halten, mich niemals überlegen zu fühlen und mich zu jeder Zeit voll und ganz einzulassen auf den Menschen mir gegenüber.

All ihr wundervollen Menschen dort draußen, die andere Menschen bei ihrem Wachstum begleiten, lasst uns immer demütig bleiben!

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2019/05/07/dr-rita-regoes-wie-wir-die-sportpsychologen-den-sportlern-ihre-individuellen-staerken-wegoptimieren/

https://www.die-sportpsychologen.de/2019/03/18/dr-rene-paasch-initiativbewerbung-im-fussball-sinnvoll-oder-ueberfluessig/

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/06/20/thorsten-loch-sportpsychologe-der-multi-leistungssportler/

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Johanna Constantini: (Reingelesen) „Seelische Gesundheit im Leistungssport“

„Seelische Gesundheit im Leistungssport“, ein Themenbereich, von dem man denken könnte er werde durch die Psychologie bereits umfassend abgedeckt. Doch weit gefehlt, betrachtet man die Zahlen psychischer Erkrankungen, wie sie auch im Leistungssport zu finden sind. Dass der Sport als solcher lediglich ein Abbild der Gesellschaft darstellt und Menschen auch unter dessen Extrembedingungen nicht vor psychischen Erkrankungen gefeit sind, darauf weisen die Autoren Dr. med. M.A. phil. Valentin Z. Markser und Prof. Dr. med. Karl-Jürgen Bär in ihrem Fachbuch zum Thema hin. 

„Seelische Gesundheit im Leistungssport. Grundlagen und Praxis der Sportpsychiatrie“ klärt dabei auf rund 200 Seiten und in 15 Kapiteln über Studienlage, Inhalte, Relevanz und Entwicklung der Sportpsychiatrie auf. 

Reingelesen: „Seelische Gesundheit im Leistungssport. Grundlagen und Praxis der Sportpsychiatrie“ 

Während Sportpsychologen und Mentaltrainer ihren Fokus vor allem auf die Leistungsoptimierung der Athleten legen, postulieren die Autoren, dass die Betrachtung potentieller psychischer Erkrankungen als Aufgabengebiet der Sportpsychiatrie weit mehr Beachtung als bisher finden sollte. 

Ebenso kritisieren Markser und Bär, dass weder der „Mentaltrainer“, noch der „sportpsychologische Experte“ ein geschütztes Berufsfeld beschreibt. Dabei ist der Grad zwischen Leistungsoptimierung und dem Bekanntwerden einer psychischen Erkrankung oft schmal, Athleten öffnen sich jedoch im Zuge von Einzelcoachings und in Gesprächen mit jenen Vertrauenspersonen. Neben der Möglichkeit, betroffene Sportler an entsprechende Experten zu verweisen, sollten laut den Autoren auch die derzeitigen Ausbildungen noch mehr über Symptome, Diagnose und Prävention psychischer Erkrankungen aufklären. 

Weil das Leben auch im Sport nicht Halt macht

Schließlich hört das Leben beim Sport nicht auf, wie auch ich feststellen muss, wenn ich in meiner täglichen Praxis mit Athleten arbeite. Dann, wenn sie sich von familiären, finanziellen oder zwischenmenschlichen Sorgen belastet fühlen. Aber auch, wenn affektive Störungen wie die Depression, oder sportspezifische Essstörungen Leistungseinbußen nach sich ziehen – wenn es um psychische Erkrankungen geht, braucht es im Leben wie im Sport ganz allgemein weniger Stigmatisierung und mehr Aufklärung.

https://www.klett-cotta.de/buch/Schattauer/Seelische_Gesundheit_im_Leistungssport/96776

Prädikat lesenswert

„Seelische Gesundheit im Leistungssport“ kann meiner Meinung nach als Fachbuch im Bereich der Sportpsychiatrie absolut empfohlen werden, zumal es wissenschaftlich fundierte und vielseitige Einblicke in das Feld der Sportpsychiatrie gewährt. Angefangen von den neurobiologischen und neuroanatomischen Grundlagen – vom limbischen System bis zur psychoneuronalen Stressverarbeitung – über Ursachen, Symptome und Diagnostik von psychischen Erkrankungen bis hin zu sportspezifischen Krankheitsbildern, Phänomenen und Psychodynamiken von Athleten. 

Das Buch bietet einen äußerst abwechslungsreichen Mix aus wissenschaftlichem Know-How über Psychiatrie, Psychologie und Psychotherapie und die beiden Autoren schaffen es zudem, eine fundierte Brücke in Richtung Sport und Leistungssport zu bauen. Dann, wenn sie sowohl über sportspezifische Krankheitsbilder wie die Sportsucht, die Sport-Bulimie und die Sport-Anorexie, als auch über den empfohlenen Umgang mit Gewalt im Wettkampf- und Trainingsbereich, überehrgeizigen Eltern, Misserfolgen, sowie Präventionsmaßnahmen aufklären.

Fazit

Als ausgebildete klinische Psychologin und Sportpsychologin muss ich sagen, dass mir die Botschaft des Buches, den Sport nicht als jenseits, sondern vielmehr als mitten im Leben – als gesellschaftliches Abbild mit allen Chancen und Risiken – zu sehen, sehr gut gefällt. Als Chance kann der Sport, denke ich, vor allem dahingehend genutzt werden, um die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen aufzuheben und der Gesellschaft gleichzeitig ein realistisches, menschlicheres Bild von jenen zu transportieren, die zwar Höchstleistungen vollbringen, jedoch auch dabei Schwäche zeigen und zulassen dürfen. Sportpsychologen, und dazu zähle ich mich ebenfalls, sollten ihren Fokus einerseits auf die Leistungsoptimierung, andererseits jedoch auch auf potentielle Risiken psychischer Erkrankungen legen. Vom regen Austausch mit meinen Berufskollegen weiß ich, dass dies bereits getan wird. Die Stigmatisierung hört jedoch auch im Sport und oftmals vor allem dort nicht auf, wo Höchstleistungen an erster Stelle stehen. 

Zum Profil von Johanna Constantini: https://www.die-sportpsychologen.de/johannaconstantini/

Offen bleibt für mich daher die Frage, ob der aktuelle Umgang auf dem Gebiet psychischer Erkrankungen nicht ein generelles Problemthema unserer Leistungsgesellschaft darstellt? Die, die nämlich auch dann noch leistet, wenn am Ende des Wettkampfs weder Pokal noch Siegertreppchen warten.

Neben der Tatsache, dass Fachpersonal entsprechend ausgebildet werden sollte, um auch in der glorreichen Sportwelt Störungsbilder frühzeitig erkennen zu können, sehe ich die allgemeine Aufklärung daher als umso wichtigeren Schritt in Richtung einer sinnvollen Anwendung der modernen Sportpsychiatrie. 

Herzlichen Dank an den Schattauer Verlag Klett Cotta für die Zusendung dieses empfehlenswerten Buches!

Mehr zum Thema:

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Dr. René Paasch: Rundum fit in die neue Saison – Teil 2: Onboarding neuer Spieler

Ein gutes Miteinander und näheres Kennenlernen ist in der saisonalen Vorbereitung sehr wichtig. Es fördert die direkte Kommunikation im Team, steigert Kreativität und Bereitschaft  für Ungewöhnliches. Für die Entwicklung und Erhaltung einer guten zwischenmenschlichen Ebene in Mannschaften braucht es daher zwei Dinge – Zeit und Raum. Zeit, um auf sich selbst und die anderen Charaktere im Team einzustellen und um neue Ideen zu generieren. Und ein offener Raum für all jene Themen, die es sonst nicht in den sportlichen Alltag schaffen, weil sie zu groß, zu komplex oder konfliktbeladen sind. Ein professionell und aufmerksam moderierter Raum der Verschiedenheit im Team, kann jeden zu Wort kommen lassen. Wie Sie diese Ebenen einsetzen können, möchte ich in dem nun folgenden zweiten Teil der „Rundum fit in die neue Saison – Reihe“ näher beschreiben. 

Zum Thema: Neue Spieler schnellstmöglich in das Mannschaftsgefüge einbauen (Teil 2: Integration neuer Spieler)

Die Suche hat ein Ende, der Auswahlprozess für die neue Saison ist abgeschlossen und die Spieler für offene Positionen innerhalb der Mannschaft wurden gefunden. Nun gilt es, neue Spieler optimal ins Team zu integrieren, mit ihren Aufgaben und Rollenfunktion vertraut zu machen und an Ihren Verein zu binden. Dieser Prozess wird auch gerne „Onboarding“ genannt und  ist eine Abkürzung der Phrase „taking on board“, übersetzt „an Bord nehmen“. 

Der Onboarding-Prozess im Fussball besteht aus drei verschiedenen Phasen (modifiziert nach Lohaus, Habermann, 2016). Die erste Phase ist die Vorbereitung. Diese Phase sollte idealerweise unmittelbar nach der Vertragsunterzeichnung beginnen. Wichtiger Bestandteil dieser Phase ist eine ausreichende Information des neuen Spielers. Die zweite Phase „Eintrittsphase“ startet vor dem ersten Trainingstag. Eine Begrüßung, ein Rundgang und eine Vorstellungsrunde sorgen für einen angenehmen Einstieg. Im dritten und letzten Abschnitt des Onboarding-Prozesses ist der Spieler idealerweise bereits perfekt in die Mannschaft integriert. Die folgenden Anregungen sollen Ihnen beim Phasenverlauf helfen:  

Zeit für das persönliche Gespräch

Das vertraute Umfeld verlassen. Neue Spieler wissen noch nicht genau, welche Spielregeln und Gegebenheiten auf sie zukommen. Nehmen Sie sich als Trainer Zeit für die Begrüßung, um erste Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen und sie im Team willkommen zu heißen. Vermitteln Sie Ihnen einen Überblick über den Verein und ihre neue Mannschaft. Geben Sie ihnen das Gefühl, gewollt zu sein: Das stärkt ihre positive Identifikation mit dem Verein. 

Zum Profil von Dr. René Paasch: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Basisinformationen über den Verein

Sind die persönliche Daten eingerichtet (E-Mail-Adresse, Zutrittskarte u.v.m.), welche Zugangsdaten benötigen Spieler und welche Kontakte sind zur Bewältigung der ersten Schritte wichtig? Führen Sie neue Spieler durch den gesamten Verein, stellen Sie wichtige Personen vor und zeigen Sie Abläufe und Zusammenhänge auf. Vermitteln Sie gleich zu Beginn der Einführung die wesentlichen Informationen. Überfordern Sie jedoch neue Spieler nicht mit einer Informationsflut. Erarbeiten Sie einen individuellen Einführungsplan auf den sich der Spieler jederzeit beziehen kann. Planen Sie dafür ein bis zwei Wochen ein und wählen Sie geeignete Spieler für die Aufgaben aus (Kapitän, bekannte Spieler im Verein etc.). 

Stellen Sie dabei sicher, dass diese Spieler die nötige Zeit dafür bekommen. Durch eine planvolle Phase der Bekanntmachung werden neue Spieler in kurzer Zeit zu gut integrierten Teammitgliedern. Bei der Einführung neuer Kicker ist es enorm wichtig, dass verantwortliche Spieler und das Trainerteam ansprechbar sind. Besonders an den ersten Tagen treten ständig Fragen auf. Je schneller diese beantwortet sind, desto früher ist die Integration abgeschlossen. Bieten Sie zu jeder Zeit die Möglichkeit kurzer Gespräche an und planen Sie während dieser Zeit detaillierte Feedbackrunden ein. Auf diese Weise erhalten neue Spieler kurzfristig alle wichtigen Informationen. Auch das persönliche Empfinden lässt sich in diesen Gesprächen der aktuellen Situation entsprechend erfragen und anpassen. In Verbindung mit den oben genannten Phasen sollten weitere zwei Ebenen als Unterstützung gesehen werden.  

Soziale und werteorientierte Ebene

Die Integration neuer Spieler vollzieht sich nicht nur auf die verschiedenen Kennenlernphasen sondern bezieht sich auch auf die soziale und wertorientierte Ebene (modefiziert nach Brenner, 2018). Die soziale Ebene umfasst die Integration in das neue Sportumfeld. Damit der neue Spieler Kontakte im Team knüpfen kann, wird er mit allen Kollegen vertraut gemacht. Dabei sind vorhandene Spieler, die Abstimmung mit Mannschaftskollegen und die eigene Positionierung innerhalb der Teamstruktur wichtige Bestandteile. Die Integration ist erst dann erfolgreich, „wenn der Spieler als Teil der Mannschaft akzeptiert wird und ein Wir-Gefühl entwickelt hat“. 

Die werteorientierte Ebene beinhaltet die wertorientierte Integration. Hierbei muss sich der Spieler mit den Zielen, Werten sowie Führungsgrundsätzen des Trainerteams vertraut machen. Diese wertorientierte Integration soll nicht nur über Leitbilder, sondern vielmehr über gelebte Werte dem Spieler vermittelt werden, so dass er sich mit dem Verein identifizieren kann. 

Fazit

Die Integration neuer Spieler ist ein wichtiger Teil des Spielermanagements und sollte aus drei Phasen bestehen: Vorbereitungsphase, Eintrittsphase, Integrationsphase. Denn die geplanten Phasen bieten die Chance, den vereinseigenen Onboarding-Prozess des neuen Spielers zeitnah und nachhaltig zu gestalten. Aufgrund gesparter Zeit, schneller Anpassung und weniger Schwierigkeiten, sollte dieses Verfahren einen Standard am Saisonanfang darstellen. Um diese Phasen nachhaltig zu gestalten, sollte dieser Prozess mit sozialer und wertorientierter Herangehensweise unterstützt werden. Da die Integration eines neuen Spielers auf der fussballspezifischen Ebene in der Regel eher leicht fällt, sollte der Trainer darauf achten, dass die Integration auf der sozialen und wertorientierten Ebene ebenso in ausreichendem Maße berücksichtigt wird. Sportlich wird sich das lohnen!

Literatur 

  1. Lohaus, D. Habermann, W. (2016): Integrationsmanagement – Onboarding neuer Mitarbeiter. 2., unveränderte Auflage. Göttingen, Bristol, CT: Vandenhoeck & Ruprecht
  2. Brenner, D. (2018): Onboarding: Als Führungskraft neue Mitarbeiter erfolgreich einarbeiten und integrieren. Springer Gabler; Auflage: 2014
  3. Brenner, D. Brenner, F. (2001): Inplacement – neue Mitarbeiter erfolgreich einarbeiten und integrieren. Eine Arbeitshilfe für Führungskräfte. Köln: Dt. Wirtschaftsdienst.

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2019/06/12/dr-rene-paasch-rundum-fit-in-die-neue-saison-teil-1-teamentwicklung/

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/10/03/thorsten-loch-und-lisa-rueckel-teamentwicklung-von-forming-zu-storming/

https://www.die-sportpsychologen.de/2019/03/15/juergen-walter-kann-ein-saufabend-zum-teambuilding-beitragen/

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Uwe Knepel: Den „schwachen“ Fuß besser machen

Noch immer sind, selbst im Profi-Fußball, die Mehrheit aller Spieler und Spielerinnen mit einem „starken“ und mit einem „schwachen“ Fuß „ausgerüstet. Oder anders ausgedrückt: Die Spieler und Spielerinnen präferieren einen Fuß für den Abschluss einer bestimmten Aktion im Spiel. Das kostet, vor allem Zeit, die in der Entwicklung und taktisch geprägten Veränderung des Fußballspiels immer knapper wird, so dass der oder die nur noch einen Bruchteil der Zeit zur Verfügung hat, um Entscheidungen umzusetzen.

Zum Thema: Trainingsmethoden, um effektiv an Schwächen zu arbeiten

Eines vorweg: Selbstverständlich bildet die technische Ausbildung in den Fußballvereinen die Grundlage für eine Beidfüßigkeit. Aber auch andere Trainingsmethoden können erfolgversprechend und zielführend eingesetzt werden.

Zum Beispiel können im Training Übungen absolviert werden, die zusätzliche bzw. neue neuronale Verknüpfungen im Gehirn aktivieren, die eine bessere Verknüpfung von linker und rechter Gehirnhälfte zur Folge haben. Dadurch kann es gelingen, den analytischen mit dem kreativen Teil des Gehirns zu koppeln. Letztendlich sparen die Spieler und Spielerinnen so Zeit von der Analyse der jeweiligen Spielsituation bis hin zur kreativen Lösung. Hier bietet sich für alle Sportarten eine Trainerweiterbildung an, damit zukünftige Trainingsinhalte mithilfe von sportartenspezifischen Übungen die Verknüpfung von der rechten und linken Gehirnhälfte fördern.

Zum Profil von Uwe Knepel: https://www.die-sportpsychologen.de/uwe-knepel/

Praktische Erfahrung

Ein weiteres Beispiel, in dem der Fokus nicht mehr auf der Zeit, sondern bei der physischen Verbesserung des „schwachen“ Fußes liegt, beschreibt das individuelle Arbeiten mit den Athleten und Athletinnen. Hierfür bieten sich verschiedene sportpsychologische Methoden zur Verbesserung der Leistung an. Dabei kann das Mentale Training, beispielsweise durch Vorstellungs- oder Subvokales-Training eine Verbesserung hervorrufen. Aber auch eine Videoanalyse, gepaart mit einem sportpsychologischen Coaching kann dazu beitragen, den „schwachen“ Fuß „stark“ zu machen.

Aus der Praxis für die Praxis: Nicht immer hat der Torhüter Tim (Name geändert) die Zeit, sich den Ball auf seinen starken Fuß zu legen. Insbesondere dann nicht, wenn der gegnerische Spieler mit maximaler Geschwindigkeit auf ihn zu läuft. Das macht Tim nervös, denn er kennt seine Schwäche: er hat einen „schwachen“ Fuß und eben das macht ihn nervös. Er hat Angst, Angst einen Fehler zu machen, Angst davor, mit dem „schwachen“ Fuß einen unsauberen Pass zu spielen oder nicht mehr genügend Zeit zu haben, den Ball auf den „starken“ Fuß zu legen. Angst davor, dass der Gegner dann den Ball erobert und ein Tor schießt. Das macht ihm noch mehr Druck. Dabei arbeitet er seit Jahren hart, steckt Rückschläge durch Verletzungen weg und verbessert sich sonst kontinuierlich. Nur dieser Fuß nicht…

Die Komponenten Angst und Druck

An diesem Beispiel lässt sich gut erkennen, was eine vernachlässigte Ausbildung der Beidfüßigkeit für Folgen mit sich bringen kann. Durch das Wissen über die eigenen Defizite gelangt Tim in eine Spirale von Angst und Druck, und die eigentlichen Aufgaben werden dadurch vernachlässigt. Eine gezielte und ganzheitliche sportpsychologische Betreuung kann Tim einen Umgang mit der Angst und dem Druck bieten. Auch die Verbesserung des „schwachen“ Fußes können sportpsychologische Interventionen bewirken.

Du willst Dich verbessern oder mehr zum Thema erfahren? Frag einfach meine Kollegen und Kolleginnen (zur Übersicht) oder nimm gern Kontakt zu mir auf (zum Profil von Uwe Knepel).

Mehr zum Thema:

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Dr. Christian Reinhardt: Entspannung für harte Jungs

Im Kampfsport wimmelt es nur so von ganz harten Jungs. Die Klischees kennen wir alle. Wer sich aber für die Menschen hinter den kantigen Erscheinungen interessiert, der weiß, was da für normale bis sensible Typen dahinterstecken. Nicht von ungefähr bin ich auf die Entspannungstechnik des Floatings erst durch den amerikanischen Mixed Martial Arts-Kommentator Joe Rogan aufmerksam geworden. Ein Werkzeug, was ich bis heute Kampfsportlern empfehle, mancher gestressten Fußballerseele ans Herz lege und auch selbst regelmäßig nutze. 

Zum Thema: Die Entspannungstechnik Floating 

Als Joe Rogan, der bekannte UFC-Kommentator und Comedian, vor Jahren in seinem Podcast vom Floating berichtete, löste er damit einen echten Hype unter US-amerikanischen MMA-Athleten aus. In Deutschland ist der Trend unter Kampfsportlern nur bedingt angekommen – hierzulande treffen sich rund um die Floatingtanks vornehmlich Workaholics auf Sinn- und Entspannungssuche.

Aus eigener Erfahrung kann ich unterstreichen: Floating ist ein überragendes Erlebnis! Einzigartig insofern, dass es außerhalb von Weltraummissionen nirgendwo mehr Reizarmut geben dürfte. Vielleicht kurz zur Erklärung: Ein Floating-Tank ist nichts anderes als eine große und meist überdachte Badewanne, die mit Wasser und einer besonderen Salzugabe gefüllt ist. Das Gemisch ist deckungsgleich mit der Haut-Außentemperatur, was euch weder Kälte noch Wärme empfinden lässt. Damit schwindet das Gefühl für die eigenen Körpergrenzen. Der Salzgehalt führt dazu, dass ihr wie schwerelos in der Wanne schwebt. Je nach Ausführung der Anlage lässt sich die Wanne mit einem Deckel schließen, so dass ihr zudem völlige Dunkelheit erlebt. Die Idee dahinter: Floating ermöglicht eine völlige Reizdeprivation. Euer Gehirn kann in dieser meist einstündigen Phase von keinerlei Reizen erreicht werden, die sonst in unserem Alltag auf uns einströmen. Mehr noch: Laut seriösen Untersuchungen werdet ihr sogar durch die Ausschüttung von Endorphinen belohnt!

Der Reset-Knopf

Mehr Infos zu Dr. Christian Reinhardt: https://www.die-sportpsychologen.de/christian-reinhardt/

Einer meiner Sportler, die ich betreue, hat es so auf den Punkt gebracht: “Für mich ist das wie der Reset-Knopf meines inneren Computers. Ich fahre mein System komplett herunter und steige dann rundum erholt wieder ein.” Ich selbst wende die Technik übrigens auch an. Unregelmäßig zwar, aber ich bin jedesmal von der tief erlebten Entspannung, der danach deutlich verbesserten Schlafqualität und nachhallenden Erholung beeindruckt. Dabei will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich bei der ersten Anwendung einige Probleme hatte, mich auf das Setting einzulassen. Aber nach 15 Minuten Fremdeln konnte ich loslassen.

Für Sportler, allen voran Kampfsportler, bietet das Floating ein besonderes Plus: In der Schwerelosigkeit treten Schmerzen, die bei vielen Aktiven zu steten Begleitern geworden sind, fast komplett in den Hintergrund. 

Sinnvolle sportpsychologische Erweiterung 

Aus sportpsychologischer Perspektive gebe ich meinen Aktiven noch eine besondere Hausaufgabe mit. Undzwar sollen die Sportler die Zeit im Floating-Tank immer mal wieder nutzen, um Visualisierungen anzuwenden. Dieses Umfeld, welches äußere Reize minimiert bis gänzlich eliminiert, bietet dafür eine hervorragende Spielfläche.

Wer seine Floating-Erfahrung mit meinen Kollegen (zur Übersicht) oder mir (zum Profil von Dr. Christian Reinhardt) teilen oder um die sportpsychologische Ebene erweitern möchte, der darf gern Kontakt aufnehmen. Persönlich kann ich, wie deutlich gemacht, diese Entspannungstechnik nicht zuletzt Kampfsportlern empfehlen. Vielleicht denkt ihr als Teamsportler aber auch an diesen Text zurück, wenn ihr als Mannschaft zu Weihnachten eurem Trainer ein besonderes Geschenk machen wollt. 

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/07/24/johannes-wunder-anspannung-und-entspannung-leicht-gemacht/

https://www.die-sportpsychologen.de/2019/06/25/lea-fuerer-jeder-kampf-wird-im-kopf-gewonnen/

https://www.die-sportpsychologen.de/2014/09/04/christian-reinhardt-the-walkout-der-richtige-weg-im-tunnel/

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Miriam Kohlhaas: Treat the Person! And not only the injury

Meine Verletzung ist nun einige Monate her. Die Ente hat wieder schwimmen gelernt und der Mensch unter dem Gefieder ist um eine sehr besondere Erfahrung reicher geworden. Nicht, dass ich diese Verletzungserfahrung mit monatelanger Reha jetzt unbedingt gebraucht hätte, aber ich habe einiges gelernt. Zuletzt – und damit beende ich meine kleine Serie zum Umgang mit Verletzungen -, was es heißt, mit dem Risiko einer neuerlichen Verletzung und der damit verbundenen Angst richtig umzugehen. Denn eine Verletzung hinterlässt nicht nur körperlich Spuren, auch mental gilt es einiges zu managen. In diesem Punkt können Sportler häufig Hilfe gebrauchen.

Zum Thema: Umgang mit Verletzungen

In meiner Reha hörte ich die Geschichte eines Patienten, der einen schweren Motorradunfall hatte und nun trotzdessen wieder fuhr. Unverständnis überall – wie kann er nur?

Ich erklärte es in der Runde wie folgt: Das Motorradfahren ist ein bewusst eingegangenes Risiko – genau wie bei eurer ausgeübten Sportart, liebe Sportler da draußen. Ihr wisst, dass ihr ein bestimmtes Verletzungsrisiko eingeht – mal mehr, mal weniger. Wichtig: Für unsere Psyche ist es leichter, eine Verletzung zu verarbeiten, die aus einem solch bewusst eingegangenes Risiko resultiert.

Mehr Infos zu Miriam Kohlhaas: https://www.die-sportpsychologen.de/miriam-kohlhaas/

Eine Frage des Risikos?

Und spielt ihr anschließend weiter – oder im Fall des Motorradfahrens, fahrt ihr danach weiter – so geht ihr dieses Risiko eben bewusst wieder ein. Anders sieht es aus, wenn man, wie ich zum Beispiel, einen unerwarteten Unfall hatte. Genauer gesagt: Bei einer Tätigkeit, die dieses Risiko nicht mit sich bringt (in einer Schießerei kann man schließlich andauernd und völlig unerwartet geraten, alle Hintergründe erfahrt ihr im ersten Beitrag der kleinen Serie). Dann fällt es uns schwerer, das Erlebte für uns einzuordnen und mit der Angst zu leben, dass es wieder passieren kann. Auch die individuelle Einschätzung der Schwere unserer Verletzung wird maßgeblich unsere Rehabilitationsdauer beeinflussen (Vgl. Smith et al.,1990).

Zusätzlich ist der Zeitpunkt der Verletzung ein wichtiger Faktor. Wesentlich höher ist der Frustrationsgrad vor Saisonhöhepunkten. Laut Kerr und Minden (1988) treten knapp 30% aller Verletzungen nämlich genau dann auf.

Effektive Hilfe

Eine Möglichkeit, sich der Angst nach Verletzungen zu stellen, ist die Desensibilisierung nach Wolpe. Diese wird der Verhaltenstherapie zugeordnet und geht davon aus, dass Anspannung (Angst) niemals gleichzeitig mit körperlicher Entspannung existieren kann. Dementsprechend würde der Athlet damit beginnen, eine Hierarchie seiner Angst anzufertigen. Also eine Liste, beginnend mit den Situationen, in denen er am meisten Angst verspürt. Bis hin zu den Punkten, wo er am wenigsten Angst hat.

Wann ist die Angst leicht, wann ist die maximale Angst erreicht!? Auf Basis dieser Antwort würde man gemeinsam eine Entspannungstechnik einüben – zum Beispiel eine progressive Muskelrelaxation nach Jacobson. Anschließend erarbeitet der Athlet eine optimale Vorstellung für sein Handeln in der betreffenden Situation. 

Geübte Entspannung

Und zu guter Letzt wird dieses Handeln mit Hilfe von mentalem Training in der Situation vorgestellt und eingeübt. Hierbei versucht der Sportler, die von ihm aufgestellte Angsthierarchie mental durchzugehen und wann immer ihm die Angst begegnet, mit eingeübter Entspannung dagegen zu arbeiten, bis er wieder vollkommen entspannt ist.

Dies ist eine Möglichkeit, die ihr gemeinsam mit einem Sportpsychologen einüben könnt. Aber auch im zuvor beschriebenen Prozess ist es eine große Stütze und Ressource, in einer solch schweren Zeit einen Fachmann bzw. eine Fachfrau an Eurer Seite zu haben. Meine Kollegen von die Sportpsychologen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Miriam Kohlhaas) stehen gern für euch bereit.

Liebe Verantwortliche und Mitarbeiter in Vereinen und Verbänden, liebe Trainer, in einer solchen Zeit ist eines das allerwichtigste: Treat the Person! And not only the injury!

All ihr fantastischen Athleten, ihr verletzten Sportler, wie schnell wollt ihr wieder zurückkommen?

Alle Teile der Serie:

Mehr zum Thema:

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