Dr. René Paasch: Trainer und Eltern am Spielfeldrand

Familienväter gehen aufeinander los, Eltern schreien den Schiri an, Trainer beleidigen sich gegenseitig: Beim Kinderfußball spielen sich regelmäßig Dramen ab. Wenn Eltern am Spielfeldrand mit ihren Kindern mitfiebern, reicht das heute oft weit über nette Zurufe hinaus. Ein „Pack ihn dir!“ ist eben auch kein Anfeuern mehr, wenn wir es genau nehmen. Fußball ist ein emotionaler Sport. Und soll er auch sein! Dass aber Eltern ihre Kinder zu Fouls aufrufen, sich auf dem Fußballplatz prügeln oder dass sich Trainer während des Spiels gegenseitig beleidigen? So etwas geht überhaupt nicht!

Zum Thema: Wie sollten sich Trainer und Eltern am Spielfeldrand verhalten?

In den 1950er und 1960er Jahren spielten viele Kinder auf der Straße Fußball. Man traf sich spontan auf Wiesen, unbefahrenen Straßen oder sogenannten Bolzplätzen, um zusammen Fußball zu spielen und erste sportliche Erfahrungen zu sammeln. Jeder konnte mitspielen. Die Regeln wurden gemeinsam bestimmt, einen Schiedsrichter gab es nicht. Und wie ist es heute? Manchmal scheint es, als wären die Zielsetzungen von Erwachsenen und Kindern unterschiedlich. Kinder spielen Fußball, um das Spiel zu erlernen und sich zu verbessern. Dabei steht das Erlebnis im Vordergrund. Im Jugendbereich kommt es vermehrt zu Auseinandersetzungen zwischen gegnerischen Fan-, Zuschauer-, Trainer- und Elterngruppen. Diese Aggressivität überträgt sich auch auf die Spieler. Eine Untersuchung an der Sporthochschule in Köln, mit dem Ziel, das Verhalten von Trainern und Eltern im F- und E-Juniorenbereich zu beobachten und zu kategorisieren, kam zu einigen bemerkenswerten Ergebnissen (Freis, 1997). Dabei wurden sieben Verhaltenstypen (ehrgeiziger Typ, besserwissender Typ, unkritischer Typ, impulsiver Typ, aggressiver Typ, lobender Typ, ruhiger Typ) klassifiziert. Bei allen beobachteten Spielen (insgesamt 52 F- und E- Juniorenspiele und dabei 208 Bezugspersonen) waren lautstarke negative Kommentare seitens der Trainer und Eltern zu verzeichnen. Oft konnten die Kinder lediglich in den Anfangsminuten ohne Einmischung von außen ihrem eigenen Spiel nachgehen. Bei genauerer Betrachtung zeigte sich, dass einer Mehrheit von sich zurückhaltenden, ruhigen Personen lediglich einige wenige negativ auffallende Einzelfälle gegenüberstehen. Als äußerst bedenkenswert ist allerdings die Tatsache anzusehen, dass im Bereich der E-Junioren 53,1% der Trainer als impulsiver Typ eingestuft wurden. Dieser Wert ist fünfmal so hoch wie bei den F-Junioren, bei denen erfreulicherweise mit 42,2% der ruhige Typ dominiert. Bei den Eltern überwiegt allgemein der ruhige Typ (48,4%). Allerdings ist bei den E-Junioren die Anzahl des impulsiven (19%) und des ehrgeizigen (15,5%) Typs zu hoch.

Egal, zu welchem Typus Sie gehören. Im nun folgenden Abschnitt möchte ich Ihnen einige Anregungen für das Verhalten auf und neben dem Platz anbieten:

Anregungen für Eltern

  • Das Coachen ist im sportlichen Bereich allein dem Trainer überlassen. Hilfe bei organisatorischen Aufgaben sind dagegen willkommen und bereichern das Vereinsleben!
  • Enttäuschungen hinsichtlich der Spielleistung und des Resultats sind für sich zu behalten. Helfen Sie stattdessen den Kindern bei einer positiven Verarbeitung!
  • Vermeiden Sie emotional negativ gefärbte Zurufe im Spielablauf. Sie verursachen Ängste und Aggressionen!
  • Wenn Frust oder Unzufriedenheit aufkommt, suchen Sie das Gespräch mit dem Trainer und tauschen Sie sich in einer sachlichen, verständnisvollen Atmosphäre aus!
  • Zwischendurch immer wieder das eigene Verhalten rund um das Training und das Spiel überdenken und gegebenenfalls verändern!

Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist ein innovativer Weg, den der Deutsche Fußball-Bund seit mehreren Jahren verfolgt. Konkret: 2007 nahm das Projekt “Fair Play Liga” in Aachen seinen Anfang und wird mittlerweile in ganz Deutschland umgesetzt. Hinter dem Begriff verbirgt sich eine innovative Organisationsform für den Kinderfußball. Es gelten weiterhin die normalen Fußball-Regeln für die jeweiligen Altersklassen. Dazu kommen jedoch drei ganz entscheidende Zusätze (DFB.de):

Eltern und Zuschauer müssen mindestens 15 Meter weg vom Spielfeld stehen!

Diese Regel bewirkt, dass es viel ruhiger auf dem Feld ist. Die Eltern stehen zu weit weg, um sportlich Einfluss auf ihre Kinder zu nehmen. Anfeuerungsrufe gebe es zwar noch. Aber nicht mehr so viele aggressive Kommandos, die die Kinder nicht verarbeiten könnten.

Die Trainer stehen nebeneinander!

Konflikte und negative Emotionen von siegorientierten Trainern entstehen seltener. Den Coaches werde dadurch bewusst: Gegenseitiges Betrügen und Anpöbeln haben nichts auf dem Fußballplatz zu suchen!

Es gibt keinen Schiedsrichter!

Die Kinder entscheiden selbst. Diese Regel sorgt dafür, dass die Kinder selbst Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Sie sollen lernen: Wir sind selbst dafür verantwortlich, dass ein Spiel sauber und fair abläuft!

Anregungen für Trainer

Eine Begleitung seitens der Trainer ist in dieser Altersstufe (6 –10 Jahre) sehr wichtig, allerdings sollte diese nicht mit zu vielen Informationen überladen werden. Zudem sollten Korrekturen in einfachen und leicht verständlichen Sätzen angebracht werden. Negative Äußerungen und vor allem unsachliche Kritik sind abzulehnen. Der Spieler und die Mannschaft muss der Hauptdarsteller im Training und Spiel sein – und nicht der Trainer. Er sollte Problemsituationen schaffen, in denen die Spieler durch Fragen die Lösungen selbst entdecken. Daher lieber stimulieren statt instruieren.

Thorsten Loch: Wie Trainer die Konzentrationsleistung fördern können

Gerade auch Eltern versuchen dem Kind während des Spiels taktische Anweisungen zu geben, ohne jedoch zu wissen, mit welcher Aufgabe der Trainer das jeweilige Kind betraut hat. Unterschiedliche Anweisungen von Trainer und Eltern führen zur Unsicherheit der Kinder. Positive Anfeuerungen seitens der Eltern und Trainer sind dagegen wünschenswert.

Fazit:

Laut Freis (1997) ist die Kindheit der entscheidendste und prägendste Abschnitt der körperlichen, seelischen und geistigen Reife eines Menschen. Kennzeichnend für diesen Lebensabschnitt ist ein ganzheitlicher Veränderungsprozess von Körperbaumerkmalen, Organsystemen, motorischen, kognitiven und psychosozialen Merkmalen (Peter & Bode, 2005). Bitte behalten Sie dies im Hinterkopf, wenn Sie beim nächsten Spiel emotional entgleisen sollten.

 

 

Literatur

Peter, R. Bode, G. (2005): Kinderfußball – Fußball von morgen Band 1, Münster, S. 11

Freis, R. (1997): Das Verhalten von Trainern und Eltern gegenüber Kindern im Sport- Eine Beobachtungsstudie in den jüngsten Altersstufen im Fußball, Diplomarbeit Sporthochschule Köln

Internet:

DFB: https://www.dfb.de/trainer/f-juniorin/artikel/fair-play-liga-drei-simple-regeln-und-der-langfristige-effekt-167/

 

Thorsten Loch: Mein Kind im Sport – und ich?

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Prof. Dr. René Paasch
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