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Prof. Dr. Oliver Stoll: Ethik und Profi-Sport – und der große Graubereich dazwischen

Wie die Berichterstattung über Rassismus-Vorwürfe im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) des FC Bayern München des Hintergrundmagazins WDR Sport Inside nahelegt, kommt den dort arbeitenden Sportpsychologen eine offensichtlich besondere Rolle zu. Er oder sie sollte demnach anonym in Gesprächen mit Spielern Daten über den beschuldigten Trainer sammeln, um – so vermute ich zumindest – an Informationen zu gelangen, die diese Vorwürfe erhärten könnten. Nun mag man ja – als nicht ausgebildeter Sportpsychologe – im ersten Impuls die Frage stellen: „Ja und? Was ist denn daran problematisch? Das dient doch nur der Aufklärung“. Auf einen zweiten Blick – und mit dem professionellen Hintergrund auf unseren Berufsstand ist ein solches Vorgehen sowohl aus Sicht des Auftraggebers (in diesem Fall der FC Bayern), als auch aus Sicht des Auftragnehmers (des Sportpsychologen/der Sportpsychologin) mehr als nur problematisch. Ein solches „Ausspionieren“ kollidiert nämlich mit den für uns zugrundeliegenden berufsethischen Richtlinien. 

Zum Thema: Was sind die Aufgaben und Rollen von Sportpsychologinnen und Sportpsychologen, die in Nachwuchsleistungszentren arbeiten

Ziel dieses Blog-Beitrags ist es also

1.) die Aufgaben und die Rollen eines Sportpsychologen in einem NLZ zu beschreiben

und

2.) daran im Anschluss unsere berufsethischen Richtlinien in den Blick zu nehmen. Abschließend soll deutlich werden, in welchem Dilemma sich unseren Kolleginnen und Kollegen befinden und welche Lösungsmöglichkeiten existieren, um dieses Dilemma aufzulösen.      

Um es gleich vornweg zu betonen: Ich persönlich habe nie im Fußballbereich gearbeitet und war auch niemals an einem Nachwuchsleistungszentrum beschäftigt. Allerdings habe ich im Rahmen meines Master-Studiengangs „Angewandte Sportpsychologie“ an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg Studierende ausgebildet, die nach ihrem Abschluss überwiegend in den Nachwuchsleistungszentren der Fußball-Bundesligisten ihre berufliche Karriere aufgenommen haben. Und da ich mit dem Großteil dieser Absolventen immer noch in Kontakt stehe, kann ich mir hier ein gutes Bild der Situation machen. Ich selbst habe jahrelang in Mannschaften anderer Sportarten gearbeitet und selbst wenn es hier um Mannschaften ging, die sich aus Einzelathleten zusammengesetzt haben, so sind die Dilemmata, in denen sich ein Sportpsychologe bewegt, aus berufs-ethischer Sicht gar nicht so unterschiedlich.  

Sportpsychologisches Training und Coaching

Die Aufgaben und Rollen eines Sportpsychologen in einem NLZ sind vielfältig. Zum einen sind sie verantwortlich für zumeist mehrere Nachwuchsmannschaften und hier ergeben sich zum einen Aufgaben, die im engeren Sinne mit sportpsychologischem Training zu tun haben und zum anderen mit dem, was wir sportpsychologisches Coaching (oder auch Beratung) nennen. Sportpsychologisches Training umfasst zum Beispiel die Vermittlung und Umsetzung von z.B. Bewegungsvorstellungstraining, wenn es darum geht, neue fußballerische Techniken zu erlernen oder zu stabilisieren oder aber auch den Einsatz von Visualisierungstechniken zur Optimierung taktischer Handlungspläne. Zum Training gehört auch die Vermittlung und Übung von Entspannungs- und Aktivierungstechniken oder aber Trainings zum Erlernen von Stress-, Ärger und Angstbewältigung in spezifischen Situationen. Es gibt noch eine Vielzahl anderer Trainingsverfahren, deren Darstellung hier allerdings den Rahmen sprengen würde. 

Unter sportpsychologischem Coaching verstehen wir die Umsetzung von individuellen oder auch kollektiven Beratungssituationen von Spielern, Trainern oder anderen Personen im Staff, die mit sehr individuellen Anliegen zu uns kommen und hier „nach Rat fragen“ (also z.B. könnte ein Spieler zu uns kommen und sagen: „Ich habe aktuell ein persönliches Problem mit meinem Trainer. Was soll ich tun? Wie gehe ich weiter damit um?“). Aus meiner Sicht zählen auch Teambuilding- und Teamentwicklungsaufgaben zu diesem Bereich, da hier z.B. neben Rollenspielen auch Reflektions- und Diskussionsrunden Inhalt sind, die für mich im Endeffekt eben eher eine Beratungsfunktion erfüllen. Hier kann man sicher auch anderer Meinung sein. Im Laufe des Trainingsalters der Spieler nehmen sportpsychologische Trainingsverfahren zugunsten von sportpsychologischen Coachingmaßnahmen ab. Das ist zumindest mein Eindruck aus den Gesprächen, die ich mit meinen Absolventen habe.   

Prof. Dr. Oliver Stoll

Prof. Dr. Oliver Stoll

Sportarten: Eishockey, Handball, Ultralang- und Langstreckenlauf, Triathlon, Biathlon, Wasserspringen, Boxen, Leichtathletik, Schwimmen, Floorball

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Weitere Grundlagen

In manchen NLZ´s übernehmen Sportpsychologen auch pädagogische Aufgaben (also z.B. die Beratung und Betreuung von Spielern im Rahmen ihrer Persönlichkeitsentwicklung – Stichwort: Fleiß und Selbstmanagement im schulischen und außerfußballerischen Kontext). In anderen NLZ`s gibt es hierfür spezifisch ausgebildete pädagogische Mitarbeiter. Hinzu kommt insbesondere im Bereich der Nachwuchsmannschaften auch das „Eltern-Coaching“ der jungen Fußballtalente.   

Diesen o.g. „Interventionen“, also den Trainings- und Betreuungsprozessen, geht immer eine Diagnostik vorweg. Denn wir müssen ja zunächst den aktuellen Stand zum jeweiligen Bereich kennen. Dies erfolgt entweder in Gesprächsform oder aber es werden hier manchmal auch (vor allen Dingen aus Gründen der Effizienz) Fragebogenverfahren genutzt (z.B. zur Erfassung der Erholungs-Belastungswahrnehmung der Spieler). 

Teil des Systems

Halten wir also fest: Sportpsycholog/innen in Nachwuchsleistungszentren arbeiten in der Regel immer in einem System von Mitarbeiter/innen mit unterschiedlichen Aufgaben (und eben auch unterschiedlichen Erwartungen an die Athlet/innen). Sie erfassen und speichern persönliche Daten. Sie erfüllen eine Reihe verschiedener Rollen und Klienten (Sportler, Trainer, Staff) und sie sind mitunter auch in die Persönlichkeitsentwicklung der Sportler/innen eingebunden. Gerade die Tatsache, dass Sportpsychologen immer im sozialen System tätig sind und somit eben auch als Teil des Systems mit verschiedenen Erwartungen an den Klienten und die eigene Rolle konfrontiert sind, birgt eine hohe Gefahr, Manipulationsversuchen oder aber auch eigenen Wahrnehmungsverzerrungen ausgesetzt zu sein.  

Ein Dilemma, in dem nun ein Sportpsychologe/eine Sportpsychologin hineingeraten kann, wäre das eingangs geschilderte Problem des „anonymen Ausspionierens der Spieler“ wegen der Rassismus-Vorwürfe gegen den Trainer. Wir haben es mit einer berufs-ethisch verzwickten Lage zu tun.

Im Blickpunkt: Die Berufsethik

Bevor wir hier „in medias res“ gehen, möchte ich schon mal auf einen hervorragenden und richtungsweisenden Artikel in einer Fachzeitschrift hinweisen, der in Kürze erscheint: Nämlich der unter dem Blog zitierte Beitrag von Lobinger, Reinhard & Querfurth (in Druck, Stand August 2020), der die hier dargelegten Informationen nicht nur vertieft, sondern auch die Ergebnisse einer Studie (Befragung) von Kolleginnen und Kollegen präsentiert und diskutiert (dazu im Fazit noch etwas mehr). Denn nicht erst seit 2020 beschäftigt sich die deutsche Sportpsychologie mit berufs-ethischen Fragen, sondern die o.g. Studie ist die erste, die Einstellungen und Verhaltensweisen von Sportpsychologen in Deutschland untersucht hat. In den letzten Jahren hat dieses Thema jedoch steigendes Interesse erfahren (Lobinger, Neumann & Mayer, 2019; Staufenbiel, Liesenfeld & Lobinger, 2019; Hermann, 2019).

Sportpsychologen/innen in Deutschland rekrutieren sich aus mindestens zwei Wissenschaftsdisziplinen, nämlich entweder aus der Sportwissenschaft oder aus der Psychologie. An drei Universitäten/Fachhochschulen lassen sich aktuell Master-Studiengänge im Bereich Sportpsychologie studieren. Die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (ASP) bietet darüber hinaus ein Weiterbildungsprogramm für Absolventen mit einem einschlägigen Masterabschluss entweder in Psychologie oder in Sportwissenschaft an. Sowohl in den Studiengängen, aber auch im Weiterbildungsprogramm der ASP spielt die berufs-ethische Ausbildung eine tragende Rolle. In diesen Ausbildungen werden zum einen eindeutige Verstöße thematisiert, andererseits aber auch auf sicher problematische, aber eben nicht eindeutig als Verstoß definierbare Verhaltensweisen diskutiert. 

Ethische Grundlagen und Problemfelder

Eindeutige und gegen ethische Grundlagen verstoßende Verhaltensweise wären z.B.:

  • Lügen über Klienten zu verbreiten
  • stark „verinselt“ zu arbeiten
  • keinen Austausch mit Kolleginnen und Kollegen zu suchen
  • zu viele Nähe zulassen (physisch oder digital)
  • sich Sportpsychologe zu nennen, obwohl man keine Berechtigung dazu hat bzw. nicht über die Qualifikation verfügt
  • Sportler in ihrer Leistungsfähigkeit von sich abhängig zu machen, um finanziellen Profit daraus zu schlagen
  • Verletzungen der Schweigepflicht aus persönlichen Motiven
  • unkollegiales Verhalten (Klienten abwerben, Kompetenz von Kollegen gegenüber Klienten anzweifeln).  

Zu nicht eindeutigen, aber problematischen Verhaltensweisen gehören z.B. 

  • Aussagen von betreuten Sportlern/innen für die eigene Werbung nutzen oder die Zugehörigkeit zu einer Institution (z.B. Olympiastützpunkt) für die Akquise privater Klienten nutzen.
  • Daten eines Sportlers mit einem Trainer teilen, ohne die Erlaubnis des Sportlers eingeholt zu haben bis hin zum Melden von Daten eines Sportlers, wenn er/sie ein Dopingvergehen in einem vertraulichen Gespräch zugegeben hat.
  • Das Arbeiten mit einem Klienten an Problemen, für die man nicht ausgebildet ist (Stichwort: Klinische Psychologie).
  • Die Anwendung von Interventionen und Methoden, für die keine oder widersprüchliche empirische Wirksamkeit nachgewiesen ist.
  • Das Arbeiten, ohne vorher zu klären, wer der Auftraggeber ist (Trainer? Verein? Manager? Sportler?). 
  • Keine detaillierten Fallbeschreibungen oder regelmäßige Dokumentationen der eigenen Arbeit zu führen. Oder eben auch ohne Supervision bzw. Intervision zu arbeiten. 
  • Andere Kollegen auf ihr unethisches Verhalten anzusprechen. 

Als Orientierungshilfen gelten die Berufsethischen Richtlinien der drei Organisationen, die für Sportpsychologen/-innen in Frage kommen. 

Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp)Deutsche Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und Bund Deutscher Psychologen (bdp)
Das wären zum einen die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie – hier speziell das „asp-Statement III“ (www.asp-sportpsychologie.org). Dies betont folgende Aspekte: Daneben existieren die Richtlinien der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) (www.dvs-sportwissenschaft.de). Dies fokussieren auf die Aspekte: Und es gibt hierzu auch noch die Ethischen Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) und des Bundes Deutscher Psychologen (bdp):
Kompetentes Verhalten, Eigenverantwortliches Verhalten, Gewissenhaftes Verhalten, Aufrichtiges Verhalten, Loyales Verhalten und Kollegiales Verhalten.Grundsatz der Sachlichkeit, Grundsatz der Transparenz, Grundsatz der Fürsorgepflicht und  Grundsatz der Kollegialität und LoyalitätLoyalität gegenüber dem Berufsstand – kollegiales Verhalten gegenüber Berufskollegen/innen, Angehörigen anderer Berufe sowie Mitarbeiter/innen, Schweigepflicht, Erhebung und Speicherung von Daten – Anforderungen an Gutachten und Untersuchungsberichte, Werbung und Auftreten in der Öffentlichkeit, Ausübung des Berufs in eigener Praxis, Pflicht zur Weiterbildung sowie zu Supervision.

Bedeutung für die Praxis

Praktisch bedeutet dies, dass Sportpsychologinnen und Sportpsychologen in ihrer Tätigkeit immer ihre eigenen Fähigkeiten und Grenzen kennen sollten, ihre Betreuung und Beratung von Klienten verantwortlich durchführen und vertreten, ihre Arbeit gewissenhaft und immer auf der Basis neuester, wissenschaftlicher Erkenntnisse ihres Berufsfeldes durchführen (und dies impliziert natürlich die eigene Fort- und Weiterbildung). Sportpsychologinnen und Sportpsychologen sind in ihrer Arbeit immer aufrichtig und ehrlich gegenüber ihren Klienten und Auftraggebern und verhalten sich ihnen gegenüber auch loyal. Das Auftreten in Öffentlichkeit ist sachlich und Eigenwerbung mit Versprechungen und Ergebnissen ihrer Arbeit, die unrealistisch sind, ist unredlich. Sportpsychologen reden nicht schlecht über Kolleginnen und Kollegen sowie auch nicht über deren Arbeit. Ganz im Gegenteil hierzu schützen sie sich selbst vor möglichen falschen Entscheidungen sowie zugunsten ihrer eigenen Psychohygiene, in dem sie Super- und Intervisionsangebote wahrnehmen. Darüber hinaus dokumentieren sie selbstverständlich ihre Arbeit systematisch und speichern diese Daten möglichst sicher. Damit zeigen sie Transparenz und Nachvollziehbarkeit ihres eigenen, beruflichen Handelns.      

Unter Berücksichtigung der o.g. berufsethischen Richtlinien und ganz praktisch bedeutet das meines Erachtens für den Fall „Rassismusvorwurf bei Bayern München“ und in diesem Zusammenhang die Anweisung des Clubs and den Sportpsychologen, Daten zu sammeln und zu melden, dass zum einen die Verantwortlichen des Vereins den Sportpsychologen des NLZ in ein für ihn oder sie kaum auflösbares Dilemma gebracht haben. Denn wenn er (oder) sie sich geweigert hätte, hätte dies wahrscheinlich seiner Karriere bei dem Club geschadet. Beugt er sich dieser Anweisung, verstößt er gegen die Leitlinien eigenverantwortliches Verhalten (ist das denn die Aufgabe eigenverantwortliche Aufgabe eines Sportpsychologen?), loyales Verhalten (je nachdem, wer der Auftraggeber ist) sowie kollegiales Verhalten (denn der Trainer ist in diesem Zusammenhang ja auch ein Kollege im Staff).

Gewohnte Dilemmata

In solchen Dilemmata stecken wir Sportpsychologen und Sportpsychologinnen recht häufig. Womit hängt das zusammen? Zum einen mit der Tatsache, dass viele von uns nicht selbstständig sind und damit auch nicht selbst entscheiden, welchen Auftrag wir annehmen und welchen nicht. In einer Anstellung bei einem Fußballverein zum Beispiel ist dieser Verein mein Auftraggeber (und nicht unbedingt der Spieler – Sie erinnern sich an den Punkt „Loyales Verhalten“?). Oder wir sind selbstständig – stehen aber unter „Existenzdruck“, um genügend Honorare einzuspielen, damit wir leben können und nehmen somit „jeden Auftrag an, unter welchen Bedingungen auch immer“. 

Beide Szenarien sind keine Grundlagen für gutes und berufsethisches Handeln in unserem Beruf. Da nimmt man es auch schon mal hin, wenn das Büro des Sportpsychologen genau neben dem Büro des Chef-Trainers ist und eine „Open-Door-Policy“ herrscht. 

Fazit

Berufsethisches Handeln in der Sportpsychologie ist alles andere als trivial. Der Fall „Bayern München und Rassismus sowie die Rolle des Sportpsychologen in diesem Zusammenhang“ ist dabei nur ein Szenario von vielen, die ich in den vielen Jahren meiner Praxis kennengelernt habe und es kommen jährlich weitere dazu. Im unten genannten, sehr empfehlenswerten Artikel von Lobinger et al. (in Druck) finden sich eine Reihe verschiedener Methoden und Tools zu Qualitätssicherung für die eigene Arbeit sowie Hinweise zur Selbstreflexion als Sportpsychologin bzw. Sportpsychologen. Auf den Webseiten der Berufsverbände stehen weitere Informationen für ihre Mitglieder zu diesem Thema zur Verfügung. 

Für Trainer, Sportverbände und weitere Personen, die einem Betreuungsverhältnis zu Leistungssportlerinnen und -sportlern stehen (also z.B. Manager, Spielervermittler oder -berater, Physiotherapeuten, Ärzte, Trainer, sonstige Betreuer, die immer mal wieder Ansprechpartner für solch sensible Informationen und Anliegen sind) müssen wir mehr Transparenz, Wissenstransfer und Vernetzung herstellen. Nur so gelingt es, notwendige Wissenslücken zu schließen und somit eben auch zukünftiges Verhalten zu verändern. 

Aktuelle Studienergebnisse

Um abschließend noch ein paar wenige Ergebnisse der Befragung von Lobinger et al. (in Druck) zu erwähnen: Insgesamt nahmen 85 Personen an dieser Befragungsstudie teil, von denen 42 auf der BISp/DOSB Expertendatenbank gelistet sind. Alle anderen waren nicht weiter zertifiziert. Lediglich 11 Personen der befragten hatten einen ausschließlichen sportwissenschaftlichen, akademischen Hintergrund. Die Kolleginnen und Kollegen, die in der sportpsychologischen Praxis arbeiten sind sich der Problematik durchaus bewusst und fühlen sich gut informiert. Teilweise besteht jedoch auch Dissens zu den o.g. Themen von ethisch-problematischem Verhalten (z.B. das Zusammenarbeiten mit einem Athleten der andere Wertvorstellungen teilt oder das Melden von Dopingverhalten oder aber das Melden von sexualisierter Gewalt an Behörden oder wenn man gleichzeitig als Universitätsdozent mit einem studentischen Athleten arbeitet). Konsens besteht darin, dass Daten eines Athleten (ohne dessen Erlaubnis) nicht mit dem Trainer geteilt werden sollten oder dass z.B. romantische Beziehungen mit einem Klienten angefangen werden sollten, ehe die professionelle Beziehung beendet ist. Als ethisch vertretbar wird die Nutzung von digitalen Medien in  der Beratungs- und Betreuungssituation eingeschätzt oder auch die Thematisierung religiöser oder spiritueller Überzeugungen. 

Wir haben es in Deutschland noch mit einem recht jungen Berufsfeld zu tun. Dieses Berufsfeld professionell weiter zu entwickeln, ist eine unserer zentralen Aufgaben, wenn wir im Spannungsfeld von Psychologie und Leistungssport wirklich ernst genommen werden wollen.     

Mehr zum Thema:

Literatur:

Hermann, H.D. (2019). Sportpsychologische Ethik: Pflichte – Werte – Grenzen. In K. Staufenbiel, M. Liesenfeld & B. Lobinger (Hrsg.), Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport (S. 59-71). Göttingen. Hogrefe.

Lobinger, B.H., Neumann, G. & Mayer, J. (2019). Etablierung der Angewandten Sportpsychologie im Leistungssport. In K. Staufenbiel, M. Liesenfeld & B. Lobinger (Hrsg.), Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport (S. 30-45). Göttingen. Hogrefe.

Lobinger, B.H, Reinhard, M.L: & Querfurth, S. (in Druck). Berufsethische Leitlinien, Überzeugungen und Verhaltensweisen in der Angewandten Sportpsychologie. Zeitschrift für Sportpsychologie.Staufenbiel, K., Liesenfeld, M. & Lobinger, B. (2019). Konzeptionelles Rahmenmodell der Angewandten Sportpsychologie. In K. Staufenbiel, M. Liesenfeld & B. Lobinger (Hrsg.), Angewandte Sportpsychologie für den Leistungssport (S. 15-29). Göttingen. Hogrefe.

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Angeblicher Rassismus beim FC Bayern München – Sportpsychologen als Aufklärer?

Die deutsche Sportwelt ist erschüttert (oder auch nicht)! Mich jedenfalls schreckte die ARD Sportschau-Redaktion mit einer Nachricht auf, die angeblich besagt, dass im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) von Bayern München rassistische Tendenzen zu beobachten sind. Die Führung des Vereins bestätigt im Grundsatz den im Online-Beitrag postulierten Sachverhalt und spricht von einer „weitergehenden internen Untersuchung“, welche sich bis jetzt jedoch nur als „Privat-Fehde“ einzelner Eltern gegen einen Trainer herausstellt. Wer sich hier für vorläufige Details interessiert, sei vorab dieser Link empfohlen. Mir geht es hier im Text um die Lage, in die im konkreten Fall die Sportpsychologie gebracht wird.

Zum Thema: Sportpsychologie im Leistungssport – Dissonanzen auf Basis von Unwissen?

Man kann ja dazu stehen wie man will – und ich gehe jetzt auch gar nicht weiter auf den Wahrheitsgehalt oder die Vorwürfe ein. Ich habe erst einmal „nur“ die „Sportpsychologie-Brille“ auf. Und da fällt mir in dem Beitrag folgende Stelle auf:

„Die in den anonymen Briefen erhobenen Vorwürfe haben sich nicht bestätigt“, teilt der FC Bayern mit. So seien alle Spieler über den Sportpsychologen des Campuses turnusmäßig gebeten worden, ihren Trainern anonym ein Zeugnis auszustellen.

Zeugnis für den Trainer

Diese Aussage muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Der Sportpsychologe soll – natürlich anonym – mit Hilfe der Aussagen der Spieler ihren Trainern anonym ein Zeugnis ausstellen!

Und wieder einmal habe ich – beim Reflektieren dieser Aussage –  die Erkenntnis, dass 

1.) professionelle Fußballvereine nicht wirklich wissen, was die Aufgaben eines Sportpsychologen sind, 

2.) sich nicht um berufsethische Richtlinien unseres Berufsstandes kümmern und 

3.) die Sportpsychologie offensichtlich gerne als letzte Möglichkeit nutzen, um aus einem kurzfristig und aktuell sehr sensiblen und nicht-lösbaren Problem, argumentativ herauszukommen.

Große Dissonanzen?

Leistungssport trifft auf Psychologie! Eine immer häufiger auftretende Dissonanz, dessen Auflösung sich nicht leicht bewerkstelligen lässt! Ich persönlich würde sehr gerne mit den Leserinnen und Lesern dieses Blog-Beitrags dazu ins Gespräch kommen.

Nutzt dazu gern die Kontaktwege, die ihr auf meiner Profilseite findet oder die Facebook-Seite von Die Sportpsychologen

Prof. Dr. Oliver Stoll

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Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/oliver-stoll/

Mehr zum Thema:

Links:

https://www.sportschau.de/fussball/bundesliga/fc-bayern-campus-rassismus-vorwuerfe-100.html

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Stephan Brauner: Passende Antworten auf Winning ugly-Strategien

Hast du schon mal gegen einen unfairen Spieler verloren? Nicht, weil der Gegner einfach besser war, sondern weil du dich so sehr über die fiesen Tricks des anderen aufgeregt hast? Ich selbst habe als junger Tischtennisspieler eine besondere Erfahrung gemacht, die mich ganz anders geprägt hat als es sich mein damaliger Trainer wohl vorgestellt haben dürfte.

Zum Thema: Die mentale Hornhaut gegen unfaire Gegner trainieren

Meine ersten Erfahrungen im Wettkampfsport habe ich parallel zum obligatorischen Fußball im Tischtennis gesammelt. Früh durfte ich mit 16 Jahren bei den Herren antreten und es gab deutlich mehr zu lernen als das reine Spiel. Im Training bei meinem, mit allen Wassern gewaschenen, Trainer Günther habe ich dreimal in der Woche an Technik und Taktik gearbeitet. Eines Tages war es dann soweit und ich bekam eine Lektion, die ich bis heute im Kopf behalten habe: Ich sollte üben, den Ball unauffällig nass zu machen und dann zwar mit der üblichen Aufschlagbewegung, allerdings extra etwas zu lang aufzuschlagen. Man muss wissen: Beim Tischtennis versucht man üblicherweise, kurz aufzuschlagen, so dass der Gegner nicht direkt in die Offensive gehen kann. Ein unabsichtlich zu lang geratener Aufschlag ist eine Einladung für den Gegner, mit einem Topspin die Initiative zu übernehmen und das Spielgeschehen zu diktieren. Mit einem nassen Ball funktioniert ein Topspin dann allerdings leider gar nicht.

Bis zum nächsten Meisterschaftsspiel hatte ich die Trainingseinheit eigentlich schon wieder vergessen und hielt die Episode für eine reine Spielerei. Als mich Günther dann später aber für das zweite Einzel vorbereitete, fragte er, ob ich mich noch an die Übung vom letzten Training erinnern könne? Ich konnte und erhielt die Instruktion, die geübte Aktion auf sein Zeichen hin durchzuführen. Für moralische Überlegungen war ich zu perplex und Zeit hatte ich auch keine mehr. Das Spiel begann und es ging lange ausgeglichen hin und her. Beim Stand von 19-19 im dritten und entscheidenden Satz (ja, das ist schon eine Weile her) erhielt ich das vereinbarte Signal meines Trainers. Ohne nachzudenken drehte ich mich von meinem Gegner weg und feuchtete den Ball unbemerkt ordentlich an. Dann schlug ich auf. Der Ball trudelte lang und harmlos auf die andere Plattenhälfte, mein Gegner sah seine Chance gekommen und zog mit schnellem Arm einen Vorhandtopspin an. Normalerweise hätte er mich damit sofort in der Defensive gehabt, aber durch den nassen Ball konnte er keinen Spin auf den Ball übertragen und der Ball fiel direkt vor ihm auf die Platte. Punkt für mich. 

Stephan Brauner

Stephan Brauner

Sportpsychologe aus Bergisch Gladbach

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Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/stephan-brauner/

Schlechtes Gefühl

Mein verdutzter und nun auch etwas verunsicherter Gegner hat mir auch den nächsten Punkt mit einem leichten Fehler fast kampflos überlassen und das Spiel war vorbei. Wir hatten auch als Mannschaft gewonnen und die Mannschaftskollegen klopften mir besonders anerkennend auf die Schulter. Alle freuten sich, nur ich hatte ein schales Gefühl, weil sich dieser Sieg alles andere als richtig anfühlte.

Was ich gelernt habe: es funktioniert. Was ich damals für mich entschieden habe: so möchte ich nicht gewinnen. Was sich später herausstellte: gut, dass ich kennengelernt habe, was mir auch selbst passieren kann.

Das unfaire Spiel

Wenige Monate später bestritt ich ein Turnier. Früh spielte ich gegen einen erfahrenen Spieler und das Match wurde knapp. Und was machte mein Gegner „aus Versehen“, als es eng wurde? Er schlug mit einem nassen Ball zu lang in meine Vorhand auf. Ohne Günthers Lektion hätte ich nun den Topspin versucht und hätte mindestens den einen Punkt verloren. Vielleicht sogar verunsichert oder verärgert noch einen weiteren. Stattdessen gab ich den nassen Ball einfach ganz ohne Schnitt zurück. Mein verdutzter Gegner spielte auch nur zurück und tat dann so, als ob er gerade eben erst bemerkt hatte, dass der Ball nass sei. Wir wiederholten den Punkt und ich konnte das Spiel irgendwie gewinnen.

Seitdem gilt meine Aufmerksamkeit als Sportler, später auch als Trainer und heute als Sportpsychologe auch dem unfairen Spiel. Es gibt viele Beispiele für unfaires Spiel. Im Tennis und im Beachvolleyball spielt man weitgehend ohne Schiedsrichter auf dem Platz und die Spieler entscheiden selbst. Beim Tennis gilt dann die Regel, dass jeder auf seiner Seite entscheidet. Ein oder zwei bewusst falsche Entscheidungen bei knappen Bällen zu eigenen Gunsten beim richtigen Spielstand haben schon einige Spieler zur Verzweiflung gebracht. Es fängt aber schon beim Einspielen an. Es gibt Gegner, die versuchen erst gar keinen Schlagrhythmus aufkommen zu lassen. Anstatt sich gegenseitig und partnerschaftlich auf ein gutes Spiel vorzubereiten gibt es Spieler, die nur krumme Bälle spielen, die nicht zuspielen, sondern lieber den Gegner abschießen, wenn dieser am Netzt zum Volley steht. Auch während des Spiels gibt es einige Möglichkeiten: Man beobachtet den Rhythmus des Gegners und stört den dann ganz bewusst, indem man sich zum Beispiel immer wieder wegdreht, wenn der gerade bereit ist, aufzuschlagen.

Die mentale Hornhaut

Viele Spieler, die mit solchen oder ähnlichen Machenschaften konfrontiert werden, verlieren die Lust am Spiel. „So ein Spinner. Das macht doch keinen Spaß mehr. Dafür bin ich nicht aufgestanden.“ Und genau dann hat der unfaire Spieler sein Ziel erreicht. Wir ärgern uns über diese Mätzchen und sind nicht mehr bei unserem eigenen Spiel. Mancher ärgert sich dann auch noch darüber, dass er sich ärgert und es wird noch schlimmer. Meine Empfehlung ist es, an der mentalen Hornhaut zu arbeiten. Das Ziel ist es, unempfindlich zu werden.

Wie wäre es, wenn es gelingt, die unfairen Praktiken als Anerkennung umzudeuten? „Ach guck, der glaubt offenbar, dass er das gegen mich nötig hat“. Oder wie wäre ein Gedanke nach dem Motto: „Jetzt erst recht. Das soll nicht belohnt werden“. Eine Extraportion Motivation statt Frustration. Für den sportlichen Erfolg und die Matchbilanz ist es hilfreich, aufmerksam zu sein, für mögliche unfaire Tricks der Gegenseite. Es geht darum, diese zu erkennen und vielleicht sogar zum eigenen Vorteil zu wandeln. Dafür gibt es mentale Strategien.

Stichwort Fairness

Fairness ist ein hohes Gut. Nicht nur im Sport. Und genau deshalb darf ich mich auch auf unfaire Gegner vorbereiten. Ich jedenfalls möchte unfaire Gegner nicht einfach so davonkommen lassen.

Mehr zum Thema:

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Anne Lenz: Wie Teambuilding-Maßnahmen Wirkung bekommen

Teambuilding-Maßnahmen zur Stärkung des Mannschaftsgeistes? Nicht nur im Fußball haben sich gemeinsame Ausflüge zum Rafting, Laser Tag oder Floßbau bis in die unteren Spielklassen verbreitet. Solchen gemeinsamen Aktivitäten wird mittlerweile ein großer Zauber zugesprochen, obwohl sie meist nur einmalig in der Sommerpause stattfinden. Im Rahmen meiner Masterarbeit habe ich mich mit zentralen Fragen zum Thema Teambuilding beschäftigt: Mit welchen Interventionen lässt sich der Mannschaftszusammenhalt positiv beeinflussen? Reicht dazu eine eintägige Veranstaltung außerhalb der Trainingsstätte? Eine weiterführende Studie steht im zweiten Halbjahr 2020 vor der Veröffentlichung, erste Erkenntnisse veröffentlichen wir schon hier.

Zum Thema: Gruppen- bzw. Mannschaftskohäsion im Sport

Vorab ein bisschen Grundwissen: Der umgangssprachlich im Sport und in den Medien benutzte Begriff “Mannschaftsgeist” meint die Gruppen- bzw. Mannschaftskohäsion. Doch was genau verbirgt sich hinter diesem Konstrukt, dem Teamsportler, vor allem zu Saisonbeginn, besonders hinterher eifern?

Der Begriff Kohäsion stammt vom Lateinischen “cohaerere” und kann mit den Worten miteinander “verbunden sein” oder “zusammenhängen” übersetzt werden. Die Gruppenkohäsion wird allgemein als eine Eigenschaft für ein funktionierendes Gruppengefüge betrachtet (Stoll, Pfeffer, & Alfermann, 2010). Lau (2005) definiert den Kohäsionsbegriff als ein Gruppenmerkmal, das die subjektive Einschätzung der Gruppenmitglieder bezüglich ihrer empfundenen Geschlossenheit darstellt. Vereinfacht gesagt: Gruppen – bzw. Mannschaftskohäsion stellt den Zusammenhalt der Gruppe/Mannschaft dar.

Aufgabenbezogene und die sozialbezogene Kohäsion

Bei genauerer Betrachtung lässt sich die Gruppenkohäsion (u.a. West, 1994; Lau & Stoll, 2002, Schliermann & Hülß, 2016) untergliedern. Wir unterscheiden die aufgabenbezogene und die sozialbezogene Kohäsion. Letztere ist durch eine große Sympathie unter den einzelnen Gruppenmitgliedern sowie gemeinsame Erlebnisse und emotionale Bindungen gekennzeichnet (Carron, 1982). Trainer können die Ausprägung unter anderem daran festmachen, ob es in der Gruppe  Freundschaften gibt und gemeinsame außersportliche Aktivitäten unternommen werden (Schliermann & Hülß, 2016).

Die aufgabenbezogene Kohäsion beschreibt den Zusammenhalt in Bezug auf das Erreichen eines gemeinsamen Ziels. Eine hohe Anstrengungsbereitschaft der Gruppenmitglieder zugunsten eines Gruppenziels stellt ein Merkmal einer hohen Aufgabenkohäsion dar (Carron, 1982). Zudem wird eine ausgeprägte aufgabenorientierte Kohäsion dadurch deutlich, dass sich die Mitglieder dem Gruppenziel unterordnen und individuelle Bedürfnisse hinten anstellen (Schliermann & Hülß, 2016). Gerade dieser Aspekt der Gruppenkohäsion wird in den berühmten Teambuilding-Maßnahmen aber oft vernachlässigt.

Können die Sozial- und Aufgabenkohäsion positiv beeinflusst werden? 

Die aktuelle Arbeit der Forschungsgruppe Stoll, Lau und Lenz untersucht, ob sich eine sportpsychologische Teambuilding-Maßnahme positiv auf die Wahrnehmung des Mannschaftszusammenhaltes auswirkt. Dabei werden nicht nur kurzfristige, sondern auch langfristige Effekte einer Teambuilding-Intervention erhoben.  

Anne Lenz

Sportarten: alle, inklusive E-Sports

Kontakt:

+49 (0)1577 64 69 872

a.lenz@die-sportpsychologen.de

Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/anne-lenz/

Die bereits vorliegenden Ergebnisse lassen darauf schließen, dass die Teambuilding-Maßnahme der Studie kurzfristig positive Effekte auf die Sozial- und Aufgabenkohäsion hat. Langzeiteffekte konnte die Maßnahme jedoch nicht erzeugen. Alles in allem scheint auf Basis dieser Daten eine langfristige und kontinuierliche sportpsychologische Betreuung notwendig zu sein, um die positiven Effekte einer Teambuilding-Maßnahme hinsichtlich der Mannschaftskohäsion auch im Saisonverlauf aufrechterhalten zu können. Die Gesamtergebnisse der Studie werden noch in diesem Jahr veröffentlicht.

Feedback

Wenn Sie als Trainer ihre geplanten Teambuildingmaßnahmen einschätzen oder auch begleiten lassen wollen, nehmen Sie gern Kontakt auf. Meine Kollegen und Kolleginnen von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Anne Lenz) helfen Ihnen gern.

Mehr zum Thema:

Literatur

Carron, A. V. (1982). Cohesiveness in sport groups: Interpretations and considerations. Journal of Sport Psychology, 4, 123-138.

Focus Online (2019, 04. Juni). Nationalmannschaft: Teambuilding auf dem Wasser. Zugriff unter https://www.focus.de/sport/fussball/fussball-nationalmannschaftnationalmannschaft-teambuilding-auf-dem-wasser_id_10791036.html

Lau, A. & Stoll, O. (2002). Validität und Reliabilität des Fragebogens zur Mannschaftskohäsion von Spielsportmannschaften (MAKO-02). In E. Van der Meer, H. B. Hagendorf, F. Krüger, A. Nuthmann, & S. Schulz, 43. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie an der Humboldt-Universität Berlin, 2002 (S. 374). Lengerich: Papst Science Publisher.

Lau, A. (2005). Die kollektive Leistung in den Sportspielen – eine interdisziplinäre Analyse. Habilitationsschrift, Institut für Sportwissenschaften: Martin-Luther Universität Halle-Wittenberg.

Schliermann, R. & Hülß, H. (2016). Mentaltraining im Fußball – Ein Handbuch für Trainer, Übungsleiter und Sportlehrer. Hamburg: Feldhaus Verlag.

Stoll, O., Pfeffer, I. & Alfermann, D. (2010). Lehrbuch Sportpsychologie. Bern: Huber.

West, M. A. (1994). Effective teamwork. BPC Wheatons Ltd.: Exeter.

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Buch: Abseits – Aus der Sicht einer Tochter (Johanna Constantini)

Mein erstes Buch „Abseits Aus der Sicht einer Tochter“ stellt nicht nur ein Herzensprojekt, sondern auch eine wichtige Aufarbeitung für mich persönlich dar.

In dem im Seifert Verlag herausgebrachten Werk geht es um meinen persönlichen Umgang mit der Demenzerkrankung meines Papas. Es geht jedoch auch um Fragen, die sich eine immer schneller werdende Gesellschaft zu eben jenem Umgang stellen sollte. Ich bin gespannt wie das Buch gefällt und freue mich auf Rückmeldungen und Reaktionen. Vor allem hoffe ich aber, Menschen zu erreichen, die selbst in irgendeiner Form betroffen sind und denen ich mit meiner Sicht auf die Erkrankung Demenz auch ihren Umgang damit erleichtern kann.

Preis

Buch „Abseits – Aus der Sicht einer Tochter“, Hardcover

24,95 EUR (zzgl. Versand)

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    Dr. René Paasch: Gewicht machen im Fußball

    Das Thema Ernährung spielt für immer mehr Fußballer eine zentrale Rolle zur Gesunderhaltung und Leistungsoptimierung. Dies zeigt ein aktuelles Beispiel: Der frühere Fußballprofi Kevin Pannewitz ist im vergangenen Jahr von seinem Klub FC Carl Zeiss Jena entlassen worden. Einer der Vorwürfe: er wiege zu viel. Dieses Thema begleitet den Sportler, der sein fußballerisches Talent bislang nie dauerhaft nutzen konnte, seit Jahren. Früher trainierte er unter Felix Magath für den Sprung in die Bundesliga, heute kickt der 28-jährige beim Berliner Kreisligisten FC Amed. Nun will er zurück in die 3. Liga. Wie kann die Sportpsychologie helfen, damit man sein Körpergewicht nachhaltig reduzieren kann? 

    Zum Thema: Ernährungsumstellung im Leistungssport Fußball 

    Der Gewichtsabnahmeprozess ist eine komplexe Angelegenheit. Einerseits muss der Leistungskicker sein Gewicht reduzieren, auf seine Gesundheit und seine Ernährung achten und andererseits muss er einen erfolgreichen Saisonverlauf nachweisen, um gesehen zu werden. Vor allem dann, wenn das Körpergewicht vom persönlichen Erfolg abhängt, liegt eine besonders schwere Last auf den Schultern des Fußballers. Ein wissenschaftliches und erprobtes Programm in der Praxis kann helfen – das Motivations-Volitions-Konzept (MoVo). Dieses geht von der Erkenntnis aus, dass es vielen Menschen schwerfällt, das, was sie sich vorgenommen haben, in die Tat umzusetzen. Auch dann, wenn sie hoch motiviert sind, gelingt es ihnen oft nicht, die entsprechenden Handlungen folgen zu lassen. Was diesen Personen fehlt, sind nicht Slogans wie „Schlank in vier Wochen“ oder „Du musst nur daran glauben“, sondern konkrete Unterstützung bei der volitionalen Umsetzung ihrer Absichten. Dabei setzt sich dieses Konzept aus zwei Teilen zusammen: Dem Prozessmodell als dem theoretischen Rahmen der Lebensstiländerung sowie die damit verbundene Praxis. Das Zusammenspiel dieser Faktoren ist in der folgenden Abbildung 1 dargestellt. 

    Abb. 1.: MoVo-Prozessmodell (Fuchs, 2013a)

    Das MoVo-Prozessmodell erklärt, dass der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Verhaltensänderung im Wesentlichen von fünf psychologischen Faktoren abhängig ist (Fuchs et al., 2017):

    • Vorliegen einer starken Zielintention
    • Hohe Selbstkonkordanz 
    • Realistische Handlungspläne
    • Wirksame Strategien des Barrierenmanagements
    • Positive Konsequenzerfahrungen mit dem neuen Verhalten

    Verhaltensänderung

    Ausgangspunkt ist die Motivation zur Änderung eines spezifischen Verhaltens (z.B. Ernährungsumstellung), die eine Zielintention voraussetzt. Sie ist das Ergebnis motivationaler Prozesse des Abwägens und Auswählens. Dies hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab: Von den erwarteten Vor- und Nachteilen des fraglichen Verhaltens und von den spezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen. 

    Näheres dazu: 

    https://www.die-sportpsychologen.de/2016/08/dr-rene-paasch-per-woop-zum-saisonziel/     https://www.die-sportpsychologen.de/2019/06/dr-rene-paasch-anliegen-statt-ziele-was-trainer-funktionaere-und-spieler-ueber-den-trend-wissen-sollten/

    Beispielsweise sind Fußballer eher bei der Umstellung der Ernährung motiviert, wenn sie sich davon mehr Vor- als Nachteile erwarten und wenn sie davon überzeugt sind, die betreffenden Verhaltensweisen auch erfolgreich ausführen zu können. Stichwort: „Selbstwirksamkeit“. Für dieses Ziel ist aber nicht nur die Absicht wichtig, sondern auch eine hohe Selbstkonkordanz. Die spiegelt das Ausmaß wider, in dem eine Zielintention (Fuchs et al., 2017) mit den persönlichen Interessen und Werten des Fußballers übereinstimmt. 

    Vom Ziel zur Handlung

    Damit aus einer konkreten Zielstellung aktives Tun wird, bedarf es einer konkreten Handlungsplanung. Dabei legt der Fußballer fest, wann, wo und wie er die beabsichtigte Handlung startet bzw. fortführen möchte. Durch das Konkretisieren der beabsichtigten Änderung wird die Handlungsinitiierung und Umsetzung unterstützt. Trotz aller Sorgfalt, können Veränderungen durch innere oder äußere Widrigkeiten ins Wanken geraten. In solchen Situationen steht der Fußballer vor der Aufgabe, die geplante Handlung gegenüber konkurrierenden Optionen zu widerstehen (bspw. ungewünschte Verhaltensweisen). Gefragt ist dann ein kreatives Barrierenmanagement, bei den volitionalen Strategien zum Einsatz kommen, wie z.B. die Aufmerksamkeits- und Motivationskontrolle. 

    Dr. René Paasch

    Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Hockey, Eishockey, Tennis

    +49 (0)177 465 84 19

    r.paasch@die-sportpsychologen.de

    Zum Profil: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

    Für die wiederholte Ausführung der geplanten Handlung sind Festigungsprozesse wirksam. Diese führen dazu, dass einzelne Verhaltensweisen, persönliche Erfahrungen und deren Auswirkungen ihren Fußabtritt hinterlassen. Die Herausbildung der anfänglichen Zielintention ist jetzt der Maßstab zur Beurteilung der gemachten tatsächlichen Erfahrungen mit dem neuen Verhalten. Mehr zum Motivationskonzept siehe unten im Quellenverweis. 

    Fazit

    Auf der Grundlage des oben genannten Prozessmodells sind in den vergangenen Jahren verschiedene MoVo-Interventionsprogramme für unterschiedliche Zielgruppen und Settings entwickelt, in der Praxis erprobt und wissenschaftlich evaluiert worden. Es handelt sich um Interventionen, bei denen es nicht nur um den Aufbau einer starken Motivation zur Verhaltensänderung, sondern auch um den Erwerb volitionaler Umsetzungskompetenzen geht. 

    Des Weiteren bestätigen aktuelle Forschungsergebnisse die zukunftsweisende Rolle des Blended Care-Ansatzes, in dem face-to-face-Interventionen und digitale Interventionen miteinander verbunden werden (van der Weegen et al., 2015; Kloek et al., 2017). Für alle diejenigen, die dazu mehr wissen wollen: Nehmen Sie Kontakt auf! Meine Kollegen von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Dr. René Paasch) sind gern bereit, Ihnen zu helfen.

    Mehr zum Thema:

    Literatur 

    • Ajzen, I. (1991): The theory of planned behavior. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50, 179-211.
    • Fuchs, R. (2013a). Das Motivations-Volitions-Konzept. Forum Public Health, 21 (Heft 79), 32-34.  DOI: 10.1016/j.phf.2013.03.004

    Studie lesen: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0944558713000097

    • Fuchs, R., Seelig, H., Göhner, W., Schlatterer, M. & Ntoumanis, N. (2017): The two sides of goal intentions: Intention self-concordance and intention strength as predictors of physical activity. Psychology & Health, 32, 110-126. DOI: 10.1080/08870446.2016.1247840

    Studie lesen: https://www.tandfonline.com/doi/abs/10.1080/08870446.2016.1247840?journalCode=gpsh20

    • Kloek, C., Bossen, D., De Bakker, D. H., Veenhof, C., & Dekker, J. (2017): Blended interventions to change behavior in patients with chronic somatic disorders: systematic review. Journal of Medical Internet Research, 19, e418.
    • Sheeran, P., Milne, S., Webb, T., & Gollwitzer, P. (2005):Implementation intentions and health behaviours. In M. Conner & P. Norman (Eds.), Predicting health behaviour (2nd edition, pp. 276-323). Buckingham, UK: Open University Press.
    • van der Weegen, S., Verwey, R., Spreeuwenberg, M., Tange, H., van der Weijden, T., & de Witte, L. (2015): It’s LiFe! Mobile and web-based monitoring and feedback tool embedded in primary care increases physical activity: a cluster randomized controlled trial. Journal of Medical Internet Research, 17, e184.

    Weitere Linkempfehlungen zum Thema Ernährung

    Motivationskonzept

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    Stephan Brauner: Für die Profis von nebenan – Tipps für festangestellte Club-Trainer und selbstständige Personal Trainer

    In den vergangenen Jahren habe ich mit vielen Sportlern, aber auch mit einigen Trainern zusammengearbeitet. Ob Trainer im Fußball, im Tennis, im Volleyball oder im Hockey: Es gibt einige Themen, die eine Reflektion aus psychologischer Perspektive lohnenswert machen. Wie gestalte ich motivierende Trainingsformen? Wie trainiere ich psychologische Komponenten der sportlichen Leistungsfähigkeit? Wie kommuniziere ich zielgerichtet mit meinen Sportlern, zum Beispiel in Auszeiten unter Beachtung der beschränkten Aufnahmekapazität? Auch Ideen zum Teambuilding wurden auf dieser Seite schon besprochen. Zu oft kommen Trainer aber zu kurz!

    Zum Thema: Ressourcen für den Trainer (Teil 1)

    Um die Spieler kümmert man sich von allen Seiten. Über das Training hinaus gibt es die medizinische, die physiotherapeutische, die ernährungswissenschaftliche Betreuung. Und hoffentlich auch eine sportpsychologische Begleitung. Wer oft auf sich allein gestellt bleibt, ist der Trainer.

    Der Beruf des Trainers ist komplex und stellt hohe Anforderungen an ein gutes Selbstmanagement und die eigene Stresskompetenz. Wie für jeden anderen Arbeitnehmer auch, geht es darum, die Energie und Begeisterung für den eigenen Beruf zu erhalten und auch langfristig gesund zu bleiben.

    Clevere Pausen

    Aus meiner Erfahrung habe ich vier Aspekte aus den drei Bereichen Abgrenzung, Ausgleich und Tagesabschluss ausgewählt, um ganz konkrete Tipps zu geben. Also, steigen wir ein:

    Was Arbeit ist und was Freizeit, das ist nicht immer klar zu unterscheiden. Beispiel eins: Zum Beruf des Tennistrainers in einem Club gehört neben der Arbeit auf dem Platz natürlich auch viel Organisation und Abstimmung, zum Beispiel mit den Eltern der Spieler. Das ist das eine Mal schnell zwischen Tür und Angel erledigt, ein anderes Mal aber auch nicht und vielleicht gibt es im Einzelfall sogar intensiveren Diskussionsbedarf. Nun wissen wir aus der psychologischen Erholungsforschung, wie wichtig Pausen und Regeneration sind. Der amerikanische Schriftsteller John Steinbeck hat einmal bemerkt: „Die Kunst der Pause ist ein Teil der Kunst der Arbeit.“ Wenn nun der Trainer einmal seinen Trainingsplatz verlässt, dann kann er die Zeit oft nicht für die benötigte Regeneration nutzen, sondern wird sofort in Beschlag genommen. Wenn er sich nicht bewusst abgrenzt, besteht die Gefahr, sofort mit Fragen und Organisationsaufgaben bombardiert zu werden. Die erste Empfehlung lautet also, sich einen geschützten Ort zu organisieren, der allen anderen deutlich macht, dass man hier nicht ansprechbar ist. Wenn das klar kommuniziert wird, dann wird das auch akzeptiert werden. Voraussetzung ist natürlich, dann auch Möglichkeiten und Zeiten anzubieten, wo man bewusst ansprechbar ist. Denn das gehört ja schließlich neben den bezahlten Stunden auf dem Platz auch zum Job.

    Stephan Brauner

    Stephan Brauner

    Sportpsychologe aus Bergisch Gladbach

    Sportarten: Volleyball, Beachvolleyball, Tennis, Fußball, Golf

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    s.brauner@die-sportpsychologen.de

    Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/stephan-brauner/

    Technisch Abschalten

    Die zweite Empfehlung ist, eine zweite Mobilnummer zu nutzen, die der Kommunikation mit den „Kunden“ vorbehalten ist. Auch das gehört zur Abgrenzung. Wie schnell hat man am Feierabend noch in die E-Mails oder Whatsapp-Nachrichten geguckt, um festzustellen, dass irgendwelche Termine verschoben werden müssen, oder dass noch irgendwas zu tun ist. Irgendwer will noch irgendwas von einem. Aber Feierabend ist Feierabend und sollte das auch bleiben. Eine für die berufliche Kommunikation reservierte Nummer, die man irgendwann auch einfach ausschalten kann, verhindert, dass die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit noch mehr verwischen, als das ohnehin oft der Fall ist. Und die Erfahrung lehrt, dass allein der Gedanke an to-do´s dafür sorgen kann, dass die Erholung nicht so gut verläuft, wie sie es ohne könnte. 

    Einem Außenstehenden mag es manchmal traumhaft vorkommen, wenn jemand sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Traum erfüllt? Zum Teil sicher ja. Allerdings darf man nicht vergessen, dass nun das Hobby als Ausgleich und regenerative Gegenwelt zum Beruf wegfällt. Der zweite Bereich ist der Ausgleich. Es ist ungemein wichtig, sich ganz bewusst eine alternative Beschäftigung für den Kopf und gerne auch eine alternative Belastung für den Körper zu suchen. Von Top-Trainer Julian Nagelsmann wissen wir, dass er sehr gerne mit dem Mountainbike unterwegs ist. Gerne auch an der eigenen Belastungsgrenze, um gar nicht erst in Versuchung zu kommen, zu viel nachzudenken. Was genau ein Ausgleich sein kann, ist sehr individuell. Wichtig ist es, Empfehlung Nummer drei, sich bewusst damit zu beschäftigen und zu prüfen und auszuprobieren, was gut tut und den Kopf wieder frei macht.

    Bewusster Tagesabschluss

    Ein Trainer ist immer auch Unternehmer in eigener Sache. Und er hat neben der Arbeit mit den Sportlern oft noch sehr viele weitere Aufgaben. Ein Fußballtrainer muss sich in sehr viele angrenzende Themengebiete einarbeiten. Er muss kein Experte für Ernährung, Sportmedizin, Spiroergometrie oder auch für die Sportpsychologie sein. Gute Grundkenntnisse in vielen Feldern dürfen aber der Anspruch sein. Vor allem, wenn es darum geht, auch externe Angebote bewerten zu können. Kurz: Es gibt immer etwas zu tun und immer etwas zu lernen. Und es ist nie genug. Je wissbegieriger und ehrgeiziger der Trainer ist, desto mehr ist ihm bewusst, was er noch tun könnte.

    An dieser Stelle ist die vierte Empfehlung, einen bewussten Tagesabschluss zu gestalten. Es ist typisch menschlich und ein Teil der mentalen Reaktion auf Stress, einen Fokus auf das zu haben, was noch offen und was noch zu tun ist. Das ist gut und sinnvoll, wenn es dazu führt, dass man lose Enden im Kopf behält und nichts Wichtiges vergisst. Allerdings kann dieser mentale Zustand auch zu Unzufriedenheit führen, er kann belasten und er hat das Zeug dazu, sogar den Schlaf zu beeinträchtigen. Wenn der automatische Prozess ist, auf die nicht erledigten Dinge zu blicken, wie wäre es, bewusst auf das zu fokussieren, was man getan und was man erledigt hat? Für viele ist das hilfreich und rückt die Perspektive zurecht. Und mit der verdienten Anerkennung und Zufriedenheit lässt es sich möglicherweise deutlich besser schlafen, so dass der Akku für den nächsten Tag auch wieder gut geladen wird.

    Fazit und Angebot

    Der Trainer ist eine wichtige Ressource für den sportlichen Erfolg. Niemand hat etwas davon, wenn Trainer sich selbst ausbeuten und auf dem Zahnfleisch laufend das Training anleiten. Wir brauchen Trainer, die sich langfristig mit Freude weiterentwickeln – inhaltlich und persönlich. Erfolg und Gesundheit gehen hier Hand in Hand.

    Tipp: Wenn Sie Lust haben, mehr für sich als Trainer zu tun, dann nutzen Sie unsere Expertise. Alle Experten von Die Sportpsychologen bieten Weiterbildungen an, die sich individuell auf Ihre Fragen und Probleme ausrichten. Schauen Sie sich das mal genauer an: https://www.die-sportpsychologen.de/weiterbildung/

    Mehr zum Thema:

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    Cristina Baldasarre: Missbrauchsfälle in kompositorischen Sportarten – Wir brauchen für Wettkämpfe eine Altersgrenze und Elterncoaching

    Die schlimmen Geschichten über psychischen Missbrauch im Kunstturnen nehmen kein Ende. Dabei ist erst die Spitze des Eisbergs zum Vorschein gekommen, denn alle kompositorischen Sportarten sind besonders gefährdet, da dort schon kleine Kinder in inakzeptable Druck-Situationen gelangen können. Ich bin sehr froh, dass dieses schreckliche Thema öffentlich diskutiert wird.

    Zum Thema: Emotionaler Missbrauch im Kinderleistungssport

    Immer wieder stellt sich die Frage nach Veränderungsmöglichkeiten. Das ist leider ein komplex verworrenes und in der Regel auch ein verbandspolitisches Thema. Hierzu gibt es nach meinem Empfinden nur eine zweigleisige Strategie, die irgendwann Besserung verspricht. Nämlich bottom up, also von Eltern und Athletinnen gemeinsam!

    Als Grundlage und Voraussetzung müsste erstmal das Wettkampfalter für nationale und internationale Wettkämpfe auf 18 Jahre angehoben werden. Darüber hinaus bräuchte es flächendeckende Elterncoachings.

    Cristina Baldasarre

    Cristina Baldasarre

    Sportarten: Kunstturnen, Eiskunstlaufen, Synchronschwimmen, Tanz, Unihockey, Fussball, Eishockey, Judo, Tennis, Bogenschiessen, Springreiten, Schiedsrichter und Trainer, Sporteltern

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    c.baldasarre@die-sportpsychologen.ch

    Mehr Infos: Zur Profilseite, zum Kompetenzzentrum mind2win.ch

    https://www.mind2win.ch

    Ziele des Elterncoachings

    Aus meiner Sicht sollten die Eltern bezüglich folgender Kernaspekte geschult werden:

    • Aufklärung über momentan herrschende Trainingssituationen
    • Aufzeigen von Zusammenhängen, was psychischer Missbrauch für gravierende Folgen auf das Leben, die Persönlichkeit und die physische Gesundheit hat
    • Erläuterungen zu rechtlichen Massnahmen, Rechte und Pflichten aller Beteiligten
    • Ermunterung, dass sich Eltern zusammen tun und gemeinsam Veränderungen anstreben
    • Sportpsychologische und therapeutische Unterstützung der Athletinnen mit dem Ziel der Stärkung der Persönlichkeit und Entwicklung des Selbstvertrauens. Um Möglichkeiten zu schaffen, gemeinsam als Athleten und Eltern hinzustehen und widrige Situationen anzusprechen und dagegen zu halten.

    Wir von mind2win (zur Seite) und unsere Kolleginnen und Kollegen von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) stehen für die Rechte der Kinder im Leistungssport ein und bieten Einzel- und Gruppen-Elterncoachings an.

    Mehr zum Thema:

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    Anne Lenz: Karriereübergänge im Sport – neue Chance vs. bedrohliches Neuland?!

    André Schürrle beendet mit nur 29 Jahren seine Karriere. Die Entscheidung des Weltmeisters von 2014 verdient Respekt. Nicht Häme, wie sie nach dem Bekanntwerden der Vertragsauflösung von Schürrle bei Borussia Dortmund gerade im Netz die Runde machte. Vielmehr lohnt es sich, inspiriert durch dieses prominente Beispiel, mal genauer auf Karriereübergänge zu schauen – denn solche Veränderungen erlebt jeder Sportler. Von Kindesbeinen an. Zumal viele dieser Übergänge ungeplant entstehen. Richtig schwierig wird es oft am Ende, wenn Unterstützer und die nötige Vorbereitung fehlen. 

    Zum Thema: Über den Umgang mit neuen Herausforderungen und Veränderungen im Verlauf der sportlichen Karriere

    Die Karriere“ gibt es nicht. Jeder Sportler hat seine eigenen Etappen, Meilensteine und Erfolge. Dennoch kann eine Sportkarriere vereinfacht in vier Phasen unterteilt werden:

    • Karrierebeginn
    • Karriereentwicklung
    • Meisterschaft
    • Nachkarriere

    Bei diesem Phasenmodell nach John Salmela (1994) sei jedoch darauf hinzuweisen, dass die einzelnen Phasen je nach Sportler eine unterschiedliche Dauer haben können und ebenfalls in unterschiedlichen Altersklassen erlebt werden können. Karriereübergange können genau die Übergänge zwischen den einzelnen Karrierephasen sein (siehe oben, z.B. von Karrierebeginn zu Karriereentwicklung). Es können jedoch auch innerhalb dieser einzelnen Phasen Karriereübergänge vorkommen.

    Schwieriges Ende

    Jeder Sportler ist mit dieser Problematik konfrontiert. Denn schon der Wechsel in eine andere sportliche Altersklasse oder eine andere Wettkampfklasse/Liga stellt einen Übergang dar. Auf Ebene des Profi-Sports werden solche Wechsel in vielerlei Hinsicht komplexer. Von Sportlern wird der Übergang von der Meisterschaftsphase zur Nachkarriere, dem Karriereende, oftmals als am Anspruchsvollsten eingeordnet.

    Alle Karriereübergange haben aus sportpsychologischer Sicht eine Sache gemeinsam: Der Sportler wird vor neue Herausforderungen gestellt. Er befindet sich in einer ihm unbekannten und neuen Situation. Hinzu kommt, dass bei vielen Karriereübergangen sich auch das gewohnte sportliche Umfeld, also Team, Trainer und sportliche Ansprechpartner, ändern. Alle Sportler erleben ihre individuellen Karrierübergänge ganz unterschiedlich. Während für den einen neue Chancen warten, empfindet der andere viel Unsicherheit im Neuland. Entscheidend für diese Wahrnehmung scheinen zwei Faktoren: die Unterstützer und die Vorbereitung. 

    Die Unterstützer

    Die wertvollsten Unterstützer eines Karriereübergangs sind vertraute Menschen, die in beiden Abschnitten dem Sportler zur Verfügung stehen. Hier sind sportliche wie private Wegbegleiter gefragt, die für den Sportler in der gewohnten, alten, sowie in der neuen Situation erreichbar sind. Das können gute Freunde, Eltern, Partner und ggf. langfristige sportliche Begleiter wie z.B. Ärzte des Vertrauens oder eben ein Sportpsychologe sein. Da jede neue Karrierephase eines jeden Sportlers individuell wahrgenommen wird, gibt es hier kein einheitliches Unterstützungskonzept. 

    Die Devise lautet: Nachfragen & genau Hinhören, um die Bedürfnisse des Sportlers zu erkennen. Ebenso sollten die neuen Gegebenheiten bewusst offen angesprochen werden. Die Unterstützer sollten einen Austausch anbieten und Verständnis für Herausforderungen, Vorfreude und Unsicherheiten mitbringen.

    Anne Lenz

    Sportarten: alle, inklusive E-Sports

    Kontakt:

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    a.lenz@die-sportpsychologen.de

    Zur Profilseite: https://www.die-sportpsychologen.de/anne-lenz/

    Die Vorbereitung

    Ein Karriereübergang stellt sich selten langfristig geplant ein, sondern wird meist spontan durch neue Angebote oder sportliche Verletzungen verursacht. Um der Unsicherheit durch das neue Setting, neuen Erwartungen, neuen Umgebungen, neuen Konkurrenten, neuen Ansprechpartnern (…) vorzubeugen, hilft oft die Auseinandersetzung mit den eigenen Fähigkeiten sowie langfristigen Unterstützern. Ressourcen, die trotz der vielen Neuheiten stabil bleiben, sind in diesen Phasen das Fundament. Auch bei unerschrockenen Sportlern, bei denen die Vorfreude auf neue Aufgaben überwiegt, kann die bewusste Auseinandersetzung mit folgenden Aspekten positive Effekte mit sich bringen: 

    • sportliche Fähigkeiten und Fertigkeiten
    • private Fähigkeiten und Fertigkeiten
    • sportliche Unterstützer
    • private Unterstützer
    • bisherige Erfolge
    • das aktuelle sportliche Ziel
    • Auflistung der Aspekte, die sich tatsächlich ändern vs. Aspekte, die genauso bleiben

    Die bewusste Auseinandersetzung mit Dingen, die dem Sportler trotz Unsicherheiten zur Verfügung stehen, können Rückhalt, Entspannung und Zuversicht geben. Die zusätzliche Visualisierung der persönlichen Ressourcen kann den Effekt erhöhen. Auch Sportlern mit weniger Befürchtungen können von dieser Vorgehensweise profitieren und das Selbstbewusstsein für neue Herausforderungen bekräftigen. 

    Von der Meisterschaft zur Nachkarriere: Das Karriereende

    Das Karriereende (ob gewollt oder gezwungen) ist für viele Sportler eine große Herausforderung. Auch wenn vermeintlich der gesamte Leistungsdruck der Karrierejahre von dem Sportler abfällt, so bringt genau dieser Aspekt auch seine Risiken mit sich. Das Selbstwertgefühl eines Leistungssportlers basiert in hohem Maße auf seinen sportlichen Leistungen und auf externen Bewertungen von Trainern, Fans und Medien. Ohne das Gefühl von Wirksamkeit im Alltag – eben ohne sportlich erbrachte Höchstleistungen – kann das Selbstwertgefühl des ehemaligen Sportlers leiden. Hinzu kommt, dass auch das soziale Umfeld eines Leistungssportlers durch den organisierten Sport bestimmt ist: Ärzte, Trainer, Betreuer, Teammitglieder können auf lange Sicht zu Vertrauten werden, die in dem neuen Alltag nicht mehr (in dieser Intensität) vorkommen. Und durch ein straffes zeitliches Trainings- und Wettkampfprogramm zählen nicht selten nur wenige nicht-sportliche Kontakte zu dem engeren Vertrautenkreis eines Leistungssportlers. Darüber hinaus steht vor allem für Profisportler auch der offizielle Rücktritt vor den Medien auf der Agenda. Verbunden mit der Frage: „Wie formuliere ich mein Karriereende?“ Zu guter Letzt beginnt eine Leistungssportkarriere oft bereits in Kindesalter, wodurch z.T. Schulabschlüsse oder eine berufliche Ausbildung nicht vollendet wurden. Dadurch können vor allem in Randsportarten auch finanzielle Sorgen durch ein Karriereende hinzukommen. Was kann helfen? 

    • bewusst neue Lebensziele setzen
    • bewusste Auseinandersetzung mit nicht-sportlichen Fähigkeiten & Fertigkeiten
    • bewusstes Nutzen privater Unterstützer
    • frühzeitige Vorbereitung durch ein zweites berufliches Standbein
    • bewusste Entscheidung für Freizeitaktivitäten, die ggf. neue Leidenschaften wecken

    Nicht jedes Karriereende wird von Sportlern negativ wahrgenommen. In den Aussagen von André Schürrle ist herauszuhören, dass er sich ganz bewusst aus dem Profifußball verabschiedet. Zudem berichtet er über eine lange Entscheidungsfindung, wodurch eine ausgiebige Vorbereitung auf seine Nachkarriere zu erahnen ist. Zwei Punkte, die in dem Fall Schürrle für eine positive Nachkarriere sprechen, sind die finanzielle Sicherheit sowie die eigenständige Entscheidung gegen den Sportleralltag. Klingt ganz nach einem vorbildlichen Abgang – was wirklich in ihm vorgeht, bleibt offen.

    Auf den Punkt gebracht

    Die Herausforderungen, die ein Karriereübergang mit sich bringt, können als Chance und ebenso als Bedrohung wahrgenommen werden. Eine bewusste Auseinandersetzung mit möglichen Veränderungen während der Karriere scheint hierbei sinnvoll. Dabei geht es vor allem um persönliche Ressourcen des Sportlers, die eine Konstante in unsicheren Phasen bilden und zudem das Selbstbewusstsein für neue Aufgaben steigern können. Ein Sportpsychologe kann in genau diesen Phasen helfen, dem Sportler einen positiven und zukunftsorientierten Umgang mit neuen Herausforderungen anzunehmen, die bedrohliche Perspektive zu verringern und mit Vorfreude und Selbstbewusstsein neue Aufgaben anzunehmen. 

    Mehr zum Thema

    Literaturverzeichnis

    Alfermann, D. & Stoll, O. (2007). Sportpsychologie – Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Aachen: Meyer & Meyer Verlag.

    Salmela, J. H. (1994). Phases and transitions across sport careers. In D. Hackfort (Ed.). Psycho-social issues and interventions in elite sport (pp. 11-28). Frankfurt: Lang. 

    https://www.spiegel.de/sport/andre-schuerrle-beendet-ueberraschend-karriere-ich-brauche-keinen-beifall-mehr-a-00000000-0002-0001-0000-000172071849

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    Dr. Hanspeter Gubelmann: Der „Pillen-Sport“ findet auch im Breitensport statt

    Der Medikamentenmissbrauch im Sport hat Dimensionen erreicht, die Wissenschaftler und Insider gleichermassen überraschen. Neu am Thema ist, dass sich die Problematik zunehmend auch auf den Breiten- und Freizeitsport ausweitet. „Pillenkick“ – eine Co-Produktion der ARD-Dopingredaktion und des gemeinnützigen Recherchezentrums Correctiv – dokumentierte unlängst den verheerenden Umgang mit Schmerzmitteln im Amateurbereich des Fussballs. Wenn sich junge Menschen mit Pillen betäuben, zählt die Gesundheit nicht mehr viel. Eben dies zu verhindern, muss auch die Aufgabe der angewandten Sportpsychologie sein!

    Zum Thema: Sechs Leitideen für die Sportpsychologie hinsichtlich des Medikamentenmissbrauchs im Leistungs- und Breitensport 

    Meinen persönlichen „Pillenkick“ erlebte ich erstmals 1994. Damals verbrachte ich ein Studienjahr in den USA und kickte einmal die Woche in einem akademischen Soccer-Team. Schon in den ersten Trainings fiel mir auf, dass ich der einzige im Team war, der sich rund 20 Minuten vor Trainingsbeginn gemächlich ans Aufwärmen machte. Auf meine Nachfrage, wieso alle anderen das Einwärmen ausliessen, meinte der Teamleader: „Nope, we just take Advil!“. Zum besseren Verständnis: Advil ist die US-Version der Ibus…

    In der Schweiz kam die Thematik 1998 anlässlich des Jungfrau-Marathons in die Medien, als Urinproben bei 30% der TeilnehmerInnen den Einsatz von Analgetika nachwiesen. Kamber et. al. (2000) kritisierten diese aus ihrer Sicht nicht haltbaren Ergebnisse. In ihrer Studie am „Frauenfelder“ (42km Waffenlauf) fielen die Resultate deutlich tiefer aus: „Nur gerade jeder 20. Waffenläufer trat in diesem Sinne „vorbereitet“ zum Start an. In eine ähnliche Richtung zeigen die Befunde von Stamm et al. (2011), die bezüglich Konsumhäufigkeit von Medikamenten bei der Mehrheit der befragten leistungsorientierten Ausdauersportlern kein bedenkliches Ausmass feststellen konnten. Allerdings konstatieren sie ein Informationsdefizit, welches „auf eine erhebliche Sorglosigkeit und Naivität im Umgang mit Supplementen und Medikamenten schliessen lässt“ (S.122).

    Dr. Hanspeter Gubelmann

    Dr. Hanspeter Gubelmann

    Sportarten: Ski nordisch, Ski alpin, Leichtathletik, Bob, Skeleton, Judo, Eiskunstlauf, Tennis, Short Track, Kanu, Eishockey, Mountainbike, Schwimmen, Triathlon, Rhythmische Sportgymnastik u.a.

    Kontakt:

    +41 (0)79 789 45 13

    h.gubelmann@die-sportpsychologen.ch

    Mehr Infos: Zur Profilseite, zum Kompetenzzentrum mind2win.ch

    Wer liest schon den Beipack-Zettel?

    Zu einer völlig anderen Einschätzung gelangen Brune et al. (2009) in ihrem äusserst informativen Übersichtsartikel zu Analgetikamissbrauch bei Marathonläufern. In ihrer breit angelegten Studie anlässlich des Bonn-Marathons 2009, die den Schmerzmittelkonsum vor dem Start qualitativ und quantitativ erfasste, zeigen sich besorgniserregend hohe Verbreitungszahlen. Von den 1024 befragten AthletInnen starteten 11% trotz Schmerzen, 60% standen am Start unter Analgetika. 

    Männer klagen schon im Training über wesentlich mehr Schmerzen und greifen auch da häufiger und in höherer Dosierung zu Schmerzmitteln als Frauen. „Insgesamt erwiesen sich die Männer als schmerzgeplagter und aggressiver bei der Therapie ihrer Schmerzen.“ (S.40) Die Autoren bescheinigen den betroffenen LäuferInnen auch „erschreckende Sorglosigkeit“ im Umgang mit den Medikamenten, welche sich auch in der Nichtbeachtung des Beipack-Zettels zeigt: „Wenn man die für den rezeptfreien Gebrauch vorgeschlagenen Dosierungen als Richtschnur nimmt, nahmen gut die Hälfte der Anwender von Ibuprofen oder Diclofenac zu hohe Dosen ein.“ (S.40)

    Fatale Prophylaxe ohne Schmerzlinderung oder Leistungssteigerung

    Die ARD-Doku „Pillenkick“ führt an mehreren Beispielen aus, welche fatalen Folgen ein Schmerzmittelmissbrauch haben kann. Konsultiert man hierzu gängige Fachliteratur (vgl. Schek 2015), stösst man unweigerlich auf zahlreiche Beispiele auch ausserhalb des Fussballs.  

    Fallbeispiel zum Risiko im Umgang mit Schmerzmitteln:

    Langstreckenlauf: Nach dem Sieg beim 100 Meilen Leadville Trail 2008 in 24:48:28 h sagte die US-amerikanische Siegerin Stephanie Ehret: “I’d never felt so bad” und “I was pretty sure I was dying”, nachdem sie Schleimhautfetzen ihres Verdauungstrakts erbrochen hatte. Akutes Nierenversagen konnte dank sofortiger Einlieferung ins Krankenhaus verhindert werden, wo diagnostiziert wurde: Rhabdomyolyse (Muskelfaserzerfall), hervorgerufen durch Überlastung, Dehydration und die Einnahme von 12 x 200 mg Ibuprofen, welches von manchen Läufern als “Vitamin I” bezeichnet wird (Aschwanden, 2009).  

    Quelle: Fallbeispiele (vgl. Schek, 2015)

    Wissenschaftliche Erkenntnisse widersprechen verbreiteten Annahmen

    Interessant dabei ist, dass – wissenschaftlich betrachtet – die Einnahme von Schmerzmitteln vor oder während des sportlichen Wettkampfs nicht zu einer (erhofften) Leistungssteigerung und/oder (intendierten) Schmerzlinderung führt. Nieman et al. (2006) zeigten, dass Ultramarathonläufer (n = 29), die im Rahmen eines 160-km-Laufs insgesamt 1,8 g Ibuprofen einnahmen (3 x 200 mg am Vortag, 1 x 200 mg vor dem Start, 5 x 200 mg alle 4 Stunden während des Rennens), nicht weniger unter Muskelschäden litten als die Kontrollgruppe (n = 25), vielmehr fielen diverse Indikatoren für Entzündungen und Endotoxine im Blut sogar höher aus. 

    Auch auf Muskelkater und Muskelschmerzen, die sich nach einer intensiven Belastung einstellen können, erzielt eine Medikation vor und/oder während des Wettkampfs keine positiven Effekte. Aus medizinischer Sicht ist klar (vgl. Brune et al. 2009): Die (prophylaktische) Anwendung von Schmerzmitteln vor/während intensiven Trainings oder Höchstleistungen im Wettkampf ist weder medizinisch noch sportlich gerechtfertigt. Verschiedene Organsysteme wie Niere, Magen-Darm-Trakt und Herz-Kreislauf werden zusätzlich belastet, die Blutgerinnung kann gestört werden und das Erreichen des erwünschten Ziels (Schmerzfreiheit) während und nach der Anstrengung ist keinesfalls gewährleistet. Geeignete Schmerzmittel können nach der Belastung und nach einer ausreichenden Flüssigkeits- und Salzzufuhr eingenommen werden, wenn mit grosser Wahrscheinlichkeit nachfolgende Schmerzen zu erwarten sind.

    Der Medikamentenmissbrauch nimmt zu – auch die Sportpsychologie ist gefordert

    Eine Kernaussage der ARD-Doku «Pillenkick» lautet: der Medikamentenmissbrauch im Sport nimmt zu – auch bei Jugendlichen und Frauen. Der Konsum von Medikamenten ist Teil einer auf Perfektion getrimmten Leistungsgesellschaft. Davor bleibt auch der Sport nicht verschont. Kürzlich durfte ich im Rahmen eines Interviews mit der Zeitung «Züricher Oberländer» (ZO, siehe unten) Möglichkeiten im Umgang mit dieser Entwicklung darlegen. Meine pädagogisch orientierte Haltung zielt insbesondere in zwei Richtungen: es gilt, mehr in Gesundheit und Prävention zu investieren und vor allem Kinder und Jugendliche vor dem drohenden „Pillenkick“ zu schützen. Nachfolgend sechs Leitideen für die Umsetzung in die sportpsychologische Praxis.

    1) Information

    Wenn Schmerzmittel – dann die passenden Medikamente richtig dosiert und zum richtigen Zeitpunkt! Ein Missbrauch, falsche Dosierung oder eine heimliche Selbstmedikation müssen unbedingt vermieden werden. Die Sportpsychologie steht in der Pflicht, dieses Wissen – z.B. in einer Coach-the-Coach-Situation im Rahmen eines interdisziplinären Austauschs – einzufordern. In Zusammenarbeit mit der Sportmedizin sollen sportartbezogene Tipps (siehe Abb. 2) erarbeitet werden. Dadurch werden auch Offenheit, Transparenz und Seriosität im Umfeld der Athleten gefördert.

    Tipp: Kleiner Leitfaden zum Einsatz von Schmerzmitteln (aus: Brune et al. 2009, S.41, Link)

    2) Schwerpunkt Jugendleistungssport:

    Jugendliche wachsen heute mit der Pille für jede Gelegenheit auf. Ecstasy für den nächsten Partybesuch, Beta-Blocker vor der Abschlussprüfung, Melatonin für besseren Schlaf oder eben Schmerzmittel gegen den drohenden Muskelkater. Hier braucht es im Sport eine bewusste und sozial unterstützte Abkehr. Kampagnen wie „cool and clean“ von Swiss Olympic oder GATE der Deutschen Sportjugend (im DOSB) zielen in eine positive Richtung. Entscheidend ist aber das „gelebte Vorbild“ – hier sind die Eltern gefragt, aber auch erfolgreiche Sportidole, die „cool and clean“ vorleben und verkörpern können. Die Sportpsychologie übernimmt die Moderation!

    3) Sensiblisierung: 

    Aus Sicht der Sportpsychologie interessiert vor allem eine Frage: Warum greift ein Athlet in einer bestimmten Situation zu einem Schmerzmittel? Wo liegen die Gründe? Welches sind die Überzeugungen, die den vermehrten Griff zum erhofften „quick fix“ leiten? Im Leistungssport dürften insbesondere Stresssituationen (Zeitdruck, Leistungsdruck, Qualifikationssituation etc.) den Ausschlag geben. 

    Schauen wir aber auch in die Regionen unterhalb des Profitums: Vielleicht will der Freizeitsportler seine Grenzen nicht wahrhaben? Getrieben von falschem Ehrgeiz kann der Griff zum Ibu dann auch ein sehr unüberlegter sein. Ein gesundheitsförderlicher Umgang mit dem Thema «Schmerzen» müsste aus psychologischer Sicht auch zum Ziel haben, die Erholungs-Belastungs-Bilanz entsprechend positiv zu gestalten.

    4) Nichtmedikamentöse Behandlung von Schmerzen:

    Fachlich gut ausgebildeten und erfahrenen SportpsychologInnen stehen im Bereich des komplementären Schmerzmanagements eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dazu gehören u.a. klassische Formen der Gesprächstherapie, Achtsamkeitsübungen, Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitstraining, Visualisierung, Hypnose sowie der Einsatz von Musik. Angesichts der aktuellen Diskussion hinsichtlich eines gesundheitsförderlichen Umgangs mit körperlichen Schmerzen gilt es, unsere sportpsychologische Fachkompetenz im Bereich der nichtmedikamentösen Behandlung noch deutlich zu steigern! 

    5) Mut zur Abwechslung und Veränderung:

    Bezogen auf die Prophylaxe und Therapie von Schmerzen im Breiten- und Freizeitsport sollte jeder bei wiederkehrenden, starken Schmerzen für sich selbst die Sinnhaftigkeit des Trainings und/oder der Sportart prüfen. Manchmal könnte es gesünder sein, die Sportart zu wechseln oder auf andere Trainingsreize zu setzen. Vielleicht hilft auch eine sportmedizinische Abklärung, um geeignete (neue) Wege zu beschreiten, auch um einer weiteren Schädigung des eigenen Körpers vorzubeugen. Auch hier kann die Sportpsychologie unterstützend zur Seite stehen.

    6) Thema für die sportpsychologische Supervision:

    Aus meiner eigenen Arbeit und den daraus gewonnenen Erkenntnissen im Umgang mit dem «Pillen-Sport» bleibt zum Schluss eine wichtige Einsicht. Es ist ein Kernthema im aktuellen Leistungssport, das mich in der Vergangenheit auch schon an meine fachlichen und moralischen Grenzen geführt hat. In solchen Situationen half vor allem der Austausch mit anderen FachkollegInnen – ein typisches Beispiel also auch für Intervision und Supervision!

    Mehr zum Thema:

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    Weitere Informationen
    TV-Doku „Pillenkick“

    Das Thema Schmerzmittelmissbrauch im Sport in den Medien:

    www.pillenkick.de – Landingpage von Correctiv und der ARD-Dopingredaktion zu den gemeinsamen Recherchen mit vielen Beiträgen, Videos und Texten

    Geheimsache Doping – Beiträge der ARD-Dopingredaktion

    Ärzteblatt – Beitrag „Schmerzmittel: Missbrauch auch im Breitensport“ auf Basis der Recherchen von Correctiv und der ARD-Dopingredaktion

    ZO, Ausgabe Samstag, 11. Juli 2020

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    Weitere Informationen

    Quellen:

    Brune, K., Niederweis, U., Kaufmann, M. & Küster-Kaufmann, M. (2009). Jeder Zweite nimmt vor dem Start ein Schmerzmittel – Analgetikamissbrauch bei Marathonläufern. MMW-Fortschr.Med.Nr 151 (40), 39-42.
    https://www.semanticscholar.org/paper/Analgetikamissbrauch-bei-Marathonläufern%3A-Jeder-vor-Brune-Niederweis/681902af06930378642b4faa3069931871e6b64d

    Kamber, M., Alampi, G. & Marti, B. (2000). Arzneimittelgebrauch im Breitensport: Vergleich von Ausdauersportlern und beruflich körperlich Aktiven. Schweizerische Zeitschrift für «Sportmedizin und Sporttraumatologie» 48 (2), 76–79.
    https://sgsm.ch/fileadmin/user_upload/Zeitschrift/48-2000-2/6-2000-2_Kamber.pdf

    Krentz, Joel & Quest, Braden & Farthing, Jonathan & Quest, Dale & Chilibeck, Philip. (2008). The effects of ibuprofen on muscle hypertrophy, strength, and soreness during resistance training. Applied physiology, nutrition, and metabolism, 33. 470-5.

    Nieman, D.C. et al. (2006). Ibuprofen use, endotoxemia, inflammation, and plasma cytokines during ultramarathon competition. Brain, Behavior, and Immunity, Elsevier (20) 6, 578-584

    https://doi.org/10.1016/j.bbi.2006.02.001

    Schek, Alexandra. (2015). Substanzmissbrauch im Leistungssport. Leistungssport. 45. 52-55.
    https://www.researchgate.net/publication/301328067_Substanzmissbrauch_im_Leistungssport

    Stamm, H., Stahlberger, M., Gebert, A., Lamprecht, M. & Kamber, M. (2011). Supplemente, Medikamente und Doping im Freizeitsport. Schweizerische Zeitschrift für «Sportmedizin und Sporttraumatologie» 59 (3), 122-126.
    https://sgsm.ch/fileadmin/user_upload/Zeitschrift/59-2011-3/Supplements_Spomed_3-11-4_Stamm.pdf

    https://www.coolandclean.ch/de/ueber-uns.html

    https://www.dsj.de/index.php?id=477

    https://correctiv.org/top-stories/2020/06/08/pillenkick/

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