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Thorsten Loch: Abstiegskrise – Maßnahmen für den Trainer

Ein Abstiegskampf geht an niemanden spurlos vorbei. Im Fokus stehen dabei nicht selten die Trainer. Denn Im Vergleich zu den einzelnen Spielern besitzt der Trainer den weitreichensten Einfluss innerhalb des Teamgefüges. Er entscheidet über die Aufstellung, Taktik und Umfang sowie Gestaltung des Trainings. Wir sehen also, dass aufgrund seiner Position und Handlungsmöglichkeiten, der Trainer mit seiner Art und Weise im Umgang mit Krisensituationen erheblichen Einfluss auf die weitere Entwicklung hat.

Zum Thema: Wie Trainer in sportlichen Krisensituationen handlungsfähig bleiben können

Es erscheint logisch und nachvollziehbar, dass ein Trainer mit immer wiederkehrender Misserfolgserlebnissen wohl eher selten zufrieden mit seiner eigenen Arbeit sein dürfte. Das bedeutet nicht, dass ausschließlich ihm die alleinige Verantwortung für den Ausbleibenden Erfolg zugeschrieben werden darf, jedoch geben sportliche Misserfolgsphasen Anlass, dass eigene Tun kritisch zu hinterfragen. Aus dieser Situation heraus ist es nicht immer leicht, eigene Fehler und damit Verbesserungspotential zu erkennen. Nicht zuletzt, weil Trainer unter einem permanenten Rechtfertigungsdruck stehen (man denke an die Medien, Fans, Spieler, usw.). Zeitgleich sind die Coaches jedoch dazu gezwungen, ihre eigene Position zu stärken – im Hinblick auf drohenden Autoritätsverlust.

Aufgrund des sehr hohen psychischen Drucks und aus der Trainerrolle erwachsende notwendige Vorsicht, bei der Offenbarung von Unsicherheit, sollten Trainer aus meiner Sicht die Hilfe eines externen (sportpsychologischen) Beraters in Anspruch nehmen. Hieraus ergibt sich für sie die Möglichkeit, offen über die Wahrnehmung der Situation zu reden, sich emotional zu entlasten und die Situation auch wieder durch eine neue Brille zu sehen. Der Vorteil eines externen Beraters ist, nicht Teil des Vereinssystems zu sein und damit zunächst einmal frei von jeder Mitverantwortung für die Krisenentstehung. Aus dieser Position heraus ist es der Person möglich, unvoreingenommen über die aktuelle Lage zu sprechen und dem Trainer Rückmeldung zu geben.

Vereinfachung der Taktik trifft auf exzessive Taktikschulung

Die Erhöhung der Handlungssicherheit ist nicht durch einen einzelnen Schritt, sondern durch ein Bündel von Maßnahmen zu erreichen. Hier kann es z.B. hilfreich sein, die spieltaktische Ausrichtung ein wenig zu verändern. Möglicherweise macht es Sinn, sich mehr auf die Basis zu stützen, wie Disziplin, Kampfbereitschaft, Athletik usw. umso wieder an Handlungssicherheit zu gewinnen. An jenem Punkt schließt sich folgender an.

Auch die Umsetzung einer einfacheren Taktik erfordert im ersten Schritt, dass diese von allen Spielern nicht nur verstanden, sondern auch verinnerlicht wird. Idealerweise sollte jeder Spieler ganz genau wissen, welche taktischen Aufgaben von ihm verlangt werden. In diesem Zusammenhang sollte der Trainer seine Ideen/Ziele zum einen handlungsorientiert und schwerpunktmäßig prozessorientiert vermittelt. Diese Vorgehensweise in Kombination bzw. verknüpft formuliert als Teilziele, sollten hier favorisiert werden. Zwingende Voraussetzung ist jedoch, dass der Trainer eine klare Vorstellung von dem Bild besitzt, welches er von dem jeweiligen Spieler fordert.

Wettkampforientierte Visualisierung

Mittels einer wettkampforientierten Visualisierung wird es möglich, dass die Spieler wieder Sicherheit im Kopf gewinnen. Hier können die Spieler in Wettkampfsituationen gebracht werden. Das entscheidende Stichwort ist in diesem Zusammenhang „Handlungsorientierung“. Wenn der Spieler sich in der Wettkampfsituation befindet und genau weiß, wie er zu reagieren hat, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieser auch in der realen Situation so agiert.

Die Spieler haben die jeweilige Spielsituation schon einmal durchgespielt und erlebt und dabei die Erfahrung gemacht, aus sie aus ihrer eigenen Stärken heraus diese Herausforderung erfolgreich bewältigen können. Dies gibt Sicherheit in den Köpfen der Spieler. Voraussetzung hierfür ist, dass jeder Spieler ein realistisches Bild von sich und seinen Fähigkeiten besitzt, sowie sich möglichst authentisch/erlebbar in eine Wettkampfsituation begeben kann.

Veränderung der Einstellung gegenüber den Spielern

Anhand wissenschaftlicher Untersuchungen konnte herausgefunden werden, dass Trainer in Krisenzeiten intensiven Ärger gegenüber ihren Spielern entwickeln oder aber einen abwertende-resignative Haltung einnehmen (siehe dazu den Blog von Dr. René Paasch; emotionale Intelligenz). Diesen typischen menschlichen Denkfehler wird auch als „fundamentalen Ursachenerklärungsfehler“ bezeichnet. Dieser beschreibt, dass bei der Erklärung des Verhaltens anderer Personen eher Ursachen gesucht werden, die in der Person selbst liegen, und weniger Ursachen, die in der begründet Situation liegen.

Es ist leichter anzunehmen, dass ein Spieler viele Fehler macht, weil ihm die nötige Qualität fehlt (Ursache in der Person), als anzunehmen, dass die Situation es ihm schwer macht, gut zu spielen (Ursache in der Situation). Dieses Phänomen lässt sich sehr schön nach einem Wochenende beobachten, wenn die Leistungen der Profis in Clubheimen und/oder Kabinen diskutiert werden. Dabei sind Aussagen wie „Die verdienen doch Millionen, dann sollen sie auch Leistung bringen!“ keine Seltenheit, oder? 😉

Praxistipp

Folgende praktische Übung eignet sich hervorragend, um Ärger gegenüber einzelnen Spielern abzubauen. Versuchen Sie es. Folgen sie einfach den aufgezeigten Schritten.

  1. Schließen sie die Augen und nehmen eine angenehme Position ein. Atmen sie tief und gleichmäßig ein und aus. Stellen Sie sich die Person vor, übet die sie sich besonders ärgern. Vielleicht kommen ihnen dabei sofort alle negativen Eigenschaften dieses Spielers in den Sinn.
  2. Nun tun Sie etwas gegen Ihre Gewohnheit: Überlegen Sie, was Ihnen an diesem Menschen gefällt. Positives gibt es bei jedem zu entdecken. Wichtig ist, dass Ihnen irgendetwas einfällt, was Sie an diesem Spieler gut oder auch nett oder sympathisch finden. Versuchen Sie, diesen Spieler so positiv zu sehen, wie es Ihnen möglich ist.
  3. Denken Sie darüber nach, warum und wieso auch dieser Spieler unter der Situation leidet und welchen Beitrag die Krisensituation dazu leistet, dass dieser Spieler nicht sein volles Leistungspotential entfaltet.
  4. Überlegen Sie, wie Sie diesem Spieler dabei helfen könnten, mit seinen Schwierigkeiten fertig zu werden.

Zugegebenermaßen ist die Übung nicht leicht und erfordert ein wenig Mut bzw. erfordert, dass Sie über ihren eigenen Schatten springen. Jedoch lohnt es sich, einmal eine andere Perspektive einzunehmen. Und ehrlich gesagt, ist der Perspektivwechsel nicht eine der Hauptaufgaben eines Trainers? Im Übrigen lässt sich diese Übung sehr gut zu zweit durchführen. Eine Variation besteht darin, dass man für jeden Spieler eine Karteikarte anlegt und die Antworten auf die entstehenden Fragen auf der Rückseite notiert. So können Sie über die Zeit eine Kartei anlegen und die Entwicklung der Spieler immer wieder reflektieren.

Nehmen Sie Kontakt auf: https://www.die-sportpsychologen.de/thorsten-loch/

Teamgeist und Lösungsorientierung

Ist die Verbesserung des Teamgeistes erklärtes Ziel, geht es darum Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Einzelnen enger an die Mannschaft und den Verein binden. Dabei besteht ein wichtiger Faktor in der Qualität der Beziehungen, die die Akteure zueinander haben. Die Cliquenbildung gilt es zu vermeiden. Um diesen gruppendynamischen Prozessen entgegen zu steuern, ist es sinnvoll, Maßnahmen zu realisieren, durch die Sympathie unter allen Spielern gesteigert werden.

Ergebnisse aus der sozialpsychologischen Forschung zur Entstehung von Sympathie zeigen, dass je häufiger und je länger sich Menschen begegnen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich sympathisch finden. Dies hat damit zu tun, dass Menschen nur dann Gemeinsamkeiten feststellen können, wenn sie sich begegnen. Und dieser Faktor ist die Voraussetzung für die Entstehung von Sympathie. Daraus folgt, dass der Trainer Rahmenbedingung schaffen muss, damit die Kontaktfrequenz innerhalb des Teams erhöht wird. Möglichkeiten, wie die Gestaltung der Teamentwicklung gesteuert werden kann, zeigen meine Kollegin Lisa Rückel und ich in unserer laufenden Serie auf:

Die Teamentwicklungsphase Forming:

Mehr zum Thema Abstiegskrise: 

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Janosch Daul: Mentale Einstimmung auf ein Fußballspiel

Ein flaues Gefühl im Magen, ein erhöhter Puls, vermehrtes Schwitzen, sorgenvolle Gedanken… Viele Spieler reagieren vor anstehenden Wettkampfsituationen sowohl kognitiv als auch körperlich besonders intensiv. Spiele sind für viele Fußballer etwas Besonderes. Doch was macht sie so besonders? Und welche Möglichkeiten gibt es für einen Kicker, sich mental einzustimmen, um trotz der besonderen Drucksituation mit Zuversicht ins Spiel zu gehen? In diesem Beitrag möchte ich zwei praktische Verfahren vorstellen.

Zum Thema: Die Besonderheit der Wettkampfsituation

Das Spiel am Wochenende ist für Fußballer das (sportliche) Wochenhighlight schlechthin: Schließlich besteht die Möglichkeit, den Trainern, dem Verein, dem sozialen Umfeld – vor allem aber sich selbst – zum entscheidenden Zeitpunkt zu beweisen, welch großartiger Spieler man doch ist. Doch so verlockend dieser Anreiz für eine Vielzahl an Kickern auch sein mag: Die Besonderheit der Wettkampfsituation mit seinen Charakteristika führt oftmals dazu, dass Spieler ihr wahres Leistungspotenzial nicht abrufen können. Gedanken rund um die Konsequenzen eigener Fehler und einer möglichen Niederlage lassen viele Spieler im Vorfeld eines Spiels nervös werden. Auch die, verglichen mit dem Trainingssetting, veränderten Rahmenbedingungen (z.B. Zuschauerpräsenz, Spiel auf ungewohntem Terrain) können zur Verunsicherung des Spielers beitragen.

Welche Möglichkeiten gibt es für einen Spieler, in Zusammenarbeit mit einem Trainer und/oder Sportpsychologen, sich Sicherheit zurückzuholen? Zwei Verfahren möchte ich nun knapp vorstellen.

Individuelles Motivationsvideo

Eine Voraussetzung für die Erstellung von Motivationsvideos in diesem Kontext ist das Vorliegen von Videomaterial aus vergangenen Spielen. Individuell gestaltete Videos bieten einen sinnvollen Ansatzpunkt, um die Gefühlswelt des Fußballers im Vorfeld eines Spiels positiv zu beeinflussen. Zusammengeschnittene Videosequenzen, die den Spieler erfolgreich in Aktion zeigen, z.B. bei einem erfolgreichen Torabschluss oder einem gelungenen Dribbling, lassen das Selbstvertrauen steigen. Schließlich registriert der Spieler dann, dass er in der Vergangenheit unter ähnlichen Wettkampfbedingungen erfolgreich performt hat, sodass die anfangs möglicherweise etwas bedrohlich wirkende Wettkampfsituation nun weniger einschüchternd wirkt.

Das Motivationsvideo kann zudem musikalisch mit einem Song unterlegt werden, der dem Spieler Kraft und Zuversicht gibt. Auch die Integration eines positiven Selbstgesprächs, eines persönlichen Wettkampfmottos oder die Aufzählung eigener (fußballerischer) Fähigkeiten lässt sich technisch einfach umsetzen. Der Vorteil dieser Technik besteht unter anderem darin, dass der Spieler die Möglichkeit hat, das Video und die damit einhergehenden positiven Emotionen immer und immer wieder abzurufen. Außerdem kann es ohne Probleme in eine Vor-Wettkampf-Routine integriert werden.

Zum Profil von Janosch Daul: https://www.die-sportpsychologen.de/janosch-daul/

Die Erinnerung an frühere Erfolge

Das eben vorgestellte Video kann als Ausgangspunkt für ein weiteres Verfahren dienen, welches zunächst von einem Sportpsychologen oder Trainer zusammen mit dem Spieler erarbeitet werden sollte. Der Kicker wird unter Einnahme einer bequemen Körperhaltung dazu angeleitet, sich bei geschlossenen Augen auf eine ruhige Atmung zu fokussieren. Anschließend richtet er seine Aufmerksamkeit auf einen sportlich besonders schönen oder erfolgreichen Moment, den der Spieler noch vor Augen hat. Nun versucht er, diese Situation detailliert unter Einbezug möglichst aller Sinne nachzuerleben. Dieses mit positiven Emotionen besetzte Erlebnis kann noch verstärkt werden, wenn während der Vorstellung gleichmäßig ein unterstützendes Selbstgespräch geführt wird.

Hat der Sportler unter professioneller Anleitung gelernt, die frühere Erinnerung regelmäßig abzurufen, besteht ein möglicher nächster Schritt für den Spieler darin, diese Vorstellung auch als mentale Einstimmung für das Spiel einzusetzen.

Fazit

Das Reservoir an Möglichkeiten, um sich als Spieler auf ein Spiel mental einzustimmen, scheint unbegrenzt. Von positiven Selbstgesprächen über Musik und schnell wirkenden Entspannungsverfahren bin hin zu Autosuggestionen oder Drehbüchern – der Fantasie sind zunächst keine Grenzen gesetzt. Aber: Wichtig ist für den Sportpsychologen bzw. den Trainer, individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Spielers einzugehen, um ihn bei der Vorbereitung auf die Wettkampfsituation bestmöglich zu unterstützen.

Wenn der Artikel Ihr Interesse geweckt hat und Sie gegebenenfalls weitere praktische Tools kennenlernen möchten, melden Sie sich gerne bei einem meiner Kollegen (https://www.die-sportpsychologen.de/sportpsychologen-nach-sportarten)  oder mir (https://www.die-sportpsychologen.de/janosch-daul/).

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/07/dr-fabio-richlan-leistungsdruck-im-training-fuer-den-wettkampf-ueben/

https://www.die-sportpsychologen.de/2016/10/24/thorsten-loch-richtige-worte-fuer-die-pause/

https://www.die-sportpsychologen.de/2016/11/22/dr-hanspeter-gubelmann-let-the-music-play/

Literatur:

Engbert, K., Droste, A., Werts, T. & Zier, E. (2011). Mentales Training im Leistungssport – Ein Übungsbuch für den Schüler- und Jugendbereich. Stuttgart: Neuer Sportverlag.

Schliermann, R. & Hülß, H. (2016). Mentaltraining im Fußball – Ein Handbuch für Trainer, Übungsleiter und Sportlehrer. Hamburg: Feldhaus.

Weigelt, M. & Steggemann, Y. (2014). Training von Routinen im Sport. In: K. Zentgraf & J. Munzert (Hrsg.) Kognitives Training im Sport (S. 91- 116). Göttingen: Hogrefe.

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Johanna Constantini: Augen auf & Smartphone aus – Wann offline sein im Wettkampf wichtig ist!

Im Zeitalter der digitalen Moderne sind wir ständig mit neuen digitalen Helferlein konfrontiert. Auch im Sport bleiben diese nicht aus. Ganz egal ob Fitness-Apps unsere Schritte zählen oder sprachgesteuerte Gadgets uns an die nächste Trainingseinheit erinnern. Moderne Trainingspartner können helfen, uns weiterhin zu motivieren und Leistungen abzuliefern (mehr dazu gibt´s übrigens in meinem nächsten Beitrag). Wann es jedoch Sinn macht, vor allem in der sportpsychologischen Arbeit mit AthletInnen auch und vor allem auf analoge Formen der Kommunikation zu setzen, erfahrt ihr in meinem aktuellen Blog aus der Serie.

Zum Thema: Was moderne Sportpsychologen von sozialen Medien wissen sollten (Teil 10)

Schreib- oder Handschrift ist immer noch die beste Schrift. Durch die Bewegungen, die wir während dem handschriftlichen schreiben ausführen, aktivieren wir unsere Hirnareale und steigern damit die Verarbeitungstiefe, mit der neue Informationen in unserem Gehirn gespeichert werden. Besser als jede andere Schreibform manifestiert die Hand- oder Schreibschrift damit neue Informationen. Bedeutet: Wir merken uns eher, was wir per Hand, als auf einer Tastatur geschrieben haben. Psychiater und Hirnforscher Dr. Manfred Spitzer fasst die Handschrift dabei treffend als „der Weg in unser Gedächtnis“ zusammen. Wann sind also AthletInnen auf den direkten Weg in ihr Gedächtnis angewiesen? Sowohl in der alltäglichen Trainingstagebuch-Routine, wie auch bei ihrer Wettkampfreflexion.

Es lebe die Schreibschrift!

Johanna Constantini, Die Sportpsychologen

„Was lief heute wirklich gut?“ oder „Wo gibt es Verbesserungsmöglichkeiten in Konzentration, Leistung und Emotionsregulation?“, sind nur zwei der vielen Fragen, die man sich bei diesem Prozess stellen kann. Ganz egal womit sich SportlerInnen im einzelnen bezüglich ihrer Trainings- und Wettkampfsituationen beschäftigen, SportpsychologInnen sollten ihre Schützlinge darauf hinweisen, diese Notizen handschriftlich zu verfassen.

Gleich geht`s los – zwei Gründe, warum nur offline in den Wettkampf gestartet werden soll

Zwei weitere wichtige Aspekte der analogen Kommunikation möchte ich heute bezüglich der unmittelbaren Trainings- oder Wettkampfvorbereitung ansprechen. Dabei ist es für moderne SportpsychologInnen wichtig, das Online-Verhalten ihrer SportlerInnen kurz vor dem Start zu hinterfragen. Warum?

Direkt zum Profil von Johanna Constantini: https://www.die-sportpsychologen.de/johannaconstantini/

Weil das Starren auf Bildschirme die visuellen Fähigkeiten der AthletInnen, wenn auch kurzfristig, stark beeinträchtigen kann. Verbringen SportlerInnen in der Startvorbereitung zu viel Zeit vor einem Bildschirm, kann es zu massiven Überanstrengungen der Augen kommen. Dabei unterscheidet man zwischen visuell-asthenoptische und okulär-asthenoptische Beschwerden. Visuell-asthenoptische Beschwerden betreffen die subjektive Sehbeeinträchtigung wie zeitweilige Kurzsichtigkeit, Doppeltsehen, veränderte Farben, brennende, tränende, gerötete Augen, flimmernde Bilder, Lidflattern (augen.de).

Okulär-astehoptische Beschwerden beziehen sich auf subjektiv empfundene Empfindungen am Auge selbst. Dabei kann es sich um Brennen, Stechen oder Rötungen handeln, die im Training und Wettkampf zu Leistungseinbußen führen können. Als SportpsychologInnen tun wir Gutes, indem wir unseren AthletInnen helfen, ihr Startritual offline zu gestalten, um ihre Augen zu schonen.

Digitale Beeinträchtigung

Doch nicht nur dass, denn auch was den AthletInnen kurz vor ihrem Start inhaltlich an digitalen Medien geboten wird, kann Leistungen beeinträchtigen. Hat etwa der größte Konkurrent gerade ein anderes Turnier gewonnen? Kam es zu Änderungen im Verband, die gewisse Championatsteilnahmen in der kommenden Saison schwerer machen werden? Alle möglichen Informationen, die SportlerInnen in den Minuten vor ihrem Trainings- oder Wettkampfstart ablenken, können negative Auswirkungen auf ihre Psyche und damit die Leistungen haben. Mehr dazu gibt´s in meinen vorangegangenen Blogs aus der Serie Was moderne Sportpsychologen von sozialen Medien wissen sollten.

Grundsätzlich gilt: Smartphone rechtzeitig vor dem Wettkampf aus, um den Blick in vielerlei Form aufs Hier und Jetzt fokussieren zu können!

Die komplette Serie:


Quellen:

www.augen.de

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Die Sportpsychologen werden immer wichtiger

Immer wieder blieben die Passanten auf der Karl-Heine-Straße, der Lebensader im angesagten Leipziger Szene-Viertel Plagwitz, vor den großen Fenstern stehen. „Barcamp?“ „Sportpsychologie?“ „Rote Couch?“ Zugegeben, die Location von „Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp“ am ersten November-Wochenende war etwas speziell. Denn für gewöhnlich finden im „Noch besser leben“ keine Konferenzen, sondern eher experimentelle Konzerte, Lesungen und Theateraufführungen statt. Aber genau deshalb passt die Örtlichkeit für die Macher des Netzwerkes Die Sportpsychologen bestens in Konzept.

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Weitere Informationen

„Wir gehen gern neue Wege, um unsere Ziele zu erreichen“, sagt Prof. Dr. Oliver Stoll, der gemeinsam mit dem Journalisten Mathias Liebing das Netzwerk Die Sportpsychologen im Juni 2014 gründete. Seither ist die Plattform auf etwa 40 Profilinhaber aus Deutschland, Österreich und der Schweiz angewachsen. Tendenz steigend. 

Inhalte kommen an

Im Fokus der Plattform Die Sportpsychologen stehen Blog-Beiträge, Leitartikel, Insiderberichte und Video-Clips, über die die Profilinhaber über ihre sportpsychologische Arbeit berichten. Prof. Dr. Stoll: „Konkretes Ziel ist es, dass wir mit unseren Inhalten möglichst häufig und in bestmöglicher Qualität Sportler, Trainer, Funktionäre, Unternehmer und Journalisten erreichen und mit dem Thema Sportpsychologie konfrontieren.“

Der Ansatz funktioniert. Inzwischen erreicht die Plattform „www.die-sportpsychologen.de“ im Durchschnitt 17.500 Seitenbesucher und 50.000 Seitenaufrufe pro Monat. Tendenz wiederum steigend. Prof. Dr. Oliver Stoll: „Das Interesse am Thema Sportpsychologie wächst spürbar. Und durch unsere breite Aufstellung über viele Sportarten und über die Ländergrenzen hinweg, werden unsere Inhalte mehr und mehr gefunden.“ Damit nicht genug: Immer häufiger kommt es neben Interview- und Vortragsofferten auch zu Betreuungsanfragen. Dies beginnt bei der Kontaktaufnahme von Eltern von Nachwuchssportlern und reicht bis hin zu professionellen Fußballvereinen. 

Eigene Veranstaltungsformate

Mit eigenen Veranstaltungsformaten wie „Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp“ setzen Die Sportpsychologen immer wieder Reize in ausgewählten Sportarten. Nach dem E-Sport wurden mittlerweile auch der Fußball und der Ausdauersport bedient. „Bei den Veranstaltungen geht es darum, dass wir einen Austausch zwischen den Sportlern, Trainern und Funktionären in der jeweiligen Sportart und unseren Profilinhabern hinbekommen“, erklärt Prof. Dr. Stoll, der im gleichen Atemzug betont, dass diese Events immer auch zum Knüpfen und Vertiefen der Kontakte innerhalb des Netzwerkes genutzt werden. „Und dies wird immer intensiver genutzt, weil wir alle immens voneinander lernen und profitieren können.“ 

Als Konkurrenz zu den Berufsverbänden der Sportpsychologen in Deutschland, der Schweiz oder Österreich treten Die Sportpsychologen nicht auf. „Wir sehen uns vielmehr als Ergänzung zu den Institutionen und Kooperationspartner. Denn der Markt Sportpsychologie entwickelt sich und stellt uns mehr denn je vor ganz neue Fragen.“ 

Aufklärungsbedarf

Durch Unterstützung von Jürgen Walter, einem Profilinhaber von Die Sportpsychologen, der bereits einen Film zum Thema Sportpsychologie produziert hat, wurde im Sommer 2018 eine Interviewreihe gestartet. Redaktionsleiter Mathias Liebing, der unter anderem für klassische Medien wie die ARD Sportschau, das ZDF, DAZN, MDR und die Deutsche Welle über sportpsychologische Themen berichtet, produziert für die Plattform Video-Interviews. Dazu trifft der Journalist gemeinsam mit Profiinhabern auf Sportler, Trainer und Funktionäre und konfrontiert diese mit sportpsychologischen Themen. 

Bemerkenswert: Immer wieder wird in den Gesprächen deutlich, wie wenig ausgeprägt das Wissen um das Thema Sportpsychologie im leistungsorientierten oder professionellen Sport ist. 

Auf Expansionskurs

Die Plattform Die Sportpsychologen will weiter expandieren. Interessierte Sportpsychologen und qualifizierte Mentaltrainer sind herzlich eingeladen, dem Netzwerk beizutreten. Alle Informationen befinden sich hier: https://www.die-sportpsychologen.de/mitmachen/

Gern stehen Fachredakteur Prof. Dr. Oliver Stoll und Redaktionsleiter Mathias Liebing für weitere Fragen zur Verfügung. https://www.die-sportpsychologen.de/wir-ueber-uns/

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Dr. René Paasch: Verführer Jürgen Klopp und wie Trainer von ihm lernen können

Sie führen mehr als 25 Spieler. Müssen sich täglich hinterfragen, stehen dauerhaft unter medialen Beschuss, führen das Funktionsteam und müssen sich mit unterschiedlichsten Kenntnissen, Kulturen und Sprachen arrangieren. Sie tragen die Verantwortung für Erfolge und verlieren ihren Trainerjob, wenn es schlecht läuft. Fußballtrainer sind Führungskräfte mit großartigen Kompetenzen. Diese möchte ich anhand des Beispiels von Jürgen Klopp in dem nun folgenden Beitrag näher erläutern.  

Zum Thema: Was können Führungskräfte von Jürgen Klopp lernen?

Wer erfolgreich führen will, muss wissen, wie er bei seinen Spielern positive Emotionen auslöst. Begeisterung und Leidenschaft sind der emotionale Kraftstoff, der Spieler zu Lust auf Leistung animiert statt mit Druck, Angst und Kontrollzwang zu führen. Jürgen Klopp ist für mich ein wahrer Meister der emotionalen Führung. Er praktiziert den so genannten Rundumführungsstil, der mich stark beeindruckt und in Verknüpfung zum “Full Range of Leadership Model” von Bass und Avolio zu ganz konkreten Deutungsansätzen inspiriert hat.

Klopps Art der Spielerführung verändert deren Einstellung und Werte und entwickelt sie dauerhaft. Aus meiner Erfahrung heraus ergeben sich vier unterschiedliche Kompetenzen, die sich eine Führungskraft (auch außerhalb des Fußballs oder des Sports) aneignen sollte. Ich gehe dabei grundsätzlich davon aus, dass Spieler bestimmte emotionale Grundbedürfnisse haben, allen voran nach Vertrauen und Weiterentwicklung. Werden diese gezielt gefördert und befriedigt, danken es die Spieler mit besonderem Engagement und Leistungsbereitschaft.

Der Rundumführungsstil (Inspiration nach “Full Range of Leadership Model” von Bass und Avolio, 1995)

1. Der persönliche Einfluss

Vielen dürfte nicht entgangen sein, dass Klopp eine ganz besondere Ausstrahlung besitzt und vorlebt, was er von anderen erwartet. Er wird von seinen Spielern als Vorbild akzeptiert und genießt höchsten Respekt. Diese Vorbildfunktion, die auf hohen moralischen Standards beruht, erzeugt ein tiefes Vertrauensverhältnis. Gleichzeitig ist dies die Basis für die hohe Identifikation der Spieler mit ihrem Trainer. Dass die Identifikation mit dem Trainer für die Leistungsentwicklung des Spielers einen entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt, belegen meine Erfahrungen und Aussagen von Spielern. Es fallen Aussagen wie: „Er versteht seine Spieler. Ich war bereit, mit ihm durchs Feuer zu gehen,“ oder „Er ist herausragend! Ich habe so viel von ihm gelernt“.

2. Ideengeber

Erfolgreiche Trainer verfolgen eine klare Vision und schaffen es, die Spieler für diese zu begeistern. Sie lösen Ideen und Optimismus aus. Sie geben ihren Spielern herausfordernde Ziele, erklären den tieferen Sinn und machen jedem Einzelnen klar, wie wichtig dessen Beitrag für den Teamerfolg ist. Das ist eines der Erfolgsrezepte von Jürgen Klopp. Seine Spieler berichten, dass sich der Trainer immer wieder viel Zeit nimmt, jedem einzelnen das „Warum“ hinter seinen Anweisungen und Erwartungen zu erklären.

3. Inspiration

Sie regen die kreativen und geistigen Potenziale ihrer Spieler an. Sie wollen, dass sie  eigenständig denken. Sie ermuntern ihr sportliches Umfeld dazu, den Standard kritisch zu hinterfragen, gewohnte Handlungen zu überdenken und neue Lösungswege auszuprobieren. Selber mitzudenken, Verantwortung zu übernehmen und eigene Ideen einzubringen, fördert nicht nur die persönliche Entwicklung, sondern ist gleichzeitig ein Beweis des Vertrauens, dass der Trainer seinen Spielern entgegen bringt.

4. Individualität

Jeder Spieler ist anders. Erfolgreiche Trainer betrachten ihre Spieler nicht als identisches Team, sondern wissen um die Individualität des Einzelnen. Sie kennen ihre Spieler und gehen auf die individuellen Bedürfnisse ein. Sie zeigen glaubhaftes Interesse an jedem Einzelnen und fördern bewusst die individuellen Fähigkeiten. Das wird von den Spielern als Zeichen der Wertschätzung interpretiert und erklärt, wieso sie sich so vehement für ihren Trainer und somit für ihren Verein engagieren. Jürgen Klopp zum Beispiel sagt, dass man den anderen zunächst einmal verstehen müsse, um dann individuell auf ihn eingehen zu können. Klopp wörtlich: „Je mehr man sich um den Einzelnen kümmert, desto mehr bekommt man zurück!“

Die Rundumführung ist demnach weit mehr als einer von mehreren Führungsstilen. Übergeordnetes Ziel ist es, die Entwicklung der Spieler und ihre Eigenverantwortung systematisch zu fördern. Damit steigt der Grad der Selbstbestimmung, eine zentrale Grundlage ohne die Spitzenleistungen nicht möglich wäre.

Direkt zum Profil von Dr. René Paasch: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Zusammenfassung

Spieler wollen gefordert werden, denn tief in unseren Genen steckt der Wunsch nach Verbesserung und Weiterentwicklung. Wenn wir in unserem Sport spüren, dass wir Fortschritte machen und besser werden, dann entwickelt sich die so genannte Selbstwirksamkeit (Näheres dazu https://www.die-sportpsychologen.de/2015/08/25/dr-rene-paasch-selbstwirksamkeit-im-fussball).

Selbstwirksamkeit fördert genau die kognitiven Eigenschaften, die sich jeder Trainer von seinen Spielern wünscht: hohe Lern- und Anstrengungsbereitschaft sowie ein hohes Anspruchsniveau an sich selbst. Herausragende Trainer prägen die Persönlichkeit ihrer Spieler. Sie wissen, wo sie ansetzen müssen – meine vier Beispiele zum Rundumführungsstil sollen in diesem Zusammenhang all diejenigen Trainer inspirieren, die mit dieser Absicht agieren wollen. Bei Führungskräften, die das nicht verstehen können, hilft vielleicht erst mal eine ganz schlichte Botschaft aus der Welt von Klopp: „Der Trainer schießt keine Tore!“

Hinweis: Ich kenne Jürgen Klopp nicht persönlich, insofern muss ich einige Aspekte aus der Ferne deuten. Aber unter uns: Ich würde wahnsinnig gern mal bei ihm hospitieren. Aber wer nicht?

Mehr zum Thema:


Literatur

Furtner, M.  & Baldegger, U. (2012): Self-Leadership und Führung. Springer Gabler; Auflage: 2013

Bass, B. M., & Avolio, B. J. (1995): MLQ Multifactor Leadership Questionnaire, Leader Form, Rater Form, and Scoring. California. Palo Alto, CA: Mind Garden.

Weiterführende Inhalte:

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Thorsten Loch: Sensible Phase – der Sprung in ein Sportinternat

Bei Rasenballsport Leipzig gibt es eine hervorragende Fußballakademie, welche wenig Wünsche offen lässt. Überall sieht es nach professionellem Fußball aus, es riecht förmlich danach. In diesen Genuss kommen aber nicht alle Nachwuchskicker des Bundesligisten, zumindest nicht über Nacht: Denn für Kids im Alter zwischen 13 und 15 Jahren, die nicht aus Leipzig und Umgebung kommen, suchen die Rasenballsportler nach Gastfamilien. “Nestwärme”, nannte dies die Leipziger Volkszeitung in einem Text zum Thema (Link). Ich halte diese Vorgehensweise für gut. Warum, will ich im Beitrag beleuchten.

Zum Thema: Karrieresprung oder Rückschritt – Wenn Kinder ihr vertrautes Umfeld verlassen und welche Bedeutung das Betreuungsumfeld im Verein/Verband hat

Der Mensch als bio-psycho-soziales Wesen pendelt sein ganzes Leben lang zwischen den beiden Polen Geborgenheit und Freiheit. Stetig in dem Bestreben ein dynamisches Gleichgewicht zwischen diesen beiden Ebenen herzustellen. Gelingt es diesen Drahtseilakt ausgewogen zu gestalten, wird eine tiefe innere Zufriedenheit erlebt. Andersherum macht sich bei einem Ungleichgewicht ein Unbehagen breit. So stehen Geborgenheit, Zugehörigkeit und Sicherheit auf der einen Seite sowie Freiheit, Unabhängigkeit, Abenteuer und Risiko auf der anderen. Dieses eingangs als dynamisches Gleichgewicht beschriebene Konstrukt – Wörz (2016) spricht in diesem Zusammenhang von Homöostasestreben – wird in jeder Entwicklungsstufe, in jeder Phase der Veränderung zu einem zentralen Thema im Leben eines Menschen.

Dieser Zustand bzw. der fluide Übergang von Geborgenheit zu Freiheit stellt insbesondere junge Menschen/Nachwuchssportler vor große Aufgaben. Nicht, dass sie mich jetzt falsch verstehen, diese sensiblen Phasen sind per se nichts Schlechtes, darin verbirgt sich auch enormes Entwicklungspotential. Wir, ich spreche in hier insbesondere die Eltern, Trainer, Sportpsychologen, Pädagogen an, sind daher gefordert, Jugendliche auf Veränderungen vorzubereiten und ihnen beide Ebenen zu ermöglichen. Denn man bedenke, dass zu viel Geborgenheit in Form von Überbehütung unselbstständig macht. Dies behindert die Entwicklung des jungen Erwachsenen genauso wie das Streben nach Freiheit ohne Grenzen und Halt. Halten wir fest, dass der größte Stress bei Jugendlichen dann entsteht, wenn sie aus dem vertrauten Umfeld „herausgerissen“ und in den neuen Lebensabschnitt (bspw. Sportinternat) unvorbereitet „hineingeworfen“ werden. In diesem Wechsel liegt der sensible Übergang und sollte daher sehr genau geplant, vorbereitet und begleitet werden (Wörz, 2016).    

Zum Profil von Thorsten Loch: https://www.die-sportpsychologen.de/thorsten-loch/

Spannungsfeld der Veränderung am Beispiel Sportinternat

Mit dem Entschluss, in ein Sportinternat zu wechseln, ändert sich für den Heranwachsenden auf einen Schlag viel. Die Jugendliche verlassen ihre Komfort- und Sicherheitszone wie Familie, Freunde, Schule oder gewohntes Trainingsumfeld oft mit Missstimmung und begeben sich mit Ängsten und Sorgen in die so genannte „weiterführende Entwicklungszone“. Es handelt sich dabei um den nicht definierten Raum zwischen Abschließen des Vergangenen und dem Ankommen im Neuen.

Wenn dieser Übergang nicht entsprechend vorbereitet und begleitet wird und nicht aus einer „vertrauten“ Sicherheit agiert werden kann, erleben Jugendliche eine Leere, die unter Umständen mit dem Verlangen (Stichwort Heimweh) und dem Wunsch zurück in die vertraute Zone halt zu suchen. Dieser Schritt steht der psychosozialen und physischen Weiterentwicklung des Heranwachsenden kontraproduktiv gegenüber. Ein Spannungsfeld, das in den Ansätzen der Pädagogik und Psychologie mit Phasen der Labilität beschrieben wird. Die selbstständige Loslösung aus dem Elternhaus bei gleichzeitigem Bedürfnis nach Schutz und Geborgenheit wird an dieser Stelle wieder zu einem zentralen Thema.

Herausforderung des Betreuungssystems

Damit jener Schritt nicht ein Rückschritt wird, sind die Menschen im Umfeld des Nachwuchssportlers gefragt. Wir sind dazu angehalten, die Phase des sensiblen Übergangs zu erleichtern. Dazu sind die nicht definierten Räume zu füllen und die Talente behutsam auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten. Denn machen wir uns nichts vor, der Weg vom sportlichen Talent zur Weltklasse kann sich alles andere als einfach gestalten und endet häufig damit, dass die Karrieren „schulisch oder sportlich“ vorzeitig beendet werden. Als geeignetes und bedeutungsvolles Rüstzeug sehen Welensiek (2011) und Potreck-Rose (2009) u.a. ein starkes Selbstwertgefühl und die Faktoren der Resilienz, wie Selbststeuerung, realistischer Optimismus, Lösungsorientierung, Selbstwirksamkeit und Beziehungen gestalten können an.

Was können wir aus dem direkten Betreuungsumfeld aktiv tun, damit die jungen Sportler die nötigen Kompetenzen erlangen, um in dieser Zeit sich entwickeln können? Ob letztendlich die sportliche Qualität reicht, einmal auf Weltklasseniveau agieren zu können, sei an dieser Stelle ausgeklammert. Vielmehr sollten wir den in Betracht ziehen, dass wir die nötigen Rahmenbedingungen schaffen und entsprechende Fähig- und Fertigkeiten den jungen Erwachsenen mit an die Hand zu geben, dass die Möglichkeit der bestmöglichen sportlichen Entwicklung überhaupt möglich wird. Diese Verantwortung sind wir den Sportlern schuldig. Und falls tatsächlich der Sprung geschafft wird und irgendwann einmal Edelmetall um den Hals hängt, dann hat das Betreuungsumfeld viel richtig gemacht. Dies sollte jedoch nicht ausschließlich das erklärte Ziel sein, sondern eher als eine zusätzliche Belohnung für die gemachten Bemühungen angesehen werden.

Fazit

Der Sprung eines sportlichen Talents aus seiner gewohnten Umgebung heraus in ein neues unbekanntes Umfeld, stellt für viele eine enorme Belastung da. Der Wunsch nach Freiheit bei gleichzeitigem Bestreben nach Geborgenheit, ist ein Spannungsfeld in welchem sich die Jugendlichen in dieser Phase ihrer Entwicklung stellen müssen. Damit aus dem Traum nicht schnell ein Alptraum wird, sind die Personen im unmittelbaren Betreuungsumfeld des Jugendlichen gefragt. Ob dies die Trainer, Physiotherapeuten, Pädagogen, Sportpsychologen usw. sind, jene Menschen aus diesem  System des Kindes können ihren Beitrag dazu leisten, damit die sportlichen Talente für jene Phase vorbereitet und begleitet werden. Welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden können, werde ich in dem kommenden Beitrag im Detail beschreiben. Wer sich bis dahin nicht Gedulden kann oder will, jenem sei herzlichst der aktuelle Beitrag meines Kollegen Rene Paasch (https://www.die-sportpsychologen.de/2018/11/12/dr-rene-paasch-emotionale-kompetenz-im-fussball/) an Herz gelegt. Wenn sie sich als Trainer oder Internatspersonal angesprochen fühlen, scheuen sie sich bitte nicht, meine Kollegen (zu den Profilseiten) und mich (direkt zum Profil von Thorsten Loch), anzusprechen. Gern sind wir bei den Entwicklung eines Konzeptes für die Vermittlung der entsprechenden Kompetenz behilflich.

Literatur:

Potreck-Rose, F. (2007). Von der Freude, den Selbstwert zu stärken. Stuttgart: Klett-Kotta.

Wellensiek, K. (2011). Handbuch Resilienz-Training: Widerstandskraft und Flexibilität für Unternehmen und Mitarbeiter. Landsberg: Beltz.

Wörz, T. (2016). Die mentale Einstellung. Wien: egoth.

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/11/12/dr-rene-paasch-emotionale-kompetenz-im-fussball/

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Johannes Wunder: Mental gestärkt in die Schlüsselstelle

Die Wettkampfsaison der Kletterer ging am 10. November mit der Deutschen Meisterschaft im Lead-Klettern zu Ende. Viel diskutiert wurde in Darmstadt eine Szene, die sich auch aus sportpsychologischer Sicht beleuchten lässt. Denn in den Qualifikationsroute der Frauen war eine Stelle eingebaut, an der einige Sporterinnen scheiterten.

Zum Thema: Visualisierung während des Wettkampfes

Frederike Fell und David Firnenburg heißen die zwei neuen deutschen Meister im Lead-Klettern. Dahinter siedeln sich Top-Athleten an, welche in den letzten Monaten auf sich aufmerksam machen konnten. Alma Bestvater, die auf unserer Seite vor wenigen Wochen im Mittelpunkt stand (zum Beitrag), erreichte den vierten Platz und verpasste so nur knapp das Treppchen. In sich hatte es zweifelsohne bereits die Qualifikationsroute der Damen zu Beginn des Tages. „In der ersten Qualitour mussten die Damen eine wenig überhängende, dafür extrem kreative Route entlang einer Verschneidung meistern. Die Crux lag in der Mitte: Über einen sehr griff- und trittarmen Teil ging es per Dynamo auf die andere Verschneidungsseite. Hier und in dem darauf folgenden Volumenteil scheiterten viele Athletinnen.”

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Weitere Informationen

Hinweis: Ab 39:30 sieht man die Schlüsselstelle bei Amelie Kühne – eine der wenigen, die sie geschafft haben. Hier zur Berichterstattung des Alpenvereins: https://www.alpenverein.de/wettkampf/fell-und-firnenburg-holen-dm-titel-im-lead_aid_32483.html

Unterschiedlicher Umgang mit der Schlüsselstelle

Der Bundestrainer Urs Stöcker beschreibt nach dem Wettkampf die gestellte Herausforderung wie folgt: „Die Stelle war die Schlüsselstelle, weil es einen Sprung an schlechte Griffe gab. Grundsätzlich nicht super schwer, aber es braucht Überwindung und Mut!“ Während der Quali-Runde konnte man viele Athletinnen beobachten, die sich an dieser Stelle abgearbeitet haben. Aber auch in der Art und Weise, wie das Problem in Angriff genommen wurde, gab es deutliche Unterschiede. Mal wurde vorher pausiert, mal wirkten Athletinnen unentschlossen und mal war viel Körperspannung zu sehen.

Vor jeder Runde wird die Route einmal vom Routenbauerteam geklettert. Alle Athleten können sich also über die Züge informieren die schwieriger sind und sehen zeitgleich eine Variante, wie die Probleme lösbar sind. Das typische „Hangeln“ vor dem Einstieg in eine neue Route dient zur Visualisierung vor der Wettkampfsituation und war am Wochenende wieder häufig erkennbar. Natürlich kann es positiv verstärkt werden, wenn bereits bekannt ist, wie die Züge erfolgreich geklettert werden können.

Sportpsychologische Techniken in der Anwendung

Für die Athletinnen gab es also einige Möglichkeiten, die optimalen Züge bereits vorab mental abzuspeichern und sich die einzelnen Bewegungen bereits am Boden gedanklich vorzustellen. Eine optimale mentale Vorbereitung am Boden hilft aber auch direkt in der Wand. So könnten in der genannten Schlüsselstelle zwei sportpsychologische Techniken angewandt werden. Vor dem eigentlichen Sprung befinden sich die Athletinnen in einer Art Ruheposition mit ausgespreizten Beinen in der Verschneidung.

In dieser Position wäre es zum einen gut möglich, die Techniken der Progressiven Muskelrelaxation (zum Beitrag) zu nutzen, um die Unterarme nach der vorherigen Belastung etwas zu entspannen und zeitgleich den eigenen Körper so zu regulieren, dass Ängste und Zweifel abgebaut werden.

Visualisierung als Schlüssel

Darüber hinaus kann die vorab durchgeführte Visualisierung auch in der zuvor beschriebenen Position durchgeführt werden. So können die Athletinnen kurz in sich gehen und sich erneut vor ihrem inneren Auge vorstellen, wie die Schlüsselstelle optimal zu meistern ist. Im Idealfall haben sie die Technik der Routenbauer wie schon beschrieben bereits in der Visualisierung am Boden eingeprägt und können nun erneut den Bewegungsablauf durchgehen.

Nach der Stützphase und vor dem folgenden Sprung könnten die Techniken also wie folgt abgerufen werden:

  • PMR Techniken zur Entspannung beider Unterarme
  • Kombination von Ausatmung und Ruhewort zur Anspannungsregulation
  • Visualisierung des nachfolgenden Sprungs mit positiven Ausgang

Betreuungsangebote

Meine Kollegen (alle Profilinhaber) und ich (direkt zum Profil von Johannes Wunder) stehen euch als Sportlern und Trainer gern zur Verfügung. Die EInsatzmöglichkeiten der Sportpsychologie im Klettersport sind individuell und vielseitig.

Zum Profil von Johannes Wunder: https://www.die-sportpsychologen.de/johanneswunder/

Mehr zum Thema:

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Dr. René Paasch: Emotionale Kompetenz im Fußball

Ob Traurigkeit, Wut oder Fröhlichkeit, jeder, selbst schon die kleinsten Kicker kennen diese Gefühle. Die einen lassen ihren Gefühlen freien Lauf, andere verstecken sie lieber. Ob rauslassen, verstecken oder entwickeln – warum ist es so wichtig als Fußballtrainer, Gefühle zu kontrollieren? Und welche Bedeutung haben sie für den Umgang mit den Spielern? Dieser spannenden Frage möchte ich in dem nun folgenden Beitrag näher auf den Grund gehen.  

Zum Thema: Jeder kennt Gefühle – aber warum sind sie so wichtig für den Fußballtrainer?

Unsere fußballerische Entwicklung in Deutschland birgt viele neue Herausforderungen und Probleme. Hierzu zählt zum Beispiel das Kommunikationsverhalten zwischen Trainern und Spielern, die Berücksichtigung verschiedener Spielertypen und Nationalitäten, der immer wiederkehrende Erfolgsdruck und die Mehrfachbelastung sowie das Ausbildungskonzept der Nachwuchsleistungszentren und des DFBs. Auf der anderen Seite werden Normen, Werte und Fähigkeiten immer wichtiger, die der moderne Fußball dringendst benötigt. Darunter fallen Eigenschaften wie Menschlichkeit, Menschenführung, Teamfähigkeit und -entwicklung, Individualisierung und die Fähigkeit seine emotionale Intelligenz immer wieder zu trainieren. Es gibt viele verschiedene Ansatzpunkte, um Probleme zu erklären oder Fähigkeiten entwickeln zu können. Ein Ansatzpunkt sind Gefühle, denn die geschilderten Probleme und Fähigkeiten beruhen ganz wesentlich auf einem kompetenten Umgang mit eigenen und fremden Emotionen. Denn Fußballtrainer die ihre Gefühle im Griff haben sind erfolgreicher (Lee, Wäsche, Jekauc, 2018). Emotionen und der Umgang mit ihnen haben großen Einfluss auf die Leistung des Trainers und damit auch auf die gesamte Mannschaft. Diese emotionalen Prozesse verlaufen kreisförmig und können sich in Krisen immer weiter verstärken (siehe Abb. 1).

Abb. 1.: The cyclic model of emotional processes of football coaches

Mit hoher emotionaler Kompetenz sind diese Prozesse steuerbar. Wissenschaftler haben untersucht, welche Rolle emotionale Faktoren bei sportlichen Verläufen spielen. Ergebnis: Ein optimaler und emotionaler Zustand beim Trainer verbessert demnach die sportliche Leistung der ganzen Mannschaft, während gegenteiliges Befinden diese verschlechtert. Folglich ist die emotionale Kompetenz für Entwicklung und Erfolg eines Trainers, die Fähigkeit in den verschiedenen Phasen einer Saison, mit den eigenen Gefühlen und denen der Spieler umzugehen, von Bedeutung.

Ausgleich bringt Stärke

Lee, Wäsche und Jekauc (2018) haben Trainer aus dem Amateur- und Jugendbereich befragt und dabei herausgefunden, dass sich deren Gefühlsbewegungen in einem Kreislauf abspielen: Auf Auslöser wie Siege, Niederlagen, soziale Unterstützung, Fortschritte sowie Stagnation in der Entwicklung der Spieler folgen emotionale Erfahrungen wie Freude, Wut Angst oder Hilflosigkeit. Diese machen sich dann auf körperlicher, mentaler oder Verhaltensebene bemerkbar (steigender Blutdruck, fehlende Gedankenkontrolle, Gesten oder Gesichtsausdrücke). Die befragten Trainer nannten als nächsten Schritt unterschiedlichste Strategien, wie sie mit ihren Gefühlen umgingen. Dies reicht von Gesprächen mit den Spielern oder der Familie bis hin zum sportlichen Ausgleich.

Trainer die offensichtlich gut in der Lage waren ihre Gefühlswelt zu regulieren, fühlten sich hinterher ausgeglichener und stärker, was sich auch positiv auf ihre Tätigkeit auswirkt, indem sie zum Beispiel im Umgang mit ihren Spielern offener und gelassener waren.

Training der emotionalen Kompetenz

Heranwachsende durchlaufen die wichtigsten Schritte ihrer emotionalen Entwicklung in der frühen Kindheit (Petermann & Wiedebusch 2003) und werden dann durch Kita, Schule, Verein, Familie und Freunde nachhaltig geprägt. Sie müssen dabei vielfältige Kompetenzen entwickeln und anwenden können.

  • Gefühle nicht nur nonverbal, sondern auch sprachlich ausdrücken
  • Verständnis gewinnen für Ursachen und Folgen von Gefühlen
  • Emotionen regulieren in Abhängigkeit von unterschiedlichen Personen und Situationen
  • sich emotional und kognitiv in die Situation anderer hineinversetzen können

Wie weit die Regulation von Gefühlen dann als Erwachsener gelingen kann, hängt sowohl von dem Willen ab als auch davon inwieweit Regulationsstrategien erlernt wurden. Beispielsweise kann die Emotionsregulation direkt auf das subjektive Gefühl bezogen sein. Jedoch können auch andere Aspekte der emotionalen Reaktion als „Stellschrauben“ genutzt werden. Anhand dieser lassen sich die Emotionen regulieren, z.B. durch kognitive Umdeutung oder handlungsbezogene Umgestaltung der Situation  ( Link dazu: https://www.die-sportpsychologen.de/2018/05/17/dr-rene-paasch-mit-erfolg-und-misserfolg-umgehen/). Ein weiterer Punkt wäre auch die Möglichkeit durch Veränderung der physiologischen Reaktionsparameter mit Achtsamkeitstraining (Link dazu: https://www.die-sportpsychologen.de/2016/09/21/dr-rene-paasch-der-trend-zur-achtsamkeit/).

Verhaltensorientierte Lernformen

Darüber hinaus möchte ich Ihnen verhaltensorientierte Lernformen zur Optimierung der emotionalen Kompetenz anbieten, die folgende Bestandteile aufweisen sollten:

  • Wahrnehmen: Die Vorgänge erkennen und beobachten, die bei Gefühlen beteiligt sind (Auslöser in der Umgebung, eigene Grundannahmen, Gedanken, die Gefühle selbst und das Verhalten)
  • Verstehen: Die Wirkungszusammenhänge zwischen diesen Vorgängen verstehen lernen. Umgebungsreize lösen eine Bewertung aus, die von eigenen Zielen und Bedürfnissen gelenkt sind. Diese Bewertung führt zu gefühlsspezifischen Gedanken und Empfindungen und diese wiederum zu Verhaltensweisen oder Absichten, mit denen die Umgebungsreize gesteuert werden (Siehe auch Link zum ABC-Modell s.o.)
  • Steuern: Verschiedene Strategien zur Emotionssteuerung kennenlernen und diese kontextabhängig einsetzen (Kultivierung positiver Gefühle und Gespräche)
  • Ausdrücken: Eigene Gefühle ausdrücken und die anderer wahrnehmen. Hierbei sollten Sie versuchen, Gefühle so auszudrücken, dass sie den eigenen Bedürfnissen entsprechen und der jeweiligen Situation angemessen sind
Direkt zum Profil: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Anschließend können Sie dann in regelmäßigen Abständen die o.g. Trainingsinhalte üben und sich dabei mit folgenden Fragen beschäftigen:

Schauen Sie sich die nächste Situation genauer an, in denen Sie Gefühle erleben. Beobachten Sie was in Ihnen vorgeht und versuchen Sie diese Vorgänge genau zu beschreiben:

  • Welche körperlichen Veränderungen nehmen Sie wahr?
  • Welche Gedanken haben Sie?
  • Welche Gefühle können Sie benennen?
  • Und was haben Sie für Verhaltensabsichten?

Emotionale Kompetenz ist für alle wichtig. Besonders in schwierigen Situationen ist es entscheidend, ob wir unsere Gefühle richtig einordnen und gut mit ihnen umgehen können. In einige Studien hat sich gezeigt, dass sie zur geistigen und körperlichen Gesundheit beiträgt, zu besserer Arbeitsleistung führt und zwischenmenschliche Beziehungen stärkt. Ein kluger Umgang mit Gefühlen schützt somit vor Stress und verhilft zu mehr Lebenszufriedenheit (Kotsou, Nelis, Grégoire, Mikolajczak, 2011).

Fazit

Das kreisförmige Modell von Lee, Wäsche, Jekauc (2018) kann somit erklären, warum es für Fußballtrainer sehr schwierig ist, aus dem Teufelskreis negativer Emotionen herauszukommen. Wenn Teams mehrere Spiele in Folge verlieren oder zwischenmenschliche Probleme bestehen, dann verstärkten negative Konsequenzen wie soziale Isolation, geringes Selbstvertrauen, schlechte Konzentration und emotionale Instabilität die negativen emotionalen Erfahrungen immer mehr und könnten die Distanz zwischen Trainer und Mannschaft weiter vergrößern. Darüber bestätigt sich, dass es für einen Trainer schwierig ist, negative Emotionen zu verlassen und mit dem Team effektiv umzugehen. Hingegen sind Trainer mit stabilen Emotionen optimistischer, gelassener und erfolgreicher. Aus den genannten Gründen müssen wir die Trainerausbildung in Deutschland reformieren und die Inhalte der Ausbildung dahingehend verbessern.   

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/05/17/dr-rene-paasch-mit-erfolg-und-misserfolg-umgehen/

https://www.die-sportpsychologen.de/2016/09/21/dr-rene-paasch-der-trend-zur-achtsamkeit

Literatur

Kotsou, I., Nelis, D., Grégoire, J., & Mikolajczak, M. (2011): Emotional plasticity: Conditions and effects of improving emotional competence in adulthood. Journal of Applied Psychology, 96(4), 827-839.

Lee, H., Wäsche, H., Jekauc, D. (2018): Analyzing the Components of Emotional Competence of Football Coaches: A Qualitative Study from the Coaches’ Perspective. Sports 2018, 6, 123.

Petermann, F. & Wiedebusch, S. (2003): Emotionale Kompetenz bei Kindern. 3. überarbeitete Auflage. Hogrefe Verlag, Göttingen. Klinische Kinderpsychologie. ISBN 9783840927102

Internet

Link: https://www.mdpi.com/2075-4663/6/4/123

Link: http://psycnet.apa.org/record/2011-06123-001

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Thorsten Loch: Abstiegskampf – Wie Krisen funktionieren und sich lösen lassen

Fußballexperten wie Matthias Sammer betonen immer wieder, dass Tabellen erst nach zehn Spieltagen eine gewisse Aussagekraft bekommen. Genau genommen ist diese zeitliche Marke auch der Startschuss für den Abstiegskampf. Häufig kommt es in dieser frühen Phase der Saison bereits zu ersten Trainerentlassungen. Und hier und da macht sich im Verlauf eine Stimmung breit, die über kurz oder lang in einer Abstiegskrise eskaliert. Für Verantwortungsträger aber auch für die Spieler stellen solche Phasen maximal harte Prüfungen dar. Im folgenden Beitrag habe ich diese krisenhaften Situationen aus sportpsychologischer Sicht beleuchtet und liefere einige Ableitungen. In weiteren Beiträgen werde ich mich – hoffentlich mit größtmöglicher praktischer Relevanz – den Einzelheiten dieser Thematik zuwenden. Entsprechend freue ich mich über Feedback und die direkte Kontaktaufnahme (zum Profil von Thorsten Loch).

Zum Thema: Handlungsempfehlungen für Vereine im Abstiegskampf

Jeder kennt das Gefühl von Sieg und Niederlage. Die Folgen, welche beide Resultate im Ergebnis innerhalb eines Vereins haben können, sind im Sport allgegenwärtig. Während im Falle des Erfolges sich alle Beteiligten in den Armen liegen und ein intensives Glücksgefühl erleben, schlägt eine andauernde Durststrecke ins Gegenteilige um. Warum dies so ist, wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, auf welche Art und Weise unsere Gefühlslage von Erfolg und Misserfolg beeinflusst wird. Aus psychologischer Sicht mag dies damit zusammenhängen, dass im Falle des Erfolgs im Sport alle seelischen Grundbedürfnisse gleichzeitig befriedigt werden: das Bedürfnis nach Selbstwert, der Wunsch, alle Dinge im Griff zu haben (Kontrolle), das Verlangen nach lustvollen Erlebnissen und nach positivem Kontakt mit anderen. Und genau aus diesem Grund, weil wir den Erfolg so intensiv erleben, leiden wir umso mehr im Falle der Niederlage.

Hinzu kommt, dass Niederlagen immer noch zwei Konsequenzen bedeuten: Erstens erleben die Beteiligten anstelle des erhofften Erfolges die Niederlage als frustrierend. Zweitens werfen Niederlagen zahlreiche zukunftsbezogene Unsicherheiten auf: Werden wir in den kommenden Spielen erfolgreicher sein? Ist unser Saisonziel in Gefahr? Oder wird es möglich sein, die Spielklasse zu halten, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die steigende Unsicherheit lässt sich ebenfalls an den immer kritischerer werden Fragestellungen und Antworten der Trainer und Verantwortungsträger in den Interviews ablesen.

Merkmale von Teams im Abstiegskampf

Doch welche Merkmale weisen Teams auf, welche sich in Abstiegsgefahr befinden? Kirchhof (2003) nennt in diesem Zusammenhang drei wesentliche Merkmale:

  1. Die Mannschaften haben schon zahlreiche Niederlagen in der laufenden Serie verarbeiten müssen (häufige Frustration in der Vergangenheit).
  2. Es ist sehr offen, ob sich an der aktuellen Situation etwas ändert wird (Unsicherheit über die Zukunft).
  3. Die Perspektive tatsächlich abzusteigen, erscheint bedrohlich (negative Konsequenzerwartung).

Auswirkungen einer Abstiegskrise innerhalb des Vereins

Wenn die wichtigsten Merkmale einer Krise darin bestehen, dass eine Mannschaft über einen längeren Zeitraum erfolglos und unter ihren Möglichkeiten spielt und dies mit erheblicher Unzufriedenheit im Verein einhergeht, so lässt sich deutlich umreißen, worin die Risiken der Krise bezogen auf den gesamten Verein liegen:

  • Im Verein und dessen Umfeld entstehen unterschiedliche Auffassungen über Ursachen und Veränderungschancen der Situation. Dies kann zu heftigen vereinsinternen Konflikten führen. Dies birgt die Gefahr von Machtkämpfen, welche im schlimmsten Fall an die Öffentlichkeit gelangen und somit den Verein nach außen als führungsschwach erscheinen lassen. Getreu dem Motto: „Im Verein geht es drunter und drüber!“. (Aktuelles Beispiel: Instagram-Post von Frau Müller)
  • Die mit ausbleibendem Erfolg einhergehenden Frustrationserlebnisse sowie die Perspektive des möglichen Abstieges können bei Spielern, Trainern, Vorstand und selbstverständlich bei Fans zu Zuständen ängstlicher Lähmung, Lethargie oder auch Ärger führen. Diese Zustände können die Entwicklung von „Aufbruchstimmung“ und Optimismus verhindern, was wiederum für die Entfaltung des Leistungspotentials nötig wäre.
  • Die Situation kann bei den Beteiligten zu erheblichen Verunsicherungen führen (mangelndes Selbstvertrauen). Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob und auf welchem Weg die Mannschaft in der Lage ist, zukünftig erfolgreich zu sein? In der Regel führt Verunsicherung zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit, welche in letzter Konsequenz die sportliche Leistung, aber ebenfalls die Entscheidungsqualität negativ beeinflussen kann.
  • Diese Situation schwächt zwangsläufig auch die Position des Trainers im Verein und erhöht gleichzeitig den Handlungsdruck auf den Vorstand. Aus einer geschwächten Autoritätsposition wird es zunehmend schwerer für den Trainer, seine Ziele und Strategien überzeugend zu kommunizieren. Ein zusätzliches Risiko besteht darin, dass sich plötzlich im Falle einer Krise Vorstandsmitglieder einmischen. Dies geschieht häufig impulsiv und emotionsgeleitet.
  • Während in erfolgreichen Phasen alle Verantwortungsträger die Identifikation mit dem Verein suchen und sich mitverantwortlich für den Erfolg fühlen wollen, ist dies in weniger erfolgreichen Phasen weniger der Fall. Das Gegenteilige ist eher zu beobachten. Hier begrenzen sich die Akteure auf ihre Verantwortungsbereiche und die Bereitschaft geht zurück, Mitverantwortung zu übernehmen. Die Problematik besteht darin, dass wenn man sich nicht mitverantwortlich für die Entstehung einer sportlichen Krise fühlt, der Einzelne eine innerliche Distanz zu den unerfreulichen Vorgängen in der Mannschaft und im Verein aufbaut. Hierdurch kann es in Abstiegskrisen zu den so genannten Auflösungserscheinungen kommen.

Abstiegskrise als Problem des ganzen Vereins und nicht nur der Mannschaft

Weil Unkontrollierbarkeitserleben zu Frustration und Feindseligkeit sowie zu Denkblockaden führen, kommt es in solchen Phase von ausbleibendem Erfolg häufig dazu, dass einzelne Personen als hauptverantwortlich (Sündenbock) ausgemacht werden. Aktuelles internationales Beispiel ist die Trainerentlassung von Julen Lopetegui bei Real Madrid nach dem verlorenen Classico. Es ist jedoch wichtig, sich vor Augen zu führen, dass die Überwindung einer Abstiegskrise nicht nur auf den Schultern von wenigen Personen liegen darf. Aus dieser Überlegung heraus, soll im Folgenden eine Sichtweise jener Krise angenommen werden, bei der alle Akteure des Vereins mit in die Lösungsverantwortung mit einbezogen werden. Voraussetzung ist die Annahme, dass jeder Akteur im Verein eigentlich erfolgreich sein möchte und dass er bereit ist, sein Bestes zu geben. Aus diesem Grund werden Abstiegskrisen nicht als Folge mangelnder Motivation betrachtet, sondern als Fortgang der Verkettung von Fehlern. Es wird angenommen, dass Menschen in hochgradig vernetzten und verzahnten Teams sich immer gegenseitig beeinflussen. Und dies gilt selbstredend auch für Fehler und Verunsicherungen. Im besonderen Maße bei Arbeitsgruppen, die unter hohem Zeit- und Leistungsdruck agieren können (und dazu zählen auch eine Mannschaft bzw. der gesamte Verein). Hier liegt folgende Systematik zugrunde: Wenn erst einmal genügend Fehler produziert worden sind, führt die Fehlerverkettung schnell zu einem fehleranfälligen Gesamtzustand (vgl. Abbildung 1).

Abbildung 1, Prinzip der Fehlerverkettung

Krisenmanagement im Verein

Wie bereits zuvor genannt, lässt sich eine Krise aus einer vereinsbezogener Sichtweise oft als ein schleichender Prozess betrachten, an dessen Zustandekommen aber auch deren Bewältigung alle Verantwortungsträger auf unterschiedlicher Weise beteiligt sind. Bei der Umsetzung der im weiteren Verlauf vorgestellten, allgemein formulierten Ziele, sollte jeder Beteiligte – ganz gleich ob Vorstand, Manager, Cheftrainer, Spieler, Physiotherapeut, Sportpsychologe u.v.m. – überlegen, wie konkrete Umsetzungen dieser Ziele Form annehmen könnten:

Ziel 1: Lösungsorientierung vor rückwärtsgewandter Verantwortlichkeitsklärung

Wenn Teams ihre Ziele nicht erreichen, stellt sich in bemerkenswert komplexer Weise die Frage nach der Verantwortlichkeit für die entstandene Situation. Es ist eine Leichtigkeit, die Verantwortung von sich zu schieben und den „Schwarzen Peter“ anderen anzuheften. Es geht immer um die Frage: „An wem oder woran liegt es?“.

Ein kluges Krisenmanagement erfordert deshalb auch, einen weitsichtigen Umgang mit dieser komplexen Fragestellung. Oberstes Ziel sollte in einer solchen Phase sein, dass man in die Lage versetzt wird, kurzfristig erfolgreich agieren zu können, sprich auf dem kürzesten Weg die eigene Handlungsfähigkeit wieder herzustellen. Aus diesem Grund erscheint es als angemessen, die Klärung der Frage für die „Verantwortlichkeit“ der Situation vorerst hinten an zu stellen und eine gemeinsame „Verschuldung“ hervor zu heben. Im zweiten Schritt sollte es darum gehen, nach Lösungen zu suchen.

Ziel 2: Ent-emotionalisierte und konstruktive Situationsanalyse

Die Enttäuschung nach Niederlagen sitzt bei allen tief. Dies betrifft alle, die es mit dem Verein gut meinen. Spieler, Mitarbeiter oder aber die Fans der Mannschaft. Die Schwierigkeit besteht darin, dass ein Individuum im Gefühlszustand der Frustration selten etwas Konstruktives auf den Weg bringen kann. Für eine unmittelbare Wettkampfvorbereitung ist es deshalb sinnvoll, Abstand zu diesen nicht handlungsdienlichen Gefühlen zu gewinnen. Hier hilft es, sich immer wieder vor Augen zu führen, welche Bedeutung Niederlagen in der Gesamtheit des Lebens bedeuten. Sicherlich geht es hier um Geld, Karriere, Verträge usw., jedoch wäre ein Abstieg keine Katastrophe. Es gibt also keine Veranlassung zu anhaltenden negativen Emotionen. Selbst wenn eine Liga nur aus Spitzenmannschaften bestehen würde, sieht das Regelwerk vor, dass jemand den bitteren Weg des Abstieges gehen muss.

Wenig ent-emotionalisierend, sondern eher noch emotionsfördernd ist hingegen, die Gründe für eine Niederlage in Wettkampfbenachteiligung zu suchen. Es lässt sich in den Medienberichten immer wieder beobachten, dass Verantwortliche und Spieler, wenn der Erfolgsdruck höher ist, besonders empfindlich auf falsche Schiedsrichterentscheidungen oder sonstige wahrgenommene Benachteiligungen wie schlechte Wettkampfbedingungen oder unangemessene Härte des Gegners reagieren. Diese Ansicht ist aus unterschiedlichen Blickwinkeln problematisch. Derartige Ursachenzuschreibungen führen zu einer Verstärkung des negativen Gefühlszustands nach einer Niederlage, weil man auch noch den Eindruck von Ungerechtigkeit zu verarbeiten hat. Somit verhindert das Gefühl der Benachteiligung die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Leistung. Vor lauter Ärger über den beispielsweise nicht gegebenen Elfmeter sind viele Spieler nicht mehr dazu in der Lage, sich auf die Korrektur der eigenen Fehler zu konzentrieren. Dies ist jedoch insbesondere in sportlichen Krisen notwendig. Vielmehr muss es darum gehen, sich möglichst auf die Verbesserung der eigenen Handlung zu fokussieren und alles andere auszublenden. Dies ist sicherlich leichter gesagt als getan, aber als Regel kann folgende festgehalten werden: Nach einer Niederlage soll immer geprüft werden, was jeder Einzelne aus diesem Spiel gelernt hat und wie die Spieler darauf aufbauend ihre Leistung im nächsten Wettkampf verbessern wollen. Kirchhoff gibt folgende Argumentevor, welche man sich vor das innere Auge führen soll, damit die Überwindung von den Gefühlen der Benachteiligung besser gelingt:

  • Benachteiligungen sind bekanntlich nicht rückgängig machen zu lassen
  • Glück und Pech halten sich im Verlauf einer Saison normalerweise in der Waage
  • nur selten steht eine Mannschaft aufgrund der Verkettung von unglücklichen Umständen auf einem unerwünschten Tabellenplatz

Ziel 3: Erhöhung der Handlungssicherheit

Eines der Kernmerkmale von krisenhaften Situationen ist die Verunsicherung. Als neutraler Beobachter schreibt man verunsicherten Personen fehlendes Selbstvertrauen zu. Diese Verunsicherung lässt beispielsweise daran erkennen, dass Spieler längere Zeit benötigen, um Entscheidungen zu treffen. Die Folge davon ist, dass die Fehlerhäufigkeit ansteigt und die Beteiligten in der Negativspirale noch weiter nach unten rutschen. Es sei jedoch an dieser Stelle betont, dass nicht ausschließlich die Performance-Leistung der Spieler auf dem Platz durch eine allgemeine Verunsicherung geprägt ist. Unsicheres Handeln auf allen Ebenen des Vereins kann Auswirkungen auf die Handlungssicherheit auf dem Spielfeld haben (sieh dazu Abbildung 1). So tragen akute Finanznöte des Vereins, unklare Vertragsangelegenheiten oder Personalplanung nicht zwingend zu einer Stabilisierung des Selbstvertrauens bei. Es gibt jedoch eine Vielzahl an Möglichkeiten für alle Beteiligten, entsprechend auf allen Ebenen zu handeln. Welche dies sind, werden im Laufe der folgenden Beiträge beschrieben.

Ziel 4: Erhöhung des Teamgeistes

Der Teamgeist einer Mannschaft wird in der Sportpsychologie darin gemessen, indem jeder Spieler anzugeben hat, wie stark sein Wunsch ist, in der Mannschaft zu bleiben. Je stärker dieser Wunsch im Durchschnitt aller Spieler ausgeprägt ist, desto größer ist der Zusammenhalt der Mannschaft. Nun lässt sich in diesem Zusammenhang eine Menge an Faktoren nennen, die dazu beitragen bzw. den Spieler beeinflussen, in dem Verein bleiben zu wollen. Einen Überblick verschafft Abbildung 2.

Abbildung 2, Einflussfaktoren des Teamgeistes

Neben diesen Faktoren hat selbstverständlich das Erfolgs- und Misserfolgserleben einen enormen Einfluss auf die Entwicklung des Teamgeistes. Untersuchungen zeigen, dass erfolgreich agierende Mannschaften einen höheren Teamgeistwert aufzeigen als weniger erfolgreiche Mannschaften. Dass allerdings der Teamgeist alleinige Ursache für den Erfolg einer Mannschaft ist, darf bezweifelt werden. Es gibt Anzeichen dafür, dass erfolgreiche Mannschaften vor allem deshalb einen besseren Teamgeist aufweisen, weil sie mehr Erfolgserlebnisse haben. Erfolg schweißt zusammen. Im Erfolg fühlen sich alle wohl miteinander. Im Umkehrschluss lässt sich deshalb festhalten, dass häufige Niederlagen einen negativen Einfluss auf den Teamgeist ausüben. Deshalb muss erst Recht im Falle einer Krise etwas dagegen getan werden. Ziel ist es, zu erreichen, dass sich alle im Verein „wohl fühlen“. Die Gründe hierfür sind denkbar einfach: Menschen, die sich in ihrem Verein wohlfühlen, sind stärker motiviert, sich für ihn zu engagieren und sind eher bereit, für den anderen einzuspringen und gemeinsam die “Kohlen aus dem Feuer zu holen”. Und das jeder seinen Beitrag dazu leisten kann, dass sich alle wohlfühlen können, bedarf wohl keiner ausführlichen Begründung.

Ziel 5: Entwicklung von Optimismus und Aufbruchstimmung

Im Hinblick auf die zukünftige Leistungsfähigkeit sind die Erwartungen das A und O der Motivation. Es ist zwingend erforderlich, dass die Spieler vor dem nächsten Wettkampf die Kompetenz erlangen, aus eigenen Kräften erfolgreich agieren zu können. Sinnvoll ist es in diesem Zusammenhang das Anspruchsniveau ein wenig herunter zu schrauben. Dies bedeutet nicht weniger zu laufen, zu kämpfen usw.. Vielmehr geht es darum, sich auf die Basisfähigkeiten zu besinnen. Es muss nicht immer das Traumtor des Stürmers sein, sondern es geht auch um einfache Dinge, wie geschickt die Laufwege zu zustellen und eng am Gegenspieler zu stehen. Kleine Erfolgserlebnisse lassen Stück für Stück (bei erfolgreicher Bewältigung) das Selbstvertrauen wieder wachsen (Zum Thema Zielsetzung empfehle ich zum Beispiel einen Beitrag von meiner Kollegin Katharina Petereit: https://www.die-sportpsychologen.de/2014/05/21/katharina-petereit-ziele-machen-sinn/).

https://www.die-sportpsychologen.de/2014/05/21/katharina-petereit-ziele-machen-sinn/

Hier kommt dem Trainer eine Schlüsselrolle zu. Um in Verbindung mit ersten Erfolgen eine Aufbruchstimmung zu erzeugen, bedarf es jedoch einer überzeugenden Vision. Besser noch, einen Plan, welcher den Weg für einen längerfristigen Erfolg weist. Die Überzeugungskraft des Trainers ist für die Mannschaft eine enorm wichtige Rolle. Aus jener Kraft soll das Team wieder den Glauben entwickeln, aus eigener Kraft erfolgreich agieren zu können und eine realistische Chance zu haben. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn sich die Pläne und Visionen schnell als unrealistisch erweisen. In diesem Fall hat es den gegenteiligen Effekt. Vielmehr schüttet man Öl ins Feuer und kann im schlimmsten Fall die Eskalation der Krise beschleunigen.

Direkt zum Profil von Thorsten Loch: https://www.die-sportpsychologen.de/thorsten-loch/

Fazit

Im leistungsorientierten Wettkampfsport kommt jede Mannschaft über kurz oder lang einmal in eine so genannte Krise. Wichtig: Krisen müssen nicht ausschließlich mit dem Abstieg in eine unteren Spielklasse in Verbindung gebracht werden. Krisen können ebenfalls entstehen, wenn der eigene Anspruch deutlich unterboten wird. Die Auswirkungen auf die Spieler, Trainer und Verein im Allgemeinen sind ähnlich. Frustration macht sich bei allen Beteiligten breit und welche Kettenreaktionen dann in Gang gesetzt werden, lässt sich deutlich in den Medien ablesen. Schnell werden „Sündenböcke“ für die vermeintliche Situation ausgemacht (Spieler und/oder Trainer) oder der Vorstand lässt sich zu unangemessen Verhaltensweisen hinreißen.

Dabei sollte im Fall des ausbleibenden Erfolges die Marschroute eine andere sein. Konkrete Maßnahmen und Ziele – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – habe ich im Vorangegangenen skizziert. Ich mache damit deutlich, dass jeder Beteiligte, der dem jeweiligen Verein wohlgesonnen ist, seinen Beitrag dazu leisten kann, dass Ruder sprichwörtlich „herumzureißen“. Welche genauen Maßnahmen für die einzelnen Gruppen ergriffen werden können, werde ich im weiteren Verlauf einer Blog-Serie vorstellen. In dem Zusammenhang freue ich mich über Feedback und eine entsprechende Kontaktaufnahme zu mir (zum Profil von Thorsten Loch) oder meinen Kollegen (zu den Profilseiten).

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/12/14/thorsten-loch-abstiegskrise-massnahmen-fuer-den-vorstand/

https://www.die-sportpsychologen.de/2018/11/28/thorsten-loch-abstiegskrise-massnahmen-fuer-den-trainer/

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Janosch Daul: Ärgerreaktionen im Fußball

Ein verzweifelter Blick, abwinkende Gesten, Tritte in die Luft oder gar gegen den Pfosten, Hadern mit sich und der Welt – Ärgerreaktionen auf bestimmte Situationen können vielfältig sein und doch eint sie eines: Der Verlust von Konzentration auf die kommende Spielsituation. Welchen Einfluss haben negative Emotionen und insbesondere langwierige Ärgerreaktionen auf die Leistungsfähigkeit des Spielers? Mit dieser Fragestellung möchte ich mich im folgenden Beitrag beschäftigen.

Zum Thema: Emotionen im Fußball

Sowohl positive als auch negative Emotionen spielen im Fußball eine bedeutende Rolle. Positive Emotionen wie Freude entstehen meist, wenn ein bestimmtes Ziel erreicht wurde und die Ursache hierfür in den Fähigkeiten der eigenen Person gesehen wird. Angst als negative Emotion ist meist die Folge einer Geringschätzung der eigenen Fähigkeiten im Vergleich zu der Aufgabe, die es zu bewältigen gilt: Der Sportler glaubt nicht daran, mit seinen Qualitäten der Anforderung gerecht werden zu können. Ärger tritt meist auf, wenn aufgrund bestimmter Faktoren ein Ziel nicht erreicht werden konnte.

Emotionen sind und bleiben ein wichtiger Bestandteil eines Fußballspiels, doch entscheidend ist ein im Sinne der Leistungsfähigkeit funktionaler Umgang mit diesen. Insbesondere der Umgang mit Ärgerreaktionen soll in diesem Beitrag thematisiert werden.

Formen des Ärgerausdrucks

Für Außenstehende wird eine Ärgerreaktion am deutlichsten, wenn der Kicker sichtbare Zeichen der Frustration zu erkennen gibt. Über seinen Körper, seine Sprache, Gestik oder Mimik lässt der Fußballer die Außenwelt an seinem Gefühlsleben teilhaben. Dies können verbale Ausbrüche, abwinkende Gesten, Tritte in die Luft oder Ähnliches sein. Der Fußballer lässt seinem Ärger folglich freien Lauf. Diese Form des Ärgerausdrucks wird als „Anger out“ bezeichnet.

Janosch Daul
Direkt zum Profil von Janosch Daul: https://www.die-sportpsychologen.de/janosch-daul/

Manche Spieler dagegen neigen dazu, den Frust in sich „hineinzufressen“ („Anger in“). Die Gedanken kreisen nur noch um die ärgerauslösende Situation und die Konsequenzen. Der Fokus kann, wenn sich ein Spieler in einem solchen Modus befindet, nicht mehr auf das Wesentliche, nämlich die kommende Situation, gelenkt werden.

Beim „Anger control“ dagegen schafft es der Spieler, über Bewältigungsstrategien möglichst schnell wieder ein inneres Gleichgewicht herzustellen und somit wieder zur ursprünglichen Leistungsfähigkeit zurückzufinden.

Konsequenzen einer langwierigen Ärgerreaktion

Sowohl der Ärgerausdruck des „Anger in“ als auch der des „Anger out“ geht mit einigen unmittelbaren Folgen einher, die für den Fußballer nicht leistungsfördernd sind. Neben einer über ein gesundes Maß hinausgehende Aktivierung ergeben sich für den Spieler insbesondere kognitive Beeinträchtigungen: Oftmals belasten störende, meist negative Gedanken oder Selbstgespräche den Fußballer. Zudem geht die Konzentration auf die nächste Spielsituation verloren. Die Wahrnehmungsfähigkeit ist in solchen Momenten stark eingeschränkt. Der Spieler nimmt eine Art „Tunnelblick“ ein, der dazu führt, dass von außen eintreffende Reize nicht mehr funktional verarbeitet werden können. Eine Fähigkeit, die in der komplexen Spielsportart Fußball von enormer Bedeutung ist. Zudem führt eine zu lange Beschäftigung mit einer Ärgersituation zu Zeitverlusten, die insbesondere in Umschaltmomenten nicht zu verschmerzen sind. Ärgerreaktionen haben zumeist auch eine mangelhafte Körpersprache zur Folge. Dies wirkt einerseits negativ auf das eigene Gemüt, da Körper und Informationsverarbeitung in enger Wechselwirkung zueinander stehen. Andererseits hat eine negative Körpersprache auch immer eine aufbauende Wirkung auf den Gegner, der umso erfolgszuversichtlicher wird, je resignierter und frustrierter sich das gegnerische Team präsentiert.

Ärgerauslösende Situationen

Im Training wie im Spiel gibt es eine große Bandbreite an möglichen Szenarien, die Ärgerreaktionen eines Spielers provozieren. Zunächst einmal sind zahlreiche Verhaltensweisen von Akteuren zu nennen, die direkt oder indirekt am Training oder Spiel beteiligt sind. Das Trainerteam als unmittelbare sportliche Bezugspersonen für den Spieler hat einen großen Einfluss auf den Spieler. Kritik oder Beschimpfungen des Co-Trainers oder Trainers als Reaktion auf subjektiv wahrgenommene Fehlleistungen des Kickers im laufenden Training oder Spiel rufen oftmals Ärger- und Stressreaktionen im Fußballer hervor. Insbesondere dann, wenn sich dieser ungerecht behandelt fühlt und die Situation anders einschätzt. Weitere Störelemente können provozierende Verhaltensweisen gegnerischer Eltern oder des gegnerischen Trainers sein, der durch Kommentare und Gesten von außen versucht, die Spieler des anderen Teams zu verunsichern. Auch Gegenspieler, die den Fußballer durch Fouls daran hindern, eine Aktion zu initiieren, fortzusetzen oder zu beenden, werden oftmals zur Ursache sichtbaren Ärgers.

Eine meist noch bedeutsamere Quelle für die Entstehung entsprechend negativer Reaktionen sind eigene Fehlleistungen oder solche der Mitspieler. Dies können vergebene Torchancen, verlorene Zweikämpfe, Stellungsfehler, verpasste Abspielmöglichkeiten und große Patzer sein, die mitunter sogar ein Gegentor zur Folge haben können. Auch Schiedsrichterentscheidungen, die gegen das eigene Team getroffen werden, sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Die Ärgerreaktionen des Spielers sind in der Regel umso gravierender, je bedeutsamer sich eine Entscheidung aus Sicht des Fußballers darstellt. So führen Elfmeterentscheidungen zumeist zu größeren emotionalen Ausbrüchen als vergleichsweise unbedeutende Foulentscheidungen in torungefährlichen Zonen des Spielfelds. Die äußeren Bedingungen stellen einen weiteren potentiellen Auslöser für Ärgerreaktionen dar. Egal, ob ein unebener Rasen, der die Bälle verspringen lässt oder heftig aufkommender Wind – die äußeren Bedingungen selbst entziehen sich der Kontrolle des Spielers und können ihn gegebenenfalls an seiner Zielerreichung hindern.

Konkrete Tipps für die Praxis

Doch wie können Trainer in Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen an einer funktionalen Ärgerbewältigung ihrer Schützlinge arbeiten? Dieser Fragestellung werde ich im folgenden Blogbeitrag nachgehen. Wenn Sie noch Fragen bezüglich des Artikels haben, stehen Ihnen meine Kollegen (https://www.die-sportpsychologen.de/sportpsychologen-nach-sportarten/) oder ich (https://www.die-sportpsychologen.de/janosch-daul/ ) gern zur Verfügung.

Direkt zu den Tipps:

Janosch Daul: Trainingstipps für die Ärgerbewältigung

Literatur:

Alfermann, D. & Stoll, O. (2007). SPORTPSYCHOLOGIE-Ein Lehrbuch in 12 Lektionen (2. Aufl.). Aachen: Meyer & Meyer.Croos-Müller, C. (2011). Kopf hoch- das kleine Überlebensbuch. Kösel: München.

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