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“Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp” – Online-Anmeldung, Anfahrt und Übernachtung

Das Interesse an der Veranstaltung “Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp” zum Thema Ausdauersport ist groß. Wir erwarten zahlreiche Anmeldungen von Sportpsychologen, Mentaltrainern, Sportlern und Trainern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Da die räumlichen Kapazitäten beschränkt sind, empfehlen wir eine zeitnahe Anmeldung:

Online-Anmeldung

Eine Anmeldung für „Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp“ ist ausschließlich über das Online-Anmeldeformular möglich.

    Preis

    • 69 EUR Studenten (bitte Nachweis anfügen)
    • 129 EUR Sportpsychologen*, Mentaltrainer, Sportler, Personal Trainer, Trainer und Funktionäre

    inklusive Snacks, Obst und Getränke

    *Profilinhaber von Die Sportpsychologen erhalten einen Rabatt

    Veranstaltungszeitraum

    „Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp“ im Noch besser leben, Merseburger Str. 25, 04229 Leipzig-Plagwitz 

    Sa., 3. November 2018, 14.00 – 18.00 Uhr
    So., 4. November 2018, 10.00 – 14.00 Uhr

    Anfahrt

    “Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp” findet im Noch besser leben statt. Der Zugang erfolgt über den Eckladen (Ecke Merseburger Straße/Karl-Heine Straße). Anreisende mit PKW können im Umfeld der Karl-Heine-Straße parken.

    Adresse: Noch besser leben, Merseburger Str. 25, 04229 Leipzig-Plagwitz

    Auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln ist das Noch besser leben gut zu erreichen: Nutzen Sie via Hauptbahnhof Leipzig die Tram-Linie 14 in Richtung S-Bf. Plagwitz (Fahrtdauer vom Hauptbahnhof ca. 20 Minuten, Fahrtdauer vom Flughafen ca. 50 Minuten)

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    Weitere Informationen

    Getränke und Verpflegung

    Im Noch besser leben stehen im Veranstaltungszeitraum für alle Gäste kleine Snacks sowie Kaffee, Tee und Softdrinks zur Verfügung. 

    Hotel

    Wir empfehlen für anreisende Teilnehmer folgendes Hotel:

    Philippus, Leipzigs erstes Integrationshotel (Adresse: Aurelienstraße 54, 04177 Leipzig, Telefon 0341 4206690, Homepage: https://www.philippus-leipzig.de/hotel/integration/

    nur 400 Meter (5 Minuten zu Fuß) vom Noch besser leben entfernt:

    • Klassikzimmer, Zimmer pro Nacht 84 EUR (als Einzelzimmer 74 EUR), inkl. Frühstück*
    • Komfortzimmer, Zimmer pro Nacht 104 EUR (als Einzelzimmer 94 EUR), inkl. Frühstück*

    Reservierung per Mail oder telefonisch: hotel@philippus-leipzig.de, 0341 4206690, Codewort: Sportpsychologie bitte angeben

    *Sonderpreise gelten nur für Buchungen bis zum 15.10.2018, danach gelten aktuelle Tageskonditionen

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    Dr. René Paasch: Coming-out im Fußball

    Homosexualität ist noch immer ein Tabuthema im Fußball. Trotz des Coming-outs von Thomas Hitzlsperger hat sich bislang kein weiterer deutscher Nationalspieler oder Topspieler aus der Bundesliga geoutet. Diesbezüglich gibt es jetzt einen Vorreiter. Der MLS-Profi Collin Martin hat sich als erster US-Fußballer während seiner aktiven Karriere öffentlich geoutet. Auf Twitter erklärte der Spieler, weshalb er den Schritt gewagt hat. Warum Homosexualität im Fußball trotz prominenter Coming-outs und zahlreicher Aktivisten immer noch ein schwieriges Thema ist und was sich geändert hat, möchte ich in diesem Blogbeitrag näher erläutern.

    Zum Thema: Homosexualität im Fußball

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    Weitere Informationen

    Homosexualität im Fußball ist ein sensibles und brisantes Thema. Trotz des Coming-outs von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger hat sich bisher kein anderer Nationalspieler mehr öffentlich dazu bekannt. Der ehemalige Spieler von Aston Villa, VfB Stuttgart, Lazio Rom und VfL Wolfsburg (u.a.) ging 2014 an die Öffentlichkeit, jedoch erst nachdem er seine aktive Karriere beendet hatte und das mit größter Vorsicht und Sorgfalt. Die Entscheidung, sich öffentlich zu seiner Homosexualität zu bekennen, sei sehr persönlich und müsse akzeptiert werden. Da sind wir uns größtenteils wohl hoffentlich alle einig. Doch Akzeptanz ist nicht von allen zu erwarten. Zwar sollten Fans, Trainer und Mitspieler gleichermaßen ein offenes Umfeld schaffen und Toleranz zeigen. Doch sieht der sportliche Alltag nach wie vor anders aus. Beleidigungen, verbale Attacken im Netz oder auf dem Platz sind keine Seltenheit. So haben viele homosexuelle Fußballer immer noch Angst vor Anfeindungen und gesellschaftlicher Ächtung.

    Der MLS-Profi Collin Martin ist da viel weiter. Er ist der erste US-Fußballer, der als aktiver Spieler seine Homosexualität bekannt gab. Nach seinem Coming-out erhielt der US-Fußballer breite Rückendeckung. Unter dem Hashtag #soccerforall dankten ihm andere Spieler, Vereine und Fans für seinen Mut und seine Offenheit. Großartig!

    Stabiles Stigma?

    Doch scheint die Umsetzung immer noch schwierig zu sein. Professor Dr. Oliver Stoll hatte sich bereits im Jahr 2014 zum Thema „Stigma Homosexualität im Fußball“ geäußert (https://www.die-sportpsychologen.de/2014/12/23/prof-dr-oliver-stoll-homosexualitaet-im-fussball/). Sein Fazit: Je mehr erfolgreiche Trainer und Sportler zu ihrer sexuellen Orientierung stehen, sich dazu bekennen und je transparenter sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten machen, desto stärker werde die Stigmatisierung verschwinden. Dem kann ich nur zustimmen! Doch was hat sich wirklich in den vergangenen Jahren im Profifußball getan?

    Ein paar Beispiele:

    • Das Magazin Mannschaft führte im Jahr 2017 eine Befragung bei verschiedenen deutschen Bundesliga-Vereinen durch, welche Rolle Menschenrechtsfragen bei der Wahl des Trainingslagers spielen. FC Bayern München, Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt antworten darauf nicht. Weitere Clubs gaben nur allgemeingültige Antworten.
    • Der ehemalige FIFA-Präsident Joseph Blatter forderte kurz nach der Vergabe der Fußball-WM 2022 homosexuelle Fans auf, aus Respekt vor dem Gastgeberland auf Sex während der WM zu verzichten. Es hagelte Kritik! Blatter entschuldigte sich öffentlich.
    • Aber es gibt auch positive Beispiele: Der Schweizer Regisseur Marcel Gisler hat einen Kinofilm über eine schwule Liebesgeschichte im Profi-Fußball gedreht. Erzählt wird in “Mario” eine Liebe zwischen zwei U21-Fußballspielern von Young Boys Bern, die sehr unterschiedlich mit ihrer Homosexualität umgehen. Entstanden ist ein absolut sehenswerter Film, der im Oktober 2018 in die Kinos kommt und hoffentlich viel Anerkennung und Verbreitung findet.

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    Weitere Informationen
    • Etwas älter aber ebenso empfehlenswert ist die mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Doku-Reihe “Tabubruch – Der neue Weg von Homosexualität im Fußball” von Aljoscha Pause

    https://youtu.be/B1FJ2jLfdV8

    Coming-out und Identität   

    Der Grund warum Profi-Fußballer nicht offen schwul leben können, ist aus meiner Sicht eine Mischung aus den alten Denkweisen und -strukturen sowie dem Marktwert des Spielers. Fußball ist ein globales Geschäft und ein Fußballspieler, der Karriere machen will, würde seinen Marktwert dadurch gefährden. Insider bestätigen dies. Und es geht noch weiter: Ein mir bekannter Funktionär und Spielerberater berichtete mir, dass es für homosexuelle Spieler zwischen der Bundesliga und der Dritten Liga gängige Praxis sei, zur Tarnung Schein-Beziehungen mit Frauen zu führen. Diese Spielerfrauen würden zum Teil sogar von Agenturen vermittelt. In diesem Zusammenhang stellt sich mir eine Frage: Welchen Beitrag können wir alle leisten, damit diese soziale Ungerechtigkeit verbessert werden kann?

    Ein wichtiger Schritt dafür ist die Berliner Erklärung: Am 17. Juli 2013 unterzeichneten eine Vielzahl hochrangiger Vertreter/innen aus Bundesministerien, (Fußball-)Sportvereinen und -verbänden sowie weiteren Institutionen, etwa die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und die Charta der Vielfalt e.V. erstmals eine gemeinsame Erklärung gegen Homophobie und für Vielfalt, Respekt und Akzeptanz im Sport. Mittlerweile haben sich zahlreiche Vereine und Institutionen aus allen Ebenen des organisierten Fußballsports angeschlossen und setzen damit Meilensteine gegen Homophobie und für Akzeptanz. Daraus entstand ein umfangreiches Angebot: Aktiv für Akzeptanz, Bildungsangebote für Vereine und Verbände sowie nachhaltige Forschung für mehr Durchblick (http://www.fussball-fuer-vielfalt.de/initiative/). Trotz aller institutionalisierten Bemühungen dürfen wir den Menschen mit seiner einzigartigen Identität aber nicht vergessen.

    Identität

    Für Homosexuelle hat sich vieles verbessert, das Coming-out hingegen bleibt aber nach wie vor ein langer Prozess. Von Betroffenen hört man immer wieder von negativen Reaktionen in der Familie und Freunden. Es werden dann schwachsinnige Kommentare wie „das ist nur eine Krise“ genannt. Manchmal endet dadurch eine Beziehung oder auch eine Karriere. Als homosexueller Fußballer muss man sich ständig neuen Herausforderungen stellen. Wenn man jemand neues begegnet, einen neuen Verein hat oder auch gefragt wird, muss man immer wieder entscheiden, wie viel man erzählt. Damit Akzeptanz entstehen kann, ist es unglaublich wichtig, dass die Familie, Freunde und Teamkollegen (siehe positiv Beispiel MLS-Profi Collin Martin) aktiv unterstützen.

    Für den US-Psychologen Richard Ryan von der Universität von Rochester, ist das nur allzu verständlich. In seiner Studie (Legate, N; Ryan, R. M.; Weinstein, N., 2011) befragte er gemeinsam mit seinen Kolleginnen 161 Homosexuelle, die zwischen 18 und 65 Jahre alt waren. Etwa ein Drittel der Teilnehmer waren schwul, ein weiteres Drittel lesbisch, die restlichen bisexuell. Sie interessierten sich für das Coming-out und welche Erfahrungen sie hinterher gemacht haben (Arbeit, Familie, Freundeskreis, Religionsgemeinschaft). Erkenntnisse: Offenbar wirkt sich die Art der Umgebung erheblich auf die Transparenz aus. In ihrer Religionsgemeinschaft verbargen die Teilnehmer ihre sexuelle Orientierung am häufigsten, 69 Prozent behielten es für sich. In der Schule (50 Prozent) und im Job (45 Prozent) neigten die Befragten ebenfalls zur Stille. Wesentlich offener gingen sie mit ihrer Neigung im Familienkreis um, hier bekannten sich immerhin 64 Prozent. Am wohlsten fühlten sie sich mit dem Coming-Out im Freundeskreis, hier spielten 87 Prozent mit offenen Karten. Nach Ryan hat jeder Mensch drei universelle psychische Grundbedürfnisse: Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit. Wenn diese Bedürfnisse nicht erfüllt sind, neigen Homosexuelle offenbar dazu, ihre Neigung zu verbergen. Übertragend auf den Fußball: Je wohler und sicherer man sich in einem Verein/Mannschaft/Fankultur fühlt, desto eher könnte sich ein Spieler für ein Coming-Out entscheiden. Das wiederrum fördert nicht nur das körperlich Wohlbefinden, sondern auch die seelische Gesundheit.

    Per Klick zum Profil von Dr. René Paasch: https:https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

    Fazit

    Ich hoffe, dass die Bundesliga und die Nationalmannschaft weitere Zeichen setzen und ihre Einflussmöglichkeiten nutzen, so wie es der DFB z.B. in Zusammenarbeit mit Thomas Hitzlsperger bereits getan hat. Zeichen der Akzeptanz von Vielfalt lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise setzen. Und was ist mit einem Coming-out? Ich empfehle schwulen Fußballern, sich zusammen zu tun und ein „Gruppen-Outing“ zu machen. Dieser Schritt müsste entsprechend gut geplant sein, vielleicht sollten einige Experten aus dem PR-Bereich oder vertrauensvolle Medienleute hinzugezogen werden. Einen helfenden Beitrag können sicher auch wir Sportpsychologen leisten. Die öffentliche Last würde sich bei einer kollektiven Aktion dann auf mehrere Schultern verteilen. Der Profi-Fußball wird sich früher oder später ohnehin der Realität stellen müssen.

    Mehr zum Thema:

    https://www.die-sportpsychologen.de/2014/12/23/prof-dr-oliver-stoll-homosexualitaet-im-fussball/

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    Weitere Informationen

    Literatur

    Legate, N; Ryan, R. M.; Weinstein, N. (2011): Is Coming Out Always a “Good Thing”? Exploring the Relations of Autonomy Support, Outness, and Wellness for Lesbian, Gay, and Bisexual Individuals

    Internet

    http://www.fussball-fuer-vielfalt.de/

    http://journals.sagepub.com/doi/pdf/10.1177/1948550611411929

    Quelle

    Coverfoto: Szenenbild aus dem Film „Mario“, das Bild wurde im PR-Material der Agentur Rische-PR zur Verfügung gestellt

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    Johannes Wunder: Was Basketballer von Bergsportlern lernen können

    Die Basketballsaison steht vor der Tür und bald beginnen in allen deutschen Profi-Ligen die „Spiele“. Die übliche Vorbereitungszeit von etwa sechs bis acht Wochen neigt sich dem Ende zu. Zeit, nochmal alles aus den Spielern herauszuholen, um „on-point“ in die Saison zu starten. Viele Trainer denken hierbei an erneutes Wurftraining, weitere Einheiten mit taktischen und technischen Schwerpunkten. Was häufig wenig Beachtung findet, sind mentale Hilfestellungen für die Sportler, damit nicht nur der Körper auf dem Punkt fit ist, sondern auch das Köpfchen mitspielt.

    Zum Thema: Sportpsychologische Methoden für den Teamsport

    Direkt zum Profil von Johannes Wunder: https://www.die-sportpsychologen.de/johanneswunder/

    „Gut zwei Drittel aller Sportler sind nicht in der Lage, ihre Top-Leistung dann abzurufen, wenn es darauf ankommt.“ So beschreibt mein Kollege Oliver Stoll (zur Profilseite) in einem Interview mit dem BR seine Erfahrungen (https://www.br.de/mediathek/podcast/radiowissen/sportpsychologie-was-bringt-mentales-training/799739). Auch im Teamsport und natürlich im Basketball ist diese Problematik ein leidiges Thema. Immer wieder ist zu beobachten, dass ein Team erst im zweiten Viertel ins Spiel findet oder gar erst nach der Halbzeitpause. Ab und an wird im Anschluss davon gesprochen, dass die Gegner das Team überrollt haben.

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    Weitere Informationen

    Was können Ursachen im Teamsport sein, dass die Mannschaft nicht „on-point“ fertig ist?

    Zu Beginn ist es wichtig, zu differenzieren, dass ein Team aus mehreren Individuen besteht, welche im Idealfall ein gemeinsames Ziel verfolgen. Für den Trainer bedeutet dies aber nicht nur, ein Team zu formen, sondern auch, dass man auf zwei Ebenen methodisch arbeiten kann, Leistungen punktgenau abzurufen – individuell und über das Kollektiv.

    Die Möglichkeiten, ein Kollektiv so vorzubereiten, dass die Leistung ab dem Sprungball abgerufen werden kann, sind natürlich begrenzt. Abgesehen vom taktischen und technischen „Fahrplan“, gibt es dennoch Punkte, die auch ein Trainer steuern kann:

    • Wann trifft sich das Team vor dem Spiel in der Halle?
    • Wie viel Zeit bleibt bis zum gemeinsamen Warm-Up?
    • Wie lange und vor allem wie intensiv wird das Warm-Up gestaltet?
    • Wann gibt es die obligatorische Kabinenansprache?

    Vorhandene Grenzen

    Diese Liste kann mit Sicherheit beliebig ergänzt werden, gibt aber bereits einen Einblick, worauf auch ein Trainer zugreifen kann, um das Abrufen von Leistung steuern zu können. Aber Vorsicht: Nur bedeutet ein frühzeitiges Ankommen an der Halle nicht unbedingt, dass die Spieler die Zeit nutzen, um sich körperlich und mental auf den bevorstehenden Wettkampf vorzubereiten. Und auch ein noch so strukturiertes Warm-Up, bei dem auf Belastungsspitzen oder den Abfall der Konzentration eingegangen wird – sei es mit entsprechenden Übungen beziehungsweise Drills oder eben einer Abstimmung der Belastungsdynamik mit der Kabinenansprache – haben immer entsprechende Grenzen.

    Natürlich kann auch der Trainer durch ein fokussiertes Auftreten und eigene Abläufe seine Spieler dazu bringen, ihm zu „folgen“. Die Wichtigkeit des Wettkampfes kann so herausgehoben werden – auch während der Trainingswoche. Leadership gilt in diesem Zusammenhang nicht nur für die Top-Spieler, sondern vor allem für den Trainer.

    Fokus auf Routinen

    Nur bleiben bei all den Werkzeugen des Trainerstabs noch viele Fragen offen. Für mich ist eine davon essentiell: Haben die Spieler Zeit für ihre eigenen Routinen? Und noch wichtiger: Haben die Spieler überhaupt eigene Routinen?

    Routinen sind eine Möglichkeit, sich auf den Wettkampf oder einzelne Ereignisse vorzubereiten. Jeder Basketballspieler kennt es und kann es im Schlaf ausführen: Den Freiwurf. Doch so gut Routinen beim Freiwurf helfen, es bleibt bei vielen Spielern auch bei eben dieser Routine. Andere Sportarten, wie Klettern oder auch Tennis, zeigen uns hierbei, wie es gehen könnte. Denkbare Basketball-Routinen könnten im individuellen Warm-Up eingebaut werden. Eine Abfolge von individuellen Übungen, die helfen, die eigene Komfortzone zu erreichen (z.B. Wurf) oder individuelle Dehn- oder Mobilisierungsübungen, um das Körpergefühl zu verbessern. Auch Routinen zur Wahrnehmung (Koordination, Reaktion) sind durchaus sinnvoll und es bietet sich an, diese in seine eigene Routine einzubauen.

    Visualisierungen mit Anwendungsbeispielen

    Ein großes Feld in der Sportpsychologie ist zudem das Thema Visualisierung. Beim Klettern sieht man sie regelmäßig. Athleten mit ausgestreckten Armen über dem Kopf hangeln sich mental durch die bevorstehende Route. Auch der Skifahrer Hermann Maier hat während seiner aktiven Karriere mit Visualisierungstechniken auf sich aufmerksam gemacht. Die Visualisierung könnte bei Basketballern damit beginnen, den Warm-Up-Prozess mental durchzuspielen, so dass am Ende der Zeit ein optimaler Zustand erreicht wurde, welcher von Beginn an Top-Leistung abrufen lässt.

    Zum Beispiel: „Der Sprungball wird gewonnen und das Momentum ist sofort beim eigenen Team.“ Zudem wäre es möglich, dass technische Bewegungsabläufe durchgegangen werden, zum Beispiel Post-Up-Bewegungen bei Centerspielern oder Pick-and-Roll Varianten bei Aufbauspielern. Das alles kann je nach Bedarf noch mit den Anweisungen des Trainers während der Gegneranalyse abgeglichen werden, zum Beispiel mit den zu erwartenden Verteidigungsvarianten. Eine weitere Möglichkeit bietet sich bei besonderen Aufgaben. Jeder Spieler auf Profi-Niveau kennt seine unmittelbaren Gegenspieler und deren Spielerprofil. Auch die Charakteristik von guten Schützen oder schnellen Offensivspielern lässt sich gut in einer Visualisierung einbauen – der Sportler spielt gedanklich mehrere Aktionen durch, in der er den starken Offensivspieler am Zug zum Korb hindert.

    Let the music play

    Zu guter Letzt bietet auch die Musik eine Reihe von Möglichkeiten, seinen Kopf auf die bevorstehende Aufgabe vorzubereiten. Viele Athleten haben eigene Playlists vor dem Wettkampf, welche sie in „Stimmung“ bringen soll. Dies können sich auch Basketballspieler zu nutzen machen, einige Athleten sieht man hierbei bereits.

    Abschließend bleibt noch zu sagen, dass es nicht nur darum geht, Techniken anzuwenden, sondern vielmehr die, die individuell am geeignetsten sind. Dafür ist es notwendig, dass die Spieler sich selbst, Stärken und Schwächen kennen. Zudem müssen die Spieler bei vielen Techniken in der Lage sein, achtsam den Ist-Zustand zu registrieren, um diesen mit dem Optimal-Zustand abgleichen zu können. Hierfür helfen Techniken aus dem Entspannungs- oder Achtsamkeitstraining beziehungsweise der Meditation.

    Eigene Erfahrung

    Mal am Rande: Bereits in einem vorherigen Artikel habe ich über Sportpsychologie im Wettkampfklettern geschrieben, insbesondere über die Spitzensportlerin Alma Bestvater. Nachdem einige Wochen ins Land gegangen sind, habe ich auch selbst die erwähnten Techniken beim Klettern oder Bouldern angewandt. Und es funktionierte hervorragend. Was ich damit sagen will? Basketballer können durchaus auch etwas von Bergsportlern lernen. Und: Individuelle Technikanwendungen aus der Sportpsychologie haben durchaus das Zeug, das Teamergebnis begünstigen.  

    Mehr zum Thema:

    https://www.die-sportpsychologen.de/2018/07/24/alma-bestvater-olympic-combined-ihr-harter-weg-nach-tokyo/

    https://www.die-sportpsychologen.de/2015/03/26/elvina-abdullaeva-befluegelnde-musik/

    https://www.die-sportpsychologen.de/2017/02/22/christian-hoverath-die-pausen-im-tennis/

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    Prof. Dr. Oliver Stoll: Tierische Instinkte (Streakrunning-Serie, Teil 9)

    Nein – mein verletztes Außenband, über welches ich im August fast folgenschwer gestolpert bin, war nicht das Ende des Streaks (Link zum Juli-Beitrag). Ich bin weiter gelaufen. Und dennoch hat mich dieses Ereignis auch im August noch – aus verschiedenen Gründen – nachhaltig beschäftigt. Zum einen natürlich rein orthopädisch, funktional, medizinisch. Zum anderen aber eben auch mental, psychologisch und …..philosophisch.

    Zum Thema: Streakrunning-Serie, Teil 9

    Prof. Dr. Oliver Stoll
    Per Klick zum Profil: Prof. Dr. Oliver Stoll: https://www.die-sportpsychologen.de/oliver-stoll/

    Kommen wir – wie gewohnt – zu den Fakten: Der August schlägt mit 255,80 km zu Buche (siehe Abbildung 1). Ich laufe nun seit 243 Tagen mindestens eine Meile, wobei ich aber bis jetzt noch nie diesen Joker „ziehen musste“. Im Schnitt sind es ca. 8 Kilometer am Tag – also so gesehen: Keine unmenschliche Leistung. Aber: Mehr als im Juli, aber auch weniger als im März, April und Mai. Und bedenkt man, dass ich das mit einem verletzten Außenband im rechten Sprunggelenk gelaufen bin, dann staune ich schon auch selbst am heutigen Tag.

    Auszug aus Runalyze – „Täglich Laufen seit 243 Tagen“

    Wie ging das nun also weiter? Der Außenbandriss – vielleicht war es auch nur ein Anriss (wie schon gesagt, ich habe mir das nicht durch eine gehaltene Röntgenaufnahme letztendlich beweisen lassen) – ist nun ca. fünf Wochen her. Ich habe so gut wie keine Beschwerden mehr. Das Gelenk schwillt nur noch dann mal etwas an, wenn ich vor lauter Euphorie, mal wieder Trail laufen zu können, doch wieder umknicke (aber das vergeht dann auch wieder über Nacht). Und ansonsten fühlt es sich da unten rechts natürlich nicht unbedingt immer super stabil an, aber eben auch nicht so, als das ich irgendwie groß rumheulen müsste.  Ich habe mir natürlich darüber Gedanken gemacht, wie das nun weitergehen soll und habe mich im Internet informiert, wie das andere gemacht haben und was dafür und dagegen spricht (Gegen das Weiterlaufen findet man mehr Argumente als für das Weiterlaufen). Aber im Endeffekt habe ich diesbezüglich eine mutige, vielleicht nicht unbedingt vernünftige Entscheidung getroffen. Aber anstatt mich den im Internet immer wieder zu findenden „Horrorszenarien“ zu widmen, wenn man in diesem Falle weiterläuft, dachte ich an den Titel eines Buches, das meine Frau gerade liest: „Am Arsch vorbei, geht auch ein Weg“ und genau diesen habe ich für mich beschritten. Ich habe mich also einfach meinen Instinkten hingegeben. Und so, bin ich dann, entgegen vieler gut gemeinter Ratschläge, einfach weitergelaufen.  Und dabei habe ich wieder einmal etwas über das „Wunderwerk Mensch und seine (Selbst-)Heilungskräfte“ gelernt.

    Prof. Dr. Oliver Stoll: Das Ende? (Streakrunning-Serie, Teil 8)

    Laufende Inspiration

    Zum anderen habe ich mich – neben Arbeit, Familie und Laufen – auch mit einem anderen, sehr spannenden Menschen beschäftigt (und das hat natürlich auch mit der vorher beschriebenen Thematik zu tun). Bernd Heinrich, ein emeritierter Professor für Biologie hatte eine Professur an der Universität in Vermont und neben einer unglaublichen “Läufer-Karriere” auch ein Buch geschrieben, dass meiner Meinung nach, jeder Sportstudent und/oder Läufer mal gelesen haben sollte (siehe Literaturhinweis am Ende des Blog-Beitrags). Bernd Heinrichs Familie stammt aus Westpreußen. Sein Vater war der Zoologe Gerd Heinrich. Die Familie musste 1945 aus Polen fliehen und lebte nach dem Zweiten Weltkrieg fünf Jahre in einer kleinen Hütte im Wald Hahnheide bei Trittau in der Nähe von Hamburg, bis sie 1950 nach Maine (USA) auswanderte. Bernd Heinrich hat in Zoologie promoviert und erhielt zwei Ehrendoktortitel. Er ist Autor mehrerer Sachbücher und unter anderem Preisträger der John-Burroughs-Medaille. 2004 wurde er zum Mitglied der American Academy of Arts and Sciences gewählt. Er lebt heute in Hinesburg, Vermont, in einer Blockhütte in einem Wald in Maine.

    „Sei ein gutes Tier und bleib deinen tierischen Instinkten treu“ 

    (Bernd Heinrich)

    Neben der Biologie ist Bernd`s Leidenschaft das Laufen. 40-jährig!!! lief er einen Marathon in 2:25. Ein Jahr später, bei seiner ersten Teilnahme an einem 100-km-Lauf siegte er 1981 in Chicago in einer Zeit von 6:38:21, was damals eine Weltbestzeit auf der Straße und einen US-Rekord bedeutete, der 14 Jahre hielt. 1983 stellte er mit 156 Meilen und 1388 Yards (252,327 km) einen neuen US-Rekord über 24 Stunden auf. Und am 19. Mai 1984 sicherte er sich mit 12:27:01 einen weiteren US-Bestwert über 100 Meilen, der bis heute nicht unterboten wurde. Heute läuft er täglich, zumindest klingt das in seinem Buch so an („Heute verbinde ich mit meinem täglichen Lauf….“ S. 11, Buch: Laufen“, siehe Literaturhinweis). Darin schildert er seine eigenen Erfahrungen mit dem Laufen und zieht Vergleiche zwischen menschlicher und tierischer Ausdauerleistungen.

    Ein einfacher Läufer

    Da dachte ich mir jedenfalls  – das ist wohl ein Mann, der sich auskennt und zum Thema Laufen sicher etwas zu sagen hat. Ich will jetzt hier keine Rezension seines Buches schreiben. Dafür bräuchte ich deutlich mehr Platz. Und, nun gut – Bernd ist Biologe. Und damit hat er eine vielleicht „etwas enge Sicht“ – nämlich eine im Wesentlichen eine biologische – auf das Thema „Laufen und Bewegung“ (und vielleicht weniger eine eher psychologische, wobei ich das eigentlich auch gleich wieder relativieren muss). Aber zum Thema „Laufen und Verletzung“ fand ich folgendes Zitat in seinem Buch hoch spannend:

    „Einfach zu laufen, um Geschwindigkeit und Ausdauer zu trainieren, berücksichtigt alle wichtigen Aspekte – all die unzähligen Glieder in der sehr langen und sehr komplexen Kette. Das heißt, die notwendige Komplexität und Effizienz des Laufens lässt sich ganz einfach erreichen – durch Laufen. Ich muss keine Gewichte heben. Nachdem ich mir die schwere Verletzung zugezogen hatte (Bernd Heinrich hatte sich in jungen Jahren bei Gewichtstraining einen Bandscheibenvorfalls zugezogen, Anm.: Oliver Stoll), habe ich nie wieder ein Gewicht angefasst. Und ich habe nie den Hauch eines leistungssteigernden Wirkstoffes zu mir genommen. Um ein Läufer zu werden, bin ich einfach gelaufen“ (Heinrich, 2013, S.95).

    Eine besondere Einstellung zur Natur

    Ausgleichstraining? Stabitraining? Gewichtstraining? Medikamente („Doping“) ? Alles Fehlanzeige! Was vom Laufen kommt, geht durch Laufen auch wieder weg. Gut, das ist natürlich eine einzelne Meinung und das lässt sich sicher auch nicht verallgemeinern. Aber mir hat dieses Zitat (mit meiner selbstverständlich sehr selektiven Sichtweise gerade) sehr gut gefallen. Bernd Heinrich hat natürlich noch sehr viel mehr zum Thema „Laufen“ zu sagen. Ich bin beeindruckt von seiner grundsätzlichen Einstellung zur Natur und zu sich selbst sowie von seinem Respekt, jedem Lebewesen gegenüber. Aber macht Euch einfach selbst ein Bild. Dazu empfehle ich das sehr inspirierende Portrait-Video:

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    Weitere Informationen

    Traumhafte Augusttage

    Aber zurück in mein Läuferleben: Der August war ein sehr schöner Monat. Es war vielleicht ab und zu mal etwas zu warm, aber gerade die letzten Augusttage waren ein Traum. Wahrscheinlich auch deshalb, weil Frauke und ich beschlossen haben, dass wieder häufiger zu machen, was wir in den ersten Jahren unserer Beziehung fast jedes Wochenende gemacht haben, nämlich einfach raus aus Leipzig (oder damals Donauwörth), irgendwo ins Mittelgebirge und sich dort bewegen. Der Alltag und die Sorgen und Gedanken, die wir auf unserer Arbeit über genau diese haben, zerstören eben nicht nur das eigene, tägliche Wohlbefinden, sondern eben auch Beziehungen. Miteinander zu leben, ist eine tägliche Aufgabe, die sich nicht voll allein erledigt. Sich austauschen, zuhören, miteinander reden, Ziele und Visionen für die Zukunft entwickeln, sind starke Beziehungsmotoren. Und wenn man dann auch noch gemeinsam ein Hobby teilt, dann ist das eben der Oberhammer! Ich kann schon auch ganz gut alleine so vor mich hinlaufen und mich dabei pudelwohl fühlen. Wenn man aber z.B. solche schönen Lauftouren, wie z.B. rund um Blankenburg im Harz (nördlich der Teufelsmauer zum „Hamburger Wappen“ und dann südlich der Teufelsmauer hoch auf den Kammweg mit kleinen Klettereinlagen zurück nach Blankenburg) gemeinsam erleben kann, dann sind das einfach nicht zu schlagende Erinnerungen, die das gemeinsame, verbindende Band emotional noch einmal sehr viel stärker werden lässt.

    Frauke vor dem „Hamburger Wappen“ in der Nähe von Blankenburg im Harz

    Nun schauen wir mal, was der Monat September so bringen wird. Auf alle Fälle haben wir dort mal wieder zwei Läufe „mit Start-Nummer“. Zum einen den Südthüringentrail am kommenden Wochenende, bei dem Frauke und ich am Freitagabend sogar öffentlich unser Buch: „Einmal war ich in Biel“ vorstellen werden. Und zum anderen, eine Woche später, heißt es wieder: „Laufen in meinem Wohnzimmer“. Für mich steht zum elften Mal  der Berlin-Marathon an. Und ich weiß, ich werde es lieben. Ich wette jedoch trotzdem, dass mich dieses Thema – also laufen mit Start-Nummer“ – wieder einmal beschäftigen werden wird.

    Zwei “Messages”

    Mein Fazit zum Monat August beinhaltet, psychologisch betrachtet, zwei „Messages“: Auch wenn es nicht immer gut läuft oder ihr verletzt seid, hört in Euch hinein, seid mutig, lasst Euch nicht zu sehr von der Meinung anderer beeinflussen. Sei ein gutes Tier und bleib deinen tierischen Instinkten treu! Denkt nicht immer zu lange nach, Durchbrich die Grübel-Spirale und „Just do it“.

    Und zum Zweiten: Kümmert Euch um die Menschen, die ihr liebt, und mit denen ihr solche grandiosen Erlebnisse teilen könnt. Das ist besser als jede Psychotherapie! Soziale Unterstützung ist der beste Stresspuffer, den es gibt!

    Literatur

    Heinrich, B. (2015). Laufen – Geschichte einer Leidenschaft, 5. Auflage. Berlin: Ullstein.

    Die komplette Serie:

    Prof. Dr. Oliver Stoll: Streakrunning ist „Mentales Training“ (Streakrunning-Serie, Teil 1)
    Prof. Dr. Oliver Stoll: Grenzenlose Gelassenheit (Streakrunning-Serie, Teil 2)
    Prof. Dr. Oliver Stoll: Die Sinne schärfen sich (Streakrunning-Serie, Teil 3)
    Prof. Dr. Oliver Stoll: Gefangen zwischen Leistungsorientierung und Bauchgefühl (Streakrunning-Serie, Teil 4)
    Prof. Dr. Oliver Stoll: April – der Monat, in dem sich alles verändert… (Streakrunning-Serie, Teil 5)
    Prof. Dr. Oliver Stoll: Laufen im Mai – Von Hitze, viel Grübeln und mit allen Sinnen genießen (Streakrunning-Serie, Teil 6)
    Prof. Dr. Oliver Stoll: Krisenmonat Juni (Streakrunning-Serie, Teil 7)
    Prof. Dr. Oliver Stoll: Das Ende? (Streakrunning-Serie, Teil 8)

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    Dr. Hanspeter Gubelmann: Inside Sport Psychology – Do we practise what we preach?

    Was ist Sportpsychologie? Welche Themenfelder umfasst die angewandte Sportpsychologie und wie entwickelt ein Sportpsychologe seine spezifischen Kompetenzen, um in der Sportpraxis Sportlerinnen und Sportler zu begleiten? Genau davon berichte ich üblicherweise in der ersten Semesterstunde in der Vorlesung «Sportpsychologie» im Rahmen des Lehrdiploms Sport an der ETH Zürich. Gestützt auf relevante Basisliteratur (siehe Quellenverzeichnis!) und exemplifiziert am eigenen Werdegang versuche ich, den Studierenden einen möglichst anschaulichen und interessanten ersten Einblick in unser Arbeitsfeld zu vermitteln. In einer abschliessenden Diskussion wird mir meist die Frage gestellt: „Gehört es zum Anforderungsprofil des Sportpsychologen, selbst ein sehr guter Sportler (gewesen) zu sein?“ Meine Antwort auf diese Frage lautet immer: „Aus meiner Optik nein! Was ich allerdings als unabdingbare Voraussetzung erachte, ist ein ausserordentlich hoch ausgeprägtes Interesse am Sport generell sowie möglichst vielfältige Selbsterfahrungen – als Trainerin oder als Athlet – in der Praxis.“ Von einer derartigen Selbsterfahrung berichtet dieser Beitrag.

    Die Rede ist von „Cycle Greater Yellowstone“ (CGY), einer Rad-Mehretappen-Veranstaltung, die vom 8. bis 14. August 2018 in seiner sechsten Austragung durchgeführt wurde. Die Eckdaten deuten auf ein ambitioniertes Unterfangen hin: In sieben Tagen soll eine Strecke von rund 800km mit insgesamt 7’000 Höhenmetern absolviert werden, wobei sich die 350 FahrerInnen immer in Höhenlagen zwischen 1’500 und 3’000 Meter über dem Meeresspiegel bewegen. Neben der sportlichen Herausforderung begeistert diese Tour vor allem durch ihre Streckenführung durch das faszinierende Umland des Yellowstone Nationalparks. Es ist ein Event, das nicht rennmässig absolviert wird – trotzdem offenbaren sich die sportlichen Ambitionen vieler TeilnehmerInnen sehr schnell! Wer morgens erst um 8.00 Uhr losfährt, gilt als „easy camper“ – die „hot shots“ stehen pünktlich zur Streckeneröffnung um 7.00 Uhr „sharp“ an der Startlinie.

    How to get started!

    Am Vorabend zur ersten Etappe wurden die TeilnehmerInnen nach Cody, Wyoming chauffiert. Dort bezogen wir das vom Veranstalter zur Verfügung gestellte Sherpa-Tent – eine Zeltunterbringung, die fortan für die FahrerInnen von Etappenort zum nächsten transportiert und eingerichtet wurde. Meine Zeltnummer war die 95, an jenem Abend lernte ich meine Nachbarn in den Zelten 92 bis 94 kennen: Amy, Steve, Tracey und Jane. Auf wunderbare Art repräsentieren sie die Vielfalt im Teilnehmerfeld von CGY: wir alle sind zwischen 50 und 60 Jahren, treiben regelmässig und zuweilen ambitioniert Sport und sehen die bevorstehende Tour als veritable persönliche Herausforderung. Jane ist eine ambitionierte Tennisspielerin, Tracey mag vor allem Crossfit, Steve offenbarte als stolzer Besitzer von 17 Bikes seine Radleidenschaft und Amy outete sich als passionierte Allrounderin. Als die Reihe an mir war, beschrieb ich meine Erfahrungen meiner ersten Teilnahme vor drei Jahren und erwähnte dabei, dass ich als Sportpsychologe arbeite. Sofort warf Jane die Frage in die Runde, wie man als Rookie diesen Mehretappen-Event – auch mental – in Angriff nehmen sollte, um die (Tor-)Tour erfolgreich zu bewältigen?

    Die Fahrerunterkünfte

    Auf dem Programm des ersten Tages standen 70 Meilen, mehrheitlich flach, wobei hohe Temperaturen und starker Wind angekündigt waren. Im Sinne von „keep it stupid simple“ gab ich zur Antwort: „Freut euch auf den tollen Start, endlich geht es los! Startet mit einem „big smile“ und grosser Vorfreude! Zuvor lohnt es, sich den Etappenplan gut einzuprägen, um die Herausforderung in Abschnitten zu bewältigen und dabei insbesondere die Verpflegungsstellen als mentale Orientierungspunkte und für die optimale Verpflegung zu nutzen. Nehmt euch vor, bewusst langsam zu starten, um ein gutes Bewegungsgefühl aufzubauen. Das flache Profil eignet sich sehr gut, um in einen Handlungsfluss zu kommen – let it flow!“  

    When the going gets tough!

    Sonnenschein, schon frühmorgens warme Temperaturen und ein satter Rückenwind lud die FahrerInnen am nächsten Morgen tatsächlich dazu ein, schon vom Start weg flott in die Pedalen zu treten. Wer aber den Etappenplan gut studierte hatte, konnte erahnen, dass wir nicht den über die gesamte Strecke von einem höchst angenehmen Schiebewind profitieren würden. Das Thermometer stieg rasch über 30 Grad. Heftiger und böiger Gegenwind bei Temperaturen von bis zu 40 Grad gestalteten dann aber die letzten 15 Kilometer zur Tortur. In der abendlichen Diskussionsrunde war das Thema schnell gefunden: I got really mad! – lautete der Tenor, verbunden mit der Bitte an den Sportpsychologen um ein „mental coping“. Ich verwies auf ein möglichst gutes „Briefing“ der Etappe und gab folgende Ideen in die Diskussion: „Auch mich brachten Hitze und Gegenwind ans Limit! Da dies aber erst auf den letzten 15km eintraf, konnte ich mir relativierend sagen: «90km sind ja schon abgespult, den letzten Abschnitt schaffe ich auch noch! Just keep spinning!».

    Zudem überlegte ich mir zwei Optionen: ich profitiere vom Windschatten eines etwas stärkeren Fahrers oder ich lege einen zusätzlichen Stopp ein mit genügend Flüssigkeitszufuhr und Verpflegung (koffeinhaltiger Gel) – was ich dann auch tat. Zusätzlich hatte ich mir im Vorfeld eine Playlist mit Musiktiteln genau zu diesem Thema zusammengestellt. In meinem Ohr hatte ich schon: «Runaway» von Bon Jovi! Damit kann ich mich gut von den störenden Windgedanken ablenken. Aus Jane sprudelte es sogleich heraus: „How funny, I also started singin’ my favorite song!“

    Die Playlist von Dr. Hanspeter Gubelmann

    I can’t ride in dark tunnels!

    „You should give us all a talk“ – meinte Amy euphorisch und wies darauf hin, dass solche Ideen und mentalen Tipps ganz vielen TeilnehmerInnen helfen würden und sicher grosses Gehör fänden. Tatsächlich erachte ich Gruppen wie beispielsweise jene am CYG als sehr interessantes Klientel für unsere Anliegen der angewandten Sportpsychologie. Daraufhin bat mich Tracey um Rat. Sie hätte grosse Mühe, sich in unbeleuchteten Tunneln auf dem Rad zu bewegen, sehr schnell würden sich Befürchtungen oder gar Angstzustände bei ihr einstellen.

    Da zu Beginn der zweiten Etappe drei solcher unbeleuchteter Tunnel auf dem Programm standen, war der Auftrag an mich klar. Ich explorierte kurz bisherige Erfahrungen und Verhaltensweisen und gab ihr folgende Leitideen (vgl. Gubelmann & Stoll, im Druck) mit: „Versuche heute Abend in deiner Vorstellung drei solcher Tunnel zu durchfahren, indem du dir folgende Verhaltensweisen vorgibst. Nimm dir deine Kollegin (Jane) mit rotem Rücklicht als Orientierungspunkt und folge diesem in einem für dich passenden Abstand. Stell dir vor, ein gleichmässiges, gemütliches Tempo zu fahren und richte deine Aufmerksamkeit immer wieder auch auf das (helle!) Tunnelende. Wechsle (vorwiegend) zwischen diesen Orientierungspunkten und stelle dir vor, wie diese Punkte dich zum Ziel (Tunnelende) führen. Vielleicht hälst du nach dem ersten Tunnel auch kurz an, atmest tief durch, trinkst einen Schluck und belohnst dich mit dem Zuspruch: «I did it!» Längerfristig könnte ich mir auch vorstellen, dass du im Training zuhause auf dem Ergometer vermehrt auch im Dunkeln fährst.“ Ich erinnere mich an Traceys glücklich strahlendes Gesicht am Etappenziel! „Yes, I did it – three times!“

    Expect the unexpected!

    Am vierten Tag war mit 61 Meilen nach Dubois die kürzeste Etappe der Woche angesagt. Das Streckenprofil versprach nur geringe Anforderungen, wenngleich die letzten 15 Meilen ansteigend verliefen. Ähnlich wie am ersten Tag herrschten auch dieses Mal unangenehme Gegenwindverhältnisse. Was aber am Abend in unserer Runde wesentlich mehr zu reden gab, war der Umstand, dass nach 61 Meilen das Ziel noch lange nicht erreicht war – satte und unerwartete zehn Kilometer galt es auch mental zusätzlich zu bewältigen! „I coudn’t cope with that – not knowing when it’s done!“ In der angeregten Diskussion verwies ich auf eine Idee, die im Olympischen Umfeld häufig diskutiert wird: „expect the unexpected“! Steve fragte, wie trainiert man das?

    Jane, Tracey, Amy und Steve

    Ich gab zwei Beispiele: „Im Leichtathletiktraining absolvierten wir häufig Laufserien, z.B. 5 x 200m mit lohnender Erholung zwischen den Läufen. Plan und Ablauf gab ich als Trainer vor und die Athletinnen stellten sich darauf ein – und waren dann überrascht, als ich nach dem 5. Lauf ankündigte: «Okay, heute hängen wir noch einen 6. Lauf über 200m dran!» Auf die Frage nach dem «Warum sollen wir das tun?», entgegnete ich: «Es ist gut möglich, dass ein Wettkampfsprint, z.B. wegen Ausfall der Zeitmessung, wiederholt werden muss. Wenn wir sowas üben, hast du im Notfall ‚bessere mentale Karten’!»  Steve machte ich den Vorschlag: „Vielleicht nimmst du dir bei deiner nächsten Ausfahrt zu Hause 30 Meilen vor und legst dir einen Würfel vor die Haustüre. Wenn du dann nach Hause kommst, würfelst du und fährst entsprechend der gewürfelten Augenzahl noch die Zusatzmeilen!“ Sehr lohnend sind auch eigene Wettkampferfahrungen. Ich erinnere mich zudem an den Swiss Alpine Marathon von 1999 in Davos, der damals laut Wettkampfprogramm über 72km führen sollte. Am Ende waren es deren 78! – und ich um eine ganz spannende Erfahrung reicher (vgl. Gubelmann & Schmid, 1999).

    Do you have a plan?

    Dr. Hanspeter Gubelmann am Togwotee-Pass

    Stellte der 4. Etappentag bereits alle TeilnehmerInnen vor eine mentale Herausforderung, wartete am 5. Tag mit den „100miles“ das „piece de résistence“ auf uns. Die als „out and back“-angelegte Strecke führte zweimal über den gleichen Pass, „the iconic Togwotee Pass“, wie im Tourprogramm vielversprechend nachzulesen war. Die Erwähnung des Kulminationspunktes von beinahe 3000m liess in mir Erinnerungen an die CGY-Austragung aufkommen, als wir im dichten Schneetreiben und grosser Kälte einen anderen 3000er bezwingen durften!

    Aus organisatorischen Gründen mussten sich die Fahrerinnen am Vorabend entscheiden, wie weit sie am nächsten Tag zu radeln planten. Noch mit den mentalen Spuren des vierten Tages im Kopf verlief die abendliche Diskussionsrunde sehr lebendig. Niemand mochte sich definitiv festlegen, welche Strecke er oder sie sich am nächsten Tag vornehmen würde. Ich schlug folgendes Vorgehen vor: „Unabhängig davon, was ich in der offiziellen Liste eingetragen habe, gibt es drei Zielstellungen (vgl. Birrer et. al. 2010), die ich mir vornehme. Mein Minimalziel lautet: ich radle bis zur ersten Verpflegung und kehre um (=34 Meilen). Mein Normalziel (was ich mir zutraue, wenn ich mich einigermassen in Form fühle!) liegt im Erreichen des Passes (60 Meilen). Das Optimalziel (100 Meilen) kann ich nur dann anpeilen, wenn ich mich so fühle, dass ich „all in“ gehen kann! Mit glänzenden Augen stiessen Steve und ich einige Stunden später auf das Erreichen dieses grossen Ziels an!

    Debriefing – what’s next!

    Am letzten Abend traf sich unsere Gruppe von “Zelt 92-95“ ein letztes Mal in unserer mittlerweile heiss geliebten Diskussionsrunde. Es gab viel zu erzählen, zu lachen – bis spät in die Nacht hinein. Als ich die Frage stellte, wer von uns in Zukunft wieder an einer CGY-Ausgabe teilnehmen würde, blieben alle sehr zurückhaltend – was bei näherer Betrachtung nicht weiter verwunderlich erscheint! Zu nahe lagen die körperlichen Strapazen und die teilweise heftigen mentalen Eindrücke, als dass ein euphorischer Hauch die Vorstellung an eine zukünftige Teilnahme hätte befeuern könnte. Amy meinte, sie hätte den Überblick über die vergangenen Tage vollständig verloren. „I will take the map and write down all my experiences I had during this week“.

    Wird es ein Wiedersehen geben?

    Ich ermunterte die Gruppe, dass wir Amys Beispiel folgen und uns diese Eindrücke (Debriefing) gegenseitig zukommen lassen könnten. Schnell war die Idee geboren, eine Whatsapp-Gruppe zu installieren und den gegenseitigen Austausch über dieses Medium weiter zu führen. Kaum eine Woche war vergangen, als die ersten Ideen für zukünftige gemeinsame Touren im Chat erschienen!

    Epilog!

    Meine zweite Teilnahme an CGY erwies sich in mancherlei Hinsicht als „Volltreffer“. Zum einen durfte ich einen äusserst ungezwungenen und regen Austausch an sportpsychologischen Themen geniessen, wie ich es in einer solchen Gruppe nicht erwartet hätte. Zum anderen profitierte ich meinerseits an diesem Austausch, indem ich entsprechende mentale Strategien wieder gezielt für meine sportlichen Herausforderungen einsetzte und wohl auch dadurch meine sportlichen Erwartungen deutlich übertraf. Ich hätte nicht gedacht, dass ich beinahe 800km verbunden mit einigen Höhenmetern in einem durchschnittlichen Tempo von rund 30km/h schaffen könnte! Eben – we should practise what we preach! Und wie es funktioniert!

    Zur Profilseite von Dr. Hanspeter Gubelmann:

    Dr. Hanspeter Gubelmann, Fachpsychologe für Sportpsychologie FSP

    Quellen:

    Alfermann, D. & Stoll, O. (2017). Sportpsychologie. Ein Lehrbuch in 12. Lektionen (5.Aufl.) Aachen: Meyer&Meyer.

    Beckmann, J. & Elbe, A.-M. (2008). Praxis der Sportpsychologie im Wettkampf- und Leistungssport. Ballingen: Spitta-Verlag.

    Birrer, D., Ruchti, E. & Morgan, G. (2010), Psyche: Theoretische Grundlagen und praktische Beispiele. Magglingen: Bundesamt für Sport (BASPO).

    Gabler, H., Nitsch, J.R. & Singer, R. (2001). Einführung in die Sportpsychologie. Teil 2: Anwendungsfelder (2.Aufl.). Schorndorf: Hofmann.

    Gubelmann, H.-P. & Schmid, J. (1999). ”The Crazy Peak Experience”: Coachingstrategien im Ultralangstreckenlauf am Beispiel des Swiss Alpine Marathons. In: K. Roth et al. (Hrsg.). Dimensionen und Visionen des Sports. dvs-Band 108, Hamburg: Cwalina, S. 179.

    Gubelmann, H.-P. & Stoll, O. (im Druck). Aufmerksamkeitssteuerung und Vorstellungstraining. In: Staufenbiel, K., Liesenfeld, M. & Lobinger, B. (Hrsg). Angewandte Sportpsychologie im Leistungssport: Göttingen: Hogrefe.

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    Thorsten Loch: Die Teamentwicklungsphase Forming (Übung 2: Mannschaftsziele im Zirkeltraining)

    Forming ist die erste Phase der Teamentwicklung nach Tuckman. Wie bereits im ersten Teil der Blogreihe (Link zum ersten Text) erwähnt, ist die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft noch distanziert und unpersönlich. Als Trainer/-in und Sportpsychologe/-in zählt es Kontexte zu erschaffen, in welchen sich die Teammitglieder besser kennen lernen. In diesem Artikel fokussieren wir uns auf den folgenden Punkt: Die Herausarbeitung gemeinsamer Ziele.

    Zum Thema: Definieren von Mannschaftsziele im Zirkeltraining (Übung 2)

    Thorsten Loch
    Per Klick zum Profil von Thorsten Loch: https://www.die-sportpsychologen.de/thorsten-loch/

    Tritt man neu in eine Mannschaft ein, so erhofft man sich z.B. eine Verbesserung der Technik, einen Stammplatz zu erarbeiten oder ähnliches. Auch die Mannschaftsmitglieder, die bereits in Teamgefüge etabliert sind, bekommen neue Konkurrenz und müssen sich wieder beweisen. Folglich werden sehr individuelle und persönliche Ziele, wie zum Beispiel „ich werde Stammspieler“, definiert. Solche Ziele sind nichts Schlechtes. Ganz im Gegenteil, sie erschaffen Motivation. Allerdings benötigt es neben solch individuellen Zielen auch eine gemeinsame Mission. Denn, wenn Jeder nur seine eigenen Ziele verfolgt, so ist meist das Zusammenspiel mit den Anderen nicht ausreichend vorhanden, was dazu führt, dass die eigenen Ziele womöglich nicht erreicht werden können. Auch schließen viele individuelle Ziele das Team mit ein. Wenn man sich z.B. vornimmt um den Aufstieg mitzuspielen, so kann das Ziel nur mit Hilfe anderer erreicht werden.

    Ziel: Eine gemeinsame Mission ermitteln um die Motivation zu erhöhen und Identifikation mit dem Team zu steigern.

    Aufgabe: Das Team wird in mehrere Gruppen eingeteilt. Sie durchlaufen mehrere Stationen mit Informationsmaterialien nacheinander. Das Durchlaufen der Stationen kann mit sportlichen und sportartbezogenen Aufgaben verbunden werden. Zum Beispiel können währenddessen Koordinationsaufgaben gelöst werden.

    Beispiele für die Stationen:

    • Station 1: Infomaterial zu SMARTEN Zielen
    • Station 2: Infomaterial zu Ergebniszielen
    • Station 3: Infomaterial zu Leistungszielen
    • Station 4: Freie Station zum Brainstormen

    Nachdem die Kleingruppen alle Stationen durchlaufen haben formulieren sie Kleingruppenziele. Diese Gruppenziele werden dann zusammengetragen und eine Teammission wird formuliert. Wichtig ist, dass alle Teammitglieder bei der Formulierung des Ziels beteiligt sind. Auch kann der Trainerstab in die Gruppen verteilt werden.

    Variation: Je nach Altersgruppe und Vertrautheit mit mentalem Training können Formulierungshilfen eingesetzt werden. Auch können gezielt Zwischenziele abgefragt werden.

    Zusatz: Das formulierte Ziel kann von nun an als Banner die Mannschaftskabine dekorieren, in die Besprechung ergänzt werden oder in den Schlachtruf integriert werden.

    Diese Übung dient als Veranschauung und kann erweitert und modifiziert werden. Wie immer gilt, dass diese Methode nicht als universell anzusehen ist. Über eine Rückmeldung zu den einzelnen Übungen dieser Serie und eure eigenen Erfahrungen würde ich mich sehr freuen.

    Mehr zum Thema:

    https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/24/thorsten-loch-die-teamentwicklungsphase-forming-uebung-1-vertrauen-herstellen/

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    Johanna Constantini: Please like me! Wie sich der Vergleich in sozialen Medien auf den Selbstwert unserer AthletInnen auswirkt!

    Johanna Constantini
    Per Klick zum Profil: https://www.die-sportpsychologen.de/johannaconstantini/

    Bei meiner Tätigkeit als Sportpsychologin arbeite ich vermehrt mit SportlerInnen, die wir als digital natives oder auch digital immigrants bezeichnen können. Dabei handelt es sich um jene AthletInnen, die in den Gebrauch von Smartphones und dem uneingeschränkten Zugang zu sozialen Medien hineingeboren (digital native), oder während ihrer Kindheit unmittelbar damit aufgewachsen sind (digital immigrants). (Prensky, 2001) Zwar sind nicht alle AthletInnen dieser und älterer Generationen dem Hype der neuen Kommunikationsformen verfallen, dennoch befassen sich viele von ihnen auch während ihrer Wettkämpfe mit den digitalen Welten, die in ihren Smartphones stecken. Diverse Social Media Kanäle habe ich bereits in meiner Serie zum „Umgang mit sozialen Medien in der modernen Sportpsychologie“ (alle Teile sind unter dem Text verlinkt) erwähnt. Wie diese das für den sportlichen Erfolg so wichtige Selbstwertgefühl beeinflussen können, möchte ich heute auf Basis der aktuellen Forschungsarbeiten näher beleuchten.

    Zum Thema: Der Vergleich über soziale Medien und wie er sich auf den Selbstwert unserer AthletInnen auswirkt! (Aus der Reihe: Was moderne Sportpsychologen über soziale Medien wissen sollten – Teil 6)

    SportlerInnen sind auch nur Menschen, so viel steht fest. Menschen, die sich über ihren Sport Bestätigung holen, wie es Manager über ihren Beruf, Mütter und Väter über ihre Kinder tun. Ständig sind wir Menschen also damit beschäftigt, uns mit anderen in unserem Umfeld zu vergleichen. Diese Theorie  wurde bereits 1954 durch den US-amerikanischen Sozialpsychologen Leon Festinger begründet, im Zeitalter der sozialen Medien wird sie jedoch in ein ganz neues und vor allem aktuelles Licht gerückt. Bei dem sozialen Vergleich unterscheidet man dabei generell zwischen zwei verschiedenen Arten:

    Einerseits spricht man von der sogenannten „upward social comparison“, bei der wir uns mit vermeintlich „besser gestellten“ Personen in Beziehung setzen. Im Gegenteil dazu gibt es die „downward social comparison“, um sich mit vermeintlich „Schwächeren“ in unserem Umfeld zu vergleichen (Wills, 1981; Wood, 1989)

    Das Selbstwertgefühl in Gefahr

    Während uns der Vergleich mit „besser Gestellten“ laut Lockwood und Kundo (1997) zwar inspirieren und motivieren kann (so auch, wenn wir im Sport unseren Vorbildern nacheifern und ihnen über soziale Medien folgen), so führt die ständige Konfrontation mit vermeintlich erfolgreicheren „KonkurrentInnen“ doch auf Dauer zu einer Abnahme unseres Selbstwertgefühls, sowie zu einer negativen Stimmung (Marsh & Parker, 1984; Morse & Gergen, 1970).

    In den sozialen Medien neigen wir zur „upward social comparison“, wenn wir unser realistisches Offline – Selbstbild mit einem idealisierten Online-Selbst vergleichen. Besonders was Vergleiche über Facebook angehen, stellten Chou und Edge so bereits 2012 ein negativeres Befinden bei Menschen mit übermäßiger Online Aktivität fest.  

    Wollen wir etwas weiter gehen, so lässt sich der vermehrte Gebrauch von Facebook übrigens auch mit dem Ausbruch von Depressionen in Zusammenhang bringen: Nicht nur eine Minderung des individuellen Wohlbefindens, sondern eben auch ernsthafte psychische Konsequenzen stehen dem Surfen durch die weltgrößte Online-Community also hier gegenüber (Feinstein et al., 2013; Kalpidou, Costin, & Morris, 2011; Kross et al., 2013; Mehdizadeh, 2010; Rutledge, Gillmor, & Gillen, 2013).  

    Mittendrin im sozialen Netzwerk – wo stehen wir als moderne Sportpsychologen?

    Sieht man sich den weltweiten Gebrauch sozialer Medien an, so steigt dieser stetig an. Dabei zeigen Studien aus dem Jahr 2012 bereits schier unglaubliche Zahlen von über 846 Millionen Facebook Usern, die gemeinsam mehr als 9,7 Billionen Minuten pro Tag in den sozialen Online Welten verbringen (Facebook, 2012. Rusli, 2012) Was bedeutet dies für die moderne Sportpsychologie?

    Meiner Meinung nach sollten wir Sportpsychologen unsere AthletInnen sicherlich nicht zum „Offline-Dasein“ zu bekehren, um ihre Leistungen vermeintlich steigern zu können. Gelten die heute bekannten „Likes“ über soziale Medien schließlich fast schon als modernes Zahlungsmittel, um in den Selbstwert von Individuen zu investieren. Für unser Wohlbefinden können sie jedenfalls sehr heilsam sein, auch das konnten aktuelle Forschungen beweisen (Valkenburg, Peter, & Schouten, 2006).

    In meinen Augen liegt die Aufgabe der modernen Sportpsychologie eher darin, einen Blick auf die Online-Aktivitäten unserer AthletInnen zu werfen, Verständnis für diese modernen Kommunikationsformen aufzubringen aber auch über Wissen zu verfügen, um Alternativen zu den Vergleichen über soziale Medien bieten zu können, über Offline-Zeiten zu diskutieren und falsche Freunde in Zusammenarbeit mit unseren Schützlingen zu entmächtigen. Damit sich die Online und Offline-Welten, so unterschiedlich sie auch sein mögen, im Sinne des Wohlbefindens und des sportlichen Erfolgs für unsere AthletInnen plausibel vereinen lassen.

    Die komplette Serie:

    Johanna Constantini: Kommunikation über soziale Medien – welche Auswirkungen hat die Interaktion der Fans auf Athleten?
    Johanna Constantini: Warum die Bedeutung der intrinsischen Motivation in der digitalen Welt steigt
    Johanna Constantini: Instant Messaging als Stressfaktor!
    Johanna Constantini: Was moderne Sportpsychologen über soziale Medien wissen sollten
    Johanna Constantini: “Ich poste, also bin ich” – Skype und Social Media in der modernen Sportpsychologie

    Quellen:

    Chou, H.-T. G., & Edge, N. (2012). “They are hap- pier and having better lives than I am”: The impact of using Facebook on perceptions of others’ lives. Cyberpsychology, Behavior, and Social Network- ing, 15, 117–121. doi:10.1089/cyber.2011.0324

    Facebook. (2012). Statistics of Facebook. Palo Alto, CA: Face- book. Retrieved from http://newsroom.fb.com/content/default. aspx?NewsAreaId=22

    Feinstein, B. A., Hershenberg, R., Bhatia, V., Latack, J. A., Meuwly, N., & Davila, J. (2013). Negative social comparison on Facebook and depressive symptoms: Rumination as a mechanism. Psychol- ogy of Popular Media Culture, 2, 161–170. doi: 10.1037/a0033111

    Festinger, L., 1978. A theory of cognitive dissonance. Huber, Bern [u. a.] ISBN 3-456-80444-X.

    Kalpidou, M., Costin, D., & Morris, J. (2011). The relationship between Facebook and the well-being of undergraduate college students. Cyberpsychol- ogy, Behavior, and Social Networking, 14, 183– 189. doi:10.1089/cyber.2010.0061

    Kross, E., Verduyn, P., Demiralp, E., Park, J., Seung- jae Lee, D., Lin, N,… Ybarra, O. (2013). Face- book use predicts declines in subjective well-being in young adults. PLoS One, 8, e69841. doi: 10.1371/journal.pone.0069841

    Lockwood, P., & Kunda, Z. (1997). Superstars and me: Predicting the impact of role models on the self. Journal of Personality and Social Psychol- ogy, 73, 91–103. doi:10.1037/0022-3514.73.1.91

    Marsh, H. W., & Parker, J. W. (1984). Determinants of student self-concept: Is it better to be a rela- tively large fish in a small pond even if you don’t learn to swim as well? Journal of Personality and Social Psychology, 47, 213–231. doi:10.1037/ 0022-3514.47.1.213

    Mehdizadeh, S. (2010). Self-presentation 2.0: Narcis- sism and self-esteem on Facebook. Cyberpsychol- ogy, Behavior, and Social Networking, 13, 357– 364. doi:10.1089/cyber.2009.0257

    Marc Prensky: Digital Natives, Digital Immigrants (PDF; 135 kB), in: On The Horizon, ISSN 1074-8121, MCB University Press, Vol. 9 No. 5, Oktober 2001.

    Wills, T. A. (1981). Downward comparison princi- ples in social psychology. Psychological Bulletin, 90, 245–271. doi:10.1037/0033-2909.90.2.245

    Wood, J. V. (1989). Theory and research concerning social comparison of personal attributes. Psycho- logical Bulletin, 106, 231–248. doi:10.1037/0033- 2909.106.2.231

    Rusli, E. (2012). Facebook files for an I.P.O. New York Times. Retrieved from http://dealbook.nytimes.com/2012/02/01/face- book-files-for-an-i-p-o/?hp

    Rutledge, C. M., Gillmor, K. L., & Gillen, M. M. (2013). Does this profile picture make me look fat? Facebook and body image in college students. Psychology of Popular Media Culture, 2, 251– 258. doi:10.1037/ppm0000011

    Valkenburg, P. M., Peter, J., & Schouten, A. P. (2006). Friend networking sites and their relation- ship to adolescents’ well-being and social self- esteem. Cyberpsychology and Behavior, 9, 584– 590. doi:10.1089/cpb.2006.9.584

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    Dr. René Paasch: Angst im Nachwuchssport

    Per Klick zum Profil von Dr. René Paasch: https://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

    Fünf Tage die Woche, acht Stunden täglich, wenig Freizeit, fremdbestimmter Terminkalender und dazu noch ehrgeizige Eltern: Kinder und Jugendliche stehen heute unter enormem Leistungsdruck und werden oft mit hohen Erwartungen in die Welt geschickt. Wo bleibt da die Zeit für Eigenbestimmung und Kreativität? Wenn diese wichtigen Eigenschaften nicht (vor)gelebt werden, dann ist die Angst für unseren Nachwuchs immens hoch. Ich möchte dieser Frage nachgehen und Hilfestellung leisten. Los geht’s …

    Zum Thema: Der richtige Umgang mit Angst im Nachwuchssport

    Kinder und Jugendliche haben heute häufig schon im Kindergartenalter einen vollen fremdbestimmten Terminkalender. Dieser vollzieht sich dann bis im späten Jugendlichen Alter. Die Kinder machen in der Kita interessante Dinge, lernen viel und sind selbstbestimmt tätig, doch das verliert sich mit dem Älterwerden und dem Leistungsdruck. Erst wenn von oben, mit Druck geführt wird, wird es anstrengend für unsere Kinder und Jugendliche und besonders für deren Entwicklung. Lernen sollte Spaß und mit positiven Emotionen verbunden sein. Angst lähmt und versetzt unseren Nachwuchs in eine Art Flucht- bzw. Kampfmodus. Denn das Lernen und die damit verbundene Entwicklung geschieht durch Anknüpfen an persönliche Interessen. Das heißt: Je neugieriger ein Kind und Jugendlicher auf etwas ist und je mehr Verbindungen man mit vorhandenem Wissen schafft, desto mehr bleibt nachhaltig vorhanden. Wenn man von etwas begeistert ist, vergeht die Zeit wie im Fluge. Und man kann sich später viel besser daran erinnern. Zum Beispiel durch spielerische Vermittlung des Fußballspielens oder das Lernen von Fremdsprachen: Kreativität statt Konstruieren. Zuhören statt Pauken. Vorgaben einschränken (Aufmerksamkeitsregulation) und Freiräume schaffen.

    Selbst wenn unsere Kinder und Jugendlichen einen vollen Terminkalender haben, dann sollten sie wenigstens ihre Aktivitäten freiwillig vollziehen dürfen.  Es ist toll, wenn sie sich verausgaben statt den Medienersatz zu nutzen. Sie sollen in ihren Fähigkeiten gefördert werden und zwar so früh und umfassend wie möglich. Doch braucht Entwicklung auch Zeit, Ruhe und Vertrauen. Denn aus meiner Sicht sind Heranwachsende nur gestresst, weil die Fremdbestimmung und -steuerung zu groß ist.

    Durchhaltevermögen

    Durchhaltevermögen lernt man nicht über Geschrei oder den erhobenen klassischen deutschen Zeigefinger. Das lehrt unsere Kinder und Jugendlichen nur, ängstlich zu reagieren. Ein fürsorgliches Ziel ist daher die Selbststeuerung zu entwickeln. Aufforderungen wie „Jetzt mach endlich, was man von dir verlangt, ansonsten wird das Konsequenzen haben!“ oder „Du brauchst das für deine Zukunft als Fußballer und jetzt bleib mal bei der Sache, ansonsten wird aus dir kein Profi!“, bewirken als „Negativer Verstärker“ genau das Gegenteil.  

    Am besten ist es, wenn eure Heranwachsenden es schaffen, selbst eine Belohnung zu erarbeiten. Also etwa dadurch, dass die mit den eingeübten Fußball-Techniken oder dem geforderten Wissen in der Schule am Ende gut klappt. Die Fähigkeit, nicht nur zu reagieren, sondern zielgerichtet zu agieren, fördert und bestärkt unsere Kinder und Jugendlichen. Denn die Selbstkontrolle braucht vor allen Dingen viele Erfahrungswerte „Trial end Error“ und das über viele Jahre hinweg. Viele Erfolgserlebnisse verschaffen, ohne dabei mit Druck und Angst den Lebensweg zu prägen, dass muss unser aller Anspruch sein.

    Selbstkontrolle und – steuerrung

    Der Mensch musste als Jäger und Sammler planvoll vorgehen, sorgfältig die Feuerstelle pflegen – sonst wäre er erfroren und verhungert. Heute fahren wir ins Einkaufszentrum, um unseren Hunger zu stillen und wenn es kalt wird, dann drehen wir die Heizung auf. Nicht umsonst haben funktionierende Kulturen Sport, Wettspiele und Musik erfunden und kultiviert. Ob Schule, Freizeitaktivitäten oder Sport: Hier muss man einen Plan haben, sich abstimmen, auch mal durch schwierige Zeiten durch. Und es macht Spaß, wie unser Nachwuchs sich förmlich danach sehnt. Genau deshalb braucht man ja auch keinen erhobenen Zeigefinger oder angsteinflößende verbale Ausbrüche (Neubauer, Gawrilow, Hasselhorn, 2014).

    Wie wichtig das Training von Selbstkontrolle und – steuerrung für den späteren Erfolg im Leben ist, zeigt eine wegweisende Studie von Wissenschaftlern (Mischel, Shoda, Peake, 1988). Sie untersuchten die Selbstkontrolle von Kindern regelmäßig – bis hinein ins Erwachsenenalter. Dabei zeigte sich, dass Gesundheit, Wohlstand und die sozialen Lebensumstände vom Ausmaß der Selbstkontrolle- und steuerrung in der Kindheit abhängen. Wer als Kind Selbstkontrolle trainiert hatte, neigte später deutlich weniger zu Verarmung, Kriminalität und Suchterkrankungen. Die Studie zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, dass Kinder Gelegenheiten haben, sich an Aufgaben, die ihnen Freude machen, zu bewähren.

    Hot- versus Cool-System

    In weiteren Untersuchungen zur Entwicklung der Selbstkontrollfähigkeiten wird häufig nach dem Bezug auf heiße versus kalte Fähigkeiten unterschieden. Metcalfe und Mischel (1999) nehmen an, dass diese beiden miteinander verbundenen psychischen Systeme für die Entstehung von Selbstkontrolle verantwortlich sind. Das sogenannte Hot-System besteht bereits in den ersten Lebensjahren und ist die Grundlage für emotionale klassische Konditionierung. Es reagiert schnell und reflexartig auf zunächst angeborene Stimuli. Das Cool-System entwickelt sich dagegen langsam, ist kognitiv, emotional neutral und strategisch. Es ist die Quelle der Selbstkontrolle und wird im Laufe der Entwicklung dominanter als das Hot-System.

    Beispielsweise zeigen Kinder und Jugendliche, deren Eltern in der Erziehung klare Grenzen setzen und somit das Cool-System ansprechen, eine höhere Selbstkontrolle. Es lohnt sich daher genauer auf die Entwicklung unserer Sprösslinge zu schauen.

    Fördern statt instruieren

    Die Anforderungen des Sports und der Schule hat sich während der letzten 50 Jahre enorm gewandelt. Der damit verbundene Fokus des öffentlichen Interesses ist riesig. Betrachtet man die Wirkung, die manche Sportarten wie Fußball oder die Formel 1 heute in den Medien einnehmen, so wird schnell klar, dass sich auch für unseren Nachwuchs während dieser Entwicklung viel verändert hat. Der Weg bis in die Leistungsspitze oder der allgegenwärtige Alltagsdruck (Schule, Freizeit, Nachhilfe, Verein) ist unter anderem durch einen enormen Zeitaufwand, ein hohes Maß an Selbstdisziplin und damit mit einer Vielzahl von menschlichen Entbehrungen, verbunden. Aufgrund der momentanen Entwicklung scheint es kaum verwunderlich, dass selbst Kinder und Jugendliche, die im Verein spielen, mit diesem Druck konfrontiert werden. Erschwerend hinzukommt, dass sie darüber hinaus noch einer Vielzahl weiterer Ansprüche aus dem ökonomischen, gesellschaftlichen, beruflichen und privaten Bereich gegenüber ausgesetzt sind (Fessler und Schorer, 2001). Vor allem die Koordination der einzelnen Lebensbereiche mit dem Sport erfordert ein hohes Maß an Disziplin von unseren Kindern aber auch der Trainer und Eltern. 

    In allen Phasen der (leistungs-)sportlichen Karriere (z.B. Würth, 2001; Weber, 2003) nimmt die Unterstützung durch die Eltern und durch Gleichaltrige eine überaus wichtige Funktion ein. In Bezug auf die Eltern ist es von großer Bedeutung, dass sie voll und ganz hinter ihrem Kind stehen. Rückhalt, Verständnis und Interesse aus dem Elternhaus sind für den Heranwachsenden unverzichtbar, um die Doppelbelastung Schule und (Leistungs-)Sport zu meistern. Oftmals sind die Jungen und Mädchen schon wegen der Wegstrecke zum Training oder zum Wettkampf auf die Eltern angewiesen. Im Allgemeinen ist also eine gute Beziehung zu den Eltern und Trainern, die emotional und orientierend unterstützen, für die Verarbeitung der vielfachen Belastungen von großer Bedeutung. Somit kann die Entstehung von Angst frühzeitig unterbunden werden. Denn eines muss uns klar werden: Die Welt können wir nicht so schnell verändern aber unsere Kinder und Jugendlichen mit stabilen Eigenschaften versorgen.

    Fazit:

    Liebe Eltern, Trainer und alle die sich mit der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beschäftigen: Angst und Stress entstehen nicht außerhalb unserer Gedanken und somit können wir jederzeit die Situation verbessern. Geht ungewöhnliche Wege mit eurem Nachwuchs und fördert sie auf allen Ebenen, wie bspw. durch Musik, verschiedene Sportarten, kreatives Gestalten, Werken, Spielen und dabei bestärkt ihr noch die sozialen Kompetenzen. Die Grundlage unserer Kultur und unseres Wohlstands liegt in den Köpfen unserer Heranwachsenden. Diese brauchen Gelegenheiten des Erlebens von Kompetenz und des Lernens. Das ist langfristig nachhaltig und zugleich wichtiger als ein fremdbestimmtes und geformtes Kind.

    Mehr zum Thema

    https://www.die-sportpsychologen.de/2017/10/30/cristina-baldasarre-fruehfoerderung-im-kinderleistungssport-wieviel-ist-genug/

    https://www.die-sportpsychologen.de/2017/07/06/lena-tessmer-die-ressource-eltern/

    https://www.die-sportpsychologen.de/2018/03/21/dr-rene-paasch-wenn-nachwuchsfussballer-den-traum-der-eltern-leben/

    https://www.die-sportpsychologen.de/2015/10/13/thorsten-loch-mein-kind-im-sport-und-ich/

    Literatur

    Fessler, N. & Schorer, J. (2001): Der jugendliche Leistungssportler – Aufwendungen und Anforderungen. In A. Woll (Hrsg.), Miteinander lernen, forschen, Spielen. Zukunftsperspektiven für Tennis (S.84-96), Band 131. Hamburg: Czwalina.

    Neubauer, A, Gawrilow, C. & Hasselhorn, M. (2014): Selbstkontrolle bei Vorschulkindern unterschiedlicher kultureller Herkunft. Frühe Bildung, 3 (3). doi: 10.1026/2191-9186/a000145 

    Mischel, W., Shoda, Y. & Peake, P. (1988): The Nature of Adolescent Competencies Predicted by Preschool Delay of Gratification. Journal of Personality and Social  Psychology, 54, 687-696.

    Metcalfe, J. & Mischel, W. (1999): A hot/cool system analysis of delay of gratification:  Dynamics of willpower. Psychological Review, 106, 3-19.

    Würth, S. (2001): Die Rolle der Eltern im sportlichen Entwicklungsprozess von Kindern und Jugendlichen. Lengerich: Pabst Science Publishers.

    Weber, U. (2003). Familie und Leistungssport. Schorndorf: Hofmann Verlag.

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    Dr. Tom Kossak: “Die Chirurgie ist für mich wie eine eigene Sportdisziplin”

    Dr. Tom Kossak

    Dass die Sportpsychologie auch abseits von Spielfeldern, Laufbahnen und Schanzentürmen sinnvoll sein kann, ist kein großes Geheimnis. Wie intensiv auch sportferne Berufsgruppen von sportpsychologischem Fachwissen profitieren können, macht aktuell Dr. Tom Kossak deutlich. Der Münchner Sportpsychologe arbeitet unter anderem mit Chirurgen des Rotkreuzklinikums München. Mathias Liebing, Redaktionsleiter von Die Sportpsychologen, wollte zu dieser Kooperation mehr wissen.   

    Dr. Tom Kossak, worin unterscheiden sich in der sportpsychologischen Zusammenarbeit Ärzte von Spitzensportlern?

    Auch wenn es viele inhaltliche Gemeinsamkeiten gibt, unterscheidet sich meine Arbeit mit Ärzten auch deutlich vom Spitzensport: Ein Unterschied liegt beispielsweise in der Erfolgsorientierung. Ein Chirurg geht davon aus, dass die Operation gut verlaufen wird. Für den Arzt ist der Erfolg also Normalität – das prägt sein Selbstverständnis. Umso schwerer wiegt der Misserfolg mit seinen Konsequenzen. Ein weiterer Unterschied liegt in der Art der Verantwortung. Sportler, besonders in Individualsportarten, sind nur für sich selbst verantwortlich, während ein Arzt die Verantwortung für die Operation und die Gesundheit seiner Patienten übernimmt. Im Vergleich zu den oft jungen Sportlern bringen Ärzte darüber hinaus meist mehr Lebenserfahrung und damit die Fähigkeit zur Selbstreflektion mit. Das hilft, das mentale Training schneller auf den Arbeitsalltag zu transferieren.

    Auch für mich als Sportpsychologen unterscheidet sich die Struktur der Arbeit. Während die Mitarbeiter eines Klinikums meist kontinuierlich vor Ort sind, sodass regelmäßige Termine möglich sind, bedeutet die Arbeit im Spitzensport für mich in der Regel viel Reiseaufwand. Dazu kommt, dass nicht in jedem Trainingslager immer alle Sportler dabei sind, so dass hier viel Koordination notwendig ist um kontinuierlich und nachhaltig zu arbeiten.

    Inwiefern war es für Sie schwierig, sich in dieses andere Arbeitsfeld hineinzudenken? Oft haben Sportpsychologen ja auch eigene sportliche Erfahrungen, die es ermöglichen, die gleiche „Sprache“ mit dem Gegenüber zu sprechen?

    Ich sehe die Chirurgie wie eine eigene Sportdisziplin. Seit einem Jahr arbeite ich z.B. in einem spannenden Projekt im Motorsport. Auch dort hatte ich bis zu meinem ersten Engagement keine Erfahrung und musste lernen, mich in diesem Feld zu bewegen. Für mich ist eine der wichtigsten Voraussetzungen des Sportpsychologen, neugierig zu sein und die Disziplin kennenlernen zu wollen, und zwar mit ihren Regeln und Menschen. Dabei erlebe ich es oft sogar als Vorteil, sich in einer Disziplin noch nicht so gut auszukennen. So lassen sich Potentiale und blinde Flecken noch besser entdecken.

    In welchen sportfernen Arbeitsbereichen, vielleicht auch ungewöhnlichen, sehen Sie Potential für sportpsychologische Expertise?

    Mit meinen Kollegen von Sportpsychologie München (www.sportpsychologie-muc.de) hatte ich das Glück, in den vergangenen Jahren Einblicke in ganz verschiedene Branchen erhalten zu dürfen. Die Sportpsychologie kann dabei mit ihrer „Performance-Orientierung“ Menschen aus anderen Disziplinen und Arbeitsbereichen helfen, eigene Potentiale abzurufen. In den letzten Jahren haben wir, neben der Arbeit mit Chirurgen, z.B. auch Mitarbeiter und Führungskräfte von verschiedenen Wirtschaftsunternehmen gecoacht oder mit Opernsängern und Musikern gearbeitet. Unter dem Motto „Performing under Pressure“ haben wir unsere Erfahrungen aus diesen Projekten in einem strukturierten Programm zusammengefasst. In Vorträgen, Workshops und Coachings unterstützen wir damit nun alle interessierten Berufsgruppen, die unter Druck Höchstleistung abrufen müssen und dabei psychisch gesund bleiben möchten.

    Wie hat die bisherige Arbeit am Rotkreuzklinikum München Ihre Arbeit verändert?

    Die Tätigkeit im Rotkreuzklinikum (www.rotkreuzklinikum-muenchen.de) unter der Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Wolfgang Thasler ist für mich insofern spannend, weil sie meinen Blick auf Krankenhäuser allgemein und die Arbeit von Medizinern verändert hat. In der Tätigkeit als Sportpsychologe komme ich mit Ärzten meist aus Patientensicht in Kontakt. Verletzt sich ein von mir betreuter Sportler, schicken wir ihn zum Arzt und gehen davon aus, dass die Verletzung erfolgreich behandelt wird. Dass Ärzte aber unter enormem Druck stehen, um das bestmögliche Ergebnis für ihren Patienten zu erzielen ist ein neuer Blickwinkel. Es ist schön, dass ich durch die Arbeit mit den Medizinern einen Beitrag leisten kann, um Operationen zu verbessern und Chirurgen zu helfen, die wiederum Menschenleben retten.

    Welche Herausforderungen stehen Ihnen als Sportpsychologe in der zweiten Jahreshälfte bevor?

    Bislang habe ich mit den Ärzten des Rotkreuzklinikums intensiv an den mentalen Bildern von chirurgischen Bewegungsabläufen gearbeitet. Ein spezieller Simulator hilft uns dabei einfache standardisierte Übungen sowohl mental als auch am Simulator zu trainieren. Auf diese Weise können wir den Erfolg des Trainings sehr gut evaluieren. Gerade für minimalinvasive Eingriffen erweisen sich solche Lernmethoden als wichtig, weil so alles außerhalb des Operationssaals ausprobiert und durchdacht werden kann. Im zweiten Halbjahr wollen wir uns verstärkt dem Umgang mit Druck und Belastungen im chirurgischen Praxisalltag widmen. Dabei werden wir darauf eingehen, wie sich die Mediziner mental noch besser auf Operationen vorbereiten können, wie sie im OP auch bei langen Operationen die Konzentration halten können und wir besprechen Strategien, die im Umgang mit Misserfolgen helfen sollen.

    Im Sport bin ich im Kopf schon wieder im Winter – schließlich ist die Wintersportsaison schneller da als man denkt. Mit dem Race-Team der Snowboardnationalmannschaft habe ich eine neue Weltcupmannschaft übernommen und auch diese Saison werde ich wieder für den Deutschen Ski Verbandes im Ski Alpin und den Deutschen Eishockeybundes unterwegs sein.

    Mehr zum Thema:

    https://www.die-sportpsychologen.de/2017/07/05/cristina-baldasarre-vom-sport-lernen/

    https://www.die-sportpsychologen.de/2016/09/02/wencke-schwarz-die-rolle-und-das-potential-der-sportpsychologie-im-deutschen-spitzensport/

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    Thorsten Loch: Die Teamentwicklungsphase Forming (Übung 1: Vertrauen herstellen)

    Forming ist die erste Phase der Teamentwicklung nach Tuckman. Wie bereits im ersten Teil der Blogreihe (Link zum ersten Text) erwähnt, ist die Atmosphäre innerhalb der Mannschaft noch distanziert und unpersönlich. Als Trainer/-in und Sportpsychologe/-in zählt es Kontexte zu erschaffen, in welchen sich die Teammitglieder besser kennen lernen. In diesem Artikel fokussieren wir uns auf den folgenden Punkt: Die Schaffung von Vertrauen.

    Zum Thema: Vertrauen schaffen durch Abhängigkeitsaufgaben (Übung 1)

    Fehlendes Vertrauen in einen Teamkollegen führt häufig dazu, dass man seinem Mitspieler die nötige Kompetenz abschreibt und es lieber auf eigene Faust versucht. Insbesondere in Drucksituationen im Wettkampf wird dies immer wieder deutlich. Anstelle den Pass an den besser positionierten Spieler zu spielen, wird lieber der Alleingang oder der Abschluss versucht.

    Sportler sollten sich auf dem Feld gut kennen (Stärken und Fähigkeiten der anderen) und vertrauen. Letztendlich betreiben die Akteure eine Mannschaftssportart und bekanntlich ist die Kette nur so stark wie ihr schwächstes Glied. Sie müssen lernen, dass nicht sie allein für Sieg oder Niederlage der Mannschaft verantwortlich sind, sondern dass Resultate immer das Ergebnis vieler Einzelleistungen sind.

    Die Aufgabe

    Aufgabe: Die Sportler werden in Zweier-Gruppen (auch größere Gruppen sind möglich) eingeteilt. Sportler A bekommt die Augen verbunden, Sportler B muss mittels verbaler und/oder taktiler Anweisungen den Sportler A durch einen vorher abgesteckten Parcours führen (bei größeren Gruppen: mehrere Teammitglieder lotsen Sportler A durch den Parcours). Wenn das Ziel erreicht ist, werden die Rollen getauscht.

    Hinweis: Eine Aufgabe kann nur in Kleingruppen oder im Team erfüllt werden. Die Sportler lernen, sich auf Teammitglieder verlassen zu können.

    Grafik: Lisa-Marie Rückel

    Variation 1: Sportler B erschwert bzw. erleichtert den Parcours je nach dem Erfolg der ersten Runde.

    Variation 2: Anstelle eines Parcours kann auch eine andere Aufgabe gelöst werden. Es können z.B. Puzzles zusammengebaut oder Zelte aufgestellt werden.

    Variation 3: Die Schwierigkeit kann erhöht werden, indem Sportler A ein volles Glas Wasser mit durch den Parcours transportieren muss. Am Ende können die verschiedenen Wasserstände im Glas verglichen werden.

    Variation 4: Eine Staffel aus mehreren Zweier-Teams bilden. So treten z.B. fünf Zweier-Teams gegen fünf andere Teams an. So wird zusätzlich der Teamgedanke gestärkt.

    Diese Übung dient als Veranschauung und kann erweitert und modifiziert werden. Wie immer gilt, dass diese Methode nicht als universell anzusehen ist. Über eine Rückmeldung zu den einzelnen Übungen dieser Serie und eure eigenen Erfahrungen würde ich mich sehr freuen.

    Zur Profiseite von Thorsten Loch

    Mehr zum Thema:

    https://www.die-sportpsychologen.de/2018/08/15/thorsten-loch-auslaufen-und-teamentwicklung-passt-das/

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