„Crunchtime in der 1. Basketball-Bundesliga. Zwei der besten Teams treffen aufeinander. Noch fünf Minuten zu spielen in einem stark umkämpften Match. Die Anzeigetafel zeigt fast im Sekundentakt immer wieder Gleichstand an. Ein Team trifft, der Gegner zieht nach. Noch 30 Sekunden zu spielen, es steht 84:84, das gegnerische Team setzt zum Wurf an und vergibt die große Chance. Es bleibt genau ein Angriff, noch acht Sekunden – die Teamfoulgrenze ist bereits erreicht. Ein frühes Foul soll den starken Aufbauspieler der Heimmannschaft an die Freiwurflinie schicken, damit kein 3-Punkte-Wurf gelingt. Der Spieler geht an die Linie, bereits 35 Minuten in den Beinen und ziemlich außer Atem. Mit welcher Wahrscheinlichkeit wird er treffen?“
Zum Thema: Progressive Muskelrelaxation im Basketball
Als Trainer entscheiden wir oft in Sekundenbruchteilen, wie wir Situationen taktisch lösen. Foulen wir den Spieler taktisch oder nicht – trifft er oder nicht? Auch Spieler zeigen umgangssprachlich „Nerven“ und schaffen es teilweise nicht, Leistungen abzurufen, welche für die Situation erforderlich wäre. Wie kann die Sportpsychologie helfen?
Schaut man sich die Intensität eines durchschnittlichen Basketballspiels genauer an, stellt man unweigerlich fest, dass der Wechsel zwischen Belastung und Erholung zum Teil eher einseitig abläuft. Zahlreiche Studien bestätigen die Annahme, dass Basketball ein körperlich intensives Sportspiel ist. Vaquera et al. (2008) fand in einer Untersuchung heraus, dass die durchschnittliche Herzfrequenz bei einem Basketballspieler bei 186-176 bpm liegt. Bei einem 25 Jahre alten Spieler liegt die Frequenz damit bei etwa 85-90% der HFmax. Andere Studien liefern ähnliche Ergebnisse (Vgl. C. David Leo, 1973).
Intensität kostet Punkte
Zudem gibt es zahlreiche Anhaltspunkte, dass mit steigender Intensität die Trefferquote bei Feldwürfen im Basketball deutlich abnimmt (Vgl. Marcolin et al., 2018; Vencúrik, 2016 und Ardigo et al.,2018). Zudem wurde die Freiwurfquoten bei unterschiedlichen Intensitäten untersucht und es konnte gezeigt werden, dass zwar die Quote in Ruhe und bei 50% der HFmax annähernd gleich bleibt, hingegen aber die Trefferwahrscheinlichkeit bei 80% der HFmax um bis zu 20% sinkt (Vgl. Padulo et al., 2015).
Das ist aus Trainersicht eine ganze Menge, wenn man annimmt, dass durchschnittliche Freiwurfquoten etwa bei 80% liegen, bedeutet dies eine Verminderung auf schlanke 60%. Selbst beim Einwand, die Spieler würden bereits unter eben diesen Bedingungen 80% werfen, kann nur folgerichtig gesagt werden, dass bei geringerer HFmax die Quote deutlich über 80% liegen müsste.
PMR in der Anwendung in Coburg
Sportpsychologie kann unterstützen
Je höher also die Herzfrequenz, desto geringer die Trefferquote. Da die durchschnittliche HFmax bereits in einem Aktivierungslevel liegt, welches sich negativ auf die Freiwurfquote auswirkt, neigen viele Trainer und Athletikcoaches dazu, die durchschnittliche Herzfrequenz bei Belastung durch umfassendes Fitnesstraining zu senken. Soweit so gut.
Ein Blick in die Methodik der angewandten Sportpsychologie gibt uns für diese Problematik folgende unterstützende Maßnahme. Ein gutes Werkzeug aus dem Koffer könnte zweifelsohne die Progressive Muskelrelaxation (PMR) sein. Bereits in einem vorherigen Artikel habe ich über die Wirkungen und den Aufbau dieser Entspannungstechnik geschrieben (Link zum Text). Nun möchte ich einen großen Vorteil des Entspannungsverfahrens herausheben.
PMR als Hebel
Durch die kontinuierliche Anwendung der Techniken des PMR´s ist es möglich, die Herzfrequenz und den Blutdruck über den Hypothalamus zu reduzieren (Vgl. Sheu et al. 2003, Pawlow & Jones 2002). So wäre es möglich, direkt vor dem Freiwurf das Ruhewort zu nutzen und mit passenden PMR-Techniken die Herzfrequenz zu verringern. Aus der Trainingswissenschaft ist bereits bekannt, dass die Herzfrequenz nach einer Belastung rasch und logarithmisch abfällt (Vgl. Schmolinsky, 1980; Weineck, 2004) – diesen Vorgang könnte man durch die Anwendung der PMR begünstigen und somit schneller in einen optimalen Aktivierungszustand kommen. Dies hätte zur Folge, dass die Herzfrequenz unter die wohl „magische“ 80% Grenze fällt und umgehend die Trefferwahrscheinlichkeit steigt.
Natürlich bedarf es ein entsprechendes und angeleitetes Training vor der Anwendung, damit der positive Transfer gelingt. Und nebenbei steigert das Training auch die Wahrnehmung des eigenen Körpers, den gezielten Abbau von Stress und Ängsten, sowie unterstützend die Regeneration nach großer Belastung.
Digitale Betreuung – das klingt erst mal weit weg vom Menschen und vor allem unpersönlich. Jedenfalls nach Eigenschaften, wie sie in der Begleitung von AthletInnen nicht zu finden sein sollten. Doch bei aller Vorsicht, die im Umgang mit sozialen und digitalen Medien geboten ist, bieten die modernen Kommunikationskanäle auch viel Gutes. Zwei Vorteile möchte ich in meinem heutigen fünften Teil der Serie „Was moderne Sportpsychologen von sozialen Medien wissen sollten“ anführen.
Zum Thema: Vom Nutzen sozialer Medien und der digitalen Betreuung von AthletInnen (Aus der Reihe: Was moderne Sportpsychologen über soziale Medien wissen sollten – Teil 5)
WettkampfsportlerInnen sind ständig unterwegs. Während der Saison reisen sie meist von einem Wettkampf zum nächsten. Viel Zeit bleibt dazwischen nicht. Das körperliche Training steht dabei in den meisten Sportarten nach wie vor an erster Stelle. Von der Möglichkeit, einen eigenen Sportpsychologen mit auf die Wettkämpfe zu nehmen können viele AthletInnen nur träumen.
Der 2003 gegründete Instant-Messaging-Dienst Skype bietet daher Abhilfe. Richtig genutzt ermöglicht er Video-Konversationen mit AthletInnen über weite Strecken. Auch ich selbst habe nicht immer die Möglichkeit, meine SportlerInnen direkt begleiten zu können. Gerne vereinbare ich daher Skype Konversationen, um dennoch – sozusagen fast hautnah – von ihren Befindlichkeiten und Gedanken während ihrer Wettkampfzeit zu erfahren.
Wichtig dabei: Skype Gespräche sollten nur dann stattfinden, wenn auch die regelmäßige, persönliche Betreuung gewährleistet werden kann!
Follow me – wie wir unsere Beratung auch durch digitale Verhaltensbeobachtung optimieren können!
Begleiten können wir unsere SportlerInnen ebenfalls digital. Und zwar nicht nur über die unter Punkt eins angesprochenen Kommunikationsmöglichkeiten wie Instant-Messaging-Dienste (Skype, Whatsapp, etc.), sondern indem wir ihnen einfach in ihre eigene Social Media Welt folgen. Einerseits, um sie durch Likes zu bestärken (das macht man heute nämlich so), andererseits um unsere Beratung zu optimieren. Die „digitale Verhaltensbeobachtung“ ist deshalb so wichtig, weil sich die AthletInnen zunehmend mit ihrem „sozial, medialen Ich“ identifizieren.
Schon 1986 schrieben Henri Tajfel und John C. Turnier in ihrer „Theorie der sozialen Identität“ davon, dass Menschen ihr Selbstkonzept von der Mitgliedschaft in sozialen Gruppen und deren emotionaler Bedeutung abhängig machen. Diese sozialen Gruppen finden unsere SportlerInnen heute in den sozialen Medien wieder. Eben dort, wo sich Menschen zunehmend häufiger aufhalten, als in der realen Welt. (Wallsten, S. 2015)
Virtuelle Resonanz wird wichtiger
„Ich poste, also bin ich“, könnte man das Phänomen in Abwandlung an René Descartes Ausspruch „cogito ergo sum“ etwas ironisch formulieren. Die virtuelle Resonanz wird für unsere AthletInnen immens wichtig, spielt sich doch auch vieles in eben dieser digitalen Welt ab. Wie und was posten unsere AthletInnen? Wie stellen sie sich digital dar? Was beschäftigt sie in der virtuellen Wirklichkeit?
Als Sportpsychologen haben wir heute zumindest die Möglichkeit, unseren SportlerInnen digital überall hin zu folgen, um ihr (online) Verhalten zu ergründen und sie – natürlich offline – in ihrem Selbstkonzept zu stärken!
Literatur
Tajfel, J. C. Turner: The social identity theory of intergroup behavior. In: S. Worchel, W. G. Austin (Hrsg.): Psychology of intergroup relations. Nelson-Hall, Chicago, IL 1986, S. 7–24.
Wallsten: What Are We Not Doing When We Are Online?. Economic Analysis of the Digital Economy, Goldfarb, Greenstein, and Tucker. 2015
Sowohl Wechsel- als auch Koppeltraining sind feste Bestandteile eines jeden Trainingsplans eines Triathleten. Beim Koppeltraining lernt der Körper, sich auf die wechselnde Belastung zwischen dem Schwimmen und dem Radfahren einerseits und dem Radfahren und Laufen andererseits einzustellen. Durch das Wechseltraining wird der Bewegungsablauf des Wechsels selbst trainiert. Dies lässt sich perfekt durch mentales Training unterstützen.
Zum Thema: Anleitung zum individuellen Wechsel-Film
Eberspächer (2012) definiert mentales Training als planmäßig wiederholtes, intensives Sich-Vorstellen eines Bewegungsablaufs ohne gleichzeitigen praktischen Vollzug. Da unser Gehirn keinen Unterschied zwischen tatsächlicher Ausführung einer Bewegung (wie z.B. einem Wechsel) und der Vorstellung eben dieser macht, lassen sich Wechsel trainieren, ohne tatsächlich das Rennrad durchs Wohnzimmer schieben zu müssen.
Um das Wechselverhalten mental trainieren zu können, braucht es in eurer Vorstellung ein optimales Bild des Wechsels. Wenn ihr dieses für euch noch nicht habt, dann sprecht mit Trainingspartnern, schaut in Wechselzonen zu oder seht euch entsprechende Videos im Internet an.
Vogel- oder Ich-Perspektive
Habt ihr eine für euch stimmige Vorstellung vom Wechsel, dann solltet ihr diesen alsbald in die Praxis umsetzen. Wenn ihr ein Gefühl dafür bekommen habt, euch den Helm aufzusetzen, die Startnummer zu schnappen, euer Rad zu nehmen und loszulaufen, um dann die Schuhe auf dem Rad anzuziehen, dann könnt ihr die Abläufe im nächsten Schritt auch mental ergänzend einsetzen. Stellt euch den Wechsel so lebhaft wie möglich aus der Vogelperspektive oder aus der Ich-Perspektive vor. Ihr solltet es so detailliert wie möglich tun. Stellt euch z.B. vor, wie ihr euch auf dem Weg zur T2 die Schuhe öffnet und kurz vor dem Balken das Bein über den Sattel schwingt, abspringt und loslauft. Ihr stellt das Rad an seinen Platz, zieht euch den rechten Schuh an, dann den linken und setzt den Helm ab und legt ihn hin. Stellt euch dabei vor, was ihr seht, wie sich der Klettverschluss beim Öffnen anhört und wie sich der Rasen unter den Füßen und wie sich die Laufschuhe anfühlen. Tipp: Die Zeit des mentalen Wechsels sollte zeitlich nah an der tatsächlichen Wechselzeit sein.
In Lehrbüchern wird häufig darauf verwiesen, im mentalen Training die wichtigsten Knotenpunkte der Bewegung hervorzuheben. Meine Erfahrung in der Arbeit mit Triathleten hat gezeigt, dass es für das Vorstellungstraining des Wechsels nicht unbedingt nötig ist. Ein Beispiel, bei dem es sich als hilfreich erwiesen hat, ist das Ausziehen des Neoprenanzuges am Rad. Während der „Neo“ auf dem Weg aus dem Wasser schon bis zur Hüfte und am Rad mit einem Schwung bis zu den Knien heruntergezogen wird, kann ein individueller Rhythmus die beherzten Schritte unterstützen, mit denen der Neoprenanzug letztlich von den Beinen getreten wird.
Vorstellungskraft im Wettkampf nutzen
Ein weiterer Ansatzzeitpunkt für die mentale Strategie liegt im Wettkampf selbst. Mit den verinnerlichten Abläufen lässt sich der Wechsel im Rennen kurzfristig noch einmal vor Augen rufen und somit beschleunigen. Stell Dir auf dem letzten Kilometer in Richtung T2 doch schon einmal vor, wie du die Radschuhe öffnest, kurz vor dem Balken den Körper auf das linke Pedal bringst und nach dem Abspringen weiterläufst. Wenn das Rad im Ständer steht, dann ziehst du die Laufschuhe an und setzt den Helm ab, und los geht es. So hast Du den Weg aus der Wechselzone, den Du dir vor dem Rennen angeschaut hast, auch direkt wieder vor Augen und es kommt zu keiner Verwirrung.
Ich hoffe ich konnte die ein oder andere Idee liefern, freue mich auf Feedback und Wünsche zu weiteren Beiträgen!
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Das Ausscheiden unserer WM-Helden wirkt immer noch nach. Die Fehleranalysen sind überall zu spüren. Die zentralen Punkte für Erfolg und Misserfolg können vom Profifußball auf die Wirtschaft übertragen werden. Eine wichtige Rolle spielt hierbei, dass das Führungsverhalten und die Fehleranalyse ernst genommen wird. Denn hier wie da geht es darum, großartige Leistung durch einen menschlichen und professionellen Umgang zu erreichen und diesen dann nachhaltig zu pflegen.
Zum Thema: Sportpsychologie des Misslingens im Profifußball und bei Unternehmen
Großartige Erfolge in der Vergangenheit bergen die Gefahr von Zufriedenheit, Hochmut, Selbstüberschätzung und fehlendem Biss. Gegnerische Mannschaften oder Kunden begegnet man mit der Einstellung: „Es wird schon schief gehen.“ Aus diesem Grund wird die Vorrunde locker genommen, da die WM für die deutsche Mannschaft sowieso erst im Achtelfinale beginnt oder weil “wir” eine “Turniermannschaft” sind. Dies konnte man allgegenwärtig hören. Eben diese Lockerheit und Sichtweise ist einer der Gründe dafür, weshalb zahlreiche Unternehmen nicht mehr existieren oder Bundesligisten Auf- und Absteigen. Doch wie kann man in unserer heutigen Zeit Potenziale entwickeln, um sich in einem sicheren und erfolgreichen Gewässer bewegen zu können? Für mich gibt es das mehrere Gründe. Besteht eine Mannschaft aus Führungsspielern (https://www.die-sportpsychologen.de/2016/04/04/dr-rene-paasch-leitwolf-eine-aussterbende-spezies/), Mannschaftsspielern und Individualisten, die jeweils ihren einzigartigen Beitrag zum Gesamterfolg leisten, wie die ehemaligen Nationalspieler Schweinsteiger & Klose 2014?
Dieser Frage müssen wir uns nähern. Zu einer guten Mischung gehört daher, dass sich erfolgreiche und junge Spieler gegenseitig schätzen, unterstützen und reiben. War dies der Fall in der Nationalmannschaft? Auch in der Wirtschaft hindern machtgeleitende und festgefahrene Führungskräfte junge Arbeitnehmer manchmal daran, zu wachsen. Dabei ist es für jede Mannschaft und jedes Unternehmen nachweislich wichtig, Verbindungen mit dem Nachwuchs zu schaffen. Die gemeinsame Identität „Die Mannschaft & #ZSMNN“ und das Kämpfen für ein großes Ziel werden nicht nur in der deutschen Nationalelf vermisst, sondern auch in zahlreichen Unternehmen. Anstelle von Teamgeist (Näheres dazu: https://www.die-sportpsychologen.de/2015/06/19/dr-rene-paasch-fuehrung-und-teamentwicklung-im-fussball/ findet man hier oftmals Egoismus, Selbstherrlichkeit, Gruppenbildung, Silo-Denken (Fenwick, Seville & Brunsdon, 2009, S. 4), eine mangelnde und ignorante Kommunikation und Zusammenarbeit.
Vertrauen und Menschlichkeit
Vielleicht wurden unseren Weltmeistern durch das Trainerteam mehr Vertrauen entgegengebracht, als es ihrer aktuellen Leistung entsprochen hätte. Auch in Unternehmen bekleiden erfolgsverwöhnte Führungskräfte, die sich durch frühere Leistungen bewiesen haben, auch heute noch einflussreiche Positionen im Sport und der Wirtschaft und machen ihren Anspruch geltend. Natürlich sollten tolle Leistung honoriert werden. Jedoch neigen ehemals erfolgreiche Sportler, Mannschaften und Personen oft dazu, an Altbewährtem festzuhalten und Neues zu bremsen. Nur mit Leidenschaft und Entbehrungen werden Spitzenleistungen erreicht. Doch bereits im Vorfeld der WM gaben einige Spieler an, dass ihnen die Champions League wichtiger sei als die Weltmeisterschaft oder kennzeichneten ihre Zugehörigkeit. Schwierige Situation, die emotional aufgefangen werden muss.
Auch in deutschen Unternehmen berichten Mitarbeiter über eine emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber (Gallup Engagement Index 2016), die auch für den Profisport gelten. Begeisterung und emotionale Bindung wirken sich auch auf die mentale Einstellung aus: Bin ich bereit, ungewöhnliche Wege zu gehen und Entbehrungen auf mich zu nehmen, kämpfe ich um jeden Ball, um jeden Kunden? Übernehme ich Verantwortung für mein Handeln und das Team? Profimannschaften und Unternehmen sollten daher aktiv Rahmenbedingungen schaffen, die Mentalität und eine emotionale Bindung fördern. Weiterhin sollten die Entwicklung und der Erfolgshunger höher ausgeprägt sein als der Drang nach einer positiven Selbstdarstellung.
Die deutsche Mannschaft und der DFB waren sich erfolgssicher. Die Nation und das DFB-Team hielt an ihrer Überzeugung fest, trotz fünf siegloser Spiele vor der WM. Ein derartiges Kollektivdenken ist oft auch in Unternehmen zu finden. Die Realität wird im Sinne des subjektiven Bildes verzerrt. Dies geschieht vor allem in homogenen Gruppen, in denen es keine ersichtliche Reibung und konstruktive Gespräche gibt, in denen Unpässlichkeiten angesprochen werden. Einige Insolvenzen oder Auf- und Abstiege sind unter anderem auf Fehlentscheidungen und Kollektivdenken zurückzuführen.
Entscheidend ist die Art des Umgangs mit Fehlern. Manchmal kann es hilfreich sein, personelle Wechsel in Teams und in der Führungsetage vorzunehmen, wenn die nötige Vision, Fehlerkultur oder Veränderungsbereitschaft fehlen. Wichtig in diesem Zusammenhang sind eine kontinuierliche Selbst- und Teamreflexion. Warum sind die ehemaligen Weltmeister Spanien, Italien oder Frankreich ebenso wie Deutschland in der jeweils darauffolgenden WM früh ausgeschieden? Warum sind andere Unternehmen gescheitert? Nachhaltige und zielführende Fehleranalysen bieten großes Wachstumspotenzial, ohne dass die Mannschaft oder Unternehmen unmittelbar bedroht wird. (Näheres dazu: https://www.die-sportpsychologen.de/2017/11/16/dr-rene-paasch-joachim-loews-neue-fehlerkultur-wie-fehler-positive-wirkung-entfalten-koennen/)
Fazit
Potenzialentfaltung und großartige Leistungen sind mit den oben genannten Punkten eher wahrscheinlich. Das Führungsverhalten spielt hierbei eine zentrale Rolle. Das frühe Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft ist enttäuschend. Dennoch liegt hier ein besonderer Zauber für großes Wachstumspotenzial.
Literatur
Fenwick, T., Seville, E. & Brunsdon, D. (2009): Reducing the impact of organisational silos on resilience. New Zealand: Resilient Organisations Research Programme.
Was wir in der Vergangenheit bereits aus der Science-Fiction Literatur kannten, ist heute bereits Realität. Und diese Realität ist bereits viel greifbarer als vielen bekannt ist. Innovationen bei Virtual Reality- Technologien sowie Anwendungsmöglichkeiten sind tendenziell nur in Insiderkreisen bekannt. Die breite Masse versteht Virtual Reality ausschließlich als die Spieltechnologie der Zukunft. Dabei bietet Virtual Reality ein noch ungeahntes Potential bei praktischen und psychologischen Anwendungen. Die Entwicklung der VR-Technologie schreitet aktuell rasend voran. Der Sportpsychologe Mario Schuster beschreibt in diesem Artikel zukünftige Chancen und Möglichkeiten, welche sich in der mentalen Entwicklung von HochleistungssportlerInnen bei entsprechenden Entwicklungsbemühungen ergeben könnten.
Klinisches VR in der Praxis
Kennengelernt habe ich die Möglichkeiten von Virtual Reality in der Psychologie im ersten VR-Phobie-Zentrum Österreichs Ende 2017. Das Team rund um „Phobius“ hatte mich eigeninitiativ eingeladen um mir das Potential von VR-Anwendungen in der Psychologie zu demonstrieren. Neben einem umfangreichen Briefing incl. klinischen Backgrounds durfte ich das VR-Set auch gleich selbst ausprobieren. Zum Ausprobieren zählte neben dem Erfahren der Qualität heutiger VR-Software auch das Austesten verschiedener Behandlungsprogramme für unterschiedliche Arten von Angststörungen.
Die Hardware ist leicht zugänglich. Die Behandlungssoftware selbst wird dabei in Kooperation mit VR-Softwarespezialisten programmiert und designt. Zielgerichtete Softwareanwendungen für den Sport müssen hierbei jedoch erst generiert werden. Doch dazu zählt, zunächst die richtigen Impulse zu setzen und angewandte sportpsychologische Forschung mit Virtual Reality zu betreiben.
Die Psychologie hinter Virtual Reality: Gummihandillussion
Die psychologische Wirkung virtueller Realitäten können zunächst sehr gut mit der „Rubber Hand Illusion“ (Hegedüs et al., 2014) demonstriert werden: In diesem durchaus bekannten Experiment wurden den sitzenden Versuchspersonen der linke Arm (kann auch rechts sein) durch eine künstliche Gummihand ersetzt. Der echte Arm wurde dabei durch eine Trennwand visuell abgeschirmt. Die TestleiterInnen strichen folgend simultan mit einem Pinsel über die sichtbare Gummihand UND über die visuell abgeschirmte echte Hand. Nach einiger Zeit hämmerte der Versuchsleiter plötzlich mit einem Hammer auf die Gummihand. Die Testpersonen erschreckten jeweils und berichteten darüber, auch einen echten Schmerz gespürt zu haben – obwohl die Gummihand nicht wirklich ein Teil des Körpers war. Die Gummihand wurde im Laufe des Experiments als Teil der eigenen körperlichen Realität integriert.
Das VR in der Psychologie keine Spielerei, sondern eine ernstzunehmende Alternative zu herkömmlichen Methoden ist, zeigen ja bereits auch mehrere Studien und Metaanalysen und Reviews (vgl. Scozzari & Gamberini, 2011; Powers & Emmelkamp, 2008) in diesem Bereich.
Die Behandlung von Störungen mittels Virtual Reality
Im Speziellen zeigt eine Meta-Analyse von Powers & Emmelkamp (2008), dass VR-Therapien eine größere Behandlungswirkung haben, als unter Kontrollbedingungen. Darüber hinaus zeigt sich sogar, dass der Behandlungserfolg mittels VR größer ist, als bei klassischen Therapiesitzungen (z.B. echte Spinnen auf der Hand herumkrabbeln lassen, gemeinsam auf den Berg raufwandern, einen Vortrag live durchführen oder sich in ein echtes Flugzeug setzen, etc.). Darüber hinaus zeigen die Analysen, dass eine Behandlung von Phobien mittels „clinical VR“ auch weniger Behandlungseinheiten bedarf, als die klassische Therapie (CBT). Neben Phobien eignet sich clincal VR übrigens auch zur Behandlung von posttraumatischen Behandlungsstörungen (Scozzari & Gamberini, 2011).
Nicht zu vernachlässigen ist dabei auch das reduzierte Risiko der VR-Variante von möglichen Retraumatisierungen (z.B. Spinne oder der Hund beißt in der Realität ganz unerwartet, etc.) oder tatsächliche Verletzungen (z.B. Knöchelverletzung infolge eines Felssturzes im Rahmen einer therapeutischen Bergwanderung wg. Höhenangst, etc.).
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Ein ausführlichen Bericht zur Behandlung von Phobien mittels VR hatte ich bereits auf der Plattform Mental Blog veröffentlicht.
Neue Technologien bieten neue Trainingswelten
Neben Virtual Reality sind auch Technologien wie AR (Augmented Reality) und MR (Mixed Reality) im Blickfeld der Technologiekonzerne. Doch in diesem Beitrag geht es schon speziell um VR. Die Frage, welche sich mir hier als Sportpsychologe stellt ist, mit welchen weiteren Technologien sich die VR-Sportpsychologie kombinieren lässt, um eine sportspezifischere „Trainingswelt“ zu generieren?
Letztlich geht es darum, Trainingswelten zu konzipieren, zu designen und zu programmieren. Diese Welten sollen auch jene mentale Anforderungen stellen, durch welche auch eine Trainingsbenefit auf mentaler Ebene erzielt werden kann. Außerordentlich wichtig finde ich es dabei, das Feld nicht ausschließlich Programmierern zu überlassen, sondern auch Sportpsychologen signifikant einzubinden. Nicht nur aus Qualitätsgründen, sondern auch um die ethische und gesundheitliche Perspektive im Auge zu behalten.
Technologische Möglichkeiten
VR Brillen + Smartversion (VR Brillen mit Smartphonehalterung)
VR Sticks oder andere Geräte für die Hände
VR Handschuhe
Rückenkamera (hinter dem VR-User befindet sich eine Kamera welche ein visuelles LIVE-Feedback der eigenen Körperposition im virtuellen Raum gibt)
VR Anzüge (VR Suit | z.B. Teslasuit: https://teslasuit.io; geben dem Körper einen minimalen Strom- oder Druckreiz, aber auch thermisches Feedback)
VR Biofeedback
Ich könnte diese Liste nun sogar noch stärker erweitern oder auch die Möglichkeiten der einzelnen Technologien für sportpsychologische VR-Trainingsanwendungen erörtern. Doch dies würde den Rahmen und das Ziel dieses Artikels sprengen.
Virtual Reality Brillen sind mittlerweile massentauglich und auch preislich erschwinglich. Wem die integrierte VR-Brille zu teuer ist, kann sich auch eine sehr günstige VR-Hülle kaufen und das eigene Smartphone als Bildschirmfläche benutzen. Wobei hier davon auszugehen ist, dass die Kopplung von integrierten VR-Brillen mit einem Hochleistungsrechner für entsprechend realistischere VR-Erlebnisse sorgen wird.
Die virtuelle Welt wirkt echt und wirkt auch nach
Wer sich schon mal in die Welt von Virtual Reality begeben hat, dem ist sicher auch bewusst, wie rasch die virtuelle Realität die echte Realität ersetzt. Auch wenn der/die NutzerIn weiß, dass es ja „nur“ eine virtuelle Realität ist, erlebt das Gehirn die virtuelle Realität intuitiv als REAL an und reagiert auch entsprechend auf Reize und Impulse in dieser Realität.
Verschärft wird dieses Erleben mit der Macht, die virtuelle Realität zu manipulieren. So könnte z.B. ein Fußballer üben, Freistöße zu halten. Dabei erhält er jedoch auch einen speziellen Handschuh, welcher auch die Reize von virtuellen Schüssen simuliert. Oder auch durch einen VR Suit, welcher dem Verteidiger einen Druckreiz gibt, wenn der Schuss auf seinen Oberschenkel prallt.
Die Wirkmacht von Virtual Reality zeigt sich auch eindrucksvoll in Bezug auf die Wahrnehmung der echten Welt, nach dem Ausstieg aus der virtuellen Welt. Bei einem veränderten Körperkonzept (durch Manipulation des Körperbildes) kann es sogar passieren, dass du dir ein Glas Wasser über den Kopf schüttest, da es dir im ersten Moment nicht gelingt, das Wasser einfach zu trinken.
Beispiele für potentielle Anwendungsgebiete
So viel zur Theorie, zu möglichen konzeptuellen Strategien und auch Auszügen technologischer Handlungsoptionen. Um Virtual Reality im Spitzensport-Training auch sinnvoll anwenden zu können bedarf es nun auch konkreter Konzepte, welche der VR-Technologie auch einen Vorteil im Trainingsprozess liefern können.
Dazu habe ich ein paar Beispiele ausgearbeitet und gewählt:
Eine Mountainbikestrecke (evtl. Olympiastrecke) visuell abgeschirmt und mit Kopfhörern mehrfach durchgehen und somit mental zu trainieren.
Komplexe Spielsituationen im Fußball trainieren, um die exekutiven Funktionen (Vestberg et al., 2012) zu stärken.
Ein thermischer VR-Suit bereitet Spieler auf komplexe Spielsituationen unter Hitzebedingungen auf die Fußball WM in Katar 2022 vor
Gefahrensituationen im Rennsport simulieren, um passende Situationsmuster zu trainieren.
Einfach einen Fußball-„Hexenkessel“ (Stadion mit zehntausenden Menschen, welche unerwünschte Parolen singen) um physiologische und mentale Reaktionen zu messen; der Athlet wird dabei an Biofeedbacksensoren angeschlossen. Das erlebte wird dabei entweder simultan oder im Anschluss mit einer Fachkraft reflektiert.
Konfliktsituationen mit Eltern, Sponsoren, TeamkollegInnen oder TrainerInnen durch Konfrontation trainieren.
TV-Interviews und Antworten auf unangenehme Fragen trainieren.
Wechselzone im Triathlon. Auch die Reihenfolge der richtigen Handgriffe gehört trainiert.
Dazu möchte ich auch betonen, dass ich diese Anwendungen auch nicht als Spielerei, sondern als eine wirksame Trainingsergänzung betrachte. Umso wichtiger ist es auch, Sportpsychologen sowohl in die Entwicklung als auch in die Instruktion für die Trainierenden miteinzubeziehen. Vor allem Anwendungen mit klinischen Thematiken sollten folglich auch unter Begleitung von Fachpersonal vonstattengehen.
Mangelnder Forschungsstand in VR Sportpsychology
Die Forschung im Bereich Virtual Reality aus psychologischer Perspektive ist hochaktiv. Geforscht wird hierzu nicht nur an der Universität Wien.
Aber: Meine Recherchen zum Kenntnisstand von angewandter Virtual Reality in der Sportpsychologie fiel eher mager aus. Weshalb ich hier auch an eine verstärkte Förderung der Wirksamkeitsforschung von VR-Anwendungen im Sport im Vergleich zu alternativen Trainingsmethoden appelliere. Das Potential ist groß, die gelebte Praxis stark zurückhaltend. Womöglich auch aus Mangel konkreter Erfahrung mit gut entwickelten Softwareanwendungen.
Doch jemand muss den Anfang machen. Wenn schon nicht der Spitzensport, dann vielleicht innovative Softwareunternehmen, welche das Potential von Virtual Reality schon längst erkannt haben. Im Blickpunkt der Forschung sollten dabei jedoch nicht nur das leistungsförderliche Potential, sondern auch kurz- und langfristige Effekte auf die gesundheitliche Situation sein um Virtual Reality in der Sportpsychologie von Beginn seriös aufzubauen. Denn eines ist gewiss: Die VR-Technik hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt – und in diesem Tempo wird es auch weitergehen!
Weitere Literatur
Hegedüs, G., Darnai, G., Szolcsányi, T., Feldmann, Á., Janszky, J., & Kállai, J. (2014). The rubber hand illusion increases heat pain threshold. European Journal Of Pain, 18(8), 1173-1181. http://dx.doi.org/10.1002/j.1532-2149.2014.00466.x
Morina, N., Ijntema, H., Meyerbröker, K., & Emmelkamp, P. (2015). Can virtual reality exposure therapy gains be generalized to real-life? A meta-analysis of studies applying behavioral assessments. Behaviour Research And Therapy, 74, 18-24. http://dx.doi.org/10.1016/j.brat.2015.08.010
Powers, M., & Emmelkamp, P. (2008). Virtual reality exposure therapy for anxiety disorders: A meta-analysis. Journal Of Anxiety Disorders, 22(3), 561-569. http://dx.doi.org/10.1016/j.janxdis.2007.04.006
Scozzari S., Gamberini L. (2011) Virtual Reality as a Tool for Cognitive Behavioral Therapy: A Review. In: Brahnam S., Jain L.C. (eds) Advanced Computational Intelligence Paradigms in Healthcare 6. Virtual Reality in Psychotherapy, Rehabilitation, and Assessment. Studies in Computational Intelligence, vol 337. Springer, Berlin, Heidelberg
Vestberg, T., Gustafson, R., Maurex, L., Ingvar, M., & Petrovic, P. (2012). Executive functions predict the success of top-soccer players. PloS one; 7(4)
Im Rahmen der Deutschen Klettermeisterschaft im neu geschaffenen Olympic-Combined-Format hat sich Johannes Wunder mit Urs Stöcker, dem Nationaltrainer Wettkampfklettern, getroffen. Der Klettertrainer gibt interessante Einblicke in seinen Alltag, beschreibt seine Philosophie und berichtet von Schwierigkeiten, mit denen seine Athleten auf dem Weg zu den Olympischen Spielen 2020 in Tokyo zu kämpfen haben. Die Sportpsychologie spielt dabei eine zunehmend wichtige Rolle.
Zum Thema Erwartungsdruck durch Olympiateilnahme
„Ich war etwas skeptisch“, beginnt Urs Stöcker seine Analyse der vergangenen Monate. Grund hierfür ist zweifelsohne sein großer Erfahrungsschatz. Stöcker, selbst viele Jahre aktiv an den bekanntesten Wänden der Szene – darunter der El Capitan und die Eigernordwand – kennt sich bestens aus im Klettersport. Als Trainer war er unter anderem beim Schweizer Verband für die Top-Athleten zuständig und ist seit gut einem Jahr für den Deutschen Alpenverein in Verantwortung. Seine Aufgabe: Olympia 2020. Seine Lösung: Struktur und Kontinuität. In Vorbereitung auf die ersten Wettkämpfe in diesem Jahr reiste das Team um den neuen Nationaltrainer im Februar nach Tokyo – dort wo 2020 die Entscheidung fällt, ob in der Vorbereitung solide und nachhaltig gearbeitet wurde.
„Alle waren hochmotiviert“, beschreibt Stöcker seine ersten Eindrücke vom Trainingsauftakt. Viele schweißtreibende Einheiten standen auf dem Programm, die Jungs und Mädels entwickelten sich in die richtige Richtung. „Alles lief gut, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass wir vorsichtig sein müssen.“ Der Nationaltrainer beschreibt eine sich entwickelnde Dynamik, geprägt von Leistungswillen und Motivation. „Das erzeugte aber bei allen Beteiligten viel Druck und noch mehr Erwartungen!“ Die Bestätigung erhielt der Bundestrainer dann bei den ersten Weltcup-Events im April. „Wir sind qualitativ gut dabei, aber der Druck hat uns gelähmt“, so Stöcker, der hinzufügt: „Schlecht waren wir zum Auftakt der Saison natürlich nicht, aber das Gesamtergebnis kann nicht zufriedenstellen.“
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Das neu geschaffene Format „Olympic Combined“ sieht der Klettertrainer als große Chance für alle Beteiligten, insbesondere natürlich für seine Schützlinge. „Jan Hojer zum Beispiel hatte sein Wettkampfhoch im Bouldern im Jahr 2015, danach wurde es für ihn schwierig, weiterhin konstant große Erfolge zu verbuchen.“ Für ihn sieht Stöcker neue Möglichkeiten, noch einmal ganz oben mitzumischen. Aber bis zur Entscheidung vom ausschließlichen Bouldern auf das neue Format mit Speed- und Lead-Klettern zu setzen, machen viele Gedanken die Runde. Der Bundestrainer bringt es auf den Punkt, wenn er sagt, dass es um Spezialisierung und Generalisierung geht. „Wenn du dich wohl fühlst in einer Disziplin und sehr erfolgreich warst, ist es ein großer Schritt, den Fokus fortan auf mehrere Wettkampfformen gleichzeitig zu legen.“ Schließlich entscheiden sich viele Athleten bewusst für ihre Paradedisziplin und gegen Speed- und Lead-Klettern, wie in Hojers Fall. „Du musst open minded an die Sache herangehen. Das ist für viele nicht immer einfach – ich erkenne immer wieder verkopfte Muster bei meinen Athleten.“
Dies bringe auch im Trainings- und Wettkampfalltag manche Schwierigkeiten mit sich. Die Sportler wissen, dass ein falscher Tritt im Speed-Klettern ein Wettkampfaus bedeuten kann. Ähnlich ist es beim Lead-Klettern. „Zu wissen, dass man fünf, sechs Züge mehr braucht als sein Kontrahent, baut unheimlich viel Druck auf.“ Eine kleine Ausnahme stellt laut Stöcker das Bouldern dar. Es werden mehrere Boulderprobleme angegangen und jeder Athlet hat die Möglichkeit, seine Züge zu wiederholen. Der Bundestrainer geht sogar noch weiter mit seiner Analyse: „Wenn du im ersten Boulder extreme Schwierigkeiten hast und alle anderen den Top-Griff erreichen, kannst du danach noch korrigieren.“
Jede Disziplin hat also seine eigenen Gesetze und auch die Kombination der drei Wettkampfformen bringt neue, ungewohnte physische und vor allem psychische Herausforderungen mit sich. Urs Stöcker kennt die Hürden und sieht es als seine Aufgabe, bestmögliche Voraussetzungen zu schaffen, damit sich die Athleten optimal entwickeln können. „Für mich war es unheimlich wichtig, dass wir unsere beiden Stützpunkte mit Leben füllen und der Kader regelmäßig zusammen trainiert“, so der ehemalige Top-Bergsteiger, der selbst weiß wie es ist, mit anderen Top-Athleten, wie zum Beispiel Thomas Huber, zusammen zu arbeiten.
Die Marschroute ist klar: „Wir wollen unsere Kräfte bündeln und von den jeweiligen Spezialisten lernen.“ Die Synergien, die er dadurch in den Trainingsgruppen verspürt, empfindet er als bereichernd für alle Athleten. So bleibt auch genug Zeit, um die bereits bekannten Techniken aus der Sportpsychologie weiter zu verfeinern. Viele Sportler des Nationalkaders arbeiten mit Ritualen und Techniken im Bereich Visualisierung. „Wenn wir dann Jan beim Lösen von Boulderproblemen beobachten, erweitert das natürlich den Horizont. Umgekehrt kann er sich bei den Erfahrungen von Spezialisten im Lead-Klettern bedienen.“
Geringerer Erwartungsdruck durch Offenheit
Jeder Athlet weiß also im Idealfall, welche Stärken und Schwächen er hat und kann so entweder Hilfe anbieten oder ihm wird geholfen. Um die eigene Wahrnehmung zu verstärken, hat das Trainerteam um Urs Stöcker eine Charakteristik für seine Sportler und Sportlerinnen erarbeitet. Zu finden sind dort Merkmale zur Persönlichkeit, sowie Stärken und Schwächen. Auch die Athleten selbst werden in die Reflektion von eigenen Ergebnissen beziehungsweise Leistungen anderer eingebunden. „Ich lege großen Wert darauf, mit allen offen zu kommunizieren, jeder soll wissen, woran er ist!“ Stöcker verspricht sich dadurch den Erwartungsdruck geringer zu halten. Wenn jeder genau weiß, wo er im Kader steht und woran er arbeiten muss, existiert größtmögliche Transparenz, so ein Lösungsansatz vom Bundestrainer. Doch damit nicht genug: Unter den Nationaltrainern existiert auch eine sogenannte Potenzialeinschätzung für alle Schützlinge. Auf einer Bewertungsskala von eins bis fünf werden Punkte verteilt in Kategorien wie zum Beispiel „Umfeld“, „mentale Stärke“ oder „Technik“. Daraus wird entsprechend ein Ranking erstellt und dient als objektives Tool für Bewertungen der Bundestrainer. Eine weitere, ähnliche Skala wird zudem für Athletengespräche genutzt. Der Unterschied liegt darin, dass hierbei auch die Selbsteinschätzung der Sportler und des betreuenden Trainers einfließt.
Für die nahe Zukunft schmiedet Stöcker bereits konkrete Pläne, die pädagogisch-psychologische Ebene weiter auszubauen. Künftig wird es betreuende Sportpsychologen für das Team und für den einzelnen Athleten geben – getrennt voneinander, damit keine Rollenkonflikte entstehen und die Betreuung optimal verlaufen kann.
„Zu jeder Einheit sind Laufschuhe mitzubringen!“ So oder so ähnlich lautet meist die letzte Information auf dem Vorbereitungsplan. Ich kenne wenige Fußballer, die bei diesem Satz nicht die Nase rümpfen. Dabei können Laufschuhe auch aus sportpsychologischer Sicht ein wunderbares Vehikel sein, zum Beispiel im Sinne des Teambuildings. Denn neben dem Aufbau der physiologischen Parameter ist in der Vorbereitung ein Hauptziel des Trainers, aus der Menge an Individuen ein Team zu entwickeln, dass möglichst erfolgreich agieren kann. Das hinter dem Prozess der Teamentwicklung weitaus mehr als nur der obligatorische Besuch im Hochseilgarten steckt, ist vielen dabei nicht bewusst. Aus diesem Grund haben meine Kollegin Lisa-Marie Rückel und ich uns zur Aufgabe gemacht, in den nächsten Beiträgen den Teamentwicklungsprozess nach Tuckmann dem interessierten Leser vorzustellen und geeignete Interventionen mit an die Hand geben. Und da kommen sogar die Laufschuhe wieder ins Spiel.
Zum Thema: Wie kann das „Auslaufen“ aktiv genutzt werden, um den Teamentwicklungsprozess positiv zu beeinflussen?
Das Auslaufen hat mehrere gute Gründe, weshalb es nach den Einheiten genutzt werden sollte. Neben der aktiven Erholung für den aktiven und passiven Bewegungsapparat, sowie für Psyche (Regenerationszeit verkürzen) kann das gemeinsame lockere Austraben bewusst als Tool für die Teamentwicklung genutzt werden. Insbesondere zu Beginn der neuen Saison, wenn es gilt, neue Spieler in das bestehende Team zu integrieren und aus Einzelkämpfern ein funktionierende Team zu schaffen.
Damit der Sinn und Zweck erkenntlich wird, soll im Folgenden kurz die Theorie dargestellt werden. Der Weg zu einem funktionierenden Team ist nach Tuckmann (1965) an verschiedene Phasen eines Entwicklungsprozesses gebunden, die nacheinander durchlaufen werden müssen. Dieser stringente Ablauf wird auch als Teamentwicklungsuhr (Abbildung 1) bezeichnet. In Bezug auf die Steuerung von außen ist anzumerken, dass in jeder dieser Phasen Führung hilfreich und erforderlich ist. Das bedeutet, der Trainer und sein Verhalten sind maßgeblich an dieser Ausbildung beteiligt. Ggf. können bestimmte Interventionen die eine oder andere Phase günstig beeinflussen und beschleunigen.
Phase 1 Forming
In dieser ersten Phase lernen die Teammitglieder sich kennen und miteinander umzugehen. Man ist höflich und eher unpersönlich zueinander. Man geht vorsichtig miteinander um. Regeln der Zusammenarbeit werden formuliert und verabredet. In dieser Phase ist das Team vom gemeinsamen Funktionieren noch weit entfernt. Es geht darum, Situationen zu schaffen, in denen sich die Mitglieder kennen lernen können und ein Austausch möglich wird. Unter Umständen kann es sinnvoll sein, in dieser Phase eine gemeinsame Zielstellung zu formulieren.
Und hier kann bspw. das Auslaufen aktiv genutzt werden, um erste Berührungspunkte zu schaffen. Denkbar wäre, dass das Team mit verschiedenen Aufgaben während des Laufens beauftragt wird. Hier sind der Phantasie der Trainer keine Grenzen gesetzt. Zum Beispiel könnten sich die Spieler untereinander über private Dinge austauschen. Je nach Altersgruppe können auch spielerische Elemente mit eingebaut werden. So sollen sich die Spieler untereinander austauschen und dem kalendarischen Alter entsprechend von jung bis alt nach dem Auslaufen aufstellen können. Die Variablen können beliebig verändert werden. Über geographische Lage (Nord – Süd) des Geburtsortes, der Körpergröße usw. Damit die Aufgabe nicht allzu schnell seinen Reiz verliert, kann der Ball auch mit genutzt werden. Die Spieler sollen sich den Ball untereinander zu spielen, ohne einen Fehlpass zu provozieren.
Training/Spiel Revue passieren lassen
Eine weitere Möglichkeit ist, die Trainingsinhalte noch einmal ins Bewusstsein zu rufen. Wer den gleichen Fehler nicht ein zweites Mal machen möchte oder die einstudierten Sachverhalte (z.B. Abseitsfalle der Defensive oder Standartsituationen der Offensive) besser verinnerlichen möchte, kann das Auslaufen bestens dazu nutzen, um zum einen Situationen zum Austausch untereinander zu schaffen, als auch die Effektivität zu erhöhen. Das gilt für das Training als auch für den Wettkampf.
Beispielsweise hat man direkt nach einer Partie noch eine Menge Spielszenen im Kopf präsent und kann beim lockeren Austraben ganz nebenbei überlegen, warum sich eine Spielsituation auf eine bestimmte Weise entwickelt hat und nicht anders.
Fazit
Neben der physiologischen Vorbereitung und der Vermittlung der Spielidee, ist die Teamentwicklung ein zentrales Thema in der Vorbereitung. Das sich hinter dem Prozess der Teamentwicklung – umgangssprachlich auch als Teambuilding bezeichnet – weitaus mehr als der gemeinsame Besuch eines Hochseilgartens verbirgt, ist augenscheinlich vielen nicht bewusst oder sie wissen nicht, was man noch tun kann. Aus diesem Grund ist es unser Ziel, den interessierten Trainern Informationen mit an die Hand zu geben, wie der Prozess aktiv begleitet werden kann. Wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr wollen wir die Ideen vermitteln und freuen uns über einen regen Austausch.
Mehr zum Thema
In einem Beitrag für Sportschau.de geht Mathias Liebing, Redaktionsleiter von Die Sportpsychologen, der Frage nach, ob es in der Fußball-Bundesliga einen Trend in Sachen Teambuilding gibt.
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Deutschlands Radsport-Held Jan Ullrich befindet sich in einer schweren Krise. Seine Geschichte macht mich tatsächlich sehr betroffen. Aufgrund dessen möchte ich diesen schweren Weg der Suchtentwöhnung kurz beschreiben, sensibilisieren und die verschiedenen Möglichkeiten der Prävention im Leistungssport aufzeigen. Denn leider ist Jan Ullrich auch kein Einzelfall.
Zum Thema: Präventionsmöglichkeiten und Früherkennung von psychischen Erkrankungen bei Leistungssportlern
Der Radsport-Profi Jan Ullrich lieferte sich in seinem Leistungssportlerleben große Duelle mit den Legenden seiner Sportart (Marco Pantani, Bjarne Riis oder Richard Virenque). Sie alle mussten mit ansehen, wie Ullrich ihnen davon fuhr und 1997 als erster Deutscher überhaupt die Tour de France gewann. Im Alter von 23 Jahren war der Rostocker auf dem Höhepunkt seiner Laufbahn. Doch es folgten immer wieder Rückschläge. So gilt Ullrich als der wohl prominenteste Dopingsünder Deutschlands. Immer wieder berichteten Boulevardmedien dann nach seiner Karriere über Eskapaden des einstigen Topstars des Team Telekom. Nach seinem jüngsten öffentlichen Absturz lässt sich der Ex-Radprofi nun in einer Entzugsklinik behandeln. Was dort genau passiert, möchte ich Ihnen nun näher erläutern:
Zunächst einmal müssen fürsorgliche und motivierende Gespräche geführt werden, damit ein Betroffener überhaupt den Weg in die Suchtklinik findet (Teamcoach, Familie, Freunde, Teamkollegen). Der Entzug in der Klinik dauert dabei oft nur wenige Wochen, abhängig vom Suchtstoff. Es gibt Drogen, die kann man sofort absetzen, weil der Entzug zwar unangenehm, aber nicht gefährlich ist. Dazu gehören zum Beispiel Opiate und Heroin. Das Absetzen ist zwar extrem unangenehm, aber medizinisch nicht bedenklich. Des Weiteren gibt es aber auch diejenigen Suchtstoffe, die man aus medizinischen Gründen langsam ausschleichen lassen muss, da diese sehr gefährliche Nebenwirkung aufweisen. Das gilt zum Beispiel für Beruhigungsmittel, sogenannte Tranquilizer.
Spezielle Herausforderung für Ullrich
In der jetzigen Verfassung des Ex-Radsportprofis Jan Ullrich veranlasst man für einen Alkoholentzug und Amphetamine jeweils zwei bis drei Wochen. In der Klinik wird der körperliche Entzug durchgeführt, bis die Entzugssymptome abgeklungen und der Suchtstoff vollkommen aus dem Körper abgebaut ist. Diese Zeit wird bereits intensiv für eine Suchttherapie mit therapeutischen Plangesprächen genutzt. Hier wird erläutert, was die Mechanismen sind, was Sucht bedeutet, wie sie entsteht, welche die Rückfallgefahren sind und wie man ein suchtfreies Leben gestalten kann. Dies geschieht sowohl in Einzelgesprächen als auch in Gruppensitzungen. Gerade die Gruppentherapie ist bei der Sucht sehr hilfreich, weil sich die Betroffenen untereinander austauschen können. Es ist viel authentischer und glaubwürdiger, wenn beispielsweise von anderen Betroffenen Warnungen oder Überzeugungen genannt werden. Wichtig: Bereits in der Entzugsklinik muss erarbeitet werden, wie es anschließend weitergeht. Denn die Vorstellung, ich mache jetzt drei Wochen Therapie und dann bin ich das Problem los, funktioniert leider nicht.
Nun ist zu hoffen, dass Jan Ullrich seine Situation annimmt und die spezielle Herausforderung meistert. Das heißt, die Überzeugung muss in diesen wenigen Wochen in der Klinik bereits erreicht werden, um am Ende das hoch gesteckte Ziel zu erreichen. Zumal sich mit der Entwöhnung direkt die zwei Phase anschließt. Diese kann durchaus auch in einer Spezialklinik stattfinden. Dort verbleiben Betroffene noch einmal für etwa sechs bis acht Wochen. Es gibt aber auch ambulante oder teilstationäre Möglichkeiten der Entwöhnung. Hierzu zählt beispielsweise der zweimalige Besuch pro Woche einer Suchtberatungsstelle und einer Selbsthilfegruppe. Für Menschen, die so berühmt wie Jan Ullrich, ist diese Phase zusätzlich herausfordernd. Besonders in einer Selbsthilfegruppe.
Prävention und Hilfe
Schauen wir uns aber nun die Möglichkeiten der Prävention und Hilfsmöglichkeiten, insbesondere mit Blick auf den Leistungssport, an: Wird psychisches Leiden von im Leistungssport tätigen Personen berichtet, so können damit verschiedene Probleme einhergehen. Zum einen scheint es aufgrund der öffentlichen Präsenz schwer zu sein, adäquate Hilfsangebote zu finden, zum anderen kann das Bekanntwerden einer psychischen Erkrankung das Karriereende des Betroffenen bedeuten.
Nach dem Suizid von Robert Enke wurden das Referat Sportpsychiatrie und -psychotherapie der DGPPN und die Koordinationsstelle MentalGestärkt an der Deutschen Sporthochschule Köln gegründet, die sich mit dem Thema „Gesundheit/Krankheit im Leistungssport“ beschäftigen. Daraus lässt sich schließen, dass Athleten im Leistungssport ein Netzwerk aus multiprofessionellen Fachkräften benötigen (ASP, BISP-Datenbank, Die Sportpsychologen, MentalGestärkt). Zu deren Aufgaben gehört die Vernetzung von Experten und Institutionen, so dass Leistungssportler in puncto Gesundheitserhaltung und Krankheitsbehandlung optimal informiert und versorgt werden können. Aufgrund der Komplexität ergeben sich zahlreiche Möglichkeiten hinsichtlich der Vorbeugung und Behandlung von psychischen Erkrankungen bei Leistungssportlern und Trainern, welche ich hier stichpunktartig aufführe:
Krankheitssymptome bei Leistungssportlern und Trainern im multiprofessionellen Team (Psychologe, Psychologischer Psychotherapeut, Sportpsychologe) erkennen und frühzeitig intervenieren (Hoyer, Kleinert, 2010).
Psychiatrische Behandlung erkrankter Leistungssportler und Trainer (ambulant, stationär, teilstationär)
Regelmäßige Vorträge/Workshops zur Psychoedukation von u.a. Stress/Druck, depressiven Erkrankungen sowie Beziehung und seelische Gesundheit (Sulprizio, 2011).
Fazit
Jan Ullrich tut mir sehr leid. Ich kenne ihn und seine persönlichen Hintergründe nicht, aber er hat es aktuell viel schwerer als andere Suchtkranke. Denn zusätzlich wird Ullrichs Schicksal öffentlich, dies sogar international, verfolgt. Die daraus resultierende extrem hohe Erwartungshaltung ist eine zusätzliche psychische Last. Ich wünsche Herrn Ullrich von ganzem Herzen eine gute Besserung! Mögen meine und viele andere Genesungswünsche ihm Kraft für seinen Heilungsprozess schenken.
Literatur
Hoyer, J. & Kleinert, J. (2010). Leistungssport und psychische Störungen. Psychotherapeutenjournal, 3, 252 – 360.
Sulprizio, M. (2011). MentalGestärkt. Psychische Gesundheit im Leistungssport. Medicalsports network, 6, 14 – 17.
Sport als „Philosophie für den Körper“, dieser Ausspruch inspirierte mich, als vor kurzem das Philosophie-Magazin Hohe Luft las. Sehr spannend, wie die Autoren in einem Bericht über Sport auf die Auseinandersetzung mit philosophischen Ansätzen während der körperlichen Verausgabung Bezug nehmen.
Zum Thema: Den Sport um seiner selbst Willen erleben!
Obwohl Sport besonders von den Philosophen oftmals als sinnlos abgetan wurde, so sehen einige von ihnen gerade darin den Sinn der physischen Betätigung. Der französische Schriftsteller Georges Magnane schrieb dazu beispielsweise, dass gerade der Sport es ist, der einer „ansonsten unsinnigen Bewegung durch sein Dasein erst einen Sinn verleiht“.
Was hat es also auf sich, wenn Bewegungen eingeübt, trainiert und ausgeführt werden, die ohne den Deckmantel des Sport gar keine Berechtigung hätten? Genau dann steht der Sport – wie Magnane schreibt – für „mehr als ein Bild von der Wirklichkeit.“ Dann ist er „ein System von Bedeutungen, dass eine eigene Wirklichkeit erst konstitutioniert.“
Einfach einfach sein
Dieser Gedanke des Franzosen gefiel mir besonders, legitimiert er doch die Ausübung des Sports als eigenes, von jeglichem Zweck entbundenes Tun. „Einfach sein“ ist es, was nicht nur wir Psychologen mithilfe von Achtsamkeitsübungen erreichen wollen. Fällt es also leichter, wenn wir uns darauf besinnen, dass sich der Sport allein um seiner Selbst Willen legitimiert?
Sport also erst gar nicht als auf die Leistung bezogenes Instrument zu verstehen, sondern erstmal „einfach sein zu lassen“, wie immer man das verstehen möchte?
Sport als Spiel- & Übungplatz des Lebens
Ein weiterer Gedanke, der in dem Artikel angesprochen wurde, bezieht sich ebenfalls auf die Einfachheit, nämlich jene, die entsteht, wenn wir einmal nicht leisten müssen. So wird der erfolgreiche Arzt beim Betreten des Tennis Courts nicht mehr als solcher, sondern als jener mit dem ’noch etwas schwachen Aufschlag‘ beschrieben. Um sich genau darauf ausruhen zu können, während er sich in der Übung um ein besseres Service vergnügt.
Denn wo sonst können wir als Menschen so herrlich üben, als bei Bewegungen, die aufgrund ihrer eigentlichen Unsinnigkeit niemals den einen Sinn erfüllen müssen?
Vergnügen – ganz ohne Sinn
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Nicht von ungefähr stammt das Wort Sport von dem französischen Verb “se desponser”, was so viel bedeutet wie sich zu vergnügen. Vergnügen muss keinen Sinn erfüllen, sondern kann sich diesem spielerisch entziehen. So lautet auch das Fazit meines Ausflugs in philosophisches Gedankengut:
Wir sollten uns die Sinnfrage sowohl im Amateur- als auch im Leistungssport immer mal wieder stellen, um uns damit an seiner absoluten Sinnlosigkeit zu erfreuen und genau diese Leichtigkeit für unsere Leistungen zu nutzen.
Quelle: Maja Beckers. Mit Leib und Seele. In: Hohe Luft. Für alle, die Lust am Denken haben. Philosophie-Zeitschrift, 2018 Ausgabe 4, Seiten 23-27.
Das Netzwerk Die Sportpsychologen wächst stetig. Neben einigen arrivierten und erfahrenen Profilinhaber bietet die Plattform ebenso Platz für ambitionierte Berufseinsteiger (alle Profilinhaber auf einem Blick). In dieser Serie begleiten wir Johannes Stuppi auf den ersten großen Schritten im Berufsfeld. Das Ziel: Jungen Menschen Mut machen, sich für die Disziplin Sportpsychologie zu begeistern. Sportler exemplarisch zeigen, wie die Menschen hinter der Berufsbezeichnung Sportpsychologe ticken. Und unter Sportpsychologen aktiv die Vernetzung fördern. Aber genug der Vorrede:
Zum Thema: Mein Weg in die Sportpsychologie (Teil 1)
Ich wollte schon immer irgendwas mit „Sport“ werden. Denn seien wir mal ehrlich: Als wir noch ganz klein waren, hielt sich jeder von uns doch für den besten Kicker nördlich des Äquators und wir träumten vom großen Profifußball. Irgendwann merkten dann die meisten (ich leider schon früher als später), dass wir leider doch nicht das Zeug zum nächsten Pelé haben würden und dachten uns Alternativen aus. Meine Alternative: Sportkommentator. Sport habe ich sowieso den ganzen Tag geschaut, wobei die Sportart dabei reichlich irrelevant für mich war! Was sich bis heute nicht geändert hat ist, dass ich mich immer noch für jede Sportart interessiere, die nicht bei drei auf den Bäumen ist. Ich habe allerdings festgestellt, dass ich viel lieber mit Sportlern spreche, als nur über sie und bin in der Psychologie gelandet. Von da an war die Sache recht klar: Sportpsychologe!
Nun ja, genauer gesagt bin ich aktuell eher Psychologe und Sportwissenschaftler. Offiziell darf ich mich erst nach Abschluss des asp-Curriculum Sportpsychologie im Rahmen des BiSp auch so nennen. Allerdings möchte ich nun, da ich mein Uni-Studium beendet habe, endlich als Sportpsychologe praktizieren, also wie sollte ich mich da sonst nennen?
Was heißt es, Sportpsychologe zu sein?
Aber was heißt das überhaupt: „Ich bin Sportpsychologe?“ Bin ich das überhaupt schon, nur weil ich die passenden Fächer studiert habe und mich ganz gut mit Sport auskenne? Was macht mich zum Sportpsychologen? Bin ich bereit, Sportlern mit teilweise jahrelanger Erfahrung eine wertvolle Unterstützung zu sein? Warum sollten Sportler ihr Vertrauen in mich setzen, wertvolle Zeit und auch noch Geld investieren, um mit mir zu arbeiten?
All diesen Fragen gilt es in den nächsten Wochen und Monaten nachzugehen. Auf einige davon, glaube ich bereits jetzt eine Antwort zu haben, andere werde ich mit Sportlern und auch mit mir selbst ergründen. Außerdem tauchen zu Beginn der Arbeit mit Klienten zusätzlich einige ganz praktische Fragen auf, die mich auch immer wieder im Laufe der Zusammenarbeit begleiten werden. Diese kleinen und größeren Fragezeichen, die sich mir als Neuling dabei stellen werden, sind für mich neue Herausforderungen, auf die ich mich freue.
Ein echter Austausch gewünscht!
Dieser Blog soll mich bei den ersten Schritten als Sportpsychologe in der Praxis begleiten. Hierbei möchte ich die aufkommenden Fragen offen und ehrlich diskutieren und dankbar auf die Hinweise und Erfahrungen der etablierten Kollegen dieses Netzwerks zurückgreifen.
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Der Highlights-Clip unseres Netzwerkevents im Juni 2018 – „Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp“
Egal ob ihr SportlerIn, SportpsychologIn oder einfach Interessierte seid: Ich hoffe auf einen regen Austausch mit euch allen und freue mich, wenn ihr mich bei meinem Einstieg in die Sportpsychologie begleitet. Vielleicht wird mir der ein oder andere von euch sogar auf diesem Weg als Kollege oder Klient begegnen.
Soweit erst einmal zum Start. Ich melde mich hier bald wieder.