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Dr. René Paasch: Der Umgang mit Medien

Unter Journalisten hat Huub Stevens einen über Vereinsgrenzen hinweg etablierten Namen: der “Knurrer von Kerkrade”. Entsprechend verhalten war die Freude unter den schwäbischen Journalisten als der Niederlander den VfB Stuttgart im Abstiegskampf der vergangenen Saison übernahm. Gilt doch der Niederländer als äußerst verschlossen, wortkarg und Journalisten gegenüber gerade aggressiv patzig. Keine Frage, damit zählt Stevens zu einer aussterbenden Art in der Trainergilde. Jungen Trainern würde es deutlich schwerer fallen, mit einem solchen Verhalten auf Akzeptanz zu stoßen.

Zum Thema: Welche Fehler sollten Trainer in der Medienarbeit vermeiden?

Medienvertreter wollen Trainer nicht als Feind, sondern als Partner betrachten. In diesem Zusammenhang erwarten sie einen gelassenen Umgang mit der Privatsphäre und ertüchtigen sich gleichzeitig über aggressives Nachfragen und wünschen dazu jedoch Informationen mit entsprechendem Nachrichtengehalt. Kein einfaches Unterfangen, doch nach genauem Hinsehen ist eine langfristige und wertschätzende Zusammenarbeit möglich.

Demgegenüber ist die Verbreitung von Lügen ebenso wie jegliche Ausübung von Druck (Future Journalism in Europe, 1995) ein “No-Go”. Es geht nicht darum, auf die kleinen Gelegenheitslügen zu verzichten, wie „ich kann Ihnen dazu leider nichts sagen“ oder „mir sind diese Dinge nur aus der Presse bekannt“. Darüber hinaus sollten aber gepflegte Halbwahrheiten nicht zum Handwerkszeug gehören, denn bereits eine einzige aufgedeckte Lüge kann der öffentlichen Glaubwürdigkeit eines Sportlers und Trainers erheblichen Schaden zufügen.

Die gravierendsten Fehler werden in der guten Absicht gemacht, einen vergangenen Fehler wieder gerade zu biegen. Die beste Möglichkeit, einen Skandal zu vermeiden, ist, Fehler einzugestehen und situationsgerecht damit umzugehen. Beispiel gefällig? Ein nicht geahndetes Foul im rheinischen Derby zwischen den Kölner Haien und der Düsseldorfer EG sorgte für großen Ärger gegenüber dem Schiedsrichter-Duo Bastian Haupt und Gordon Schukies. Der mehrfache Deutsche Meister DEG fühlte sich zu ungerecht behandelt. Die DEG stellte daraufhin einen Antrag auf ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Kölner Spieler. Sie bekamen daraufhin vom Disziplinarausschuss Recht. John Tripp wurde für dieses Foul für zwei Spiele gesperrt. Selbst der Schiedsrichterbeauftragte Holger Gerstberger äußerte sich mit folgenden Worten dazu „Natürlich müssen wir eingestehen, dass die Schiedsrichter dort einen Fehler begangen haben. Daraus müssen wir lernen, gerade auch die Schiedsrichter.“ Sicherlich ist das Ergebnis und die Entscheidung nicht rückgängig zu machen, doch ein offener Umgang seitens der Verantwortlichen Schiedsrichter wäre in diesem Fall angebracht gewesen.

Ein weiterer Fehler im Umgang mit Journalisten ist der Versuch, ihnen vorzuschreiben, wie sie ihre Arbeit zu machen haben. Trainer verletzen damit die journalistische Berufsethik und bezweifeln offenkundig die fachliche Kompetenz des Journalisten. Sie sollten also Formulierungen vermeiden wie: „Sie sollten sich besser informieren oder ihren Job wechseln“. Solche oder ähnliche Aussagen führen nur zu unnötigen Problemen. Wer in diesem Zusammenhang das Recht des Stärkeren beansprucht, muss sich nicht wundern, wenn er öffentlich angegriffen wird, sobald der Journalist eine Gelegenheit dazu bekommt. Journalisten freuen sich zwar, wenn ihnen die Arbeit durch die Informationsweitergabe erleichtert wird. Aber sie können Sportler und Trainer nicht ausstehen, die sie mit uninteressanten Infos oder Eitelkeiten füttern. Pflegen sie daher den Kontakt zum Journalisten bedacht und sorgen sie für eine natürliches profitables miteinander. Egal welche Erfahrungen sie bisher mit den Medienvertretern gemacht, lassen sie sich nicht verleiten, pauschal alle über einen Kamm zu scheren. Schwarze Scharfe sind in jedem Beruf vorhanden. Und zu guter Letzt sollten sie die Informationsfreiheit der Journalisten nicht willkürlich einschränken, indem Sie unliebsame Redaktionen und Journalisten bei Interviewwünschen übergehen. Denn spätestens durch die Berichtserstattung der übrigen Medien erfahren die Journalisten ohnehin, was sie mitgeteilt haben. Sie könnten also einen bisher guten Kontakt zu den Medien gefährden, wenn sie einzelne Medienvertreter ausschließen oder schlechter behandeln.

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Lügen, die Verheimlichung von Informationen, Einflussnahmeversuche in Bezug auf Texte oder gar pauschale Beleidigungen des Berufsstandes, nicht Karriere fördernd sind und eine zusätzliche Last für den Sportler und Trainer darstellen können. Desweiteren lassen sich aus den oben genannten Punkten weitere Inhalte für eine sportpsychologische Zusammenarbeit mit Sportler und Trainer aufzeigen. Wie das Training der äußeren Erscheinung (Haltung, Gestik, Mimik, Zuwendung/Blickkontakt). Oder die intensive Schulung der argumentativen Antwort im Interview nach der 3-B, 5-B-Formel (Basis, Behauptung/Kernaussage, Begründung/Beispiel, Bekräftigung) (Hermann, Schmid, 2002). Nicht zu vernachlässigen ist dabei auch ganz grundsätzlich die gezielte Vorbereitung von Interviews und das Training der allgemeinen kommunikativen Kompetenzen. Denn ein individueller Fußabdruck in der Medienlandschaft ist kein Hexenwerk, nur eine Frage des gezielten Trainings. Hierbei können Sportpsychologen in Verbindung mit den Medienverantwortlichen des Vereins effektiv helfen.

Literatur

Branahl (2009): Medienrecht: Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften; Auflage: 6., überarb. u. akt. Aufl. 2009 (25. März 2009)
Hermann, Schmid (2002): Reden wie die Profis: Die perfekte Rede im Beruf. Haufe Verlag.
Kohtes & Klewes (1999) Wie stellen sich Journalisten die ideale Zusammenarbeit mit PR-Agenturen vor? www.agenturcafe/de/back/studiehtm vom 20.05.1997, S. 7
Pflaum, Pieper (1990) Lexion der Public Relation, Berlin
Schulze-Fürstenow (1994) Konzeptions-Modell für gesellschaftsorientierte Public Relation, in: Handbuch PR, 2. Auflage, Neuwied & Kriftel.

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Prof. Dr. Oliver Stoll veröffentlicht E-Book „Einmal war ich in Biel“

100 Kilometer und ein Jahr nach dem längsten Lauf seines Lebens legt der Leipziger Sportpsychologe Prof. Dr. Oliver Stoll ein bislang unvergleichliches E-Book vor. In “Einmal war ich in Biel – Eine Liebeserklärung an das Laufen, die Liebe und das Leben” (zum E-Book) erzählt nicht nur ein ambitionierter 52-jähriger Freizeitsportler seine Geschichte der “100 Kilometer von Biel”, dem wohl europaweit bekanntesten Ultramarathon. Nein, hier taucht auch ein international anerkannter Sportpsychologe in die Tiefe einer Grenzerfahrung ab, in die sich jährlich abertausende Ausdauersportler mehr oder weniger vorbereitet stürzen.

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Ausflug in ein neues Genre

Nach unzähligen wissenschaftlichen Veröffentlichungen ist „Einmal war ich in Biel“ nun ein Ausflug in ein ganz neues Genre. Der 52-Jährige versucht dabei ganz bewusst den Brückenschlag zwischen seiner Fachdisziplin Sportpsychologie und der Erlebniswelt von ambitionierten Freizeitsportlern. In Letztere ist Stoll erst in jüngerer Vergangenheit zurückgekehrt: Nach seinem sehr ambitionierten und leidenschaftlichen Drang nach Bestleistungen in seinen 20ern, reduzierte sich die Anzahl seiner Laufteilnahmen nach seinem 30. Geburtstag deutlich. Im Zuge seiner beruflichen Karriere als Professor für Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sportpsychologie und Sportpädagogik an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg geriet seine Leidenschaft für das Laufen sukzessive in den Hintergrund. Stattdessen engagierte er sich im Aufbau seines in Deutschland immer noch neuem sportpsychologischen Berufsfeldes, der Politik und der aufkommenden Sportart Floorball. Als Sportpsychologe der Wasserspringer des Deutschen Schwimmverbandes erlebte er die Olympischen Spiele 2008 in Peking mit. 2014 startete er zudem die Plattform www.die-sportpsychologen.de. Nach fast zehnjähriger Marathonpause absolvierte Stoll im Herbst 2012 wieder ein Rennen über die klassische Ausdauerdistanz. Mittlerweile ist er zurück im Läuferzirkus und dies mehr denn je – allerdings unter stark veränderten Vorzeichen, wie er in seinem Buch eindrucksvoll erklärt.

Zum E-Book: Einmal war ich in Biel

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Sportpsychologentransfers

Philipp Laux, der (ehemalige) Sportpsychologe von RB Leipzig wechselt zusammen mit Alexander Zorniger, dem (ehemaligen) Trainer von RB Leipzig nach Stuttgart. So berichtete kürzlich die Leipziger Volkszeitung. Ich konnte mir dabei ein Lächeln nicht verkneifen. Nicht wegen dieser Tatsache im Allgemeinen, sondern mehr man wieder einmal deutlich sehen kann, wie sehr sich das Berufsfeld des Sportpsychologen vom Berufsfeld des Psychologischen Psychotherapeuten unterscheidet. Diesen Unterschieden habe ich mich schon einmal in einem anderen Blog gewidmet (Prof. Dr. Oliver Stoll: Fernab der Roten Couch).

Zum Thema: Die Sportpsychologie zwischen zwei Welten

Für Psychologen, die sich im Feld des Leistungssports bewegen, gelten wohl auch die Rahmenbedingungen sowie das Normen- und Wertesystem dieses Settings. Ich könnte mir nur schwer vorstellen, dass ein Kollege mit einer psychotherapeutischen Praxis seinen Wirkungsort wechselt, weil es die neuen Patienten/Klienten so fordern. Die hier angeschnittene Problematik zeigt ein Dilemma auf, in dem sich die Sportpsychologie meines Erachtens immer noch befindet. Historisch betrachtet hat sich die Sportpsychologie zwar aus der Sportwissenschaft entwickelt. Die relevanten Impulse für ihre Entwicklung bekam sie jedoch aus der Mutterwissenschaft – der Psychologie. Dies hing natürlich mit den handelnden Personen zusammen, also eben Professorinnen und Professoren, die im Wesentlichen aus der Psychologie kamen, um dann in der Sportpsychologie zu wirken. Dies hatte nachvollziehbar zur Folge das häufig psychologische Theorien und Ansätze in den Sport übertragen wurden, obwohl das Setting „Leistungssport“ eben völlig anders aufgestellt ist, als das eher therapeutisch geprägte Feld der Psychologie bzw. Psychiatrie (siehe hierzu auch Stoll & Gissel, 1996).

Für den in der Praxis des Leistungssports arbeitenden Sportpsychologen bedeutet dies aber, dass er sich im Wesentlichen dem Leitungssportsystem unterordnen muss, wenn er hier erfolgreich arbeiten möchte. Das bedeutet auch, dass die Arbeit eher selten in einer „Praxis“ arbeitet, wie dies eher die therapeutischen Kollegen tun. Das heißt ebenfalls, dass die Sprache der jeweilgen Sportart beherrschen sollte und es bedeutet, insbesondere im Training, sich auf dem Sportfeld, der Sporthalle, am Beckenrand, aufzuhalten. Darüber hinaus bedeutet es eben auch, dass man die Wirkungsstätte wechseln muss, wenn die sportliche Leitung dies für sich entscheidet. Ich bin weiterhin sehr gespannt, wie sich unser Berufsfeld weiter entwickeln wird und inwieweit sich, insbesondere unsere Disziplin in der Sportpraxis weiter „emanzipieren“ wird.

 

Stoll, O. & Gissel, N. (1996). Zur Übertragbarkeit allgemeinpsychologischer Modelle auf sportpsychologische Fragestellungen. In A. Conzelmann; H. Gabler und W. Schlicht (Hrsg.), Soziale Interaktionen und Gruppen im Sport (S. 146-154). Köln: bps.

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Katharina Petereit: Zum Tod von Andreas Biermann

Der ehemalige Profifußballer Andreas Biermann hat am 18. Juli 2014 den Kampf gegen seine Depressionen verloren. Er wurde in seiner Berliner Wohnung tot aufgefunden. Seine Erkrankung brachte er bereits nach dem Suizid von Fußball-Nationaltorwart Robert Enke im Jahr 2009 selbst ans Tageslicht. Helfen konnten dem früheren Zweitliga-Spieler vom FC St. Pauli am Ende weder Fachleute noch sein sportliches Umfeld.

Zum Thema: Was kann die Sportpsychologie bei depressiven Sportlern leisten?

Depressionen beschreiben eine psychische Erkrankung, die von Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Sinnleere, Kraft- und Energielosigkeit gekennzeichnet ist (Köllner & Broda, 2005). Andreas Biermann befand sich in einem Tunnel, an dessen Ende er kein Licht mehr sah. In das Innere eines Erkrankten kann auch der beste Psychotherapeut nicht schauen, jedoch ist er – im Gegensatz zu einem Sportpsychologen – in der Lage, in adäquaten Therapien zu helfen. Dem Sportpsychologen kommt vielmehr die Rolle zu, als Vertrauensperson den betroffenen Sportler an einen Experten zu vermitteln und zusätzlich für die sportlichen und mentalen Aspekte im Zuge der Behandlung zur Verfügung zu stehen. Die Bewältigung einer Depressionen darf ein Sportpsychologe sowohl aus ethischer als auch fachlicher Sicht nicht leisten. Dies gilt auch für andere psychische Krankheiten.

Sportpsychologische Vor- und Nachsorge

Nach dem Freitod von Robert Enke im Jahr 2009 waren sich alle einig – es müssen Präventionsangebote und Anlaufstellen für betroffene Sportler geschaffen werden. Ob die entstandenen Strukturen für die Betroffenen ausreichen, beleuchtet Prof. Dr. Oliver Stoll auf die-sportpsychologen.de Ende Juli in einem Leitartikel zum Thema. Ich persönlich würde mir wünschen, dass Sportpsychologen noch stärker schon im Nachwuchsbereich über das Thema Depressionen informieren dürften. Wiederum nicht im Sinne therapeutischer Maßnahmen, sondern ausschließlich um die Aufklärung und Sensibilisierung gegenüber dieser Krankheit voranzubringen und Empathie und Verständnis zu vermitteln – denn Depression ist keine Schwäche, sondern eine Krankheit. Dies wäre ein wesentlicher Schritt für mehr Offenheit und Akzeptanz gegenüber psychischen Erkrankungen in der Sportwelt. Präventionsangebote sollten dazu dienen, dass ein Sportler sich, seine Gedanken und Gefühle regelmäßig reflektieren und einordnen kann und sich, wenn nötig, schnellstmöglich Hilfe sucht. Und dabei keine Angst vor einem Rauswurf, vor Ausgrenzung oder negativen Reaktionen seiner Umwelt haben muss.

Sportpsychologen als Vertrauenspersonen haben in ihrer täglichen Arbeit nicht zuletzt die Möglichkeit, effektive Laufbahnberatung zu leisten und beim Karriereübergang zu unterstützen. Beim Karriereende ist es enorm wichtig, die Stärken des Sportlers herauszustellen, vor allem, wenn sich dieser bisher ausschließlich über seinen Sport definierte. Es geht darum, den Einzelnen bei seiner Sinnfindung nach der Karriere zu unterstützen, mit ihm alternative Wege zu erarbeiten und ihn – im Falle von psychischen Erkrankungen – bei seinen Schritten in der Psychotherapie zu begleiten.

Für Andreas Biermann kommen aktuell im Aufbau befindliche Betreuungsstrukturen im Nachwuchs- und Profi-Fußball leider zu spät, auch wenn seine Erkrankung ohnehin das Feld der Sportpsychologie verlassen hätte.

(Erstveröffentlichung: 21.07.2014)

Weiterführende Literatur:

Biermann, A. & Schäfer, R. (2011). Rote Karte Depression: Das Ende einer Karriere im Profifußball. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus.

Köllner, V. & Broda, M. (2005). Praktische Verhaltensmedizin. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG.

 

 

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Elvina Abullaeva: Depression erkennen lernen

Was ist schlimmer für einen Profisportler, Kreuzbandriss oder Depression? Bei einem Kreuzbandriss dauert die Reha in der Regel sechs bis acht Monate, bis der Sportler wieder einsatzbereit ist. Aufgemerkt: Die Behandlungsdauer bei Depressionen ist im Regelfall ein klein wenig kürzer. Durchschnittlich vergehen sechs Monate, bis der Mensch sein Leben wieder führen kann. Doch die psychische Erkrankung Depression bleibt im Sport ein Tabu. Dies führt manchmal zu tragischen Folgen, weil den betroffenen Leistungssportlern einfach nicht geholfen wird.

Zum Thema: Was sollten Trainer über Depression wissen?

Trotz einiger prominenter und gleichsam tragischer Fälle von depressiv erkrankten Sportlern (Robert Enke, Andreas Biermann) zieht dieses Problem im Sport noch nicht genug Aufmerksamkeit auf sich. Sportler, Trainer sowie Sportfunktionäre haben Angst vor der Depression – es wird nicht offen darüber gesprochen beziehungsweise nur unzureichendes Wissen zur Verfügung gestellt. Noch sind wir weit davon entfernt, trotz guter Maßnahmen wie die Robert-Enke-Stiftung, dass das Leistungssportsystem für diese Problematik wirklich sensibilisiert ist. Aber je mehr darüber gesprochen würde, je mehr Wissen die Trainer und Sportler selbst über die Depression haben, desto größer wäre die Akzeptanz gegenüber dieser Erkrankung und desto schneller könnte betroffenen Sportlern und Trainern geholfen werden. Lasst uns versuchen zu verstehen, was eine Depression ist und welche Konsequenzen eine Depression für einen Sportler hat.

Was ist  eine Depression?

Die Depression ist eine der häufigsten psychischen Krankheiten, die so alt wie die Menschheit selbst ist. Psychische Niedergeschlagenheit – so könnte man kurz das ganze Empfinden des Menschen bei dieser Erkrankung beschreiben. Laut Robert-Koch-Institut leiden rund vier Millionen Deutsche aktuell an einer Depression, die einer Behandlungsbegleitung bedarf. Nicht unwichtig: Im Leistungssport treten Depressionen statistisch nicht häufiger auf als in der Normalbevölkerung. Depressiv erkrankte Menschen weisen solche Hauptsymptome wie depressive Stimmung, Interessenverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel und erhöhte Ermüdbarkeit auf. Dazu kommen Zusatzsymptome wie verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit, geringes Selbstwertgefühl, Schuldgefühle, pessimistische Zukunftsperspektiven, Suizidgedanken, Schlafstörungen, verminderter Appetit und deutlicher Libidoverlust. Je nach Schweregrad spricht man von einer leichten, mittleren oder schweren Depression, wenn mindestens zwei Haupt- und zwei Zusatzsymptome länger als zwei Wochen dauern. 

Warum werden manche Menschen depressiv?

Die Entstehung einer Depression lässt sich anhand des Vulnerabilitäts-Stress-Modells oder Verletzlichkeits-Stress-Modells gut erklären (Zubin & Spring 1977). Demnach hat jeder Mensch seine individuelle Verletzlichkeitsgrenze, die oft als ein großes oder geringes Fassungsvermögen beschrieben wird. Dieses Fass wird ständig mit Wasser befüllt. Das Wasser ist nichts Anderes als beruflicher (Misserfolgsserien, Konflikte mit dem Trainer und dem Team, Übertraining, Verletzungen und Wiederverletzungen, finanzielle Probleme) und privater Stress (Probleme mit Bezugspersonen, zusätzliche Belastungen durch Ausbildung etc.). Das Wasser (Stress) kommt herein und heraus. Der Mensch schöpft den Stress aus dem Fass ab, indem er regelmäßig einen Ausgleich schafft, beispielweise Lieblingshobbies, angenehme Aktivitäten und ein aktives soziales Leben. Dies sind sogenannte Stressbewältigungsstrategien. Es kann aber passieren, dass eine Person zu einem Zeitpunkt oder auch dauerhaft viele berufliche und private negative Erlebnisse hat und damit nicht zurechtkommt. Der Stress kommt herein, aber geht nicht heraus. Das Fassungsvermögen oder mit anderen Worten die individuelle kritische Verletzlichkeitsgrenze wird überschritten. So entsteht eine psychische Erkrankung, in unserem Fall, Depression.

Wie kann ein Trainer eine Depression erkennen?

Eine der Aufgaben der Sportpsychologen ist es, durch unterschiedliche präventive Maßnahmen sowie Einzelarbeit das allgemeine psychische Wohlbefinden der Sportler beziehungsweise der Trainer zu fördern. Dies kann unter anderem depressiven Erkrankungen vorbeugen sowie helfen, diese frühzeitig festzustellen. Dafür soll aber der Sportpsychologe ein fester Teil des Teams sein und ständig mit dem Sportler und dem Trainer Kontakt haben, was leider nicht immer der Fall ist. Hinsichtlich der Behandlung einer Depression darf ein Sportpsychologe dies nur in dem Fall anbieten, wenn er eine anerkannte Psychotherapieausbildung gemacht hat. (siehe Blog-Beitrag: Katharina Petereit: Zum Tod von Andreas Biermann)

Auch wenn keine sportpsychologische Betreuung in Ihrem Verband oder Verein stattfindet, können Sie als Trainer dennoch eine Menge dazu beitragen, um eine Depression oder einen möglichen Zusammenbruch bei einem ihrer Sportler zu erkennen. Durch einen engen regelmäßigen Kontakt im Training sollte Ihnen auffallen, wenn derjenige dauerhaft eine bedrückte, unmotivierte Stimmung aufweist, sich nicht richtig über seine Erfolge freuen kann, körperlich sehr schnell müde wird, beim Training unkonzentriert und uninteressiert ist. Das wäre für Sie ein Warnzeichen und triftiger Grund, denjenigen anzusprechen. Es muss nicht sein, dass der Sportler eine Depression hat. Durch Nachfragen besteht aber die Möglichkeit, den wirklichen Grund für diesen Allgemeinzustand herauszufinden. Zeigen Sie Ihr Verständnis und Ihre Besorgnis, damit der Sportler keine Angst hat, sich zu öffnen. Um Ihren Zweifel zu vertreiben, können Sie Ihren Schützling bitten, fünf Fragen zu beantworten. Der kurze Fünf-Fragen-Test (WHO-5 Well-Being-Questionnaire von Bech, 1998) (http://www.drhartkamp.de/ablauf/downloads.html) fragt das Wohlbefinden in den letzten zwei Wochen ab und kann einen besseren Eindruck geben, ob es  überhaupt in die Richtung einer Depression geht. Der Test kann zwar falsche positive Ergebnisse zeigen, hat aber eine sehr hohe Erkennungsrate bei der Depression (> 90 %). Bei einem Wert unter 13 ist es zu empfehlen, den Kontakt mit dem Hausarzt aufzunehmen.

Die Fachleute sollen entscheiden, ob es in der Tat eine depressive Erkrankung ist. Ihre Aufgabe ist es, nicht im Hintergrund zu bleiben und den Sportler nicht auszugrenzen. Das ist der erste Schritt zur gelungenen Behandlung. Denken Sie daran, dass die Depression genauso gut heilbar ist wie körperliche Verletzungen (vgl. Müller, Laux & Deister, 2005). Gerade im Sport gibt es mehrere Beispiele einer erfolgreichen Rückkehr in den Beruf, wie es bei dem Fußballprofi Markus Miller oder dem Fußballtrainer Ralf Rangnick war.

(Erstveröffentlichung: 01.08.2014)

 

Links:

1.„Der Praxisordner zur psychischen Gesundheit im wettkampforientierten Leistungssport“ bietet  den Trainerinnen und Trainern gute Informationen sowie eine konkrete Strategie, wie sie die von Depressionen betroffenen Sportlern unterstützen können:

http://psyga.info/ueber-psyga/materialien/praxisordner-fuer-den-wettkampforientierten-leistungssport/

2. Mehr zum Thema Depression, wichtige Fakten sowie zahlreiche Informationen für Betroffene finden Sie auf dem Portal:

www.deutsche-depressionshilfe.de.

 

Quellen:

Müller, H.-J., Laux, G. & Deister, A. (2005). Psychiatrie und Psychotherapie (Duale Reihe,3. Aufl.). Stuttgart: Thieme Verlag.

Zubin, J. and Spring, B. (1977) Vulnerability: A New View on Schizophrenia Journal of Abnormal Psychology 86, 103-126

 

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Philippe Müller: Verletzungen bewältigen

Zerrungen, Muskelfaserrisse, Bänderrisse, Prellungen sowie Schürf- und Platzwunden sind die häufigsten Sportverletzungen. Egal, ob Profi oder Amateur, ein “Sportunfall” wirft immer ein gehöriges Stück aus der Bahn. Während die Schmerzen oft nach kurzer Zeit besiegt sind, haben nicht wenige Athleten auf psychologischer Ebene mit Sportverletzungen recht lang zu kämpfen. Vieles bleibt dabei an den Sportlern selbst hängen.

Zum Thema: Welchen Einfluss haben Verletzungen auf die Psyche?

Statistisch betrachtet ist die Verletzungswahrscheinlichkeit im Sport hoch. Rund 400.000 Sporttreibende verletzen sich jährlich in der Schweiz (www.bfu.ch, 2014). Hardy und Crace (1990) berichten, dass sich mindestens die Hälfte aller Breitensportler im Verlaufe einer Sportsaison verletzen. Auch im Spitzensport sind Verletzungen keine Seltenheit. Die Verletzungshäufigkeit von Spitzensportlern variiert zwischen einem und vier Vorfällen pro Saison (Kleinert & Hermann, 2007). Im Frauen-Kunstturnen liegt die Verletzungsrate bei 70 – 80% pro Jahr (Kerr & Minden, 1988).

Die psychischen Konsequenzen einer Verletzung

Oft stehen die physischen Schäden im Zentrum einer Verletzung. Knochen müssen zusammengeschraubt, Knorpel entfernt und Wunden genäht werden. Doch was geschieht nach der akuten ärztlichen Versorgung? Was passiert auf der psychischen Ebene?

Eine Verletzung stellt für den Athleten eine schwierige Situation dar, mit der er sich auseinander setzen muss. Viele Probleme werden an den Verletzten herangetragen. Zum Beispiel steht der Sportler von der einen zur anderen Sekunde vor einer ungewissen Zukunft. Der Athlet wird mit Fragen konfrontiert, die er sich bis dahin noch nie gestellt hat: Kann der Sport weiterhin ausgeführt oder muss die Karriere beendet werden? Was kommt danach? Zudem sind für viele Spitzensportler die Wettkampfprämien und Sponsorenverträge die Haupteinnahmequelle. Eine Verletzung bedroht somit auch ihre finanzielle Absicherung. Angst vor dem Unbekannten ist die Folge.

Um erfolgreich zu sein, ist ein gutes Selbstvertrauen notwendig. Positives Denken und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind somit existenzielle Komponenten. Der Athlet identifiziert sich zudem über den Sport. Eine Verletzung ist deshalb nicht selten ein Angriff auf das Selbstbild. Fehler müssen eingestanden werden und auf einmal ist nicht mehr alles kontrollierbar. Ein Gefühl der Wut, Hilflosigkeit und des Identitätsverlusts macht sich bemerkbar.

Auch das gewohnte Umfeld und die soziale Unterstützung fallen weg. Der Trainer als Bezugsperson kann meist nicht in der Nähe sein, da er noch weitere Athleten zu betreuen hat. Die Teamkollegen reisen von Wettkampf zu Wettkampf und haben auch keine Zeit, den Verletzten zu unterstützen. Der Sportler ist auf sich allein gestellt – im Idealfall erhält er Unterstützung von der Familie.

Einsatz der Sportpsychologie

Die Sportpsychologie kann sowohl in der Verletzungsprävention als auch in der Rehabilitation zum Einsatz kommen. Während sie bei Ersterer in Form von psychologischem Fertigkeits- und Fähigkeitstraining Anwendung findet, wird sie in Letzterer (zu) selten eingesetzt. Von vielen Verbänden wird eine gute Medizinische Versorgung angeboten, um die (physische) Genesung zu optimieren. Auf der psychologischen Ebene stehen den Athleten jedoch selten Möglichkeiten zur Verfügung. Im Sinne einer ganzheitlichen Rehabilitation und der Unterstützung der Athleten in der schwierigen Situation wären vermehrte sportpsychologische Angebote wünschenswert.

Zu den Schwerpunkten einer sportpsychologischen Begleitung nach Verletzungen gehören unter anderem die Situationskontrolle (Zurückerlangen der Kontrolle) in der Akutphase, der Aufbau der Selbstwirksamkeit in der Rehabilitationsphase, die effiziente Bewältigung der Sportverletzung in der sportlichen Rehabilitation sowie die optimale Vorbereitung auf den Wettkampfalltag in der Wettkampfvorbereitungsphase.

(Erstveröffentlichung: 09.10.2014)

 

Literaturverzeichnis:

Hardy, C.J., & Crace, R.K. (1990). Dealing with injury. Sport Psychology Training Bulletin, 1, 1-8.

Kerr, G., & Minden, H. (1988). Psychological factors related to the occurrence of athletic injuries. Journal of Sport Exercise Psychology, 10, 167-173.

Kleinert, J. & Hermann, H.-D. (2007). Umgang mit Verletzungen aus sportpsychologischer Sicht. Leistungssport, 2, 43-49.

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Wie ist der HSV noch zu retten?

Feuerwehreinsätze in der Sportpsychologie sind eigentlich großer Quatsch. Effektiver und sinnvoller ist, ohne Frage, die kontinuierliche Arbeit eines Sportpsychologen im Funktionsteam einer Profi-Mannschaft. Aber so weit sind die meisten Fußball-Bundesligisten noch nicht und allen voran der Hamburger SV kann vor dem entscheidenden Relegationsspiel gegen den Karlsruher SC (Montag, 1. Juni, 19 Uhr) nicht mehr darauf warten. Vier Profilinhaber von die-sportpsychologen.de haben sich nun ungefragt Gedanken um den HSV gemacht. Die Resultate sind durchaus unterschiedlich.

Nehmen wir zum Beispiel den Ansatz von Elvina Abdullaeva: Sie empfiehlt Trainer Bruno Labbadia seine Spieler vor Spielbeginn SMS versenden zu lassen. Was in den Kurznachrichten enthalten sein sollte, steht hier. Ein Konzept übrigens, welches Meistertrainer Pep Guardiola bereits erfolgreich einsetzte und kurzfristig eine zauberhafte Wirkung entfalten kann.

Oder nehmen wir den Vorschlag von Prof. Dr. Oliver Stoll: Er empfiehlt, sich an den Schwächen des Gegners abzuarbeiten. In Ergänzung mit der Fokussierung auf die eigenen Stärke sollte damit eine Atmosphäre entstehen, in welcher der Bedrohungscharakter der Situation in den Hintergrund gerät. Wie das genau vonstatten gehen soll, verrät sein Beitrag.

Thorsten Loch liefert durch seine Herangehensweise HSV-Trainer Labbadia gleich den roten Faden für die Mannschaftsbesprechung. Benötigt wird ein großes weißes Blatt und ein paar Stifte. Und ein paar kreative Momente der HSV-Spieler – wie sich diese heraufbeschwören lassen, steht hier.

Philippe Müller wählt fast schon einen radikalen Ansatz. In seinem Beitrag dreht sich viel um das nichts tun. Schließlich sei es mit der Aufnahmefähigkeit der HSV-Spieler an solch einem Relegationsspieltag nicht ganz so gut bestellt.

Kurzum: Der Hamburger SV hat es noch in der Hand, den Verbleib in der Bundesliga zu sichern. Allerdings müssen die Spieler an ihre Leistungsgrenze kommen, ansonsten feiert der Karlsruher SC am Abend eine rauschende Aufstiegsfeier. Die Sportpsychologie ist in diesem Zusammenhang ein Puzzleteil, welches viele Bundesligisten allerdings noch vollends außer Acht lassen. Daran soll dieser Schwerpunkt erinnern und gleichzeitig ambitionierten Trainern aus dem Fußball und anderen Spielsportarten das Gefühl mit auf den Weg geben, dass die kontinuierliche Zusammenarbeit mit Sportpsychologen bei der täglichen Arbeit für den Erfolg helfen kann.

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Elvina Abdullaeva: Das Versprechen an den liebsten Menschen

Oft wird es von Sportpsychologen erwartet, dass sie in der Lage sind, kurz vor dem Start die Sportler so in Schwung zu bringen, dass sie alles Mögliche und Unmögliche umsetzen, um zu gewinnen. Die folgende Maßnahme, Das Versprechen an den liebsten Menschen, dient genau einem solchen Ziel.

Wieso unbedingt diese Technik?

Vorab: „Vorsätze machen“ ist eine verbreitete Methode, um das erwünschte Verhalten bei einem Menschen zu stimulieren (Margraf, J. & Schneider, S., 2009), um beispielsweise für eine außergewöhnliche Anstrengung zu motivieren. Der Erfolg dieser Methode hängt oft davon ab, für welchen Anlass dieser Vorsatz gemacht und unter welchen Bedingungen (z.B. mit /ohne Absprache mit jemandem) dieser formuliert wird. Für den besten Wirkungseffekt sollen die beiden Aspekte eine besondere emotionale Bedeutung für die Person haben, die diesen Vorsatz fasst. Das ist gerade unser Fall. Erstens spricht die Wichtigkeit des Relegationsspiels für sich selbst – niemand will absteigen. Zweitens werden die Vorsätze im Rahmen dieser Maßnahme gezielt an die wichtigsten und liebsten Menschen gerichtet. Man könnte natürlich nur sich selbst etwas versprechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Versprechen tatsächlich eingehalten wird, sinkt aber dabei. Ein Mensch als ein soziales Wesen braucht immer jemanden, für den er etwas tut. Unsere Familie, Lebensgefährten und Lebensgefährtinnen, Kinder, enge Freunde sind ein starker Stimulator. Wir sind oft bereit für andere etwas zu machen, was wir für uns selbst nicht tun würden. Dies wird bei unserer Maßnahme zu Gunsten der ganzen Mannschaft ausgenutzt.

Wie läuft es genau ab?

Das Versprechen an den liebsten Menschen kann unterschiedlich gemacht werden. Wenn es um einen mehrere Tage andauernden Wettkampf geht, beispielsweise eine Weltmeisterschaft, können Sportler beispielsweise einen Brief an ihre Familie mit den Versprechungen schreiben. Es ist wichtig für den Sportler, eine Kopie von diesem Brief zu besitzen, damit er immer sein Versprechen vor Augen hat, um sein bestes Ergebnis zeigen beziehungsweise den Wettbewerb gewinnen zu können. In unserem Fall sollen die HSV-Spieler nur für ein Spiel gegen den Karlsruher SC motiviert werden. Dabei könnte man die Versprechen-Methode über eine SMS einsetzen. Diesen Trick hat übrigens auch Pep Guardiola als Trainer vor einigen wichtigen Spielen erfolgreich angewendet (Balagué G., 2012). Kurz bevor die Spieler sich warm machen, soll der Trainer oder der Sportpsychologe sie darum bitten, der Familie, den Freunden oder anderen liebsten Menschen eine Nachricht zu schicken und ihnen zu versprechen, dass sie alles geben werden, um zu gewinnen. Wie der Inhalt der SMS formuliert wird, kann den Spielern selbst überlassen werden. Sie können versprechen, das Spiel zu gewinnen, auf dem Platz von der ersten bis zur letzten Sekunde zu kämpfen, ihre beste Saisonleistung zu zeigen, 100-prozentig konzentriert zu bleiben und/oder Traineranweisungen zu befolgen. Damit fühlt sich jeder Fußballer den liebsten Menschen gegenüber, denen er diese SMS-Versprechen gemacht hat, verpflichtet, im Spiel alles zu geben.

Diese Methode finde ich persönlich sehr gut, weil sie die ganze Mannschaft umfasst und gleichzeitig für jeden Spieler eine persönliche Bedeutung hat. Eine sehr gute Mischung, mit welcher die Wahrscheinlichkeit erhöht werden kann, dass alle Fußballer einmütig über die ganze Spielzeit hinweg mit voller Hingabe kämpfen werden.

 

Quellen:

Balague G. (2012).Pep Guardiola. Die Biografie. 3 Aufl. C. Bertelsmann Verlag: Munchen

Margraf, J. ,Schneider,S. (2009).Lehrbuch der Verhaltenstherapie: Band 1: Grundlagen – Diagnostik – Verfahren – Rahmenbedingungen (3. Aufl.) Springer: Heidelberg.

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Thorsten Loch: Unsere Stärken

Was die Spieler des Hamburger Sportvereins in dieser Situation zwingend benötigen, ist eine Optimierung der kollektiven Kompetenzerwartung. Hierbei wird die gemeinsame Überzeugung einer Mannschaft verstanden, eine vorliegende Aufgabe mit den gemeinsamen/kollektiven Fähigkeiten zu bewältigen. Entscheidend hierbei ist das Vertrauen jedes einzelnen Spielers in die Leistungsfähigkeit der Mannschaft und nicht in sich selbst als Teil dieser Mannschaft. Damit sich die Spieler ihren Stärken bewusst werden, eignet sich die im Folgenden beschriebene Übung hervorragend.

Der Sportpsychologe hängt ein großes Papier auf. In die Mitte wird ein großer Kreis gezeichnet. Nun fordert der Sportpsychologe die Mannschaft auf, nacheinander für jeden Spieler eine herausragende Stärke zu benennen. Diese Stärken werden in den Kreis geschrieben, so dass sich dieser mehr und mehr füllt. Wenn das ganze Team sich geäußert hat, dann fragt der Sportpsychologe nach den spezifischen Stärken der gesamten Mannschaft. Diese werden um den Kreis herum geschrieben. So ergibt sich ein Bild von inneren/individuellen und äußeren/gemeinschaftlichen Stärken. Im Anschluss stellt der Sportpsychologe die Frage an die Mannschaft, ob es möglich ist, das entscheidende Spiel gegen den Karlsruher SC für sich zu entscheiden, wenn alle ihre Stärken einsetzen. Danach schließt dieser mit der Übung ab, indem er die Formel „Erfolg ist, wenn wir alle unsere Stärken einsetzen“ unter das Bild schreibt.

Ziel dieser Übung ist es, dass sich die Spieler ihrer Stärke als Team bewusst werden und sie die Überzeugung erlangen, dass sie als Team erfolgreich sein können. Aus meiner Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Mannschaften ist die Zuschreibung von Stärken von Spieler zu Spieler weitaus wirksamer,  als vom Trainer zum Spieler (was womöglich häufiger schon geschehen ist und somit Abnutzungscharakter besitzt). Das erarbeitete Bild sollte in der Kabine aufgehangen werden. In der Traineransprache kann HSV-Trainer Bruno Labbadia immer wieder Bezug dazu nehmen, indem er speziell die Spieler anspricht, was er von ihnen möchte und wo die Mannschaft die Stärken des Einzelnen sieht.

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Philippe Müller: Weniger ist manchmal mehr

Geht es um viel, neigt man dazu, alles perfekt machen zu wollen. Manchmal zu perfekt. Aber warum nicht für einmal “Nichts” machen? Oder zumindest, das Ganze auf das Minimum beschränken.

Es braucht keiner psychologischen Ausbildung um zu erahnen, dass der Druck auf das Team von Bruno Labbadia enorm ist. Zumal es um den Verbleib in der höchsten Spielklasse geht. Nun stellt sich die Frage: Wie aufnahmefähig ist man in dieser Situation? Wie viel Neues kann überhaupt noch aufgenommen werden? Und noch viel wichtiger: Wie viel kann davon auf dem Spielfeld, unter der ganzen Anspannung, noch abgerufen werden?

In bestimmten Spielsituationen die beste Lösung zu finden und auszuführen hängt zu großen Teilen von unserem Denkvermögen ab. Durch die Komplexität und die Geschwindigkeit des Spiels, ist diese bereits beeinträchtigt. Kommt zudem noch der ganze Druck von außen hinzu, dazu zählt der Druck von Fans, Vereinsfunktionären und Medien sowie die eigenen Erwartungen, stoßen die Betroffenen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Das “Versagen unter Druck” kann die Folge sein.

Ein adäquates Mittel um dagegen vorzubeugen ist, den Informationsgehalt auf das Wichtigste zu beschränken. Unter den gegebenen Umständen empfehle ich für die Vorbereitung des Spiels, möglichst wenig zu machen. Selbstverständlich ist ein defensives Spielkonzept sowie die Formulierung einiger individueller Anweisungen unerlässlich. Dennoch sollte auf ausführliche und komplexe Anweisungen verzichtet werden.

Stattdessen soll auf die Stärken jedes einzelnen fokussiert werden. Ohne Zweifel kann jeder Einzelne im Kader des HSV Fußball spielen (auch wenn dies in den letzten Monaten nicht immer zum Vorschein kam). Auch hat jeder bereits gute Leistungen erbracht. Die Erfahrungen, auf eine Situation richtig zu reagieren, haben somit alle. Das Ziel der Vorbereitung sollte somit sein, diese positiven Erfahrungen zu aktivieren und präsent zu machen. Da unter großem Stress auf bereits gezeigte und im Gedächtnis verankerte Handlungsweisen zurückgegriffen wird, erhöht dies die Möglichkeit, dass ein jeder Spieler auch im heutigen Spiel die optimale Lösung findet.

Zusammenfassend kann in diesem Falle gesagt werden: “Weniger ist manchmal mehr”.

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