Elvina Abdullaeva: Ersatztorhüter sind Piloten

„Alles läuft wie immer. Das Aufwärmen, der Gang in die Kabine, der Weg zur Bank. Gedanklich bin ich dabei ganz entspannt, so wie ein Zuschauer. Denn ich weiß ja, heute spiele ich nicht und bleibe auf der Bank. So wie es schon so viele Spiele war“. Ich glaube, vielen Ersatztorhütern sind solche Gedanken bekannt. Ist das schlecht? Nein, überhaupt nicht. Niemand soll sich umsonst zusätzlich anstrengen, wenn das sowieso in dem Moment nicht gebraucht wird. Was jedoch von Ersatzkeepern verlangt wird, dass sie sich schnell mobilisieren können, wenn es doch spontan zu einem Spieleinsatz kommt. Darauf haben nicht zuletzt die Trainer absolutes Recht – sie müssen auf die schnelle und volle Bereitschaft von ihren Ersatzspielern bauen können. Aber wie schaffen es gerade die Torhüter, immer genau für „diesen Moment“ bereit sein?

Zum Thema: Mentale Vorbereitung für Ersatztorhüter

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Posted by RB Leipzig on Sonntag, 7. Februar 2016

Am besten fragen wir Piloten, die auch für selten vorkommende Flugmanöver (z. B. in Not- und Stresssituationen) immer bereit sein müssen. Im Rahmen ihrer Pilotenausbildung wird die Vorgehensweise in solchen Notsituationen unter anderem durch das Mentale Training geübt. Der Sinn dieses mentalen Trainings besteht darin, ein eigenes Drehbuch für den Notfall vorzubereiten. Die Piloten schreiben also alle Bewegungen auf, die nötig sind, um das Flugzeug in dieser konkreten Situation zu steuern. Dieses Drehbuch wird dann im Anschluss mental mehrmals vorgestellt und alle Abläufe werden so oft durchgegangen, bis sie ganz schnell und automatisch aufrufbar sind (Mayer & Hermann, 2011).

Was lernen wir daraus? Auch Ersatztorhüter können sich für ihre „Notsituation“ in ähnlicher Weise vorbereiten. Aber der Reihe nach: Der zweite Tormann sollte sich zunächst an die Situation erinnern oder sich diese vorstellen, als er unerwartet den Stammtorwart ersetzen musste. Hier sollen dem Torwart persönliche Schwierigkeiten bewusst werden. Und dann schreibt der Ersatztorhüter für sich einen Plan bzw. ein Drehbuch, wie er sich verhalten soll, um die entstehenden Schwierigkeiten zu lösen. Hilfreiche Fragestellungen dazu lauten:

  • Was kann ich machen, um in so einer Situation nicht in Panik zu geraten?
  • Was hilft mir, um schnell die volle Konzentration aufzubauen?
  • Wie kann ich mich selbst aufmuntern?
  • Welche Punkte soll ich abchecken, damit ich ruhig und selbstbewusst ins Spiel komme?

Im Ergebnis bekommt der Torwart einen konkreten Handlungsablauf, also eine Checkliste, welche gedanklich geübt und gefestigt wird.

Spontanität in der Wirklichkeit üben

Der Trainerstab kann ein paar Mal den Ersatztorwart ins kalte Wasser werfen, in dem er ohne Absprache – zum Beispiel bei Freundschaftspartien – mitten im Spiel eingesetzt wird. In solchen Situation kann der zweite Torhüter sich und sein vorbereitetes Drehbuch prüfen. Denn wenn er seine Routine praktisch umsetzt, bekommt er mehr Sicherheit und im Regelfall die innerliche Bestätigung, dass er das kann. Wenn er also spontan den ersten Torwart ersetzen muss, kann er sehr selbstbewusst in das Spiel gehen. Kleiner Hinweis: Solche „spontanen“ Rotationen sollten davor aber mit dem ersten Torwart und dem Rest der Mannschaft abgesprochen werden. Damit die Spieler von einem solchen Wechsel nicht irritiert werden. Nur für den zweiten Torwart sollte es aber eine Überraschung bleiben.

Die Rolle der Feldspieler

Die Ersatztorhüter spüren sehr gut, ob die Mitspieler ihm vertrauen oder nicht. Unabhängig davon, ob er gut oder schlecht ist, soll auch von Seiten der Feldspieler signalisiert werden, dass sie sich auf ihn verlassen und glauben, dass er genau so gut wie der erste Torwart den Ball halten kann. Dies gibt dem zweiten Tormann zusätzliche Kraft. Daher ist es auch wichtig, allgemeine Verhaltensregeln oder einen Verhaltenskodex für solche Situation in der Mannschaft zu haben. Wie können sie den neuen Torwart unterstützen, wenn er spontan eingesetzt wird? Eine besondere Begrüßung, eine Geste als Signal – etwas Kurzes reicht absolut. Der Torwart soll nur daraus ablesen, dass die Mannschaft ihm vertraut.

Kurz zum Schluss: Ein Drehbuch als schnelle Vorbereitung auf eine unerwartete Situation macht zu 100 Prozent Sinn. Dies gilt auch für jeden anderen Ersatzspieler, also nicht nur für Torhüter. Denn nur wer gut vorbereitet ist, kann auch improvisieren.

Quelle:

Mayer, J. & Hermann, H.-D. (2011). Mentales Training (2. Auflage). Heidelberg: Springer.

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Elvina Lange
Elvina Langehttp://www.die-sportpsychologen.de/elvina-lange/

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Bad Düben, Deutschland

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