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Sebastian Reinold: Welcher Sport eignet sich für mich?

Was beim Sport für den einen ein Riesenspaß ist, ist für den anderen ein Graus. Zum Glück ist die Auswahl der möglichen Aktivitäten mittlerweile breit gefächert und es kommen immer wieder neue aufregende Trends hinzu.

Zum Thema: Sportmotivationstypen im Freizeitsport

Vor einigen Tagen war ich mit einer Gruppe im Harz unterwegs. Das Ziel bestand darin, auf den Brocken zu steigen – Natur pur, viel frische Luft, nette Leute, moderate Anstrengung. An diesem Tag waren viele Leute mit dem gleichen Ziel unterwegs, aber es standen am selben Tag auch ganz viele andere auf Fußballplätzen oder rackerten sich im Fitnessstudio ab.

Sport ist eine Aktivität, die viele unterschiedliche motivationale Anreize bietet. Sudeck, Conzelmann und Lehnert (2011) konnten für Personen im mittleren Erwachsenenalter neun unterschiedliche Sportmotivationstypen herausstellen, die die verschiedenen Anreize zusammenfassen:

Kontakfreudige(r) Sportler/-in

Diesem Typen sind vor allem Aspekte des Sporttreibens wie der Wettkampfgedanke sowie der soziale Kontakt wichtig. Der Sport wird nicht als Mittel zum Zweck z. B. zur Optimierung des Aussehens gesehen.

Bevorzugte Aktivitäten: Mannschaftssportspiele, Laufen in der Gruppe, Fitness in der Gruppe, Kampfsportarten

Figurbewusste(r) Ästhet/-in

Dieser Typ erfreut sich an der Bewegung selbst vor allem ästhetischen Bewegungen wie Tanzen. Auch sind Aspekte des Aussehens von Bedeutung.

Bevorzugte Aktivitäten: Tanzen, Ballett, Zumba, Artistik, Turnen

Aktiv-Erholer/-in

Dieser Typ möchte sich vor allem psychisch zu erholen. Dies möchte er durch Ablenkung durch den Sport erreichen. Andere Funktionen des Sports sind diesem Typen eher egal.

Bevorzugte Aktivitäten: Entspannungskurse, Meditation, Billard, Bogenschießen, Rudern, Wandern, Schwimmen

Erholungssuchende Fitnessorientierte

Dieser Typ ähnelt dem Aktiv-Erholer, unterscheidet sich aber durch den vermehrten Wunsch nach verbesserter Fitness und Gesundheit.

Bevorzugte Aktivitäten: funktioneller Kraftsport, Fitnesskurse, Nordic Walking, Wassergymnastik, Entspannungskurse, Yoga, Pilates

Sportbegeisterte

Für diesen Typen steht die Bewegung an sich im Vordergrund. Dieser Typ möchte vor allem Freude erfahren. Zwecke wie Fitness oder Aussehen betrachtet dieser Typ als nicht wichtig.

Bevorzugte Aktivitäten: alles, bitte aber immer mal was anderes

Gesundheits- und Figurorientierte

Wie der Name schon verrät ist für diesen Typen vor allem die Verbesserung der körperlichen Gesundheit wichtig. Dieser Typ verbindet das Thema Gesundheit stark mit der Gewichtsregulierung.

Bevorzugte Aktivitäten: Fitnesskurse, funktionelle Kraftsport, Nordic Walking, Wassergymnastik, Yoga, Pilates

Figurbewusste Gesellige

Das zentrale Motiv dieses Typs ist der soziale Kontakt. Figurbewusste Gesellige nutzen den Sport zur Gewichtsregulation und zur Körperformung.

Bevorzugte Aktivitäten: Mannschaftssportspiele, Golf, Klettern, Fitness in der Gruppe

Figurorientierte Stressregulier/-in

Dieser Typ betreibt Sport hauptsächlich wegen seines positiven Nutzens. Dieser Typ möchte seinen Körper formen sich aber auch durch das Sporttreiben erholen.

Bevorzugte Aktivitäten: funktioneller Kraftsport, Nordic Walking, Wassergymnastik Rudern, Schwimmen, Yoga, Fitness- und Entspannungskurse

Erholungssuchende Sportler/-in

Dieser Typ ähnelt dem kontaktfreudigen Sportler. Für ihn steht allerdings nicht der Kontakt im Vordergrund sondern die Erholung die durch den Sport erreicht werden kann.

Bevorzugte Sportarten: Entspannungskurse, Yoga, Meditation, Nordic Walking, Wassergymnastik, Rudern

Was nutzt es, den eigenen Sportmotivationstypen zu kennen?

Stellen Sie sich vor, Ihr Arzt empfiehlt Ihnen Sport zu machen. Sie gehen daraufhin Joggen, finden es total demotivierend und hören direkt wieder auf. Wenn Sie allerdings einen anderen Sport ausgeübt hätten, dann wären Sie immer noch dabei. Kennen Sie also Ihren Typen, können Sie oder eine sportkundige Person für sich einen Sport auswählen, der dauerhafter attraktiv bleibt. Mit dieser Sportaktivität werden Sie sich wesentlich wohler fühlen, als mit den Standardantworten Joggen, Fitnessstudio, Fahrradfahren oder Schwimmen.

Ihren Sportmotivationstypen können Sie mit dem Berner Motiv- und Zielinventar (Lehnert, Sudeck, Conzelmann, 2011) auch selbstständig online herausfinden: http://www.zssw.unibe.ch/befragungen/sportberatung/sporttyp.htm

Für eine persönliche Beratung, welche Sportart zu Ihnen passt, können Sie mich gerne kontaktieren.

 

Literatur:

Lehnert, K., Sudeck, G., & Conzelmann, A. (2011). BMZI – Berner Motiv- und Zielinventar im Freizeit- und Gesundheitssport. Diagnostica, 57, 146-159.

Sudeck, G., Lehnert, K., & Conzelmann, A. (2011). Motivbasierte Sporttypen. Auf dem Weg zur Personorientierung im zielgruppenspezifischen Freizeit- und Gesundheitssport. Zeitschrift für Sportpsychologie, 18, 1-17.

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Thorsten Loch: Trainer unter Druck

Emotional war die Verkündung der vorzeitigen Trennung von Jürgen Klopp und Borussia Dortmund. Noch emotionaler waren die Interviews mit Freiburgs Trainer Christian Streich nach dem 2:2 beim VfB Stuttgart. Im Anschluss an die Partie schob sich der Breisgauer sichtlich mit den Tränen kämpfend einen schwarzen Peter zu, den niemand verteilen wollte. Nehmen wir die jüngsten Trainerwechsel in Hamburg und Hannover dazu und berücksichtigen wir auch die Diskussionen um Pep Guardiola und Vereinarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfarth beim FC Bayern München wird deutlich, dass unheimlich Bewegung in den Trainer- und Funktionsstäben der Fußball-Bundesliga ist. Zum Ende der Saison steigt der Druck im System, mit dem allen voran die Trainer umgehen müssen.

Zum Thema:  Wie verändert sich das Anforderungsprofil eines Trainers?

Der heutige Trainer im Leistungssport Fußball ist nicht mehr nur derjenige, der sich ausschließlich mit der Gestaltung der Rahmentrainingsplänen und den taktischen Formationen beschäftigt. Dass sich das Anforderungsprofil des Trainers im Leistungssport Fußball in den letzten Jahren erheblich gewandelt hat, lässt sich allein an den erweiterten Ausbildungsinhalten der Fußballlehrerausbildung des DFB ablesen. Neben Fußballlehre und Trainingswissenschaft, zählt die Sportpsychologie mittlerweile zu den drei Stammfächern (Lobinger/Mickler, 2012). Im Alltag treten Facetten der Führung eines Teams in den Vordergrund. So gilt es beispielsweise die Motivation des gesamten Teams über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten oder so genannte ¨sensiblen¨ Spieler das Vertrauen zu schenken, um deren Leistungspotenzial auch in schwierigen Zeiten stabil abrufbar zu halten. In einem Zeitungsinterview mit der FAZ im Jahr 2012, brachte es Jürgen Klopp auf den Punkt: “Ich empfinde es als meine Aufgabe, den Jungs den Raum zu geben, sich entfalten zu können, und für eine Atmosphäre zu sorgen, in der sich Leistungsbereitschaft lohnt”.

Rollen und Kompetenzen des Trainers

Brack und Hohmann (2005) formulieren unter Einbeziehung von Klöckner (2000) ein allgemeines Trainerprofil, dass die notwendigen fachlichen Kompetenzen eines erfolgreichen Trainers beschreiben. Die Autoren weisen dem Trainer drei Rollen zu, aus denen sich rollenspezifische Kompetenzen ableiten und die, zusammengenommen, die Trainerkompetenz bilden:

Trainer

In der Rolle des Trainers ist er Experte für die Planung, Durchführung, Kontrolle und Auswertung von Training und Wettkampf.

Coach

Die Rolle des Coachs definiert ihn als Experten für zwischenmenschliche Beziehungen mit dem Schwerpunkt führungspsychologischer Fähigkeiten.

Manager

Als Manager von Spitzenleistungen richtet sich sein Augenmerk auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen bzw. des sportlichen Umfelds des Athleten oder der Mannschaft. Sowohl die Auswahl und Rekrutierung des Spielerkaders und des Trainerstabes als auch die Öffentlichkeitsarbeit.

Der Bracksche Entwurf eines Trainerprofils überzeugt durch seinen systematischen Aufbau, der die Heterogenität und Komplexität trainerbezogener Anforderungen verdeutlicht. Zudem erlaubt der Entwurf die Integration weiterer Rollen und Kompetenzen. In jüngster Vergangenheit hat Nordmann (2007) darauf aufmerksam gemacht, dass sich das Trainerprofil erneut im Wandel befindet. Er unterteilt in Rollenkonstante und Rollenerweiterung. Als wichtigste Konstante nennt Nordmann in diesem Zusammenhang die charismatische Trainerpersönlichkeit, der es gelingt “Athleten und Teams (auch die Betreuer) zu hohen und höchsten Leistungen – und dies zu bestimmten Zeitpunkten (etwas Europa- und Weltmeisterschaften, Olympischen Spiele) – zu führen (S. 19). Solch ein Trainer zeichnet sich durch ein hohes Maß an Fachwissen sowie durch methodisches und pädagogisch-psychologisches Können aus.

Mehrfachqualifikationen werden verlangt

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass das Anforderungsprofil des Trainers ein dynamisches und an Komplexität gewinnendes ist. Von dem zukünftigen Trainer werden Mehrfachqualifikationen als Bewegungs- und Trainingswissenschaftler sowie als Pädagoge und Psychologe verlangt. Je nach Situation muss dieser in die unterschiedlichen Rollen schlüpfen und seine Mannschaft zu Höchstleistungen befähigen. Der Trend, in den Funktionsstäben auf Experten zu setzen, die dem Trainer vertrauensvoll zur Seite stehen, wird sich fortsetzen. Sicher auch in Bezug auf die Sportpsychologie.

 

Literatur:

Brack, R. (2002). Sportspielspezifische Trainingslehre: wissenschafts- und objekttheoretische Grundlagen am Beispiel Handball. Hamburg: Czwalina.

Brack, R./Hohmann, A. (2005). Sportspiel-Trainer und Sportspieltrainerinnen. In A. Hohmann, M. Kolb, K. Roth (Hrsg.), Handbuch Sportspiel. Schondorf: Hofmann.

Klöckner, E. (2000). Wissen-Schaffen in einer neuen Denkkultur. Wie erwerben Trainerinnen und Trainer psychologische Kompetenz? In H. Allmer, W. Hartmann & D. Kayser (Hrsg.), Sportpsychologie in Bewegung: Forschung für die Praxis. Köln: Sport und Buch Strauß.

Lobinger, B./Mickler, W. (2012). Trainerausbildung und „Coach the Coach“ im Fussball. In D. Beckmann-Waldenmayer & J. Beckmann (Hrsg.). Handbuch sportpsychologischer Praxis. Mentales Training in den olympischen Sportarten. Balingen: Spitta Verlag.

Nordmann, L. (2007). Bestandsaufnahme, Perspektiven und Erfordernisse der Trainerausbildung in Deutschland. Leistungssport, 35 (2), 44-47.

Patsanáras, N. (1994). Der Trainer als Sportberuf. Schorndorf: Hofmann.

Riedl, L./Cachay, K. (2002). Bosman-Urteil und Nachwuchsförderung. Auswirkungen der Veränderung von Ausländerklauseln und Transferregelungen auf die Sportspiele. Schorndorf: Hofmann.

Weidig, T. (2010). Trainer. Das Trainerverhalten in Spiel- und Wettkampfpausen auf dem Prüfstand. Köln: Sportverlag Strauß.

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Thorsten Loch im Hessischen Rundfunk

Das Nachrichtenradio des Hessischen Rundfunks HR-Info beschäftigte sich hintergründig mit der angekündigten Vertragsauflösung von Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund. Hierzu wurde Thorsten Loch von die-sportpsychologen.de befragt. Mit Unterstützung des Senders können wir den gesamten 5-minütigen Beitrag online zur Verfügung stellen:

 

Copyright by hr-iNFO, http://www.hr-online.de/website/radio/hr-info/

Zum Profil von Thorsten Loch: http://www.die-sportpsychologen.de/profile/thorsten.loch/

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Katharina Petereit: Trainerverhalten im Fokus

Unzufriedenheit, Leistungsabfall oder Dropout von Sportlern sind häufig Folgen einer instabilen Trainer-Athlet-Beziehung. Trainer realisieren oftmals nicht, dass die entscheidende Arbeit auf und neben dem Platz von ihren Athleten anders eingeschätzt wird als sie es selbst wahrnehmen. Eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit aus dem Fußballbereich zeigt nun, dass sich die Selbst- und Fremdeinschätzung des Trainerverhaltens innerhalb der untersuchten Mannschaften signifikant unterscheiden und welche praktischen Maßnahmen sich daraus ergeben können. 

Zum Thema: Fremd- und Selbsteinschätzung  des Trainerverhaltens und dessen Auswirkungen auf das Trainingsklima und die Selbstwirksamkeitserwartung von Athleten

Trainerverhalten, der Einsatz von Feedback sowie die Trainer-Athlet-Interaktion sind zwar häufig untersuchte und diskutierte Themen in der Sportpsychologie (vgl. Chelladurai, 1990; Würth & Alfermann, 2001; Pfeffer, Würth & Alfermann, 2004), doch häufig schwer greifbar.  Es werden hohe Erwartungen an einen Trainer gestellt – sowohl aus Sicht der Athleten als auch aus Sicht der Eltern. Diese sind nicht nur auf das Training und die Leistungsentwicklung bezogen, sondern ebenso auf die soziale Unterstützung seitens des Trainers. Vor allem im Nachwuchsleistungssport ist der Trainer oft ein Mutter- beziehungsweise Vaterersatz (Alfermann & Stoll, 2010). Ihm werden die Gründe für schlechte Leistungen oder negative Stimmungen der Athleten zugeschrieben. Trainer sind häufig der Anlass, dass jugendliche aber auch bereits erfolgreiche Sportler ihre Karriere beenden und aus ihrem Sport aussteigen. Durch eine stabile Beziehung zwischen Trainer und Sportler und das positive Erleben des Sports kann ein solcher Ausstieg vermieden werden.

Erfassung der Trainer-Athlet-Beziehung

Anlässlich meiner Abschlussarbeit habe ich den Versuch unternommen, genau dieses Thema aufzugreifen und die Trainer-Athlet-Beziehung am Beispiel von fünf Mannschaften aus dem Nachwuchsleistungsfußball zu erfassen. Dies geschah mithilfe von Fragebögen zum Trainerverhalten (Leadership Scale for Sports für Kinder und Jugendliche, Alfermann, Saborowski & Würth, 1997), zum Trainingsklima (Perceived Motivational Climate in Sport Questionnaire, Alfermann, Saborowski & Würth, 1997) und zur Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung (SWE, Jerusalem & Schwarzer, 1999). Die Einschätzung des Trainerverhaltens und Trainingsklimas erfolgte sowohl aus der Trainer- als auch Spielerperspektive (Selbst- und Fremdeinschätzung). Die Allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung der Athleten wurde hinsichtlich des Feedbacks (soziale Überredung) von Trainern, welches einen wichtigen Bestandteil für die Entwicklung der Selbstwirksamkeit darstellt, zusätzlich erfragt.

Untersuchungsergebnisse

Im Hinblick auf die untersuchten Hypothesen, können folgende Ergebnisse zusammengefasst werden. Innerhalb jeder Mannschaft unterscheidet sich die Selbst- und Fremdeinschätzung des Trainerverhaltens signifikant. Bei zwei von drei Mannschaften schätzt der Trainer sein Verhalten positiver ein als die Spieler. In drei von fünf Mannschaften können signifikante Unterschiede zwischen der Einschätzung des Trainers und der Spieler hinsichtlich des Trainingsklimas festgestellt werden. In zwei Mannschaften konnte ein Zusammenhang zwischen dem Führungsverhalten und einem aufgabenorientierten Trainingsklima ermittelt werden. Die Abhängigkeit der Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung der Athleten von der Einschätzung des Trainerverhaltens konnte nicht bestätigt werden. Lediglich die Dimension Belohnung des Leadership Scale for Sports korreliert bei einer Mannschaft mit dem Wert der Allgemeinen Selbstwirksamkeitserwartung.

Bedeutung für die Praxis

Festzuhalten ist, dass Unterschiede zwischen dem Selbst- und Fremdbild von Trainern herausgestellt werden konnten und sich die unterschiedlichen Dimensionen des Trainerverhaltens unterschiedlich auf das motivationale Klima einer Mannschaft auswirken. Für mögliche sportpsychologische Interventionen sollte jedoch auch die Richtung des Unterschieds betrachtet werden. Die häufig getroffene Aussage, dass Trainer sich ohnehin positiver einschätzen als ihre Athleten, kann mittels dieser Untersuchung nicht bestätigt werden. Ein Ansatz wäre beispielsweise, die Unterschiede einzelner Aussagen der Fragebögen genauer zu betrachten und Diskrepanzen möglicherweise durch Einzel- oder Teambesprechungen zu erfragen. Hinsichtlich der Zufriedenheit, Leistungsentwicklung, Bindung und dem Zusammenhalt der Athleten spielt die Trainer-Athlet-Beziehung eine nicht unbedeutende Rolle. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die verwendeten Fragebögen einen Überblick über die Trainer-Athlet-Beziehung innerhalb der einzelnen Mannschaften geben konnten und eine Einordnung des Trainerverhaltens zulassen. Es konnten einige Tendenzen festgestellt werden, so dass Interventionen zur Optimierung der Trainer-Athlet-Beziehung eingeleitet werden können. Zudem können Videoaufzeichnungen helfen, die Selbst- und Fremdwahrnehmung abzugleichen und die Gründe für die Einschätzung des Trainerverhaltens herauszufinden.

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Thorsten Loch: Von Arminen, Fohlen, David & Goliath

Das Team der Stunde im laufenden DFB-Pokalwettbewerb heißt Arminia Bielefeld. Knapp neun Monate nach dem Abstieg herrscht beim Drittligisten wieder eitel Sonnenschein. Alle Zeichen stehen auf Wiederaufstieg und nach dem berauschenden 3:1 im Achtelfinale gegen Werder Bremen geht auch der Pokaltraum des Teams von Trainer Norbert Meier weiter. Im Viertelfinale steht für die Arminen nun das nächste Highlight an, nämlich dann, wenn die Fohlen aus Mönchengladbach zu Gast sind.

Zum Thema: Woran sich Außenseiter orientieren sollten

Sinnbildlich für den Sieg eines Außenseiters gegen einen vermeidlich überlegenen Gegner ist die biblische Geschichte David gegen Goliath. Wenn man diese Geschichte genauer unter die Lupe nimmt und der Frage nachgeht, wie es David geschafft hat, den schier übermächtigen Gegner zu besiegen, scheinen hierbei sechs Faktoren ausschlaggebend zu sein (Linz, 2014):

  1. Mut, Unerschrockenheit
  2. Vertrauen auf den Sieg
  3. Wissen um die eigene Stärke und Einsatz genau dieser Stärken
  4. Handeln, ohne zu zögern
  5. Überraschungsmoment (was beinhaltet, als Erster zu handeln)
  6. Gnadenlosigkeit

Was können Trainer aber mit dieser Grundlage anfangen?

Keine Angst vor großen Namen

Zuerst besteht die Aufgabe des Trainers darin, der Mannschaft die mögliche Angst vor dem Kontrahenten zu nehmen. Dabei ist besonders hilfreich, auf die möglichen Schwächen und Probleme des Gegners einzugehen. Eine gute Möglichkeit besteht darin, das Team an frühere Spiele zu erinnern, in denen ihr ein überraschender Erfolg gelungen ist. Zudem ist es von Vorteil, nicht den Sieg in den Vordergrund zu stellen, sondern Handlungs- und Zwischenziele zu formulieren. So wird der vermeintlich unüberwindbare Aufgabe in kleinere zu bewältigen Sequenzen zerlegt. Dies hat zur Folge, dass mit jedem erreichtem Etappenziel das Selbstvertrauen der eigenen Spieler steigt.

Vertrauen in die eigene Stärke

David beschäftigt sich nicht mit den möglichen Konsequenzen, die ein Sieg nach sich zöge oder was ihm im Falle einer Niederlage bevorstünde. Vielmehr besinnt er sich auf seine Stärken (Kompetenzerwartung), was ihm Kraft und Handlungsfähigkeit liefert. Sich mir der eigentlichen Handlung zu beschäftigen und nicht mit den möglichen Konsequenzen, ist wichtig, denn was die Zukunft bringt, kann ich nicht beeinflussen, jedoch die vorgeschalteten Handlungen, welche dazu führen.

Aus eigener Stärke handeln

Aus eigener Stärke handeln bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Bielefelder Mannschaft um Trainer Meier nicht auf mögliche Fehler der Gladbacher warten sollte. Es ist naiv zu glauben, dass den spielstarken „Fohlen“ aus Gladbach gravierende Fehler beispielsweise im Aufbauspiel unterlaufen werden. In diesem Punkt sollten sich die Arminen auf ihre Stärken berufen. David probiert eine Rüstung an, legt diese jedoch wieder ab, weil er es nicht gewohnt war, mit dieser zu kämpfen. Auch geht er nicht mit dem Schwert in den Kampf, sondern besiegt Goliath mit seiner Steinschleuder, welche er tagtäglich nutzt. Trainer Meier sollte seine Mannschaft gemäß ihrer Stärke aufstellen und spielen lassen. Dies muss nicht zwangsläufig etwas Spektakuläres sein. Ein alltägliches Mittel gekonnt eingesetzt, macht jedem Gegner das Leben schwer.

Entschlossenes und überraschendes Handeln

In der Geschichte fackelt der Schäfer David nicht lange. Er tastet sich nicht vorsichtig an und erkundet mögliche Stärken und Schwächen Goliaths. Er hat eine einfache Strategie und setzt diese unverzüglich um. Als Außenseiter kann man sich ein anfängliches Abtasten nicht leisten. Der Gegner ist mir überlegen und aus diesem Grund sollte ich nicht in der passiven Rolle verharren. Das Überraschungsmoment lebt davon, dass es sofort umgesetzt wird. Die Spieler der Borussia sind hervorragend taktisch geschult und werden sich schnell formieren können und weitere Bemühungen schnell zunichtemachen, wenn die Bielefelder in ihren Aktionen nicht entschlossen handeln.

Auf den „Todesstoß“ vorbereitet sein

Der entscheidende Faktor, der weiter oben genannt wurde, ist Gnadenlosigkeit (Linz, 2014). Dies hört sich auf den ersten Blick verwunderlich an, jedoch kommt diesen Faktor eine enorme Bedeutung zu. David begnügt sich nicht damit, dass er den Riesen mit dem Stein an der Stirn traf, nein, er nahm dessen Schwert und köpfte ihn. Nur so konnte sich David auch sicher sein, dass er den Kampf gewonnen hat. In der Vergangenheit gibt es einige Beispiele, wo der vermeintliche Außenseiter bis kurz vor Schluss auf der Gewinnerstraße war, jedoch dann die Courage vor dem eigenen Erfolg verlor. Ein klassisches Beispiel dafür war das Wimbledonendspiel aus dem Jahr 1993 zwischen Jana Novotna und Steffi Graf. Die Tschechin führte im dritten und letzten Satz gegen die bis dato wenig überzeugende Favoritin bei eigenem Aufschlag mit 4:1. Alles schien gelaufen. Novotna stand ganz dicht vor ihrem ersten Wimbledonsieg. Doch dann begann ihre Nerven an zu flattern und sie gewann kein Spiel mehr und musste letztendlich den Platz als Verliererin verlassen. Sie hatte ganz einfach Angst vor ihrem Erfolg bekommen.

Fazit:

Letztendlich gibt es einige Möglichkeiten für Trainer, das jeweilige Team auf ein solches Spiel vorzubereiten. Ob es wirklich der zwei Klassen tiefer spielenden Mannschaft aus Bielefeld gelingen wird, dem Bundesligisten ein „Bein zu stellen” und der Traum der Bielefelfer vom Pokalfinale und dem europäischen Wettbewerb weiterlebt, bleibt abzuwarten. Ich freue mich auf ein spannenden und unterhaltsamen Pokalabend und bin gespannt auf die Interviews nach dem Spiel, wenn Arminen und Borussen möglicherweise von David und Goliath berichten.

 

Literatur:

Linz, L. (2014). Erfolgreiches Teamcoaching: Ein Team bilden, Ziele definieren, Konflikte lösen. Meyer&Meyer Verlag: Aachen.

 

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Dr. Christian Reinhardt: Was Kevin Großkreutz Top-Managern beibringt

Schwachen Freundschaftsspielresultaten und dem holprigen Start in die EM-Qualifikation zum Trotz ist die deutsche Fußballnationalmannschaft ein außergewöhnliches Erfolgsmodell. Mehr noch: Die Weltmeister von 2014 und das Team dahinter gelten für immer mehr ambitionierte Unternehmer als direkte Vorbilder. Denn der konstante Erfolg der Nationalmannschaft ist nicht zuletzt auf die sukzessive Entwicklung von professionellen Führungsstrukturen zurückzuführen. Unternehmen sind im Grunde auch eine (größere) Mannschaft und können hier durchaus einiges vom Spitzensport lernen, was sie letztendlich wirtschaftlich noch erfolgreicher machen kann.

Für die-sportpsychologen.de berichtet Christian Reinhardt:

Der Spitzensport wird häufig als eine Metapher für die Wirtschaft genutzt. Starke Konkurrenz, hoher Druck, das Erreichen von Zielen, Hingabe und Teamwork, Führen von Teams – die grundlegende Architektur beider Welten ist fraglos sehr ähnlich. Jenseits jeglicher Metapher können die Prinzipien der Wirtschaft daher auf den Spitzensport angewendet werden und vice versa. Ein Beispiel für einen solchen Transfer sind die großen Fußballvereine, die sich in ihrer Struktur und Führung stark an Unternehmen orientieren (Europaweit sind 23 Fußballvereine an der Börse notiert). Umgekehrt kann auch der Wirtschaftssektor vom know how des Spitzensports profitieren.

Im internationalen Spitzensport hat sich bspw. die Erkenntnis durchgesetzt, dass Höchstleistungen immer auch das Ergebnis optimaler mentaler Prozesse sind. Elite-Athleten, Trainer und Teams arbeiten deshalb ebenso hart an ihren physischen wie an ihren psychischen Fähigkeiten. Sportpsychologen sind im Laufe der Zeit zu einem festen Bestandteil des Systems geworden. Die Wirtschaft ist im Begriff dieses Potential zu entdecken.

Analog zu den Fußballvereinen, die sich in (kleinen) Schritten wirtschaftlichen Strukturen genähert haben, sind auch Unternehmen zurückhaltend in ihren Adaptionsversuchen. Aktuell beschränkt sich das sportpsychologische Engagement im Business-Bereich daher meist auf Vorträge, Workshops und Ratgeber wie „What Business Can Learn From Sport Psychology“ (Turner & Barker, 2014).

In den erwähnten Fußballvereinen begann die Entwicklung ähnlich: Zunächst kam die Sportpsychologie als einzelne Maßnahmen (also als zeitlich begrenzte Projekte) in Form von Kurzinterventionen (oft in Krisenzeiten) zum Einsatz. Ein Beispiel stellen Teambuilding Übungen dar, die meist im Rahmen der Vorbereitung einmalig durchgeführt wurden. Die Wirkung dieser Maßnahmen ist unbestritten, allerdings ist ein Team ein dynamisches System, das naturgemäß von zahlreichen Faktoren beeinflusst wird. So kann ein gut funktionierendes Team durch sportlichen Misserfolg, die Zentrierung der Aufmerksamkeit auf einen einzelnen (Star-)Spieler oder andere Ereignisse deutlich geschwächt werden.

Permanent, systematisch und damit nachhaltig

Die Notwendigkeit eines permanenten, systematischen und damit nachhaltigen Einsatzes (eine Überführung der Projekte in kontinuierliche Prozesse ohne zeitliche Befristung) der Sportpsychologie wurde deutlich. Schließlich beschäftigten die progressiveren Vereine einen oder mehrere hauptamtlichen Sportpsychologen. Im Laufe der Zeit zeigte sich, dass die Arbeit mit den Sportlern und dem Trainerstab noch nicht das volle Potential eines Vereins ausschöpft. Als Goldstandard hat sich hier als erster Schritt die Identifikation aller relevanten Stakeholder herausgebildet, welche im zweiten Schritt bestmöglich in die wechselseitigen Interaktionsprozesse eingebunden werden.

Am Beispiel der Nationalmannschaft wird deutlich, wieso dieser Ansatz auch für die Wirtschaftswelt so relevant ist: Es geht darum, völlig unterschiedliche Charaktere unter einen Hut zu bringen, verschiedene Talente auf ein gemeinsames Ziel auszurichten usw. und nicht zuletzt darum in einem Spannungsfeld völlig unterschiedlicher Interessen zu agieren. Das betrifft bspw. Sponsoren, Verbände, Fans, Spieler, Trainer usw., die zwar auf den ersten Blick die gleichen Absichten verfolgen, während sich hinter den Kulissen häufig eine völlig unterschiedliche Interessenlage offenbart, die meistens nicht auf den ersten Blick ersichtlich ist. Die daraus resultierenden internen Reibungsverluste stehen dem Erfolg im Weg – ohne, dass dies gewollt ist oder überhaupt bemerkt wird. Oftmals verhindern diese – meist verdeckt ausgetragenen – internen Grabenkämpfe, dass kostenintensiv investierte Ressourcen wie z.B. Spitzenspieler ihre Potenziale voll entfalten und das Maximum ihres Leistungsvermögens zum Gesamterfolg beitragen können. Um die gesetzten Ziele erreichen zu können (Weltmeisterschaft bzw. Unternehmenserfolg z.B. Marktfüher), bedarf es daher einer professionellen Führung, die diese Prozesse in die gewünschte Richtung koordiniert.

So dient das angesprochene Teambuilding nicht nur der Formung eines Teams und der Optimierung des Mannschaftszusammenhaltes, sondern auch der Verbesserung der individuellen Fähigkeit der Rollen- und Perspektivübername. Es geht darum, neben einem kollektiven Ziel auch eigene Ziele zu definieren und diese in Einklang zu bringen. In diesem Zusammenhang sind die Rolle im Team und auch ihre Anerkennung durch Trainer und andere Verantwortliche im Verein wichtig. Die Identifikation von Talenten und die talentgerechte Einbindung der Spieler ist ein mitunter intensiver und aufwendiger Prozess, der sich letztendlich jedoch lohnt. In Brasilien sind wir Weltmeister geworden mit Spielern, von denen einige vorher nur von wenigen Experten im Team, der Startelf oder auf der entsprechenden Position gesehen wurden. Jogi Löw und sein Stab hatten im ersten Schritt die jeweiligen individuellen Talente ihrer Spieler mühevoll analysiert und identifiziert – und sodann, auf der Basis dieser wertvollen Erkenntnisse, die Möglichkeit und nicht zuletzt auch den Mut und die Entschlossenheit ihre Spieler optimal zur Wirkung bringen zu können. Ein ganz wesentlicher Baustein des ganzheitlichen Mannschaftserfolges bestand dabei, in der im Innen- wie auch im Außenverhältnis in den Medien immer wieder aktiv gelebten Wertschätzung der individuellen Fähigkeiten und Stärken jedes einzelnen Spielers. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Film zur WM „Die Mannschaft“ heißt und sich selbst Kevin Großkreutz, der keine Minute gespielt hat, so sehr als Teil der Siegermannschaft fühlt, dass er sich den WM-Pokal tätowieren ließ. An dieser Stelle darf provokativ die Frage gestellt werden, inwiefern der viel diskutierte Fachkräftemangel tatsächlich ein Mangel an Fachkräften oder ein Mangel an Talentidentifikation und –förderung ist?

Optimierungspotential bei zwischenmenschlichen Prozessen

Neben der der Talentidentifikation und –förderung bieten insbesondere zwischenmenschliche Prozesse ein großes Optimierungspotential. Hier gehen Vereinen wie auch Unternehmen jährlich viel Geld, Zeit und Nerven verloren. Tatsächlich resultiert ein ganz wesentlicher Anteil der Probleme innerhalb eines Unternehmens oftmals aus verdeckten Konflikten. Abhängig vom Ausmaß und der Ebene auf der ein solcher Konflikt ausgetragen wird, kann der Schaden gravierend sein. Ein offen ausgetragener Streit zwischen Gesellschaftern, Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten wird selten ohne Auswirkungen in den unteren Ebenen bleiben. Der Krankenstand 2012 hat die Wirtschaft ca. 53 Millionen Euro gekostet (Nöllenheidt & Brenscheidt, 2013). Die Zahl der Krankheitstage von Arbeitnehmern durch Burn Out und Stress am Arbeitsplatz ist um den Faktor 18 gestiegen (BKK Faktenspiegel 09/2011). Konflikte haben einen wesentlichen Anteil an diesen Zahlen.

Verdeckte, interne, soziale Konflikte wirken hier oftmals in ganz erheblichem Maße als unerkannte Kostentreiber. Deren Identifikation gestaltet sich, allein aus dem konventionellen Blickwinkel der Wirtschaft betrachtet, schwierig, da nicht zuletzt stand heute kaum entsprechende Key Performance Indikatoren oder direkt ablesbare Bilanzpositionen dafür existieren. Dabei sind Konflikte grundsätzlich nicht schlecht – im Gegenteil. Sie bieten hervorragende Chancen der Weiterentwicklung, wenn sie zielgerichtet geführt werden. Natürlich kann in einem Unternehmen mit hunderten oder tausenden Mitarbeitern nicht jeder Konflikt in diese Richtung geführt werden. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, ein Klima zu schaffen, in dem die entstehenden Konflikte durch die beteiligten Personen selbst erfolgreich verarbeitet werden. In guten Vereinen und Unternehmen sind die entscheidenden Stellgrößen für eine solche produktive Arbeitswelt die Trainings-/Arbeitsbedingungen, das Führungsklima und natürlich die Kommunikation.

Im Zusammenhang mit der Konfliktfähigkeit kommt der Kritikfähigkeit eine zunehmend größere Rolle zu. Wer nicht Kritikfähig ist, gerät häufig in Konflikte und ist nicht in der Lage, diese zu lösen. Darüber hinaus erhält jemand in dieser Situation auch nicht die Chance aus der – ggf. ja durchaus berechtigten – Kritik etwas zu lernen, da sie nur als Angriff gegen die eigene Person angesehen wird und nicht als Hinweis zur Verbesserung. Im Spitzensport sind Hinweise zur Optimierung fester Bestandteil des Trainings, der Wettkampfanalysen und der Trainer-Athleten-Kommunikation. Es ist daher schon immer eine Kernkompetenz der Sportpsychologie, eine entsprechende Atmosphäre zu gestalten. Dazu gehört es jedem Sportler/Mitarbeiter das Gefühl zu geben, wertgeschätzt zu werden und die Möglichkeit zu haben, sich zu seinem vollen Potential zu entwickeln. In der, professionell unterstützten, Optimierung zwischenmenschlicher Interaktion besteht heute eine der größten, noch unerschlossenen Ressourcen der Wirtschaft, auch bzw. grade im Kontext der sogenannten Industrie 4.0.

Seit dem 25. März, dem Start ins Länderspieljahr 2015, haben Jogi Löw und sein Stab die nächste Gelegenheit, Talente zu identifizieren und zu fördern. Für die Nationaltrainer geht es dabei nicht nur darum zu sehen, „wer kann in welchem System wo spielen?“, sondern auch ‚wie kann Spieler X im Gefüge der anderen Spieler funktionieren?“. In diesem Zusammenhang ist für Vereine und Unternehmen nicht nur die reine Identifikation von Talent von Bedeutung, sondern auch die Kompatibilität zum vorhandenen Team.

Es gewinnen oft nicht die Mannschaften mit den besten Spielern

So gewinnen nicht automatisch die Mannschaften mit den besten Spielern, sondern oft die Mannschaften, die am besten zusammenspielen. In Unternehmen ist es nicht anders. Die besten Mitarbeiter helfen nichts, wenn das Team/die Arbeitsgruppe/die Abteilung etc. nicht optimal zusammenarbeitet. Der Mehrwert, den die Sportpsychologie für Unternehmen bietet, erstreckt sich jedoch nicht nur auf die im Rahmen dieses Artikels thematisierten Bereiche. Unternehmen sehen sich perspektivisch stark ändernden internen und externen Einflüssen ausgesetzt und werden daher gezwungen sein, durch teilweise sehr deutliche Veränderungen, Kosten zu reduzieren, Qualität von Produkten und Dienstleistungen zu steigern, Wachstumschancen zu identifizieren und die Produktivität zu steigern (Kotter, 2012).

Die dazu erforderlichen Change-Prozesse stellen eine der größten Herausforderungen für erfolgreiche Führungskräfte aller Führungsebenen dar. Die seit Jahrzehnten stetig weiterentwickelten, erprobten und nicht zuletzt in der Nationalelf so erfolgreich konsequent angewandten Methoden der Sportpsychologie können hierbei unterstützen und einen wertvollen Beitrag leisten, Unternehmen im 21. Jahrhundert noch erfolgreicher zu machen.

Quellen:

BKK Faktenspiegel 09/2011, http://www.bkk.de/fileadmin/user_upload/PDF/Aktuelle_Ausgaben/FS_1109_AU.pdf
Kotter, J.P. (2012). Leading change. Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern. Vahlen. München
Nöllenheidt, C. & Brenscheidt, S. (2013). Arbeitswelt im Wandel: Zahlen – Daten – Fakten (2013). Ausgabe 2013. 1. Auflage. Dortmund
Turner, M. J. & Barker, J. B. (2014). What Business Can Learn From Sport Psychology. UK: Bennion Kearny

Bild: Collage von Christian Reinhardt

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Elvina Abdullaeva: Musik besser als Doping?

Wofür benutzen Sportler Doping? Sie wollen ihre eigene körperliche Aktivität und Ausdauer während der Wettkampfzeit steigern. Musik kann das auch. Genau wie klassisches Doping kann Musik verschiedene physiologische Prozesse aktivieren, die den gesamten Körper mobilisieren. Aber im Gegensatz zu medizinischen Wirkstoffen hat die Musik dafür zusätzlich zwei Vorteile. Erstens, wirkt die Musik auf die Psyche, welche durch Inspiration und Begeisterung einem Mensch zu mehr Leistung verhilft. Und zweitens ist es legal. Wie hört sich denn ein Dopinglied an?

Zum Thema: Musik als Stimulator für den sportlichen und alltäglichen Wettkampf

Die Musik beeinflusst unseren Körper und Geist, wobei diese Wirkung immer unterschiedlich ist. So kann die Musik nicht nur aufmuntern, sondern auch beruhigen, z.B. nach einem Training, so dass die gesamte Regeneration beschleunigt werden kann. Außerdem hilft sie, die Aufmerksamkeit von der anstrengenden Trainingsbelastung abzulenken, wodurch sich die Trainingszeit verlängert und somit die Intensität des Trainings steigt. Die Musik kann auch das Erlernen und die Verbesserung spezifischer sportlicher Fertigkeiten unterstützen. Für jeden Anlass gibt es eigene Regeln, die man bei der Auswahl der Musik beachten soll. Hier betrachten wir die Musik als fördernden Impuls für den Körper und den Geist, die man nicht nur im Sport vor einem Wettkampf, sondern auch bei anderen Herausforderungen nutzen kann.

Musikalischer Stimulator

Also, Musik kann uns anspornen. Wie genau funktioniert das allerdings? Durch zwei Arten von Einflussfaktoren, den inneren und den äußeren (Karageorghis & Terry, 2011). Die inneren beziehen sich auf die Komponenten der Musik, also auf Rhythmus, Melodie, Harmonie und gegebenfalls den Liedtext. Alles, was die Musik ausmacht. Zu den äußeren Faktoren zählen kultureller Einfluss und persönliche Assoziationen und Erfahrung. Diese bestimmen wie die Musik von dem Zuhörer interpretiert wird, welche Bedeutung diese oder eine andere Melodie für ihn hat. Rhythmus, Liedtexte, persönliche Erinnerungen – Wie soll sich eine stimulierende Musik anhören? Ein Erfolgsmuster gibt es sicher nicht. Gerade in der Musik, bei der sich ja bekanntlich die Geister scheiden. Ein paar Empfehlungen können Ihnen aber bei der Suche nach ihrer individuellen Powermusik weiterhelfen.

1. Passen sie sehr gut auf den Rhythmus der Musik auf. Die rhythmische Komponente der Musik hat wohl den größten Einfluss auf die physiologischen Prozesse, wie z.B. die Atem- und Herzfrequenz. Wenn ihre Sportart fordert, dass Sie am Start in einem erhöhten Aktivierungszustand sind, wählen sie eine schnelle, peppige und tosende Melodie. Die wissenschaftlichen Untersuchungen zeigen, dass laute Musik mit einem schnellen Tempo über 120 bpm (Schläge pro Minute) und ausdrucksvollem Rhythmus besonders effektiv ist (Karageorghis, 2014). Hier ein Beispiel:

Der ehemaliger britischer Sprinter, Iwan Thomas, der seinerzeits Weltmeister und Europameister war, spezialisierte sich auf die 400m-Strecke. Diese Strecke erfordert vom Sprinter eine Explosionsenergie die rund 44 Sekunden anhalten soll. Da Iwan Thomas sich selbst als eine sehr lockere Person charakterisiert, hat er in der Musik einen tollen Stimulator für sich gefunden. Mit Hilfe des berühmten The Prodigy-Songs „Firestarter“ konnte er seine Erregungsebene zu einem optimalen Zustand erhöhen, sowohl physisch (durch Adrenalinausschüttung) als auch geistig (Gefühle der Aufregung und Dringlichkeit). Dieses Lied mit einem Tempo von 142 bpm hat einen hartnäckigen und treibenden Rhythmus. Der auffällige Rhythmus und der Songtext erzeugten bei ihm Agression und feindselige Energie. Diese ermächtigte ihn und gab ihm einen Killerinstinkt, den er brauchte, um seine Gegner zu übertreffen. Die letzten Minuten vor dem Start nutzte er, um dieses Lied zu hören. Auch während des Hörens nahm er automatisch eine zuversichtliche und determinierte Körperhaltung ein, ballte die Fäuste, nickte mit dem Kopf im Takt und spürte, wie seine Konkurrenten seine positive Körpersprache bemerkten und wurden mehr und mehr verunsichert.

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Ein schönes Beispiel, wie ein Lied den Sportler megastimuliert hat. Aber die Musik mit so einem intensiven Rhythmus passt nur zu so einer Sportdisziplin, bei der man am Start physisch völlig mobilisiert und aufgeregt sein soll. In Präzisionssportarten z. B. wie Schießen, Golf, Bogenschießen jedoch ist es das Ziel sich zu beruhigen. Daher wird eine bedächtige oder langsame Musik (weniger als 80 bpm) empfohlen.

2. Was die Songtexte angeht, überlegen Sie sich, welchen emotionalen Zustand Sie in dem Moment empfinden möchten: Aufregung, Freude oder ruhige Zuversicht? Die Worte des Liedes können Sie zu diesen Emotionen sehr gut hinführen. Der erfolgreichste Olympioniker Michael Phelps benutzt die Musik als Vorbereitung vom Start sehr gerne und hat sein Motivationsplaylist immer dabei. Bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking, wo er ganz nebenbei acht Goldmedaillen gewonnen hat, hat ihn stets das Lied von Lil Wayne „I’ m Me“ begleitet. In diesem selbstbewussten Liedtext kommen Zeilen wie diese vor: “Yes, I’m the best! And no, I ain’t positive, I’m definite.” Der Song gab Michael Phelps das Gefühl der nützlichen Arroganz und des Selbstbewusstseins. Ein gutes Beispiel für die Kraft der Worte.

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3. Bezüglich der persönlichen Assoziationen, wissen Sie bestimmt selbst, welche Melodie die Saiten ihrer schönen Erinnerungen zum Schwingen bringen kann. Dies kann ein Lied sein, welches mit ihrem wichtigsten Sieg, einem besonderen Ereignis oder einem bestimmten Lebenszeitraum verbunden ist. Oder das Lied erinnert Sie an einen Moment, an dem sie ganz glücklich waren.

Benötigen Sie bei Sport- und Lebensmomenten Stimulation? Wenn ja, suchen Sie nach dazu passender fördernder und ermutigender Musik. Stellen Sie Ihre eigene Motivationsplaylist zusammen. Je mehr Stücke, desto besser. Man muss den Gewöhnungseffekt vermeiden. Benutzen Sie diese Playlist nicht nur vor dem Sportwettkampf. Man hat eigene Wettkämpfe auch im Alltag. Sei es ein wichtiges Gespräch, eine Prüfung, ein öffentlicher Auftritt oder eine andere Lebensherausforderung, für die Sie Inspiration und Ermutigung brauchen. In diesem Sinne, viel Spaß beim Hören!
Quellen:

1. Karageorghis, C. I. (2014). Music- Based Interventions. In: Encyclopedia of Sport and Exercise Psychology, Ed. Eklund, R.C., Tenenbaum G.
2. Karageorghis, C. I., & Terry, P. C. (2011). Inside sport psychology. Champaign, IL: Human Kinetics.
3.Playlist: Michael Phelps‘ Solid-Gold Hits, http://www.rollingstone.com/music/news/playlist-michael-phelps-solid-gold-hits-20120816

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Party am Kontrollpunkt vier

Die Sportart Orientierungslauf fristet in Deutschland (wie auch so viele andere spannende Aktivitäten)  ja eher „ein Randsportart-Dasein“. Auch in der wissenschaftlichen Sportpsychologie gibt es hier kaum Publikationen, wenn man mal vor der Dissertation von Roland Seiler aus dem Jahr 1990 absieht. Kaum jemand weiß zum Beispiel, dass sich die Orientierungsläuferinnen und –läufer im Deutschen Turnerbund organsiert haben. Und natürlich ist Orientierungslauf auch nicht olympisch. Ähnlichkeiten zu anderen Laufdisziplinen sind offensichtlich. Es geht um das ausdauernde Laufen im Gelände (mit vielen echten Cross-Anteilen) mit Orientierungsfunktion (wie wir das z.B. auch bei der neuen Trendsportart „Trail-Running“ finden).  

Zum Thema: Die besonderen Anforderungen des Orientierungslaufs

Der zentrale Unterschied liegt wohl zum einen in der zu absolvierenden Distanz, die im Orientierungslauf die 15 km eher selten und wenn, dann auch nur wenig überschreitet. Trailrunner mögen es ja eher mal etwas länger (bis zu 100 Meilen) und natürlich in der Art und Weise der Informationsverarbeitung. Trailrunner finden in der Regel immer mal Streckenbeschilderungen (wenn auch nicht immer und überall), aber dürfen dafür ein GPS-Navigationsgerät mitführen, dass sie notfalls auf den richtigen Weg zurück führt. Das genau dürfen Orientierungsläufer nicht. Hier ist nur echtes Kartenmaterial und ein Kompass erlaubt. Zu finden sind dann Kontrollpunkte, die auf der Karte eingezeichnet sind. Wer zuerst alle Kontrollpunkte gefunden (und mit seinem Marker markiert hat), und am schnellsten wieder im Ziel ist, hat gewonnen. Dabei ist die Lösung der Laufroute eine sehr individuelle und muss natürlich nicht bei allen Wettkämpfern auf den gleichen Wegen passieren. Es liegt auf der Hand, dass hier insbesondere die kognitiven Fähigkeiten auf das Extremste gefordert sind. Informationen erfassen, verarbeiten, Lösungen finden, während man hoch intensiv belastet ist, das ist eine ganz besonders komplexe Aufgabe, die man natürlich nicht nur mit körperlichem Training bewältigen kann.

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Videobeispiel: WM 2014 in Italien – Männerstaffel

Mentales Training im engeren Sinne, also die Schulung von Antizipation und der Aufmerksamkeit sowie das gezielte und zeitlich passende Konzentrieren auf spezifische Umfeld-Signale, die für eine richtige Entscheidungsfindung bedeutsam sind, sollte zum natürlichen Rüstzeug eines jeden Orientierungsläufers gehören. Hier bietet die praktische Sportpsychologie eine ganze Reihe verschiedener Trainingsverfahren (zusammenfassend auch bei Stoll & Ziemainz, 2009). Entscheidungsverhalten ist allerdings genauso wichtig.

Orientierungslauf ist grundsätzlich eine Individualsportart. Der Wettkampfmodus legt fest, dass die Läuferinnen und Läufer in einem Abstand von zwei Minuten starten, um zu verhindern, dass man möglicherweise von den kognitiven Leistungen eines anderen Läufers profitiert, in dem man sich einfach mal „hinten dran hängt“, wenn man auch läuferisch dazu in der Lage ist (ähnlich wie das Windschattenfahren im Radsport oder im Triathlon). Man braucht dann nicht selbst die Karte zu lesen und somit „kognitive Körner verbrennen“. Dies führt dann teilweise zu kuriosen Vorgängen in einem Wettkampf, wie z.B. bei der letzten WM in Italien während des Staffelrennens (hier wird ausnahmsweise im Pulk gestartet). Sieben läuferisch ungefähr gleichstarke Läuferinnen kommen an Kontrollpunkt 4 an und jede glaubt, dass die jeweils andere Läuferin schneller und besser den Weg zum nächsten Kontrollpunkt herauslesen und planen kann. Im Fernsehen (bzw. im Internet-Livestream) sieht man dann nur an den GPS-Signalen der Staffeln auf einer Landkarte, die sich ständig im Kreis bewegen, was den Kommentator zu dem lakonischen Spruch verführt: „Seven ladies having a party at control point 4“. Also, es ist nicht nur die läuferische Stärke, oder die kognitiven Fähigkeiten im Lesen von Karten und der weiteren Handlungsplanung. Es ist auch ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein, das ein Orientierungsläufer benötigt, zu seinen eigenen Fähigkeiten zu stehen und sich nicht von mutmaßlich besseren Läufern ablenken zu lassen oder eben „Trittbrettfahren zu wollen“. Sportpsychologisches Training kann hier die üblichen Trainingsmethoden ergänzen.

 

Literatur

Seiler, R. (1990). Von Wegen und Umwegen – Informationsverarbeitung und Entscheidung im Orientierungslauf. Sporthochschule Köln.

Stoll, O. & Ziemainz, H. (2009). Mentaltraining im Langstreckenlauf. Hamburg: Czwalina.

Wer sich einmal einen Eindruck dieser Sportart verschaffen möchte, dem empfehle ich folgenden Link (WM 2014 in Italien – Männerstaffel): https://www.youtube.com/watch?v=S1OUNLZi0dw

 

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Thorsten Loch: Schreckgespenst Formtief

Martin Kaymer, der beste deutsche Golfer seit Bernhard Langer, erlebte einen kometenhaften Aufstieg. Im Jahr 2011 setzte er sich erstmals auf Platz eins der Weltrangliste. Nach Langer ist Kaymer erst der zweite Deutsche, dem dies Kunststück gelang. Viele Experten sahen in ihm bereits den kommenden Sieger der nächsten Turniere. Doch in den beiden folgenden Jahren blieb Kaymer deutlich hinter seinen Möglichkeiten und rutschte in der Weltrangliste sogar aus den Top 50. Erstmals seit 2007 blieb Kaymer in dieser Saison 2013 ohne einen Turniererfolg. Anfänglich sprachen die Außenstehenden von Pech, doch mit weiterhin ausbleibendem Erfolg und weniger guten Spielleistungen, wurden die kritischen Stimmen lauter und die Presse nahm erstmals das Wort Formtief in den Mund. Doch was genau ist ein Formtief? 

Zum Thema: Worin liegen die Gründe, wenn der Athlet längere Zeit seiner „normalen“ Form hinterher läuft?  Und was kann man tun, um aus einem Formtief wieder herauszukommen oder besser noch im vorhinein einzudämmen bzw. zu verhindern?

In der Welt des Leistungssport ist diese Situation keine Seltenheit. Spitzensportler unterliegen natürlichen Leistungsschwankungen. Nach dem eher schlechteren Abschneiden, im Vergleich zu den Erfolgsjahren zuvor, ist der Ausnahmegolfer offenkundig wieder auf dem Weg nach oben. Kaymer ist es gelungen, diese Phase der Karriere durchzustehen und womöglich sogar stärker herauszukommen als vorher. Doch was ist passiert? Die Antworten dazu sind komplex, genau wie das Phänomen „Formtief“ als solches. Die meisten Trainer und die Athleten selbst scheinen der Entwicklung dieses Phänomens hilflos gegenüberzustehen, ohne etwas dagegen zu tun oder tun zu können. Aussagen wie „Es lief doch so gut und dann der plötzliche Einbruch“ vernimmt man immer wieder, wenn Athleten und Trainer nahezu hilfesuchend/verzweifelt versuchen, eine Erklärung zu finden. Alles ist gut und plötzlich ist es da, das Schreckgespenst der Sportler.

Formtiefs und deren Ursachen

Gerade im leistungsorientierten Sport sind Formtiefs häufig als Reaktion auf chronischen Stress zu beobachten. Die unterschiedlichsten Belastungsbereiche können von den Stressoren betroffen sein. Ein Zuviel an Training in Kombination mit zu wenig Regenerationszeit, sportliche Misserfolge, Unstimmigkeiten mit dem sportlichen Umfeld, Verletzung und außersportliche Belastungen sowie private Probleme sind nur einige Beispiele, welche in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen. Leider lässt sich häufig beobachten, dass Sportler konzeptlos, mit unsystematischen Überreaktionen und einer ausgeprägten Hilflosigkeit auf ein Formtief antworten. Dieses unsystematische Verhalten hat zur Konsequenz, dass die Leistungskurve weiter abfällt. Es entsteht eine Art ¨Teufelskreis¨, weil versucht wird, den weiteren Abfall wieder mit einem Mehr an Training usw. zu kompensieren. Daraus wird deutlich, dass den Trainern in diesem Prozess eine tragende Rolle zukommt, indem sie in ihre Trainings- und Saisongestaltung den Athleten genügend Regenerationszeiten zwischen den Trainings- und Wettkampfeinheiten  einräumen sollten. Denn nachwievor gilt, dass zu geringe Erholungszeiten als vorherrschender Auslöser für einen erhöhten Stresszustand zu sehen ist (Kleinert, 2003). Ein zusätzlicher Faktor, welcher das Stresslevel ebenfalls negativ beeinträchtigen kann, ist die Länge der Wettkampfsaison. Dies wird in den Aussagen Kaymers in einem Zeitungsinterview deutlich. In diesem schildert er, dass er im kommenden Jahr seinen Wettkampfkalender ändern und nicht vier Monate am Stück in den USA bleiben möchte. In diesem Zusammenhang beschreibt Kaymer, dass er in diesem Punkt sogar die Nationalspieler wie Schweinsteiger und Co. beneiden würde. Diese sind nicht ständig aus dem privaten Umfeld gerissen und kehren nach Spielen schnell nach Hause zurück. Dies zeigt, dass chronischer Stress nicht ausschließlich die sportliche Leistungsfähigkeit betrifft. Davon betroffen sein können ebenfalls das Wohlbefinden und Verhalten auf anderen Ebenen des Sportlers. Im ungünstigsten Fall führt eine lang andauernde Belastung zu einem so genannten ¨Burn-out-Syndrom¨ des Athleten. Doch bevor ein Sportler ein Burn-out-Syndrom mit seinen katastrophalen Folgen erfährt, befindet dieser sich in einem erhöhten Stresszustand, dessen Symptome der Ausgebranntheit sich bereits abgeschwächt auf der mentalen, emotionalen und physischen Ebene widerspiegeln.

Vorboten von Formtiefs

Wie bereits eingangs beschrieben, kommt ein Formtief nie plötzlich und unerwartet, sondern kündigt sich an. Hier heißt es also, wer die Zeichen frühzeitig erkennt, hat schon halb gewonnen. Die häufigen Warnsysteme dieses erhöhten Stresszustandes teilen sich in psychologische und physiologische Symptome. Nach Henschen (1998) sind Beispiele für psychologische Symptome u.a. Schlafstörungen, der Verlust des Selbstvertrauens sowie emotionale und motivationale Schwankungen. Ein erhöhter Ruheplus, Gewichtsverlust und Darmprobleme können den physiologischen Symptomen zugeordnet werden. Diese Beispiele verdeutlichen, dass Stresssymptome demnach vielfältiger Natur sind und ihre leistungsmindernde Wirkung sowohl auf der Verhaltensebene als auch über emotionalen und körperlichen Reaktionen zeigen. Während solche Signale noch auf Verhaltensebene dem aufmerksamen Trainer auffallen, wird es auf der physiologischen und emotional-kognitiven Ebene schwierig. Dazu bedarf es einer genauen Diagnostik, bei der Instrumente wie Fragebögen, Einzel- sowie Gruppengespräche sowie Trainings- und Wettkampfbeobachtung zum Einsatz kommen. An dieser Stelle ist es durchaus sinnvoll, einen qualifizierten Sportpsychologen zu Rate zu ziehen, weil dieser sich mit den Instrumenten auskennt. Die Diagnostik kommt somit eine entscheidende Rolle zu. Wird aufgrund einer fehlerhaften Diagnose falsche Interventionen abgeleitet, sind die Ursachen des Formtiefs nicht zu beheben.

Maßnahmenplan

Erfolgversprechende Maßnahmen orientieren sich deshalb an einer systematischen Diagnose des Formtiefs. Je nach Situation ist zu prüfen, ob Maßnahmen im Bereich der Trainingsgestaltung ratsam sind oder am Verhalten des Sportlers ansetzen sollten. Durch einen individuell zugeschnittenen mental orientierten Maßnahmenplan wird in der Praxis versucht, einem Leistungstief und dem damit verbundenen erhöhten Stresszustand entgegenzuwirken. Als praktikabel haben sich Techniken wie kurzfristige Zielsetzungen, Entspannungstechniken und positive Selbstgespräche erfolgreich etabliert.

Fazit

Es bleibt festzuhalten, dass Formschwankungen zu jeder wettkampforientierten sportlichen Betätigung dazugehören und nicht dramatisiert werden sollten. Vorausgesetzt, dass das Selbstvertrauen des Athleten nicht darunter leidet. Eine Veränderung der Trainingsgestaltung kann hierbei schon helfen, dass sich aus einer normalen Leistungsschwankung kein Formtief entwickelt. Oder wie Kaymer erklärt, dass er „einfach mal normale Sachen“ machen möchte, wie Erdbeerenpflücken.

Literatur:

Kleinert, J. (2003). Erfolgreich aus der sportlichen Krise. Mentales Bewältigen von Formtiefs, Erfolgsdruck, Teamkonflikten und Verletzungen. BLV Verlagsgesellschaft mbH. München.

Henschen, K.P. (1998). Atletic staleness and burnout: diagnosis, prevention and treatment. In: Williams, J.M. (Hrsg). Applied sport psychology. Mountain View, CA., Mayfield.

http://www.rp-online.de/sport/andere/martin-kaymer-sucht-ausweg-aus-der-krise-aid-1.3476500

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Kopfsache Bewegung

Alle Jahre wieder! Na ja, eigentlich alle vier Jahre wieder setzt sich eine Kommission des internationalen Schwimmverbandes FINA aus dem Bereich Wasserspringen zusammen und beschließt die „neuen“ Regularien, wie bestimmte Elemente aus dem Sprungrepertoire zu bewerten sind. Insbesondere die Schwierigkeitsgrade werden von Zeit zu Zeit neu definiert. Mal sind es eher die Salti, die „mehr wert sind“, in den nächsten vier Jahren könnten es die Schrauben sein, die einen höheren Schwierigkeitsgrad zugesprochen bekommen. Abgestimmt auf den olympischen Zyklus verändert die FINA damit Trainingsschwerpunkte, Ausbildung und Wettkampf.

Zum Thema:  Mentales Training beim Bewegungslernen

Damit stellen die Wertungsrichter die Athleten immer mal wieder vor neue „Herausforderungen“. Natürlich wollen die Athleten die Sprünge zeigen die auch die höheren Schwierigkeitsgrade bekommen können, denn das sichert bessere Platzierungen. Hier bekommt dann neben dem sportlichen Training auch das sportpsychologische Training eine immer wieder neue Bedeutsamkeit. Das sogenannte „Mentale Training“ im engeren Sinne (oder auch Bewegungsvorstellungstraining) spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, eine vorhandene Bewegung zu stabilisieren, oder eine neue Bewegung zu erlernen. Hier kennen wir im Prinzip zwei verschiedene Varianten.

1.) Das sogenannte „Verdeckte Wahrnehmungstraining“: Bei dieser Trainingsform stellen sich die Athleten den Sprung so vor, als ob sie „Zuschauer auf der Tribüne sind“, die den Athleten bei Ausführung des Sprunges beobachten.

2.) Das sogenannte „Ideomotorische Training”: Bei dieser Variante stellen sich die Athleten die Bewegungsausführung aus der sogenannten „Innenperspektive“ vor. Hier spielen neben der reinen visuellen Vorstellung, auch weitere, sinnliche Wahrnehmungen eine zentrale Rolle (Akustik, Haptik und auch der Gleichgewichtssinn, der die Orientierung im Raum mit beeinflusst). Diese Form des Trainings wird auch als die „Höchstform“ des Mentalen Trainings bezeichnet, weil solche Antizipationsleistungen höchst komplex und somit auch schwer zu erlernen sind. In der Vergangenheit wurde für diese Form des Mentalen Trainings auch immer ein  grundsätzlich entspannter Zustand als notwendig erachtet. Dies hat sich mittlerweile geändert.

Mental trainiert wird im Wasserspringen eher im Sinne von „Imitationsübungen“ am Beckenrand, also an dem Ort, in der Nähe der Sportgeräte und in der Umgebung, in der dieser Sprung dann später auch realisiert werden soll. Es ist auch noch nicht klar, welche Form des Bewegungsvorstellungstrainings effektiver ist. Zurzeit wird im Rahmen eines größeren Forschungsprojekts in Kooperation mit der Fachsparte Wasserspringen des Deutschen Schwimmverbandes diese Fragestellung näher untersucht.

 

Quellen:

Stoll, O., Pithan, J., Blazek, I.  (2013). Forschungsprojekt: „Mentales Training durch Videounterstützung im Wasserspringen –  Wirkmechanismen und Intervention“ – Bundesinstitut für Sportwissenschaft, Projekt-Nummer:  071002/13-14.

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