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Lukas Mähr im Interview mit Simon Nussbaumer: “Wir hatten uns schon dort gesehen, wo wir eigentlich erst hin wollten”

Lukas Mähr und Simon Nussbaumer beim Interview. I Bild: privat

Lukas Mähr ist 28 Jahre alt und Vorschoter in der 470er-Segelbootsklasse. Er erobert bei der Junioren-WM 2010 die Silbermedaille. 2017 gelingt seiner Crew endgültig der internationale Durchbruch in der Elite-Klasse und sie holen 2017 Silber beim Weltcupfinale vor Santander sowie Bronze bei der Weltmeisterschaft in Thessaloniki. Der mehrfache und aktuelle Staatsmeister will sich nun gemeinsam mit seinem Partner David Bargehr 2020 den großen Traum von Olympia erfüllen.

Lukas, welche Eigenschaften haben Dir am meisten geholfen, die bis dato erzielten Erfolge feiern zu dürfen?

Für mich ganz entscheidend ist die Hartnäckigkeit und Konsequenz, die ich an den Tag legen muss, um erfolgreich sein zu können. Spitzensportler sein, ist ein „full-time-job“. Das  heißt für mich, dass ich mich 24 Stunden am Tag, siebenmal die Woche, das ganze Jahr für meine Sportart einsetze und alles gebe. Hartnäckigkeit und Konsequenz heißen für mich auch, sich nicht von Niederlagen, mangelnden Ressourcen oder Verletzungen vom Weg abbringen zu lassen.

Für den Erfolg bei der Weltmeisterschaft in Thessaloniki war ein zusätzlicher Faktor ganz entscheidend für uns: Durch eine Verletzung von David (Anmerkung: David Bargehr, Steuermann) waren wir vor der WM sozusagen gezwungen, neue Aspekte mit in unser Training einfließen zu lassen. Die Verletzung war zwar auf der einen Seite ein Rückschlag, da die „Lebenszeit“, die man als Spitzensportler zur Verfügung hat, ja auch sehr begrenzt ist, doch durch den Abstand zum Segeln (und auch zum Segelpartner) konnten wir unseren Fokus auch auf andere wichtige Dinge lenken, so z.B. die Regeneration und das Athletiktraining, was leider oft vernachlässigt wird. Hier hat uns das Olympiazentrum Vorarlberg wertvolle Impulse geliefert, die wir regelrecht „aufgesogen“ haben.

Welches Ereignis würdest du als deinen größten Misserfolg bezeichnen?

Einer der größten Misserfolge von uns war die WM 2014, bei der es für uns auch um eine aktive Olympia-Qualifikation für Rio 2016 ging. Wir haben uns ganz auf diese WM fokussiert und wollten unbedingt „abliefern“, was uns leider überhaupt nicht gelungen ist. Im Nachhinein betrachtet war unsere eigene Erwartungshaltung und jene des Umfeldes zu hoch, wodurch ein unglaublicher Druck entstanden ist. Wir hatten vergessen, wo wir tatsächlich stehen und uns schon dort gesehen, wo wir eigentlich erst hin wollten.

Welchen Stellenwert, welchen Ruf hat die Sportpsychologie bzw. das mentale Training im Segelsport?

Die Sportpsychologie stellt in unserem Sport eine immens wichtige Komponente dar. Die früheren österreichischen Segelerfolge (z.B. Roman & Hanspeter Hagara) können insbesondere auch auf die Integration von sportpsychologischen und mentalen Techniken zurückzuführen.

Lukas Mähr in Action. I Bilder: (c) by David Pichler

Welche mentalen und sportpsychologischen Techniken und Methoden verwendest du?

Ein wesentlicher Faktor ist die Zeit, die einem für sich selbst zur Verfügung steht, ganz bewusst zu nutzen. Es ist wichtig, sich „Ruhe-Inseln“ zu schaffen, diese ganz bewusst und mit allen Sinnen zu genießen. Sich „mentale Auszeiten“ zu nehmen, mal rauszukommen aus dem eigenen „monkey-mind“, ist eine fundamentale Fähigkeit eines Sportlers, die man auch lernen muss.

Auf dem Boot ist die bewusste Fokussierung auf die anstehenden Aufgaben und eine gute Planung derselben immens wichtig. Dabei geht es darum, sich immer nur auf die gerade anstehende Aufgabe zu konzentrieren. Darüber hinaus kann die Fähigkeit des „Fokuswechsels“ entscheidend sein. Wir müssen unsere „Scheinwerfer“ unterschiedlich immer wieder anders einzustellen. Dies ist abhängig von der anstehenden Aufgabe: einmal weit und dann wieder eng, einmal internal, dann wieder auf die Umgebung ausgerichtet.

Auch eine „positive Kommunikation“ – insbesondere, wenn Fehler passieren – spielt eine wichtige Rolle. Das üben wir auch ganz bewusst. Schließlich ist die Fähigkeit zur Emotionsregulation ganz entscheidend, denn bei einem Wettkampftag, der bis zu acht Stunden dauern kann, erlebt man ein „Wellental der Gefühle“. Schließlich ist das Vertrauen ineinander ganz zentral. Das müssen wir immer wieder aufbauen.

Was hat es denn mit euren „tree-house-meetings“ auf sich?

Aha, genau (lacht). Das ist eine ganz spannende Sache. Im Rahmen der „tree-house-meetings“ setze ich mich regelmäßig mit meinem Segel-Partner an einen Tisch und analysiere mit ihm gemeinsam die aktuelle Situation. Wir versuchen dazu ganz bewusst eine Metaebene einzunehmen und konstruktives Feedback zu geben.

Welche Ziele hast du dir für die kommende Saison gesetzt?

Im Fokus steht die WM Ende Juli/Anfang August. Dafür haben wir uns intern gemeinsam mit unserem Trainer auch Parameter gesetzt, an denen wir in den kommenden Monaten arbeiten wollen. „Wie segeln wir schnell?“ und noch nicht „wie segeln wir schnell um den Kurs?“ steht in der nächsten Zeit noch im Vordergrund. Wir schauen dabei ganz bewusst weniger auf Resultate, sondern es geht uns ganz wesentlich um die sukzessive Verbesserung unserer Leistung.

Bilder: (c) by David Pichler

http://www.die-sportpsychologen.de/simonnussbaumer/

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Dr. René Paasch: Über die verrückte Idee eines Einheitsgehaltes im Profifußball

Die deutschen Profi-Clubs machen seit jeher ein Geheimnis aus den Gehältern ihrer Stars, wohl auch aus Neidgründen und Empfängerschutz. Dennoch werden immer wieder Zahlen genannt. Trivago-Chef Rolf Schrömgens, Online-Unternehmer und Hauptsponsor des VfL Bochum, hat dazu eine eigene und bislang nur auf sein Unternehmen bezogene Idee: “Wir haben uns ganz von finanziellen Anreizen gelöst. Deutschlands Unternehmen müssen ganz anders mit ihren Mitarbeitern umgehen. Boni gehören gestrichen, Vorgesetzte abgeschafft. (WiWo, 7. Febr. 2018).“ Aus meiner Sicht: Ich finde vor allem den Ansatz spannend, dass die Mitarbeiter quasi das Gleiche verdienen und damit nur auf intrinsische Motivation geachtet wird, um ein optimales Ergebnis für das Unternehmen zu erzielen. Und damit schließt sich die Frage an: Wäre dieses Modell auf den Profi-Fußball übertragbar?

Zum Thema: Intrinsische Motivation und Gehaltsanpassung im Profi-Fußball

Bei den Gehältern in der Bundesliga herrscht eine große Diskrepanz. Während der FC Bayern München sich die Qualität der eigenen Spieler einiges kosten lässt, sind die kleinen Lichter der Liga mit geringeren Gehältern unterwegs. Bei den Durchschnittsgehältern ergeben sich folgerichtig große Unterschiede. So verdient ein Profi beim FC Bayern laut dem Magazin Sportintelligence im Durchschnitt 5,28 Millionen Euro pro Jahr. Damit sind sie absoluter Spitzenreiter. Ingolstadt und Darmstadt (zum Analysezeitpunkt noch Erstligisten) stehen mit einem Durchschnittswert von 0,42 bzw. 0,38 Millionen Euro am Ende des Rankings. Aus diesen Zahlen ergibt sich ein Mittelwert von 1,34 Millionen Euro pro Fußball-Profi in der Bundesliga. Was gleichbedeutend mit einem durchschnittlichen Wochengehalt von etwa 111.000 Euro ist.

Bei dem Durchschnittsgehalt der zweiten Liga gibt es ebenso große Diskrepanzen. Nur eines ist deutlich: Der Etat ist deutlich kleiner, die Einnahmen aus Werbung, Sponsoring oder TV-Verträgen sind nicht annähernd so hoch wie in der Bundesliga. So berichtet beispielsweise die Seite fussballspieler.de von einem Gehaltsgefüge zwischen sieben und etwa 20.000 Euro im Monat (Jahresgehalt: 84.000 bis 240.000 Euro). Die Seite finanzen100.de spricht dagegen von einem durchschnittlichen Jahresgehalt von 450.000 Euro. Dabei gibt es wie auch im Oberhaus ein deutliches Gefälle. Selbst für die 3. Liga errechnet das Portal ein jährliches Durchschnittsgehalt von 116.000 Euro.

Fußballer sind extreme Gutverdiener

Ganz unabhängig davon, wie belastbar die einzelnen Zahlen im Detail sind, steht eines fest: Ein Profi-Fußballer verdient extrem gut. Und durch ein geschicktes Transferverhalten können viele Spieler und Berater an dieser Schraube, nicht zuletzt aufgrund des international sehr erhitzten Marktes immer weiter drehen.

Die rote Couch – Das Sportpsychologie Barcamp (Thema Fußball) – 02/03.06.2018 in Bochum

Kommen wir auf dieser Grundlage aber zurück auf das Eingangszitat vom Unternehmer Rolf Schrömgens und überlegen einmal, was sich ändern würde, wenn im Profi-Fußball ein Einheitsgehalt gezahlt würde? Wäre dies nicht eine Lösung, die im Ergebnis wieder Spannung in die Liga bringen könnte, weil sie Waffengleichheit herstellt? Und vor allem Vereine in die Lage versetzt, nicht nur primär durch Gehaltszahlen, sondern durch weiche Faktoren wie das Umfeld, die Betreuung oder die interne Atmosphäre zu punkten?

Intrinsische Motivation

Spielten wir das einmal durch, dann stießen wir schnell auf Aspekte wie die intrinsische Motivation, also das vor allem interessengeleitete Handeln im Sport. Intrinsische, was? Die intrinsische Motivation beim Sport ist am besten durch die Person-Gegenstands-Theorie des Interesses (Krapp, 2002a; Schiefele, 2001) erklärbar. Diese ist durch Handlungsmotive wie die wertbezogenen und gefühlsbezogenen Valenzen charakterisiert. Intrinsisch motivierte Tätigkeiten werden um ihrer selbst willen durchgeführt und nicht, um eine Belohnung zu erlangen oder eine Bestrafung zu vermeiden. Dabei schließen sich intrinsische und extrinsische Motive nicht zwangsläufig aus. Ein Sportler kann z.B. seine Profikarriere sowohl aus Spaß als auch dem Wunsch nach angemessener Bezahlung, Erfolg und Macht nachgehen.

Viele Handlungen werden daher durch eine Kombination von intrinsischen und extrinsischen Motiven durchgeführt. Jeder Sportler besitzt subjektive Werte und Ideale, an denen er seine Handlungen ausrichtet. Eine Person versteht sich z.B. selbst als fairen Sportler und handelt entsprechend dieses Selbstbildes. Das interne Selbstverständnis spricht besonders das Grundmotiv der Leistung an. Im Gegensatz zu den extrinsischen Handlungsmotiven liegen die Ursachen für intrinsisch motivierte Handlungen in der positiv empfundenen Erlebnisqualität, die unmittelbar mit dem Handlungsvollzug verbunden ist (Krapp & Weidemann, 2006). Der belohnende Effekt stellt sich daher während der Tätigkeitsausführung ein.

Der Motivation Crowding-Out Effect im Fußball

Vereinfachen wir also: Die intrinsische und extrinsische Motivation überschneiden sich. Eine Überschneidung von Motivationsquellen sieht in der Praxis (in der Theorie zum Beispiel mit dem Crowding-Out Effect erklärt) so aus: ein Fußballer betrachtet seine Sportart als sinnvoll und führt sie mit großer Freude durch (intrinsische Motivation). Gleichzeitig empfindet er das Gehalt für seine Leistungsfähigkeit als angemessen (extrinsische Motivation). An dieser Stelle führt sein Verein oder Verband allerdings ein Bonussystem ein, dass die persönliche Leistung der Sportler und Mannschaft stärker belohnen soll. Der Sportler hat nun die Möglichkeit, durch das Erreichen bestimmter sportlicher Ziele wesentlich mehr Geld zu verdienen als vorher. Was geschieht nun? Er möchte sich diesen Bonus natürlich nicht entgehen lassen und wird nun verstärkt darauf hinarbeiten, die vorgegebenen Ziele und Leistungsfähigkeit zu erreichen. Aufgaben, die aber keinem konkreten Ziel dienen und damit kein Bestandteil des Bonussystems sind, werden stärker als negativ empfunden. Bei selbstmotivierten Tätigkeiten, die man als sinnvoll empfindet und gern erledigt, steigt die Motivation durch Belohnungen nicht mehr weiter an und kann sogar die innere Motivation verdrängen.

Was könnten wir aus den oben genannten Punkten nun mitnehmen?

  • Grundgehälter in den verschiedenen Spielklassen schaffen
  • Belohnungssysteme für Spieler und Mannschaften nach individueller/kollektiver Leistungsfähigkeit
  • Balance zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation ermöglichen
  • Handlungsmotive der Spieler wie die wertbezogenen und gefühlsbezogenen Valenzen erfragen und testen

Fazit

Die Diskussion über Sportlergehälter im Fußball finde ich trotz aller Theorie in der Praxis eher schwierig. Fußballer bekommen das Geld aufgrund ihres Marktwerts, der sich aus ihrem spielerischen Wert sowie ihrem Werbewert zusammensetzt. Und die meisten Vereine, gerade die finanziell potenteren, werden den Teufel tun, auch nur im Ansatz über ein solches Modell nachzudenken.

Dennoch – und ganz unabhängig von unserer Ausgangsfrage – sollte die intrinsische Motivation im Sport gepflegt werden, um nachhaltige und länger andauernde Erfolgsphasen zu ermöglichen. Hierbei ist das interessengeleitete Handeln der Spieler zu berücksichtigen.  

 

Mehr zum Thema:

Mario Schuster: Optimales Motivationsklima. Was Führungskräfte aus der Sportpsychologie lernen können!

Dr. René Paasch: Ziele und Motivation

Literatur

Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman.

Deci, E.L. & Ryan, R.M. (1985). Intrinsic motivation and self-determination in human behavior. New York: Plenum.

Dweck, C.S. & Leggett, F.L. (1988). A social-cognitive approach to motivation and personality. Psychological Review, 95, 256-273.

Heckhausen, H. (1974). Leistung und Chancengleichheit. Göttingen: Hogrefe.

Krapp, A. (1999). Intrinsische Lernmotivation und Interesse. Forschungsansätze und konzeptuelle Überlegungen. Zeitschrift für Pädagogik, 45, 387-406.

Krapp, A. (2002a). An educational-psychological theory of interest and its relation to self- determination theory. In E.L. Deci & R.M. Ryan (Hrsg.), The handbook of self- determination research (S. 405-427). Rochester: University of Rochester Press.

Krapp, A. & Weidemann, B. (2006). Pädagogische Psychologie (5., durchges. Aufl.). Weinheim: PVU.

Rheinberg, F. (1996). Flow-Erleben, Freude an riskantem Sport und andere „unvernünftige“ Motivationen. In J. Kuhl & H. Heckhausen (Hrsg.), Motivation, Volition und Handlung. Enzyklopädie der Psychologie C/IV/4 (S. 101-118). Göttingen: Hogrefe.

Rheinberg, F. (2006). Intrinsische Motivation und Flow-Erleben. In J. Heckhausen & H. Heckhausen (Hrsg.), Motivation und Handeln (3., durchges. Aufl., S. 331–354). Berlin: Springer.

Schiefele, U. & Köller, O. (2001). Intrinsische und extrinsische Motivation. In D.H. Rost (Hrsg.), Handwörterbuch Pädagogische Psychologie (S. 304-310). Weinheim: Psychologie Verlags Union.

 

Internet:

http://www.wiwo.de/erfolg/management-der-zukunft/trivago-chef-schroemgens-wir-haben-uns-ganz-von-finanziellen-anreizen-geloest/20934054.html (Zugriff am 05.04.2018)

https://www.finanzen100.de/finanznachrichten/wirtschaft/116-000-euro-pro-jahr-selbst-drittliga-kicker-verdienen-wie-top-banker-aber-mit-einem-haken_H254104146_288017/ (Zugriff am 05.04.2018)

http://www.fussballspieler.de/gehaelter-der-fussballspieler/ (Zugriff am 05.04.2018)

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Mila Hanke: Zielsetzung vor und nach großen Erfolgen

„Als ich zu Beginn meiner Karriere zum ersten Mal das Wort „Mentaltraining“ hörte, klang das für mich wie „Yoga“ vor 20 Jahren: Man weiß, dass es das gibt – aber man glaubt nicht, dass es wirklich was bringen kann.“

Diesen lustigen, aber sehr wahren Satz sagte mir der Schweizer Chrigel Maurer vor Kurzem in einem Interview für einen Mentaltraining-Artikel im Magazin „outdoor guide“ (erscheint am 15. April, www.outdoor-guide.ch). Maurer ist der Star der internationalen Gleitschirm-Szene. Dreimal gewann der 35-Jährige bisher den Weltmeistertitel und fünfmal die „X-Alps“: Eines der härtesten Abenteuerrennen der Welt, von Salzburg nach Monaco, nur per Gleitschirm und Berglauf, rund zwei Wochen und mehr als 1000 Kilometer auf und ab über die Alpen – mit der kompletten Ausrüstung auf dem Rücken. „Erst als sich mein Weg Jahre später mit einem Sportpsychologen kreuzte, habe ich gemerkt, wie wichtig der mentale Faktor tatsächlich für mich ist“, erklärt Maurer heute. Seit rund 15 Jahren ist der Adelbodener Gleitschirm-Profi und hat schon so ziemlich alles erreicht, was man erreichen kann. Aber eben diese vielen Siege sind für den erfolgsverwöhnten Chrigel Maurer auch eine mentale Hürde: Wie kann er sich auch die nächsten Jahre weiter zu Höchstleistungen motivieren? „Als Profisportler, der von seinem Job eine Familie ernährt, ist es mittlerweile meine größte Herausforderung, mir immer neue, motivierende Ziele zu setzen“, sagt Maurer. „Und: Die passenden Strategien zu finden, um sie tatsächlich zu erreichen.“

Auch für die österreicherische Profi-Freeriderin Lorraine Huber spielt das Thema Zielsetzung eine entscheidende Rolle, bei ihr allerdings, um ihre ersten Titel noch zu sammeln: Im Vorfeld ihres ersten Weltmeistertitels 2017 und bei ihrer Aufholjagd in der aktuellen Freeride World Tour 2018, also unter dem Druck der Titelverteidigung (siehe Insider-Interview vom 20. März 2018). 

Beispielhaft möchte ich hier zwei sportpsychologische Methoden zur Zielsetzung beschreiben, die diese beiden Sportler persönlich empfehlen und für die ich auch in meiner eigenen Arbeit als Sportpsychologin besonders gutes Feedback bekomme: Handlungsziele und Lernziele   

Zum Thema: Zwei Beispiel-Methoden zur Zielsetzung vor und nach großen Erfolgen

“Niemand kann Dir garantieren, dass Du ein Ziel in einer bestimmen Zeit erreichst. 
Aber Du wirst garantiert nie ein Ziel erreichen, das Du Dir nie gesetzt hast.” 

(David McNally, Professor für Politikwissenschaft, York University, Toronto)

Die psychologische Forschung belegt: Hinter langfristiger Motivation und Erfolgen im eigenen Tun steht immer die richtige Zielsetzung – am zwar nicht nur vage im eigenen Kopf, sondern am besten konkret niedergeschrieben und anderen mitgeteilt (https://www.dominican.edu/dominicannews/study-demonstrates-that-writing-goals-enhances-goal-achievement). Doch über das „Wie“ hinaus ist es gar nicht so einfach, die im psychologischen Sinne inhaltlich „richtige Zielsetzung“ für sich persönlich zu finden –  nicht bei Alltagsvorsätzen, nicht im Job und nicht beim Sport. Wer zum Beispiel als Gleitschirmflieger beschließt: „Dieses Jahr will ich bei den „X-Alps“ auf jeden Fall unter die ersten Drei!“, der setzt sich ein sogenanntes Ergebnisziel. Ebenso ein Skifahrer, der sich vornimmt: „Bei der nächsten WM will ich wieder gewinnen!“ Diese Zielform kann langfristig als übergeordnete Motivationsquelle anspornen, etwa um tagtäglich zu trainieren oder Diät zu halten. In der konkreten Leistungssituation – bei schwieriger Thermik im Gleitschirm-Wettkampf oder vor dem Start des Skirennens – sind Ergebnisziele aber für die meisten Sportler zu abstrakt und erzeugen vor allem zu großen Druck. Die Folge: Entweder sie verkrampfen dermaßen in Kopf und Körper, dass sie im entscheidenden Moment „versagen“. Oder sie verlieren die Motivation, sich trotzdem durchzukämpfen, auch wenn sie zum Beispiel nach einem frühen Patzer in der Abfahrt zurückliegen oder beim Gleitschirm-Wettkampf ein Wetterumschwung die strategischen Pläne durchkreuzt.  

Mit anderen Worten: Viele Sportler erreichen ihr Ziel gerade dann nicht, wenn sie im Kopf extrem auf das Endresultat fixiert sind – sei es das persönliche Ziel eines Hobbysportlers, der Weltmeistertitel oder der Sieg bei den „X-Alps“.

Zielsetzungmethode 1: Handlungsziele als Zwischenziele

Quelle: Chrigel Maurer

Eine bewährte Methode, von der auch der Gleitschirmprofi Chrigel Maurer im Laufe seiner Karriere immer wieder profitiert hat: Ergebnisziele in kleinere Zwischenziele zu unterteilen. Genauer gesagt: In konkrete Leistungs- oder Handlungsziele (vgl. http://www.die-sportpsychologen.de/2017/07/25/andreas-meyer-welches-ziel-strebe-ich-an/). Denn jeder einzelne Zwischenschritt ist deutlich einfacher, schneller und mit weniger Energieaufwand zu erreichen als das große Ganze – das sich aus der Summe aber wie automatisch ergibt.

Diesen Effekt hat auch Chrigel Maurer gelernt für sich zu nutzen. „Als ich mich zum ersten Mal für das „X-Alps“- Rennen qualifiziert habe, hatte ich zwar den Traum zu gewinnen – aber eigentlich war mir gar nicht klar, wie ich ein so komplexes Projekt überhaupt bewältigen kann.“ Gemeinsam mit dem Schweizer Psychologen und Coach Thomas Theurillat hat er dann das 1000-Kilometer-Abenteuer in überschaubare Etappen zerlegt, auf die er sich jeweils taktisch, mit Konditionstraining und mental vorbereiten konnte. Für den Gleitschirm-Profi bedeutete das zum Beispiel auch: In der aufwendigen logistischen Planung vorab (Verpflegungstransport, Streckenvarianten, Wetteränderungen usw.) von Monat zu Monat zu denken, beim Training von Tag zu Tag und mitten in dem 11-tägigen Rennen oft nur von Stunde zu Stunde. Resultat: Im Juli 2017 landete er zum fünften Mal als „X-Alps“-Sieger in Monaco.

Mit Zwischenzielen zum langfristigen Ergebnisziel

Quelle: Tobias Dimmler

Doch zur Ruhe setzen kann und will er sich deshalb nicht – denn der Sport ist ja sein Job. So hat er sich statt neuer Herausforderungen nun als aktuelles langfristiges Ergebnisziel gesetzt: „Weiterhin von meinem Sport leben können“.

Und auch dabei helfen ihm wiederum konkret formulierte und notierte Zwischenziele: „Aus der Perspektive des Sportlers und Privatmenschen würden mich zwar völlig neue Abenteuer reizen, bei denen ich vielleicht erstmal nicht gewinne, weniger mediale Aufmerksamkeit bekomme und meine Sponsoren weniger präsentieren kann, also auch weniger Geld verdienen würde“, erklärt Maurer. „Aber im Hinblick auf mein Ergebnisziel als Familienvater und selbstständiger Unternehmer, habe ich mir folgende Leistungsziele gesetzt: „Mein hohes Niveau als Gleitschimflieger und Extrem-Bergläufer halten und meine Titel souverän verteidigen.“ Diese Leistungsziele motivieren mich wiederum für die dazugehörigen Handlungsziele im täglichen Training und bei meiner Ernährung“, sagt Maurer.

Visuelle Unterstützung: „Die Leiter“

Quelle: www.picxabay.com

Wenn es um das Thema Zielsetzung geht, gebe ich in meiner eigenen Arbeit als Sportpsychologin meinen Athleten oft das Bild einer Leiter mit (ähnlich s.o.): Ein Männchen, das sich mit der Konzentration auf Stufe für Stufe (Handlungs- für Handlungsziel) sicher nach oben bewegt – aber ohne die ganze Zeit nach oben zu schauen (zum Ergebnisziel). Dieses Bild sollen die Sportler als Karte bei sich tragen oder sichtbar platzieren (zu Hause, beim Training und im Wettkampf) – um es letztendlich als Symbolbild für ihre persönliche Zielsetzung und Motivation zu „verinnerlichen“.

Zielsetzungsmethode 2: Lernziel statt Ergebnisziel

Profi-Freeriderin Lorrain Huber aus Lech am Arlberg erzählte vor kurzem im Interview (http://www.die-sportpsychologen.de/2018/03/20/lorraine-huber-wenn-ich-mich-auf-ein-lernziel-konzentriere-ergeben-sich-die-resultate-von-selbst/) ebenfalls, wie sie  Zwischenziele für sich nutzt. Aber auch von einer weiteren Zielsetzungsstrategie, die in ihrer bisherigen Karriere sehr geholfen hat: Das Setzen von Lernzielen. Vor und während der Abfahrten zu ihrem ersten WM-Titelgewinn 2017 und in der aktuellen Freeride World Tour 2018 (unter dem Druck der Titelverteidigung) konzentrierte sie sich statt auf ein Ergebnisziel (zum ersten Mal Weltmeisterin werden, erneut Weltmeisterin werden) auf ganz persönliche Lernziele – wie zum Beispiel einfach Spaß zu haben, möglichst viele Erfahrungen mit Wettkampfabläufen und Schneebdingungen zu sammeln, von Konkurrentinnen dazuzulernen. Weil sie nur so die Lockerheit und „Druckfreiheit“ in Körper und Kopf herstellen kann, um wirklich unverkrampft, im Flowzustand und ohne Stürze die Steilhänge abzufahren und Klippensprünge zu meistern. Ihr Fazit: „Manche SportlerInnen können sich mit dem inneren Bild von sich selbst ganz oben auf dem Podium zu Höchstleistungen pushen. Mich persönlich setzt dieser Ergebnisfokus zu sehr unter Druck und lässt mich verkrampfen. Aber wenn ich es schaffe, mich in Wettkämpfen auf das „Dazulernen“ und meine persönliche Entwicklung zu konzentrieren, dann ergeben sich die Resultate von selbst.“  

Lorraine Huber im Interview mit Mila Hanke (exklusiv vor dem Freeride World Tour-Finale): „Wenn ich mich auf ein Lernziel konzentriere, ergeben sich die Resultate von selbst“

Erfahrung mit beiden Zielsetzungsmethoden bei Jugendlichen

Auch in meiner eigenen langfristigen Betreuung einer 16-jährigen Boulder- und Klettersportlerin (Norwegische Jugendmeisterin Bouldern 2016) hab ich sehr gute Erfahrungen mit Zielsetzungsmethoden gemacht. Das Mädchen war nach ihrem ersten Titelgewinn aufgrund von Übertraining, extremem eigenen Leistungsdruck, Ehrgeiz, Selbstkritik sowie schulischen und familären Belastungen in ein ernsthaftes Motivationsloch und einen Burn-Out gerutscht, war kurz davor, ihren Sport aufzugeben. Nach einer Trainingspause und einer sportpsychologischen Betreuungszeit fernab von Leistungsthemen, habe ich begonnen, spielerisch mit ihr gemeinsam die Unterschiede zwischen Ergebnis-, Leistungs- und Handlungszielen zu erarbeiten und sie ihre ganz persönlichen Versionen auf großen Plakaten konkret formulieren lassen. Und: Ich habe sie gebeten, die unterschiedlichen Leistungs- und Handlungsziele zusätzlich selbst in Bilder/Comic-Szenen zu „übersetzen“ und aufzumalen. Um ihre körperliche und mentale Erschöpfungsphase zu überwinden, hat es ihr dann (neben anderen sportpsychologischen Interventionen) sehr geholfen, ihre Ergebnisziele für weitere Kadertrainings und Wettkämpfe zunächst ganz real „in die unterste Schreibtischschublade zu legen“, um den inneren Druck zu reduzieren. Stattdessen haben wir gemeinsam ein Trainings-Leistungsziel formuliert (und aufgemalt), das sie realistsch in einem konkreten Zeitrahmen erreichen kann: „Bis zu den Sommerferien eine Route im Schwierigkeitsgrad 7a schaffen“. Abschließend formulierten wir auf bunten Karteikarten die dazugehörigen kleinen Handlungsziele (z.B. in den Schulpausen Obst und Gemüse statt Süßigkeiten essen, täglich 15 Minuten Fingerkraftübungen am Campus-Board, zum Ausgleich einen Nachmittag pro Woche mit Freundinnen ohne Sport verplanen u.ä.). Das Ergebnis: Sie erreichte ihr Trainings-Leistungsziel statt bis zu den Sommerferien schon wenige Wochen nach unserer Sitzung – und setzte sich selbst lachend als neues Leistungsziel eine 7b.

Die junge Klettererin profitierte auch von der Methode der Lernziele: Da sie dieses Jahr in eine höhere Wettkampf-Altersklasse aufgestiegen ist, in der sie zwangsläufig zunächst eine der Jüngsten ist und automatisch mit „schlechteren“ Platzierungen rechnen muss, hat sie gelernt, ihren Erfolg oder Misserfolg weniger an Platzierungen (also Ergebniszielen) zu messen. Sondern sich für die Wettkämpfe Lernziele zu setzen, die sie selbst reflektieren, formulieren und notieren sollte. Zum Beispiel: Sich von den älteren Konkurrentinnen Technik und Taktik abschauen, Wettkampferfahrungen an unterschiedlichen Orten sammeln, mit „Rückstand“ und der Rolle der „Unerfahrendsten“ umgehen lernen, neue Freundschaften knüpfen usw. Und sie sollte üben, das Erreichen dieser Lernziele tatsächlich auch als Erfolg zu sehen, sich darüber zu freuen und dafür zu belohnen – selbst wenn es in der Ergebnisliste „nur“ Platz 7 geworden ist. Die Folge: Nachdem sie sich auf ihre Lernziele konzentrierte und ihren Trainingserfolg nicht mehr nur daran bewertete, ob sie eine Route bis oben durchsteigen konnte oder nicht, trug auch diese Methode dazu bei, dass sie ihr Leistungsziel (7a bis zum Sommer) vorzeitig erreichte. Und in der Trainingsgruppe kletterte sie plötzlich an manchen Tagen besser als ihre älteren Konkurrentinnen.  

Ergänzung: Zielsetzung im Hobby-Outdoorsport

Wie den Profis, kann es natürlich auch Hobbysportlern wie z.B. Kletterern oder -Mountainbikern helfen, eine technisch anspruchsvolle Route oder eine knifflige Trail-Abfahrt in „Mini-Etappen“ bzw. konkrete Handlungsziele zu unterteilen. Das heißt: Statt sich das Mantra vorzusagen „Ich werde heute diese Wand durchsteigen!“ oder „Ich will heute endlich diesen Trail schaffen!“, konzentriert sich der Sportler/die Sportlerin nur auf die nächste konkrete Bewegung: Zum Beispiel: „An der Schlüsselstelle achte ich nur auf meine Fußtechnik.“ Oder: „In der steilen Spitzkehre verlagere ich mein Gewicht nach außen und kippe das Bike nach innen.“

Auch hier nutzt den Sportlern und Sportlerinnen das innere Bild der Leiter: Indem sie sich immer nur der nächsten „Stufe“ /dem nächsten Handlungsziel direkt vor ihrer Nase widmen, gelangen sie Schritt für Schritt zu ihrem persönlichen Ergebnisziel – dem Ende der Leiter bzw. dem Ende der Kletterroute oder des Trails. Gerade weil sie ihre Gedanken nicht die ganze Zeit nach „oben“ oder nach „weiter vorne“ gerichtet haben.

Mila Hanke

Zum Weiterlesen: Am 15. April erscheint die neue Ausgabe des Magazins „outdoor guide“ (www.outdoor-guide.ch), mit einem 10-seitigen Artikel von Mila Hanke zum Thema „Mentaltraining im Outdoorsport“ (inklusive weiteren persönlichen Mentaltrainings-Tipps von Gleitschirm-Profi Chrigel Maurer, Mountainbike-Weltmeister Nino Schurter und Profi-Klettererin Nina Caprez)

Quellen:

Studien-Quelle: Dr. Gail Matthews, Dominican University of California, 2015

https://www.dominican.edu/dominicannews/study-demonstrates-that-writing-goals-enhances-goal-achievement

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Paul Schlütter: Sportpsychologie – einfach erklärt

Im Zuge der medialen Diskussionen rund um das Thema Druck im Leistungssport, die durch Fußball-Profis wie Per Mertesacker und Dennis Aogo inspiriert wurde, wird eines deutlich: Es gibt ein großes Wissensdefizit im Sport bezüglich der Sportpsychologie. Aber kein Problem: Hier im Text sind die wesentlichen Dinge, die Sportler, Trainer und Funktionäre wissen sollten, zusammengefasst. Im dazugehörigen Video geht es noch ein klein wenig tiefer in unser Arbeitsfeld.

Zum Thema: Was Sportler über die Arbeit von Sportpsychologen wissen sollten

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Das Ziel der Sportpsychologie ist es, Sportlern Tools und Fertigkeiten an die Hand zu geben, mit denen sie ihren optimalen Leistungszustand regelmäßiger erreichen können. Sämtliche Gespräche mit einem Sportpsychologen unterlegen einer strengen Schweigepflicht. Wir sind keine Therapeuten und dürfen dementsprechend keine psychischen Krankheiten diagnostizieren oder behandeln. Der Sportpsychologe ist nicht für die Leistung des Athleten verantwortlich, der Athlet bekommt lediglich Informationen, Tools und Techniken an die Hand, um sich selbst zu optimieren.

Die Inhalte und der Verlauf einer Zusammenarbeit

Im Grundlagentraining werden grundlegende Fertigkeiten vermittelt, die sich nicht nur auf den Sport begrenzen. Zum Beispiel der Umgang mit Emotionen, Stress, Konzentration, Zielsetzung und einiges mehr. Mithilfe der Diagnostik können wir Bestandsaufnahmen machen, über die Zielsetzung- und Interventionsauswahl informieren und vor allem Interventionen auswerten. Im Fertigkeitstraining werden spezifischere Tools und Techniken, die den Sportlern helfen sollen, vermittelt: Entspannungsübungen, Aktivierungsübungen und Konzentrationsübungen.

Der Ablauf einer sportpsychologischen Beratung kann durch 5 Phasen beschrieben werden (wobei dies nur meine Interpretation dieses Prozesses ist):

1. Ein Erstgespräch mit Anamnese, in dem Vertrauen zwischen Athlet und Sportpsychologen hergestellt wird, um abzutasten, ob eine Zusammenarbeit sinnvoll ist.

2. Eine detailreiche Erörterung der Problematik.

3. Auswahl eines konkreten, zeitbegrenzten Ziels und einer passenden Intervention (nach angemessener Psychoedukation).

4. Anwendung der Intervention

5. Auswertung der Intervention. Dieser Prozess sollte bei jeder neuen Thematik mehr oder weniger wiederholt werden.

Einfach Ausprobieren

Brauchst du einen Sportpsychologen? Probier‘ es vielleicht einfach mal aus, vor allem wenn du ein bestimmtes Thema im Kopf hast, bei dem du ein wenig professionelle Hilfe gebrauchen könntest. Ob Wettkampfangst, fehlende Motivation im Training, oder Kommunikation mit Trainern und Mannschaftskollegen – finde heraus, ob es dir helfen kann.

Direkt zu Paul Schlütters Profilseite, zu den anderen Profilinhabern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz von Die Sportpsychologen.

 

Willst du uns kennenlernen? Dann fühl dich eingeladen:

Die rote Couch – Das Sportpsychologie Barcamp (Thema Fußball) – 02/03.06.2018 in Bochum

 

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Thorsten Loch: Was könnt ihr Fußballer von uns lernen?

Das Interview von Per Mertesacker im Spiegel schlug Anfang März große Wellen. Das Thema Druck im Kontext Leistungssport, spezielle im Fussball, beherrschte oder möglicherweise beherrscht immer noch das aktuelle Tagesgeschäft der Medienlandschaft. Experten aus der Szene sprechen dem Weltmeister und Kapitän von Arsenal London ihre Wertschätzung für seinen Mut aus, ein solch brisantes Thema, noch während seiner aktiven Laufbahn anzusprechen. Nicht weniger laut waren jedoch auch die Stimmen derer, die mit verständnislosen Kopfschütteln reagierten. Im Anschluss an eine Champions League-Übertragung im ZDF wurde jüngst jene Angelegenheit bei Markus Lanz thematisiert. Als Gäste begrüßte Lanz u.a. Dennis Aogo (Profi beim VfB Stuttgart), Ewald Lienen (ehemaliger Trainer und technischer Direktor bei FC St.Pauli) und Knut Reinhardt (Ex-Profi). Es entwickelte sich schnell eine rasante Diskussion, woraus sich bei mir der Impuls entwickelte, diesen Beitrag zu schreiben.

Zum Thema: Wofür sind Sportpsychologen eigentlich gut?

Dennis Aogo berichtete, dass er zu seiner Zeit beim Hamburger SV, von allein eine Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen angestrebt hat und davon sagt „… das dies die beste Entscheidung meiner Karriere war…“. (siehe Video, ab Minute 10:50 – 11:15, per Klick auf das Bild zum ZDF-Video). Ewald Lienen, Mitbegründer der Spielergewerkschaft VDV und ehemaliger Trainer von Mertesacker schlug in die gleiche Richtung ein. Gleichzeitig erklärten Aogo und Lienen, welchen Status/Stigma der Sportpsychologe bei manchen Spielern „genießt“. Womit wir jetzt bei der eigentlichen Thematik angelangt sind.

Was tust du, wenn du Probleme mit deiner Muskulatur hast? Richtig, du gehst zum Physio. Beschwerden im Knie? Wieder richtig, du suchst den Mannschaftsarzt auf. Oder wenn du deine Ernährung optimieren möchtest? Auch wieder richtig, du suchst dir einen Ernährungsberater. Ich könnte noch weitere Beispiele aufzählen, welche ich mir jedoch spare. Was haben alle diese drei Personengruppen als kleinsten gemeinsamen Nenner? Sie sind alle absolute Experten auf ihrem Gebiet. Nur: Warum ist es ein „Makel“ oder ein Zeichen von Schwäche, wenn du einen Sportpsychologen aufsuchst, um dir Hilfe zu suchen? Reinhardt brachte es passend auf den Punkt. Es ist doch eine absolut menschliche Reaktion, dass du es mit „Angst/Zweifel“ zu tun bekommst, wenn du vor 80.000 Menschen spielen sollst. Die Kunst ist jedoch dabei, damit entsprechend umzugehen und Strategien/Tools an die Hand zu bekommen.

Die Sportpsychologen kommen ins Spiel

Und hier kommen wir ins Spiel. Mittels sportpsychologische Trainingsverfahren sollst du in die Lage versetzt werden, dich in besonderen Wettkampfsituationen kognitiv so zu regulieren, dass du deine optimale Leistung abrufen kannst. Eberspächer (2002) trifft mit folgender Aussage den Nagel auf den Kopf: „Ziel ist die optimale Leistung zum definierten Zeitpunkt“.

Die Herausforderung besteht darin, sich insbesondere unter stressreichen Umständen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Doch warum fällt es dir möglicherweise schwer, dich auf das Entscheidende zu konzentrieren, beispielsweise unmittelbar vor Ausführung eines Elfmeters? Was denkst du, wenn von dir im vollen Stadion erwartet wird, jetzt den Strafstoß sicher zu verwandeln? Mayer/Hermann (2009) berichten in diesem Zusammenhang von einem Fußballer, welcher seine Erfahrungen und Gefühle folgend verbalisierte:

„Im Wettkampf ist alles anders, das kann man nicht trainieren!“

Fußballprofi

Viele Sportler erleben die Wettkampfsituation ähnlich, als etwas völlig Unvorhersehbares, Unberechenbares, auf das man sich nur sehr eingeschränkt vorbereiten kann. Aber ist das tatsächlich so? Eigentlich bleiben die relevanten Größen gleich – elf Meter bleiben elf Meter und das Tor bleibt gleich groß – hier ändert sich also nichts. Die wichtigen Dinge, die für ein Fußballspiel relevant sind, bleiben definitiv gleich. Was sich ändert, sind lediglich die Rahmenbedingungen (Mayer/Hermann, 2009). Wenn du eine Handlung optimal auf deinem individuell höchstem Niveau durchführen möchtest, dann brauchst du 100% deiner Aufmerksamkeit für diese Handlung. Du darfst dich nicht von äußeren Rahmenbedingungen ablenken lassen (siehe Abbildung 1), sondern du benötigst höchste Konzentration.

Der Kopf soll die Handlung unterstützen und nicht stören

Anhand eines Zeitstrahls (Abb. 2) lässt sich sehr schön zeigen, dass viele Sportler in Wettkampfsituationen Schwierigkeiten haben, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Das Leben findet im Hier und Jetzt statt und man ist nur in der Lage, den nächsten Moment zu beeinflussen. Viele beschäftigen sich gerade im Wettkampf mit Szenarien aus der Vergangenheit oder der Zukunft und verlieren somit ihren Fokus auf die eigentliche Aufgabe (Mayer/Hermann, 2009). In einer Zusammenarbeit mit einem Sportpsychologen werden Methoden gemeinsam erarbeitet, damit es dir gelingt, dich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und störende, nicht handlungsdienliche Gedanken durch förderliche zu ersetzen.

Abbildung 2: In Anlehnung an Mayer/Hermann (2009) Zeitstrahl

Fazit

Gerade in den spielbestimmenden Aktionen darf die Bewegungsausführung nicht durch störende Gedanken negativ beeinflusst werden. Vielmehr sollst du die Kompetenz erlangen, dich wettkampfbezogen konzentrieren zu können, indem du deine Handlungen mittels leistungsförderlichen Gedanken und Vorstellungen unterstützt. Die Fertigkeit, in bestimmten Situationen Denk- und Vorstellungsprozesse aktiv gestalten zu können, kann man sich aneignen. Dabei kann ich (zum Profil von Thorsten Loch) oder besser: wir Sportpsychologen (zu den Profilen von Sportpsychologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz) dich unterstützen.

Gemeinsam erarbeiten wir Strategien und Methoden, wie du dich auf deine individuelle Wettkampfsituation regulieren kannst. Ich hoffe, ich konnte dich ein wenig für meine/unsere Arbeit begeistern/aufklären und würde mich freuen, wenn du das nächste Mal über Möglichkeiten der Verbesserung deiner Performance nachdenkst, dir das Thema Sportpsychologen wie selbstverständlich in den Sinn kommt. Das Netzwerk von „Die Sportpsychologen“ und ich sind dir gerne dabei behilflich. Vertraulich und professionell, so wie du das erwartest.

Interessant – nicht zuletzt – für Fußballer, Trainer und Funktionäre: 

http://www.die-sportpsychologen.de/2018/03/31/die-rote-couch-das-sportpsychologie-barcamp-thema-fussball-0203-06-2018-in-bochum/

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Gefangen zwischen Leistungsorientierung und Bauchgefühl (Streakrunning-Serie, Teil 4)

Im März, Ein Gefangener war ich in diesem Monat März. Nicht wirklich im „Tun“; da war ich frei, wie man freier kaum sein kann. Aber in meinem Kopf. Dort drehten sich meine Gedanken immer wieder um ein Thema, die dann wieder meine Gefühle beeinflussten und diese, wirkten wieder zurück auf meine Gedanken. Das ist manchmal ein Teufelskreis, aber ich denke, der Ausgang daraus zeichnet sich schon deutlich ab.

Zum Thema: Streakrunning-Serie, Teil 4

Kommen wir zu den „objektiven Fakten“. Es waren dann 306 Kilometer in diesem Monat. Ihr erinnert Euch? (Link zum Teil 3, Die Sinne schärfen sich) Ich fing an, zu experimentieren: „Schaffe ich 10 KM pro Tag im Schnitt?“. Ich würde sagen gescheitert! Aber dazu komme ich später noch einmal. Meine Jogmap-Prognose berechnet mir 3100 Kilometer dieses Jahr, wenn ich so weiter mache. Letztes Jahr bin ich 265 Kilometer im März gelaufen. Das war mein Vorbereitungsmonat auf den Eco-Trail in Oslo. meinen ersten Ultralauf vergangenes Jahr. Ich war also im März 2017 in einem UWV-Monat (UWV steht für „Unmittelbare Wettkampf-Vorbereitung“). Das sagt dann doch schon einiges aus. Nun gut – da waren ein paar „intensive Einheiten“ mit dabei und auch ein paar „längere Läufe“, dazwischen aber auch viele Erholungstage.

Ich laufe derzeit so ca. 70 bis 80 Kilometer die Woche. Das ist natürlich etwas länger als im Januar und Februar, aber das liegt im Wesentlichen an den nun angenehmeren Außentemperaturen. Auch wenn ich da schon Anfang des Monats deutlich hoffnungsvoller war – der März hatte es ja wintertechnisch noch ganz schön in sich – war es doch insgesamt betrachtet schon etwas besser, als im Januar und Februar.

Ausgeschlafen und voller Energie

Was hat sich weiter verändert? Frauke sagt, ich hätte abgenommen. Nun, das kann ich objektiv nicht bestätigen (ich stelle mich nicht mehr auf eine Waage) und subjektiv, kann ich eigentlich auch nicht bestätigen. Aber wir wissen ja, wie schwierig das mitunter ist mit der Selbst- und der Fremdwahrnehmung. Was noch? Ich gehe (in der Regel) früher schlafen. Meistens so gegen 21 Uhr. Und zwar weil ich müde bin. Das führt dazu, dass ich länger schlafe und das ich am nächsten Morgen top-fit bin, ausgeschlafen, gut gelaunt und voller Energie bin. Zur Zeit bin ich der Erste im Institut, meistens noch vor den Sekretärinnen. Um 10 Uhr früh, habe ich schon drei Stunden Arbeit erledigt. Und spätestens um 13 Uhr habe ich meine Laufeinheit absolviert. Meistens renne ich derzeit in Halle über die Peißnitz-Insel, am Rive-Ufer entlang und hoch auf die Klausberge, bevor es zurück geht. Das hat sich so langsam „als Ritual“ bei mir entwickelt. Ich denke aber, dass ich jetzt auch mal wieder öfter in der Dölauer Heide laufen werde. Also, wenn mal jemand mit mir laufen will, dann kommt er einfach wochentags so um 11:15 Uhr ins Institut für Sportwissenschaft der Uni Halle – dann wird er mich fertig angezogen in Laufklamotten treffen und es kann losgehen. Am Wochenende bin ich dann aber meistens mit Frauke, entweder in der Leipziger Ecke unterwegs, aber wir machen einen „Tagesausflug“.

Was beschäftigt mich denn so? Ich gebe zu, mir fehlt die Teilnahme an „offiziellen Läufen“. Nicht so sehr, weil ich irgendwelche schnelle Zeiten oder super lange Distanzen laufen will oder irgendeine Platzierung brauche – das ist alles – zumindest für mich mittlerweile – überflüssig. Mir fehlt aber der soziale Kontakt mit den anderen Läuferinnen und Läufern, der direkte Austausch, das Flair drumherum, das tolle Gefühl am Start, wenn du die Energie der „Gruppe“ förmlich spüren kannst. Das Zusammensitzen hinterher und das fachsimpeln. Das alles fehlt mir. Ich bin ja meistens alleine unterwegs, oder eben am Wochenende meistens mit Frauke. Das sind dann die echten „Highlight-Läufe“. Mein Kommunikationskanal zu Euch Läufern sind im Moment lediglich diese Blog-Beiträge – aber eben keine Wettkämpfe. Aber auch hier ist „Licht am Ende des Tunnels“. Frauke und ich haben ein paar Läufe im April gebucht. Neuseen-Trail, Kyffhäuser Berglauf, der Leipzig-Marathon ist auch hier direkt vor der Tür (müsste ich jedoch noch nachmelden). Und da kommt noch viel mehr dieses Jahr! Sachsentrail, Südthüringentrail, Berlin-Marathon, und ganz sicher auch noch ein Ultra. Dazu aber erst mehr im April. Das also beschäftigt mich! Ich und eine Startnummer! Eigentlich keine gute Idee, wenn ich eigentlich streaken will. Ich kenne mich doch. Wenn ich eine Startnummer trage, dann gehen meistens die Gäule mit mir durch und das bedeutet immer Schmerzen am nächsten Tag und erst recht am übernächsten.

Laufen im März 2018

Wettkämpfe oder keine Wettkämpfe?

In der Streaker-Szene ist das ein kontrovers diskutiertes Thema. Mein Streaker-Freund Lutz macht das z.B. gar nicht. Im Gegensatz dazu, meine liebe Ex-Streaker-mittlerweile-nicht-mehr-Streaker Freundin Silke hat das zu Streaker-Zeiten immer auch gemacht. Das hängt aber wahrscheinlich auch damit zusammen, das Lutz nie Wettkämpfe gelaufen ist. Lutz hat damit angefangen, weil er abnehmen wollte. Wettkämpfe waren eben nicht sein „Zugang zum Laufen“. Bei Silke war das wohl anders. Wettkämpfe waren und sind bei immer auch eine Option (gewesen). Bei mir ist das auch so. Ich komme aus der „Wettkampflauf-“ und eben nicht aus der „Laufen, um Abzunehmen“-Szene. So oder so, mehrere Wege führen offensichtlich zum Streak-Running. Das ist eine echt harte Nuss für mich im Moment und beschäftigt mich auch psychologisch-wissenschaftlich, so zu sagen „am Rande der Bande“. Die klassischen (Leistungs-)motivationstheorien behaupten ja immer, dass man ein Leistungsziel braucht, dass realistisch und objektiv überprüfbar zu sein hat, und einer, guten zeitlichen Planung bedarf und sowohl eine individuelle- als auch eine soziale Bezugsnormorientierung braucht, damit man (leistungs-)motiviert handelt. Soweit so gut – na ja – ganz schön „kopflastig“ diese Theorien! Wo ist da das „geile Bauchgefühl“, das ich jeden Tag beim „Leisten“ habe? Das wurde in diesen Ansätzen niemals thematisiert. Mein lieber Kollege Ralf Brand von der Uni Potsdam hat da ein paar neue Ideen in seiner „Affective-Refletcive-Theory“ formuliert, die sehr spannend sind und genau diesem „Bauchgefühl“ zumindest in weiten Teilen eine wichtige Funktion zuschreibt. Nun gut – diese Theorie zählt sich eher zu den Gesundheitsmotivations-Theorien. Aber was ist Streak-Running? Leistungshandeln? Gesundheitshandeln? Oder durch etwas ganz anderes angetrieben?

Und das bringt uns zurück zum Anfang dieses Blog-Beitrags. Ich experimentierte ja mit dem „10 km-pro-Tag-Ziel“. Das ging ganz gut los, wurde dann zunehmend unrealistischer (siehe obige Grafik) und ich hatte es schon aufgegeben. Dann kamen ein oder zwei richtig geile längere Läufe (über 20 Kilometer) dazu, die eigentlich aus purer Lust und Leidenschaft entstanden sind – da wich mir das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Am 30.3. lief ich noch mal 13 Kilometer und ich wusste, am 31. brauchst du noch mal 12 und du bist „der Sieger“ über Dich und deinen Schweinehund“ und „was weiß ich noch“. Ich lief am 31.3. sehr früh morgens los, und nahm Rachmaninoffs 3. Klavierkonzert (auf dem Ipod) mit. Die 12 Kilometer-Strecke wäre reiner Asphalt gewesen, Nach 2 Kilometern kann ich in ein Feld- und später Waldstück abbiegen – wird dann aber keine 12 km mehr. Aber die Lust „zwischen meinen Ohren“ – dieses gewaltige Klavierkonzert und dann der Gedanke über Wurzeln und Pfützen springen zu dürfen – die frische Waldluft zu inhalieren und alles miteinander verschmolzen erleben zu können, haben intuitiv dazu geführt, dass ich dann die Abkürzung genommen habe und nur die 8,5 Kilometer gelaufen bin. Leistungsziel verfehlt! Aber einen gigantischen Lauf in Erinnerung behalten! Was ist mir nun wichtiger? Vielleicht bringt mit der April die Antwort?

Mehr zum Thema:

Prof. Dr. Oliver Stoll: Streakrunning ist „Mentales Training“ (Streakrunning-Serie, Teil 1)

Prof. Dr. Oliver Stoll: Grenzenlose Gelassenheit (Streakrunning-Serie, Teil 2)

Prof. Dr. Oliver Stoll: Die Sinne schärfen sich (Streakrunning-Serie, Teil 3)

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Die rote Couch – Das Sportpsychologie Barcamp (Thema Fußball) – 02/03.06.2018 in Bochum

Die Aussagen des Fußball-Weltmeisters Per Mertesacker im Nachrichtenmagazin Spiegel haben im März 2018 kurz aufhorchen lassen. Sollten die hochbezahlten Profi-Sportler tatsächlich ein Problem im Umgang mit Leistungsdruck und Stress haben?

Natürlich haben Sie! So wie jeder Sportler. Und so unterschiedlich, wie Menschen mit Leistungsanforderungen, Umweltfaktoren und Stress eben umgehen. Die mediale wie interne Diskussion in der Sache “Mertesacker” hat gezeigt, wie wenig Wissen und Kompetenz im Profi-Fußball hinsichtlich der Sportpsychologie vorhanden ist. Wie oft wird sportpsychologische Arbeit mit klinischer Intervention gleichgesetzt, also der Behandlung von psychischen Erkrankungen wie Depression? Und wie kann es sein, dass es immer noch Manager in Profi-Fußballvereinen gibt, die nichts Verwerfliches daran finden, einen Sportpsychologen als Feuerwehrmann zu engagieren?

Fußball-Bundesliga: Sportpsychologisch chronisch unterversorgt

“Bei zwei Dritteln der deutschen Profi-Fußballvereine ist keine professionelle sportpsychologische Betreuung implementiert”, bestätigt Ulf Baranowsky, der Geschäftsführer der deutschen Profi-Fußballspielergewerkschaft VdV. Diese Zahlen gehen auf eine aktuelle Erhebung zurück, die Baranowsky unter seinen Mitgliedern durchgeführt hat. Erschreckend: Bei dem einzigen Drittel, welches überhaupt Zugang zu einer sportpsychologischen Betreuung hat, sei die Qualität sehr unterschiedlich. “Im negativen Sinne geht die Versorgung so weit, dass den Spielern einmal vor der Saison gesagt wird, dass am Empfang im Trainingszentrum ein Zettel mit der Telefonnummer des Sportpsychologen liegt”, so Baranowksy.

Und auch Prof. Dr. Oliver Stoll, Mitgründer vom Netzwerk Die Sportpsychologen, bestätigt, dass es im Fußball noch stark an Wissen und Erfahrungswerten fehlt: “In den Nachwuchsleistungszentren wurde in den vergangenen Jahren begonnen, Strukturen zu schaffen. Diese sind aber noch sehr unterschiedlich ausgeprägt. Und vor allem reichen diese Strukturen nur in den seltensten Fällen bis in die Profi-Abteilungen.”

Barcamp zum Thema Fußball

Das zweite Barcamp von Die Sportpsychologen nimmt sich dem Fußball an. Auf und rund um der roten Couch sollen zwischen Sportpsychologen, Mentaltrainern, Coaches, Funktionären, Spielerberatern und Spielern zwischen Jugend- und Profibereich Erfahrungen ausgetauscht, Wissen geteilt und neue Fragen aufgeworfen werden. Den Rahmen bietet “Die rote Couch – Das Sportpsychologie-Barcamp”, welches am 2. und 3. Juni 2018 beim VFL Bochum 1848 ausgetragen wird. Der Bundesligist stellt dazu den VIP-Raum des Vonovia Ruhrstadions zur Verfügung.

Wer darf mitmachen?

“Die rote Couch – Das Sportpsychologie Barcamp” richtet sich ausdrücklich sowohl an Profilinhaber von Die Sportpsychologen (zur Übersicht) als auch Sportpsychologen und Mentaltrainer, die nicht im Netzwerk aktiv sind. Dies schließt nicht zuletzt Studenten der Fachrichtungen Sport, Psychologie und Sportpsychologie ein.

Ebenso wird das Format auch von Personen aus dem Fußball besucht: Spieler, Trainer, Funktionäre, Spielerberater und Spielereltern können das Event nutzen, um Wissen zu festigen oder auszubauen und aktiv Kontakte zu knüpfen. Darüber hinaus sind auch Journalisten und an der Thematik interessierte Fachbesucher eingeladen.

Anmeldung und Preise

– 50 EUR Studenten (bitte Nachweis anfügen)

– 75 EUR Sportler

– 100 EUR Sportpsychologen*, Mentaltrainer, Trainer, Funktionäre, Unternehmer und Journalisten

*Profilinhaber von Die Sportpsychologen erhalten einen Rabatt

Inklusive Snacks, Obst und Getränke

Was sind die Inhalte der Veranstaltung?

Die Inhalte der Veranstaltung “Die rote Couch – Das Sportpsychologie Barcamp” werden von den Teilnehmern bestimmt (siehe “Was ist ein Barcamp?”). Wir geben in der Vorbereitung drei Thesen vor, um die Themenbereiche einzugrenzen und eine Auseinandersetzung anzuregen:

Die meisten Bundesliga-Profis und viele Trainer sowie Funktionäre können nicht erklären, was ein Sportpsychologe macht!

Ein Sportpsychologe pro Team (inkl. NLZ-Teams) ist nicht genug!

Jeder schlecht betreute Fußball-Profi sollte sich einen guten Sportpsychologen leisten!

Was ist ein Barcamp?

Per Definition ist ein Barcamp eine offene Tagung mit offenen Workshops, deren Inhalte und Ablauf von den Teilnehmern zu Beginn der Tagung selbst entwickelt und im weiteren Verlauf gestaltet werden. Hierbei steht der partizipatorische Gedanke im Vordergrund. Ziel sind der inhaltliche Austausch und eine Diskussion. Teilweise können am Ende der Veranstaltung bereits konkrete Ergebnisse vorgewiesen werden. Die inhaltliche Idee entstand nach dem ersten Netzwerktreffen von Die Sportpsychologen (Link zum Text) und wurde von der Profilinhaberin Wencke Schwarz (zum Profil) und Redaktionsleiter Mathias Liebing weiterentwickelt und im November 2017 in Berlin zum Themenbereich E-Sports (Link zum Nachbericht) bereits erfolgreich umgesetzt.

Anmeldung

Sie wollen bei “Die rote Couch – Das Sportpsychologie Barcamp” dabei sein? Dann melden Sie sich mit Hilfe des Online-Formulars an. Zwei bis drei Werktage nach der Anmeldung erhalten Sie eine schriftliche Bestätigung und die Rechnung per Mail zugesandt.

    Ich stimme zu, dass meine Angaben aus dem Kontaktformular zur Beantwortung meiner Anfrage erhoben und verarbeitet werden. Die Daten werden nach abgeschlossener Bearbeitung Ihrer Anfrage gelöscht. Hinweis: Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an datenschutz@die-sportpsychologen.de widerrufen. Detaillierte Informationen zum Umgang mit Nutzerdaten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

    Online-Anmeldungen sind bis zum Donnerstag, den 31. Mai 2018, möglich. Sollte das Event schon ausgebucht sein, wird an dieser Stelle informiert.

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    Johanna Constantini: Athleten brauchen Online-Regeln!

    Eine wie ich finde sehr wichtige Persönlichkeit, wenn es um die Erforschung und Aufklärung von digitalen Medien geht ist Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer. Der deutsche Psychiater und Hochschullehrer setzt sich bereits seit vielen Jahren mit den digitalen und sozialen Medien auseinander und hat darüber mehrere Bestsellerwerke verfasst. Seine Bücher „Digitale Demenz“ (Taschenbuch, 2012) und „Das (un)soziale Gehirn“ (Schattauer, 2013) sind nur zwei, die bei Lesern und Nicht-Lesern sehr polarisiert haben.  

    Zum Thema: Wie Sport das Gehirn fördert & wo digitale und soziale Medien es nicht tun! (Aus der Reihe: Was moderne Sportpsychologen über soziale Medien wissen sollten – Teil 3)

    Wenn online alles so einfach geht, wer möchte denn dann schon wahrhaben, dass unsere digitalen Angewohnheiten für unsere (Hirn-)Entwicklung so gar nicht förderlich sind? Digital deswegen, weil es dabei nicht unbedingt nur um soziale Medien, sondern die generelle Beschäftigung mit den Online-Welten geht. Zumindest was die Leistungsfähigkeit des Denkens und Lernens betrifft, wird durch übermäßigen digitalen Medienkonsum viel Potential eingebüßt. Dies ist wissenschaftlich mehrfach erwiesen und wird auch von Prof. Dr. Dr. Spitzer in all seinen Werken belegt.

    Was das alles nun mit Sport zu tun hat? Na, er bildet eine der wichtigsten Komponenten, wenn es um die Steigerung unserer Gehirnleistung geht. (Cotman,C.W., Berchtold, N., C. and Christie L, 2007) So fördert adäquate Bewegung (dabei spricht Spitzer von sportlichen Tätigkeiten, die körperliche Leistungen erfordern, jedoch AthletInnen nicht überfordern) die Lern- und Gedächtnisleistung bis ins hohe Alter. Alle Phänomene, die mit geistiger Fitness und körperlicher Betätigung einhergehen lassen sich unter dem Begriff der „Embodied Cognition“ zusammenfassen, wozu ich euch diesen Vortrag aus dem Jahr 2017 nicht vorenthalten möchte:

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    Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer bei einem seiner Vorträge über Lernen, Gedächtnis und Sport. © YouTube

    Online Strukturen als To Do für sportpsychologische Betreuung!

    Bewegung und Bildung hängen also eng zusammen, weshalb auch wir als Sportpsychologen meiner Meinung nach die entscheidende Aufgabe haben, Bewegung und nicht den digitalen Konsum zu fördern! Zwar sind Whatsapp-Gruppen und Facebook Messenger Dienste praktisch, wenn es um die Organisation von Trainings geht, doch sollte man seinen Athleten lernen, das Smartphone auch mal weglegen zu können!

    (Online-)Strukturen schaffen ist das Zauberwort – auch innerhalb unserer Coachings!

    Johanna Constantini

    Unsere Aufgabe: offline lehren und online verstehen!

    Was in meinen Augen nicht sinnvoll wäre, ist den AthletInnen soziale Medien gänzlich zu verbieten. Denn natürlich brauchen wir sie! Alleine zu Marketing Zwecken eignen sich Kanäle wie Facebook, Instagram, Snapchat und Twitter optimal. SportlerInnen sind in den sozialen Medien vertreten, um Sponsoren zu akquirieren, aber auch, um ihre Fans an dem Sportler Alltag teilhaben zu lassen. Das alles ist wichtig für unsere AthletInnen, und sollte daher auch von uns Sportpsychologen verstanden werden! Es ist ebenso ok, sich auf Trainingsfahrten zeitweise von den Bildschirmen ablenken und die Gedanken in die Online-Welt abschweifen zu lassen. Doch vergleicht man diese „Online–Reisen“ etwa mit den sportpsychologisch gängigen Verfahren der Phantasie- oder Körperreisen, so ist auch hier eine rechtzeitige Rückführung der AthletInnen von wesentlicher Bedeutung.

    Also – wie in meinem letzten Blog bereits angekündigt – immer fixe Online Zeiten festlegen!

    Johanna Constantini: Instant Messaging als Stressfaktor!

    Zu digital bedeutet körperliche Qual!

    Als Sportpsychologin habe ich mich in meinen Blogs dank Snapchat schon mal selbst zum Hasen gemacht © eqwo.net

    Deutlich sollte man seinen AthletInnen auch die „körperlichen Symptome“ von zu intensivem Medienkonsum machen. So braucht beispielsweise die Augenmuskulatur nach wenigen Minuten des auf-den-(Smartphone-)Bildschirm-Starrens mindestens doppelt so viel Zeit, um sich von diesen Strapazen wieder zu erholen. Für Sportarten, bei denen die Einschätzung von Distanzen und ein entsprechend ausgerichtetes Blickfeld wichtig ist, kann übermäßiger „Bildschirm-Konsum“ vor dem Training oder Wettkampf demnach zu Leistungseinbußen führen! Das lernt man übrigens, wenn man einen Workshop bei Visualtrainern besucht. Empfehlen kann ich hier die Wiener Visualtrainerin Eva Holzinger (bodyandeye.at) , die mich bei einem ihrer Vorträge mit dem Ausspruch „Stress erkennt man zuerst im Blick“ beeindruckte.

    Bei allem für und wider was digitale und soziale Medien im Sport angeht, denke ich, dass das Bewusstsein für den Konsum den Grundstein für einen adäquaten Umgang legt. Sportpsychologen sollten sich meiner Meinung nach ebenfalls der Vor- und Nachteile des Online Konsums bewusst sein, um ihren SportlerInnen als Vorbilder dienen zu können. Allgemein gilt für den online Konsum, ebenso wie für jedes andere Konsumverhalten – die Menge macht das Gift! Sowohl für den Geist, als auch für den Körper unserer AthletInnen!

    Johanna Constantini: Was moderne Sportpsychologen über soziale Medien wissen sollten

    Literatur

    Digitale Demenz. Prof. Dr. Dr. Spitzer, M. Taschenbuch; 2012

    Das (un)soziale Gehirn. Prof. Dr. Dr. Spitzer, M. Schattauer; 2013

    Cotman,C.W., Berchtold, N., C. and Christie L.: Exercise builds brain health: key roles of growth factor cascades and inflammationTrends; Neurosciences 30 (2007)

    A Brief Guide to Embodied Cognition: Why You Are Not Your Brain. scientificamerican.com. McNermey, S. 2011

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    Sportpsychologie-Event der BDP Landesgruppe NRW lockt nach Düsseldorf

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    Am Freitag, den 8. Juni, lockt der Tag der Sportpsychologie zum Thema “Sportpsychologischer Alltag im Fußball” nach Düsseldorf. Organisiert wird das Event vom Berufsverband deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP), Landesgruppe Nordrhein-Westfalen. Mit Jürgen Walter und Dr. René Paasch sind gleich zwei Profilinhaber von Die Sportpsychologen aktiv vertreten – während Walter das Event organisiert, ist Dr. Paasch als Vortragsredner am Start.

    Alle Infos von Seiten der BDP-Landesgruppe NRW:

    Passend zur Fußballweltmeisterschaft im Sommer 2018 konnten wir interessante Referenten gewinnen. Sie werden aus ihrer Praxis berichten und ihre Erfahrungen mit Ihnen teilen.

    Natürlich haben Sie auch ausreichend Gelegenheit, sich mit anderen Teilnehmern auszutauschen, neue Kontakte zu knüpfen und bestehende zu vertiefen.

    Folgende Vorträge/Workshops finden statt

    “Stellenwert und Potenzial der Sportpsychologie als Teildisziplin im Fußball”
    Lars Tiefenhoff – Leiter Fußballausbildung bei Borussia Mönchengladbach

    “Psychische Belastungen von Profispielern und Steigerung deren Resilienz”
    Dr. René Paasch – Sportpsychologe VfL Bochum

    “Stellschraube Diagnostik – Möglichkeiten und Grenzen in der Praxis”
    Thomas Pulwitt – Dipl.-Psychologe, Sportpsychologe und  Systemischer Coach

    “Die Angst besiegen – ein schwieriger Weg im Fußball”
    Thorsten Albustin – Ex-Bundesligatorhüter, Trainer und Buchautor

    Agenda

    10:00 Uhr     Begrüßung durch die Landesgruppe NRW und die Fachgruppe
    Sportpsychologie im BDP,
    10:15 Uhr     1. Teil mit zwei Vorträgen / Workshops
    12:15 Uhr     Mittagspause
    13:00 Uhr     2. Teil mit zwei Vorträgen / Workshops
    15:00 Uhr     Ausklang und Diskussion

    Veranstaltungsort

    Deutsches Tischtennis-Zentrum
    Ernst-Poensgen-Allee 58
    40629 Düsseldorf
    Anfahrt

    Anmeldung

    Wir freuen uns über Ihre Anmeldung bis zum 30. Mai 2018 an:

    Geschäftstelle BDP Landesgruppe NRW
    Jürgen Walter
    Aloys-Schulte-Str. 3
    53129 Bonn
    Fon 0228 – 39 08 406
    Fax 0228 – 39 08 405
    j.walter@bdp-nrw.de

    Kostenbeitrag

    Kostenbeitrag inklusive Verpflegung:
    74 Euro (49 Euro für Mitglieder des BDP)

    Kontoverbindung:
    BDP LG NRW
    IBAN DE53 3804 0007 0101 7169 00
    Commerzbank Bonn
    Stichwort: “Tag der Sportpsychologie“

    Mit freundlichen Grüßen

    Jürgen Walter
    Vorstandsvorsitzender der Landesgruppe NRW im BDP e.V.

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    Jojo Joyner – Mein Warum (#warum fragen wir nicht einfach die besten – Episode 9)

    Jojo Joyner stand bis zuletzt vor einer riesigen Entscheidung. Im Herbst war er mit den Schwäbisch Hall Unicorns deutscher Meister geworden. Er hatte sich den so großen Traum erfüllt, stellte sich nun aber die Frage, ob er am Höhepunkt seiner aktiven Karriere nun noch weiterspielen oder als Trainer an die Sideline wechseln soll? Viele unserer Gespräche behandelten dieses nicht zuletzt klassisch sportpsychologische Thema und die Fragen, die sich damit verbinden.

    Da ist die Sache mit der Identität, die sich Jojo als Spieler aufgebaut hat. Aber was für eine Art von Trainerpersönlichkeit möchte er eigentlich werden? Was ist sein Warum?

    Doch er wusste noch keine Antwort auf diese Frage. Dachte er, bis er mir eine sehr traurige Geschichte aus seinem Leben offenbarte. Eine Geschichte, die sein Leben verändert hat und die er in diesem Text erzählt.

    In der Aufarbeitung dieser Geschichte kam ich zu der Überzeugung, dass ich ihm einen Rat geben kann. Ich sagte ihm: “Alles, was du brauchst, ist LÄNGST in dir!”

    Jojo Joyners besonderer Gruß (Bild: Sven Grundner)

    Dear Monica,

    Als ich viereinhalb Jahre alt war, kam mir alles vor wie in einem schrecklichen Hollywoodfilm…

    An diesem Tag habe ich mir geschworen, dass ich dich stolz machen würde… Ich wusste, würde ich diesen so furchtbaren Tag überstehen, würde es niemanden geben, der mir sagt, ich könne etwas nicht…

    Ich war ein Kind der Liebe! Einer großen Liebe zwischen meinem Dad und meiner Mom. Mein Vater, als Amerikaner stationiert in einer Base des US Militärs. Footballspieler in der GFL bei den Munich Cowboys.

    Das Leben in Verbindung mit dem American Football wurde mir also quasi in die Wiege gelegt. Als ich in der 1. Klasse die Aufgabe bekam, meinen späteren Berufswunsch zu malen, da malte ich mich als Footballspieler im selben Trikot, welches mein Vater auch trug. Damals war dieser Sport in Deutschland noch kaum bekannt. Aber mit zehn Jahren erlebte ich meinen ersten German Bowl mit. An diesem Tag war mir klar, dass ich selbst als Spieler auch einmal in meinem Leben diesen so besonderen Moment miterleben möchte.

    Der stolzeste Vater an der Sideline

    Als ich dann meinem Dad irgendwann sagte, ich würde zum Tackle-Football gehen, verbot er es mir zunächst aus Angst, ich könnte mich so schwer verletzten, wie er es einmal tat. Aber ich tat es trotzdem und bei meinem ersten Spiel war er der stolzeste Vater an der Sideline.

    Als ich ca. acht Jahre alt war, hat mein Vater wieder geheiratet und meine Schwester ist geboren worden. Als ich 15 Jahre alt war, haben sich die beiden getrennt und wir zogen zurück nach Amerika.

    Football war das Zuhause

    Ich habe mich so fremd gefühlt. Lediglich Football hat sich für mich immer wie Zuhause angefühlt, ganz egal, wo ich gelebt habe. Auch dort. Damals war ich nicht wirklich begeistert von dieser Entscheidung. Wieder musste ich von vorne beginnen. Neue Freunde, eine neue Schule, neue Regeln und eine neue Umgebung. Ich erinnere mich so gut an meinen ersten Schultag an der Highschool. In der Mittagspause saß ich völlig alleine an einem der vielen Tische. Aber ich konnte Football spielen, also ging ich zum Highschool-Team. In meinem ersten Training warf ich einen 40 yard-Pass. So durfte ich ab diesem Zeitpunkt sofort im Team der Varsity mitspielen. Dort bekam ich auch zum ersten Mal einen richtig harten Tackle vom Starting Cornerback, quasi ein kleiner Willkommensgruß – und ja, es tat höllisch weh.

    In dem Moment habe ich mich zum ersten und einzigen Mal gefragt, ob ich das überhaupt möchte. Aber da war dieser Satz in meinem Kopf… und er wurde immer lauter…

    There`s no quit!!

    Wenn ich recht überlege, war dieser Satz schon immer in meinem Kopf. Im völlig anderen Zusammenhang ist er geboren. In einem Moment, als ich keine andere Wahl hatte. Und es ist der Satz, der mich seitdem durch mein ganzes Leben begleitet. Ganz besonders in Bezug auf Football war es aber etwas, was mich immer stark gemacht hat.

    Also schwor ich mir, immer besser zu werden und so trainierte ich im darauffolgenden Sommer wie ein Verrückter an jedem einzelnen Tag. Im anschließenden letzten Highschool-Jahr spielte ich abwechselnd QB oder WR und bekam sogar am Ende des Jahres eine Auszeichnung als „Player of the year“. Das sogar als QB, was ja immer nur meine zweite Position war, denn im Herzen war ich immer durch und durch ein WR.

    College-Rekorde

    Von da aus ging mein Weg weiter ans College. Leider erlitt ich direkt in meinem ersten Jahr eine Verletzung und brach mir den Arm. Ein ganzes Jahr musste ich aussetzen. Aber mein Fokus war immer stark. In meinem Comeback-Jahr startete ich in 39 von 40 Spielen. In den darauffolgenden vier Jahren war ich bis auf ein Spiel Starter und noch immer halte ich in fast allen Kategorien eines WR die Rekorde für dieses College.

    Es folgte ein Jahr, in dem ich mich entschied, meinen beruflichen Weg ein wenig voranzutreiben. Aber ich vermisste dieses Spiel so sehr. Damals schrieb mir ein alter Freund, ob ich nicht Lust hätte, nach Deutschland zurück zu kommen und mit ihm für seinen Verein die „Franken Knights“ zu spielen? 2010 bin ich dann dieser Bitte gefolgt und begann dort in der GFL 2 zu spielen. Wir verloren nur drei Spiele in der gesamten Saison, aber wir stiegen trotzdem nicht auf. Das war ziemlich bitter, dennoch war es eine super Zeit. Nach der Saison ging es dann zurück in die USA nach Hause, um im nächsten Jahr wieder in Deutschland für die Knights zu spielen. Dieses Jahr haben wir dann total gerockt, nur ein Spiel verloren und sind direkt in die GFL aufgestiegen. Drei Jahre noch habe ich für die Knights weitergespielt und hatte dort eine irre tolle Zeit mit vielen Höhen und Tiefen.

    Europameistertitel und Weichenstellung

    In dieser Zeit wurde ich auch Teil der deutschen Nationalmannschaft und mit dem Team Europameister. Dort habe ich schon viele meiner zukünftigen Teamkollegen der Schwäbisch Hall Unicorns kennengelernt.

    Trotz aller Tiefen bei den Knights wollte ich sie nicht im Stich lassen. Als wir aber in meiner letzten Saison abgestiegen sind, war für mich klar, dass dieser Weg hier zu Ende ist. Zu dieser Zeit war ich nicht sicher, ob ich nicht sogar ganz mit dem Football aufhören würde. Im vorletzten Jahr bei den Knights nämlich ist meine kleine Tochter geboren worden und ich wünschte mir, mehr Zeit mit ihr verbringen zu können. Wenn ich allerdings weiter spielen wollen würde, war mir eines klar: Würde ich den Verein wechseln, wollte ich niemals gegen mein „altes“ Team spielen. Und so wechselte ich in die GFL zu den Schwäbisch Hall Unicorns. Schon einige Jahre vorher hatte Head Coach Jordan Neumann gesagt, wie sehr er sich über meinen Wechsel freuen würde.

    Stolzer Moment: Meisterfeier mit Tochter (Bild: Manfred Loeffler)

    Von wegen Karriereausklang

    An mein erstes Training dort erinnere ich mich gerne. Alle empfingen mich mit offenen Armen, alles war extrem professionell und das gesamte Programm vor Ort gefiel mir sehr gut. Wenn ich ehrlich bin, bin ich damals nur dorthin gegangen, um meine „Karriere“ langsam zu beenden und vielleicht etwas von meinem bisherigen Wissen weitergeben zu können. Aber plötzlich war ich Starter und in meiner ersten Saison kamen wir mit viel Arbeit und Schweiß ins Finale, den „German Bowl“.

    Dann folgte die vergangene und meine letzte Saison, in der wir als undefeated Team eine Perfect-Season geschafft haben und am Ende im letzten Jahr dann zur Krönung den German Bowl gegen die Braunschweig Lions gewannen. Dieses Gefühl war unbeschreiblich. Das war alles, für was ich immer gearbeitet habe. Mein ganzes Leben als Footballspieler habe ich auf diesen Moment gewartet. Und jeder Druck und jede Anspannung fiel von mir ab. Alle Dinge, auf die ich verzichtet hatte, für jedes noch so harte Training, für all die Zeit und all die Entbehrungen… ist dieser eine Moment. Auf einmal hat sich alles gelohnt und alles hat einen Sinn.

    Schwere Entscheidung

    Nach diesem Moment habe ich mich viele Wochen und Monate gefragt, ob ich noch weiter spielen wollte oder, ob ich an die Sideline wechseln wollte? Und ich habe mich entschieden, für die Unicorns der WR Coach zu sein.

    Ich bin irre gespannt, wie es plötzlich sein wird, dass all die Rituale, die ich seit so vielen Jahren an einem Spieltag habe, sich doch ändern müssen und werden. Wie so ein Spieltag doch anders ist, aus einer völlig neuen Perspektive heraus. Und es wird viele Dinge geben, die ich extrem vermissen werde. Allerdings bin ich auch sehr zufrieden mit meiner neuen Position und freu mich auf all die neuen spannenden Momente und Erfahrungen, die mich in Zukunft erwarten werden.

    Jojo Joyners Ritual (Bild: Name des Fotografen folgt)

    Der Gruß in den Himmel

    Eines aber werde ich am meisten vermissen! Meine Zeit mit dir! Seit ich denken kann, beginnt bei mir jedes Footballspiel damit, dass ich in die Endzone laufe, dort auf die Knie gehe und mit dir spreche „I´m back again – ich habe die wundervolle Möglichkeit heute den Sport meines Lebens spielen zu dürfen. Bitte beschütze mich und meine Brüder.“ Und auch nach jedem Touchdown gehen meine Hände hoch zu dir und ich danke dir…

    …Als ich viereinhalb Jahre alt war, kam mir alles vor, wie in einem schrecklichen Hollywoodfilm.

    Mein Dad war die ganze Woche auf Geschäftsreise. Während mein kleiner Bruder und ich mittags in unseren Zimmern schliefen, wurde im gleichen Haus, nur eine Etage darunter, meine Mom Monica kaltblütig ermordet.

    Dear Mom,
    Du bist mein Warum! Mein Grund warum ich nie aufgeben habe, warum ich immer daran geglaubt habe, dass es nach all dem Dunkel auch wieder Licht in mein Leben gehört. Du und meine Tochter Mia seid der Grund, warum ich jeden Tag versuche, ein besserer Mensch zu sein.
    Ein besserer WR und nun ein besserer Coach!

     

     

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    All ihr fantastischen Coaches, ihr WR, ihr deutschen Meister, was ist eigentlich euer Warum?

     

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