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Sebastian Reinold: 11 Tipps für den Fall der Fälle

Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft steht am Sonntag, den 13. Juli, im Finale der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien. Nicht erst seit dem historischen 7:1-Erfolg im Halbfinale gegen Brasilien schlagen die Fanherzen höher. Je näher der Anpfiff rückt, desto stärker werden bei nicht wenigen die Erwartungen an einen Sieg der deutschen Mannschaft bis ins Unermessliche steigen. Bei einer Niederlage, die trotz der guten Turnierleistung des Teams von Jogi Löw im Finale gegen Argentinien möglich bleibt, können Emotionen dann aber schnell in große Trauer oder ungewollte Frustrationen umschlagen. Augenzwinkernd soll Ihnen vor dem Besuch der Public Viewing-Location ihrer Wahl geholfen werden.

Zum Thema: Wie vermeide ich als Fan einen Systemabsturz beim Gruppengucken?

Eines vornweg: Sie, als Fan, haben gegenüber dem Team unermessliche Vorteile. Zum einen müssen Sie am Sonntagabend keine wirkliche Leistung erbringen. Und zum anderen können Sie mit der Verarbeitung auf eine Niederlage schon vor dem Spiel beginnen1.

Um damit keine Zeit zu verlieren, fangen wir an dieser Stelle an. Beginnen Sie mit Ihren Vorbereitungen auf das Finale weiträumig vor Spielbeginn. Denn ganz ohne Aufwand geht für Sie als Fan ein WM-Finale dann eben doch nicht. Zumindest nicht, wenn Sie nicht Gefahr laufen wollen, die Anzahl ihre Freunde durch unpassendes Verhalten signifikant zu verringern. Der Masterplan, also meine Hauptstrategie für ihren un- und ausfallfreien Fußballabend, besteht nun darin, dass Sie sich in eine eigene Stimmungslage bringen, die weitgehend unabhängig vom Ereignis ist. Wie machen Sie das? Einfach der Reihe nach:

1. Schrauben Sie die Bedeutung des Ereignisses herunter. Seien Sie sich klar, dass es sich nur um Sport handelt, der sie nicht direkt betrifft. Klassiker: „Davon geht die Welt nicht unter.“

2. Machen Sie sich in diesem Zusammenhang bewusst, dass es für Sie keine eigenen persönlichen Konsequenzen gibt. Außer, sie haben im Siegeseifer längst mehrere Monatslöhne auf Jogi und Co gesetzt…

3. Verringern Sie im Vorfeld die Erwartungen an das Spielergebnis. Ein spannendes Spiel gesehen zu haben, bei dem die Mannschaft alles gegeben hat, kann durchaus schon als Erwartung reichen. Im Falle einer Niederlage würden Sie dann nicht enttäuscht, im Falle eines Sieges aber würde die Freude dann umso mehr überwiegen.

5. Erinnern Sie sich daran, dass die deutsche Mannschaft Ihnen bereits tolle Momente bescherte (u.a. Halbfinale gegen Brasilien), kurz vor dem Ausscheiden stand (Achtelfinale gegen Algerien) und Sie in den vergangenen Wochen durchweg gut unterhielt (ohne WM würden Sie jetzt womöglich aus der Verzweiflung heraus irgendwelche Vorbereitungsspiele aus Tiroler Trainingslagern anschauen).

Käme es tatsächlich, wie es nach Messis Matchplan kommen müsste, befänden wir uns in Level 2. (Schalten Sie an dieser Stelle bitte im Gefühl des sicheren Sieges nicht ab, denn Sie könnten für den Zeitraum nach 22.45 Uhr Mitteleuropäischer Sommerzeit wesentliche Informationen verpassen.) Also, verliert Deutschland das Finale tatsächlich und bei Ihnen überwiegen die negativen Gefühle, beherzigen Sie doch bitte folgendes:

6. Befassen Sie sich nicht weiter mit dem Spiel. Ablenkung durch andere Dinge kann hier helfen. Vielleicht fahren Sie ja noch in den Urlaub?

7. Lassen sie sich von anderen emotional unterstützen. Denn Unterstützung durch andere kann Wunder wirken. Grundsätzlich trauert der Fan am besten in der Gruppe. Ein Sprichwort besagt nicht zu Unrecht, dass geteiltes Leid halbes Leid sei. Und Fanmeilen und –feste potenzieren den Sinngehalt der – zugegeben – abgedroschenen Phrase.

8. Wichtig, egal wie schlimm es kommt (siehe Halbfinale gegen Brasilien aus Gastgeber-Sicht): Halten Sie Abstand zu randalierenden Fans, damit Ihre eigene Stimmungslage nicht in eine aggressive Richtung kippt2.

9. Beim Konsum von Alkohol sollten Sie beachten, dass die eignen Emotionen sich nicht mehr so leicht kontrollieren lassen (vielleicht erinnern Sie sich, was fatal wäre, dann auch nicht mehr an alle hier gegebenen Tipps). Für diejenigen unter Ihnen, die von sich wissen, dass sie zu Aggressionen unter Alkoholeinfluss neigen, empfiehlt sich eine Beendigung des Alkoholkonsums, sobald die Niederlage absehbar ist.

10. Oft liegt der Ausgang der Spiels an der Leistung des Schiedsrichters oder einzelner Spieler. Vermeiden Sie es, eine Einzelperson zum Sündenbock zu ernennen (siehe Brasiliens Fred im Halbfinale) und alles Unheil dieser Welt mit ihm zu verbinden. Der von Ihnen auserwählte Spieler ist selbst mit der Verarbeitung seiner Niederlage beschäftigt und Bedarf deshalb der Unterstützung seiner Fans (siehe immer noch Fred).

11. Wenn alles nichts mehr hilft, dann hilft nur noch Humor. Googeln Sie doch vor dem Finale zur Sicherheit noch ein paar Holland-Witze.

Darüber hinaus wünsche ich Ihnen einen schönen Fußballabend.

Literatur:

[1] Filipp, S. (1995). Kritische Lebensereignisse (3. Aufl.). Weinheim: Psychologische Verlags Union.

[2] Scheve, C. (2009). Emotionen und soziale Strukturen. Frankfurt: Campus-Verlag.

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Ruud Vreuls: Die unsichtbare Mauer

Während dieser Fußball-Weltmeisterschaft gab es neben einigen sportlichen Überraschungen auch auf technischer Ebene dein paar Neuheiten zu bestaunen. Das Freistoß-Spray ist, genauso wie die lang diskutierte Torlinientechnik, zu dieser WM eingeführt worden. Manche Fußballverbände, wie der DFB und der KNVB aus den Niederlanden, untersuchen nun, ob dieses Spray auch in ihren Ligen einsetzbar ist. Denn technisch hat sich das „Vanishing Spray“ bewährt, allerdings meutern nun einzelne Fußballer gegen den „Rasierschaum“.

Zum Thema: Blockade durch das Freistoß-Spray

In einem Interview mit einer niederländischen Zeitung beschwerte sich Wesley Sneijder unlängst über das Freistoß-Spray. Zusammen mit Arjen Robben ist der Mittelfeldspieler in seinem Team für die Freistöße zuständig, konnte inklusive des Halbfinales aber kein Tor durch einen Freistoß erzielen. Als Begründung hierfür führte Sneijder an, dass er das Spray auf dem Boden als Behinderung empfinde. Weiterhin störe ihn das Spray und er nehme dieses als eine Mauer wahr, über welche er drüber schießen müsse. Obwohl er sich gut zuspreche, seine Gedanken ordne und sich sage, dass es sich nur um ein Spray handelt, habe er große Schwierigkeiten mit dieser neuen Art der Freistoßpunktmarkierung.

An den spielfreien Tagen haben die Teams, abgesehen von ihrem Pflichttrainingsprogramm, genügend Zeit übrig. Manche Spieler bleiben darum noch länger auf dem Trainingsplatz, um untereinander kleine Wettkämpfe zu machen. So gab es schon mehrere Videos im Internet zu sehen, in denen sich zeigte, dass verschiedene niederländische Spieler einen Freistoß Wettkampf ausgefochten haben. Einer nach dem anderen schoss einen erfolgreichen Freistoß. Dieses Video zeigt uns, dass genau wie beim Elfmeterschießenjeder Profifußballer technisch in der Lage ist, einen Freistoß erfolgreich ins Tor zu schießen.

Die Standardsituation verändert sich

Durch die Einführung des Freistoß-Sprays gibt es jetzt allerdings eine veränderte Standardsituation. Da Spieler Freistöße, egal ob während des Trainings oder des Spiels, bisher immer ohne Spray geschossen haben, haben sie sich auch einen bestimmten Ablauf angewöhnt. Das wohl bekannteste Beispiel ist der Anlauf von Cristiano Ronaldo. Das genaue Zählen der Schritte und seine weit auseinander stehenden Beine sind sein typischer Ablauf. Diesen bestimmten Ablauf muss der Spieler jetzt, also mit dem Freistoß-Spray, für sich neu formulieren und einüben. Der typische Ablauf wird in der Sportpsychologie als ein mentales Drehbuch beschrieben. Unter anderem das Zählen der Schritte, aber auch mit sich selber zu reden, sind spezifische Merkmale der Art und Weise, wie man sich ein mentales Drehbuch aneignen kann. Dieses Drehbuch muss jetzt erweitert werden, da das neue Spray das bisherige Drehbuch bzw. den bisherigen Ablauf beeinflusst. Der wichtigste Anhaltspunkt ist noch immer, dass der Spieler sich auf den Ball fokussieren muss.

Ein Spieler, der große Schwierigkeiten mit dem Spray hat, sollte probieren, dem Spray so wenig Aufmerksamkeit wie möglich zukommen zu lassen. Denn sobald der Spieler seine Konzentration auf das Spray lenkt, dass in diesem Fall für ihn neu und ungewohnt ist, besteht die Gefahr, dass in dem Spiel negative Gedanken entstehen. Das Spray als eine Mauer oder es als eine Behinderung zu sehen, sind mögliche negative und störende Gedanken, wie bereits von Sneijder beschrieben. Um diese zu vermeiden, ist es wichtig, dass der Spieler in seinem mentalen Drehbuch einen extra Knotenpunkt aufnimmt. So kann der Spieler für sich visualisieren, wo genau er den Ball treffen möchte, um sich dann, bevor er schießt, nur auf diese Stelle zu konzentrieren. Es empfiehlt sich aus sportpsychologischer Perspektive, dies während des Trainings, zu einer bestimmten Zeit und in Ruhe, immer wieder zu üben. Somit würde der Spieler bereits im Training mit dem Spray konfrontiert und er könnte sein Drehbuch üben. Nach erfolgreichem Training ist der Spieler in der Lage, diese visualisierte Mauer zu durchbrechen und trotz Freistoß-Sprays bei Freistößen erfolgreich zu sein.

 

Literaturverzeichnis:

Alfermann, D., & Stoll, O. (2010). Sportpsychologie: Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Meyer & Meyer Verlag.

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Katharina Petereit: Das Team nach Neymar

Neymars WM ist beendet, aber das Turnier geht weiter. In den vergangenen Tagen beherrschte zwar noch die Verletzung des Stars der Selecao die Sportseiten und jegliche WM-News – brasilianische Fernsehsender unterbrachen in der Samstagnacht sogar ihr Programm, um live aus dem Krankenhaus zu berichten. Doch im WM-Halbfinale am Dienstag gegen Deutschland läuft Brasilien ohne den Hoffnungsträger des gesamten Landes auf. Was kommt nun auf das Team zu und liegt im Fehlen des Überspielers sogar eine Chance?

Zum Thema: Wie wirkt sich Neymars Verlust auf das brasilianische Team aus?

Das gesamte brasilianische Team war nach der Verletzung in den Schlussminuten des WM-Viertelfinals gegen Kolumbien niedergeschlagen und mit den Gedanken bei Neymar. Jetzt kommt es allerdings darauf an, dass sich alle Beteiligten wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Und das ist das WM-Halbfinale gegen Deutschland. Sie müssen den nicht sportlich bedingten Ausfall eines Einzelnen abhaken, als Mannschaft agieren und sich auf ihre eigenen Fähigkeiten konzentrieren. Es ist wichtig, dass die Spieler versuchen, ihre Emotionen zu kontrollieren und die unveränderbare Situation als Herausforderung und vielleicht sogar als Chance zu sehen.

Grundsätzlich muss im Fall der Brasilianer Abstand zu ihren Gefühlen her. Nicht erst beim Elfmeterschießen im Achtelfinale gegen Chile wurde deutlich, wie stark das Heim-Team der Weltmeisterschaft unter dem eigenen Erwartungsdruck – und dem der 200 Millionen Brasilianer – leidet.

Emotionen kontrollieren und Rollen neu verteilen

Für das Halbfinale fehlen neben Neymar auch Willian und Abwehrchef Thiago Silva. Voraussichtlich kommen Spieler zu ihren ersten WM-Einsätzen, möglicherweise wird sich auch die Taktik der Brasilianer ändern und die Aufgaben innerhalb des Teams werden neu verteilt. Alles Veränderungen, die in kürzester Zeit von statten gehen müssen, da zwischen dem Viertel- und Halbfinale nur drei Tage zur Verfügung stehen. Wenn aber die Umverteilung der Aufgaben im Team gelingt, die Rollen klar definiert werden und die individuellen und kollektiven Fähigkeiten bewusst gemacht werden können, lässt sich diese überaus kritische Situation meistern. Ein wesentlicher Punkt dabei ist, dass sich alle der Situation annehmen, ohne Neymar spielen zu müssen, und sich dieser bewusst durch konkrete Handlungsanweisungen stellen. Denn beeinflussbar und kontrollierbar ist nur ihre Aufgabe, das Spiel gegen Deutschland zu gewinnen.

Am Ende kommen also viele Aufgaben auf die brasilianische Mannschaft zu, die definitiv nicht leicht zu bewältigen sind. Werden aber die richtigen Schlüsse gezogen, erwartet das deutsche Team ein sehr schwerer Gegner, der in allen Belangen viel komplizierter auszurechnen ist als er noch bis vor Neymars Verletzung war.

 

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Prof. Dr. Oliver Stoll: Brasiliens Feuerwehr

Bis zum Viertelfinale gegen Kolumbien wirkten die Brasilianer bei ihrer Heim-WM sichtlich verkrampft. Nach dem erst im Elfmeterschießen gewonnenen Achtelfinale gegen Chile wurde bekannt, dass kurzfristig eine Sportpsychologin für das Team organisiert worden sei. Aufgabenstellung: Die brasilianische Mannschaft solle von dem immensen Druck befreit werden, der die Spieler von Trainer Felipe Scolari lähme. Mit der Brasilianerin Regina Brandao arbeitet der erfolgreiche Trainer schon seit 20 Jahren zusammen, allerdings nicht regelmäßig. Weltstars, wie der im Viertelfinale schwer verletzt ausgeschiedene Neymar, waren nach den ersten Gesprächen voll des Lobes und bekannten, bislang noch nie mit einem Sportpsychologen zu tun gehabt zu haben.

Zum Thema: Der Sportpsychologe als „Feuerwehr“ ist keine funktionierende Funktion

Oftmals werden Sportpsychologen erst dann „engagiert“, wenn eigentlich schon alles zu spät ist. Auch in meiner eigenen sportpsychologischen Praxis werde ich oftmals aus einer solchen Situation heraus angerufen. Es gibt nicht wirklich viele Situationen, in denen Sportpsychologen kurzfristig – also akut – wirklich wirksam werden können. In den allermeisten Fällen ist dies eher zum Scheitern verurteilt.

Sportpsychologisches Training zeichnet sich durch ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen aus. Dabei spielt eine Eingangsdiagnostik eine zentrale Rolle, um ein Problem- und/oder Optimierungsfeld erst einem klar erkennen zu können. Im Anschluss daran wird – mitunter auch gemeinsam mit Trainer – auf alle Fälle aber mit dem Athleten ein sportpsychologisches Trainingsprogramm entwickelt, welches dann umgesetzt wird. Abschließend erfolgt auch immer eine Erfolgskontrolle.

Dabei heißt „Erfolg“ nicht zwingend, dass im Anschluss an das sportpsychologische Training eine Medaille gewonnen oder ein Spiel gewonnen wird. Psychologische Wirksamkeitskriterien sind sehr viel komplexer und basieren oftmals auf lediglich einer positiven Wahrnehmung dieses Trainings aus Sicht des Athleten. Es liegt auf der Hand, dass sich dieser Prozess nicht in zwei bis drei Tagen umsetzen lässt. Auch wenn man eine sportpsychologische Maßnahme lediglich auf einen Coachingprozess reduziert, laufen diese „Feuerwehrmaßnahmen“ zumeist ins Leere, denn es dauert mehrere Tage, bis ein Sportpsychologe die Spieler und Offiziellen einer Mannschaft kennen gelernt, Vertrauen aufgebaut und auch das Umfeld verstanden hat, in dem eine Problemlage entstanden ist. Oftmals ist nicht ein Problem bedeutsam, dass ein einzelner Athlet hat, sondern es ist das direkte soziale Umfeld, das für ein Problem verantwortlich ist und in einem solchen Fall müssen eher systemische Lösungen her. Auch diese Methoden lassen sich nicht in drei bis vier Tagen umsetzen.

Nervenstarkes Deutschland

Seit einige wenigen Jahren wird gerade in Deutschland deutlich mehr Wert auf eine sehr frühe sportpsychologische Ausbildung der Athleten Wert gelegt. Hier erlernen 12- bis 14-jährige Athletinnen Grundlagen der Regulierung ihrer Nervosität sowie ihrer Gefühle sowie Trainingsverfahren (hauptsächlich unter Nutzung ihrer „Vorstellungsfähigkeit“), die ihnen helfen, neue Bewegungsmuster zu erlernen oder vorhandene zu stabilisieren. In Deutschland hat man das erkannt. Nicht nur der Deutsche Fußball Bund macht eine sportpsychologische Betreuungs- und Beratungsmöglichkeit zur Förderung von Leistungszentren als Pflichtkriterium zur Auflage. Auch in anderen Sportspitzenverbänden wird mittlerweile auf eine gute und nachhaltige sportpsychologische Ausbildung schon im Nachwuchsbereich Wert gelegt. In der aktuellen Berichterstattung von der Fußball-WM ist dies durchaus abzulesen: Denn international wird Joachim Löws Mannschaft für ihre „Nervenstärke“ gelobt. Daran hat der seit 2004 ständig mit der Nationalmannschaft arbeitende Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann sicher einen Anteil.

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Die-Sportpsychologen.de wird Teil vom 1530blog

Ende Juni startete der Axel-Springer-Verlag mit dem 1530blog ein in dieser Dimension bislang in Deutschland einzigartiges Online Projekt: Auf dieser Seite, einem sogenannten Blog-Aggretagtor, sollen zukünftig Beiträge diverser Fußball-Blogs dargestellt und verbreitet werden. Neben den etablierten Blogs wie spielverlagerung.de, Gegen den Ball, Stehplatzhelden, Sportpassion oder Sportradio 360 erhalten auch Die-Sportpsychologen.de kurz nach Start der Plattform den Gold-Status. Diese Wertung führt dazu, dass zukünftig ausgewählte Inhalte von Die-Sportpsychologen.de einer sehr großen und täglich wachsenden Zielgruppe zugänglich werden.

 

Mathias Liebing, Redaktionsleiter von Die-Sportpsychologen.de: „Wir sind mit dem Ziel gestartet, das Thema Sportpsychologie in den alltäglichen Diskurs zwischen Athleten, Trainern, Funktionären, Fans und der Presse zu bringen. Diese hervorgehobene Darstellung im 1530blog ist also hervorragend. Gerade einmal einen Monat nach dem Start unserer Seite hätte ich mit einem solchen Erfolg noch nicht gerechnet.“

 

 


 

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Ruud Vreuls: Das Kapital auf der Bank

Schon vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft machte Bundestrainer Joachim Löw klar, dass für ihn die Auswechselspieler im Turnier von enormer Bedeutung seien. In den DFB-Pressekonferenzen war sogar die Rede von einer „ersten 14“ anstelle einer „erster Elf“. Während der WM bewahrheitet sich Löws These durchaus: André Schürrle ist aus deutscher Sicht nur ein Beispiel. Verwiesen sei auch auf Viertelfinalteilnehmer wie Belgien oder die Niederlande, die gern und ganz bewusst Impulse von der Bank bringen. 

Zum Thema: Wie sollte der richtige Umgang mit Wechselspielern aussehen?

Eine Fußball-Weltmeisterschaft bietet besondere Rahmenbedingungen. Denn zum einen ist bei allen Teilnehmernationen das öffentliche Interesse extrem hoch, zum anderen starten die Nationalteams auch mit sehr großen Kadern, so dass elf Spielern in der Startformation zwölf Ersatzkräfte gegenüberstehen. Bundestrainer Löws Äußerungen zur Bedeutung der Auswechselspieler müssen also nicht nur in taktischer und physischer Tiefe interpretiert werden, sondern dürfen auch als sportpsychologischer Fingerzeig verstanden werden.

Bekannt wurde auch, dass Löw und sein Funktionsteam inklusive des Sportpsychologen Hans-Dieter Herrmann bereits in der Vorbereitung intensiv daran gearbeitet haben, ein Lagerdenken, z.B. zwischen Spielern verschiedener Clubs, zu verhindern. Stattdessen wurde im Sinne des Gruppenzusammenhalts (Kohäsion) ein gemeinsames Ziel formuliert, welches offenkundig bislang von allen Beteiligten getragen wird – zumindest sind nach außen keinerlei Fehlhandlungen oder negative Signale zu vernehmen, sehen wir von Sami Khediras Äußerungen nach dem USA-Spiel ab, bei welchem er auf der Bank saß.

Nichtsdestoweniger ist für die Teamleistung auch die Konkurrenzsituation unverzichtbar, um die Leistungsbereitschaft des Einzelnen anzutreiben. Die Durchlässigkeit, die Löw allen Spielern des WM-Tross für bestimmte Situationen, in denen spezielle Akteure benötigt werden, versprach, wirkt hier als Verstärker. Zusätzlich wird in der Theorie darauf verwiesen, dass es ratsam sei, den Ergänzungsspielern spezielle Aufgaben zuzuweisen und insgesamt gleich viel Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Bundestrainer Löw ist diesbezüglich bislang geschickt und bemüht sich merklich, bei jeder passenden Gelegenheit die Bedeutung aller seiner Spieler in Taten oder in Worten zu betonen. Schließlich kann ihre Zeit während der WM noch kommen, sofern es für die Mannschaft weit genug geht.

Literaturverzeichnis:

Alfermann, D., & Stoll, O. (2010). Sportpsychologie: Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Meyer & Meyer Verlag.

Rheinberg, F., & Vollmeyer, R. (2012). Motivation. Verlag W. Kohlhammer.      

 

 

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Christian Reinhardt: Mesut Özils Körpersprache

Es ist keine einfache Zeit für Mesut Özil. Spätestens seit dem vergebenen Elfmeter im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League im Trikot von Arsenal London gegen Bayern München wird er deutlich, allen voran von Seiten der englischen Medien, kritisiert. Bei der Fußball-Weltmeisterschaft steht er nach durchwachsenen Auftritten, so auch im Achtelfinale gegen Algerien, von Fans und Journalisten quasi noch „unter Beobachtung“. Die Kritik an Özil fokussiert sich dabei vor allem auf seine Körpersprache. Häufig lässt er die Schultern hängen, senkt den Kopf und Blickt auf den Boden. Im Ergebnis wirkt er unsicher, lust- und teilnahmslos.  

In einem Interview in der Süddeutschen Zeitung kündigte Özil an, dass er seine Körpersprache verändern will. Im Gespräch führt er aus, dass er Perfektionist sei und sich eben über jedes schief gegangene Detail ärgere – und dies trotz des Wissens, dass ihm ein solches Verhalten eigene Stärke nimmt. Hilfe von außen lehnt er ab. Er rede darüber nur mit den Trainern, sagte Özil, und sehe auf Bildern ja selbst, wie er wirke.

Zum Thema: Wieso ist die Körpersprache im Fußball so entscheidend? 

Unsere Körpersprache berichtet der Außenwelt konstant und zuverlässig von unserem Innenleben. Ohne diese nonverbale Kommunikation wären unsere täglichen sozialen Beziehungen nicht möglich. Grundsätzlich ist die Körpersprache also eine wichtig menschliche Verständigungsmöglichkeit. In einer Wettbewerbssituation ist es allerdings nicht immer vorteilhaft, sein psychisches Erleben offen nach außen zu kehren. Zwischen dem psychischen Erleben von Personen besteht immer eine Wechselwirkung. Zeige ich durch meine Körpersprache, dass ich ängstlich bin, wird mein Gegner sehr wahrscheinlich sicherer und umgekehrt. Diese Wirkung beschränkt sich jedoch nicht nur auf den Konkurrenten. Auch die Mitspieler werden die körperlichen Signale Özils wahrnehmen. Ähnlich ergeht es den Fans, die ihren einstigen Liebling daher nach den Testspielen gegen Chile und Kamerun auspfiffen.

Wie eine aktuelle Studie aus dem Fußball (Furley, Dicks & Memmert, 2012) zeigt, verursacht ein sicheres, dominantes Auftreten ein unsicheres, unterwürfiges Erleben beim Gegenüber. Die Forscher  konnten zeigen, dass die Erfolgserwartung bei Torhütern deutlich sank, wenn sie einem dominant auftretenden Elfmeterschützen gegenüberstanden, da sie dessen Qualität höher als bei einem unterwürfigen Schützen einschätzten. Die Dominanz bewirkt eine Einschüchterung, so dass der Torwart seine Leistung nicht voll abrufen kann und ihre niedrigere Erfolgserwartung zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wurde. Dominanz wurde übrigens durch eine herausgestreckte Brust, einen breitbeinigen Stand und einen erhobenen Kopf dargestellt, während unterwürfige Spieler durch  einen gesenkten Kopf und hängende Schultern simuliert wurden. Eben jene Körpersprache, die Mesut Özil in letzter Zeit vorgeworfen wurde. Dieser Effekt in der Elfmetersituation ist auf jede beliebige Spielsituation übertragbar.

Amerikanisches Sprichwort: „Fake it till you make it“

Es ist daher für einen Leistungssportler eine wichtige Fähigkeit, seine Körpersprache zu beherrschen. Aber: Niemand kann immer sicher und selbstbewusst sein. Man kann jedoch immer so wirken, was letztlich oft den gleichen Effekt hat. Im amerikanischen Raum gibt es in diesem Zusammenhang das Sprichwort „Fake it till you make it“. Das körperlich vorgetäuschte Selbstbewusstsein hat neben der angesprochenen Wirkung auf andere nämlich noch einen weiteren Effekt: wie bereits erwähnt bildet die Körpersprache das psychische Erleben ab. Wenn man nun die Körpersprache verändert, beeinflusst das umgekehrt auch das Innenleben.

Das ist allerdings sehr viel einfacher gesagt als getan. Unsere Körpersprache ist uns meist nicht bewusst. Jeder kennt den Moment, in dem man sich unerwartet im Spiegel oder z.B. einem Schaufenster sieht. Nach einer kurzen Schrecksekunde richten wir uns auf, heben den Blick und schieben die Brust raus, um unmittelbar nach dem Abwenden von unserem Konterfei wieder in die Ausgangshaltung zu verfallen. Um die Körpersprache zu steuern, müssen wir sie uns bewusst machen, also Aufmerksamkeitskapazitäten frei räumen. Das ist wiederum sehr problematisch in Sportarten, die die mentalen Kapazitäten voll in Anspruch nehmen. Der Schlüssel besteht daher darin, die positive Körpersprache zu trainieren (im Training, im Alltag, in Spielsituationen etc.). Es empfiehlt sich, ein Bild für das eigene selbstbewusste Auftreten zu entwickeln und es mit einem Codewort zu versehen („Maschine“, „Power“…). Dieses Bild kann auch in der Mannschaft besprochen werden, so dass sich die Spieler gegenseitig coachen können. Das permanente Training führt dazu, dass sich stabile Handlungsroutinen bilden, die im Spiel automatisch abgerufen werden können.

Zur Unterstützung der non-verbalen Kommunikation ist die verbale Kommunikation sinnvoll. Eine weitere Möglichkeit für Özil besteht daher darin, auf dem Platz mehr zu dirigieren. Wenn man in einem vollen WM-Stadion einem Mitspieler eine Anweisung zurufen will, nimmt man automatisch eine aufrechtere Haltung ein (tief Luft holen, Platz für das Zwerchfell). Gleichzeitig ist man voll auf das Spielgeschehen fokussiert und so von störenden Gedanken (z.B. Selbstzweifeln) abgelenkt, die ggf. die Körpersprache negativ beeinflussen.

Langwierige Aufgabe für Özil

Helfen könnte Özil natürlich, dass er gegen Algerien den letztlich entscheidenden Treffer erzielte. Dennoch verfiel er auch im Achtelfinale immer wieder in das kritisierte Muster, so beispielsweise direkt vor André Schürrles wegweisendem 1:0. Özil ging weit in der algerischen Hälfte sichtlich halbherzig in einen Defensiv-Zweikampf und wurde, nachdem der Ball wenige Meter hinter ihm gewonnen wurde, von mehreren Mitspielern im Angriffswirbel übersprintet.

Özil steht also, wenn er seine Defizite an der Körpersprache tatsächlich beheben will, vor einer Aufgabe, die über diese Weltmeisterschaft hinausgeht. Die Zielstellung lautet dann Selbstbewusstsein: Denn wer tatsächlich selbstbewusst ist, muss seine Körpersprache (fast) nicht steuern.

 

Literatur:

Furley, P., Dicks, M. & Memmert, D. (2012). Nonverbal Behavior in Soccer: The influence of Dominant and Submissive Body Language on the Impression Formation and Expectancy of Success of Soccer Players. Journal of Sport & Exercise Psychology, 34, 61-82.

 

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Ruud Vreuls: Hero oder Zero im Elfmeterschießen?

Die ersten Achtelfinal-Begegnungen sind bei der Fußball-WM gespielt und bereits das erste Spiel Brasilien gegen Chile bot pures Drama. Der Gastgeber Brasilien setzte sich mit viel Glück gegen die Elf aus Chile durch, dies allerdings erst nach Elfmeterschießen. Der entscheidende Elfmeter wurde durch den Chilenen Jara nicht verwandelt, damit zog Brasilien ins Viertelfinale ein.

Zum Thema: Ist das Elfmeterschießen trainierbar?

Manche Fußball-Experten behaupten immer noch, dass Elfmeterschießen nur eine reine Glückssache sei und nichts mit fußballerischen Fähigkeiten zu tun habe. Allerdings steht fest, dass derjenige, der Weltmeister werden will, auch solche speziellen Situationen meistern können muss. Durch die gesammelten Daten von mehreren Jahrzehnten „Fußballforschung“ sind wird in der Lage, zu definieren, wo genau ein Ball für den Torwart unhaltbar ist. Trotz dieses theoretischen Wissens gelang es dem Chilenen Jara nicht, den Ball zu verwandeln – ganz im Gegenteil zu Klaas-Jan Huntelaar, der während seines Elfmeters in der Nachspielzeit des Achtelfinals gegen Mexiko mit seinem Tor die Niederlande ins Viertelfinale gebracht hat.

Enormer Druck 

Für beide Spieler war der Druck in der jeweiligen Elfmetersituation enorm. Was entscheidet nun aber, ob man ein Hero und somit der Star seiner Mannschaft wird oder derjenige, der quasi Schuld an der Niederlage hat und damit zum Zero wird? Wie schon im Leitartikel über Elfmeter von Nils Gatzmaga, Link zum Die-Sportpsychologen-Leitartikel, ausführlich beschrieben wurde, ist ein Elfmeter mental trainierbar. Genau wie im Training Freistöße geübt, sollten auch Elfmeter trainiert werden – und dies am besten in Situationen, in denen Druck kreiert wird.  Sehr aktuell ist in diesem Fall dann auch die Situation der Engländer, die allein für das Elfmeterschießen einen Sportpsychologen verpflichtet haben, um dies nicht nur körperlich, sondern vor allem auch mental zu trainieren. Weiterhin beschreibt Gatzmaga, dass ein Elfmeter mit Glück nichts zu tun hat. Eine solche Situation sollte eher als Routine gesehen, statt als Druck bewertet werden, damit die blockierenden Gedanken auf das Ergebnis so wenig Einfluss wie möglich haben.

Spannung pur

Gleich nach dem verschossenen Elfmeter von Jara war im WM-Achtelfinale zu sehen, in welchen unterschiedlichen Welten der Chilene und der brasilianische Superstar Neymar sich in diesem Moment befanden. Beide hatten mit Emotionen zu kämpfen, allerdings war Neymar nach seinem erfolgreichen Elfmeter im Gegensatz zu Jara überglücklich. Deutlich war zu sehen, dass auch der Star von Brasilien seine Emotionen nicht mehr kontrollieren konnte.

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Diese Spannung, die selbst daheim vor dem Fernseher spürbar war, hat nicht nur Einfluss auf den Körper, sondern auch auf die Psyche. Neymar war nicht der einzige Brasilianer, der seinen Emotionen freien Lauf gelassen hat. Júlio César, genau dieser Torhüter der nach dem WM-Aus 2010 von der ganzen Nation als Zero bezeichnet wurde, ist jetzt Brasiliens Hero. In seinem Interview, während dessen er in seinem emotionalen Zustand deutlich Schwierigkeiten hatte zu reden, betonte er, dass er besonders nach all der Kritik an seiner Person nach 2010 froh sei, dass Brasilien weiter gekommen ist.

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Vor allem hoffe er, dass die Brasilianer ihn jetzt als Hero sehen und nicht mehr als Zero. Leider wird jetzt der Chilene Jara erst einmal mit diesem Status leben müssen. Ob man letztendlich durch einen Elfmeter zum Hero oder Zero wird, hat also nichts mit Glück zu tun, sondern dem Ausmaß in dem man körperlich, aber auch mental auf diese vorbereitet ist.

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Philippe Müller: Mental erholt in der K.O-Runde

Die Fußball-WM in Brasilien verlangt von den Spielern alles ab. Die Anfahrtswege sind lang, die klimatischen Verhältnisse schwierig und das fußballerische Niveau sehr hoch. Nach den Strapazen der Gruppenspiele heißt es für die sechzehn verbliebenen Mannschaften, sich schnellst möglich zu regenerieren.

Zum Thema: Wie wichtig ist die mentale Regeneration?

Der Energieverbrauch unter den außergewöhnlichen klimatischen Bedingungen ist hoch. Die Spiele werden intensiv geführt. Körperliche Müdigkeitserscheinungen kommen zum Vorschein. An den spielfreien Tagen müssen die Leistungsreserven des Körpers wieder aufgeladen werden. Doch nicht nur die Physis, sondern auch die Psyche muss sich von den Belastungen erholen.

Die Anforderungen an einen Fußballspieler sind in den letzten Jahren gestiegen. Nebst der physischen und technischen Stärke muss ein Spieler die taktischen Vorgaben des Trainers umsetzen können. Mit Köpfchen spielen ist angesagt. In der Vorbereitung auf ein Spiel wird der Gegner bis ins kleinste Detail analysiert. Jeder Spieler bekommt seine Anweisungen, wie er zu agieren hat. Die taktischen Vorgaben müssen von ihm nicht nur aufgenommen werden, sondern er muss diese unter Druck im Spiel abrufen können. Zudem muss er Spielsituationen antizipieren, verarbeiten und passende Lösungen finden können. Der hohe Druck löst Emotionen aus, die auf dem Spielfeld kontrolliert werden müssen. Wie der bisherige Verlauf gezeigt hat, gelang dies nicht jedem Spieler.

Mentale Müdigkeit kann unterschiedliche Effekte haben. Ein müder Kopf kann zur Verlangsamung der Informationsverarbeitung, Reaktionsverzögerung, Motivationsverlust, emotionalem Kontrollverlust sowie Konzentrationsabfall führen. Um diesen negativen Erscheinungen entgegen zu wirken, ist die Regeneration von großer Bedeutung.

Die Psyche weist eine längere Erholungszeit auf als die Wiederherstellung der körperlichen Leistungsreserven. Dies erschwert die Planung für den Trainer. Damit die körperliche Leistungsfähigkeit nicht bereits wieder abnimmt, sollte das Training wieder aufgenommen werden, bevor die psychische Regeneration abgeschlossen ist. Je weiter die mentale Regeneration zu diesem Zeitpunkt fortgeschritten ist, desto besser. Es empfiehlt sich, die Erholungsphase aktiv durch geeignete psychologische Methoden zu unterstützen.

Von zentraler Bedeutung ist der Schlaf. Zu mancher Überraschung bedarf guter Schlaf einer guten Planung. Zum Beispiel hat die Regelmäßigkeit einen großen Einfluss auf die Schlafqualität. Auch die Aktivitäten – z.B. Essen, Fernsehen oder Barbesuch – vor dem Schlafengehen, tragen ihren Teil bei. Zudem kann die Regeneration durch Entspannungsverfahren unterstützt werden. Eine große Anzahl an Methoden stehen dabei zur Verfügung (z.B. progressive Muskelrelaxation, autogenes Training, Yoga, Qigong). Ein letzter wichtiger Punkt stellt die Zeit neben dem Fußball dar. Die Freizeit sollte ebenfalls zur Erholung beitragen. Den Kopf frei machen und einmal an etwas anderes als Fußball denken, steht im Vordergrund. Zum Beispiel ermöglicht der Austausch über soziale Medien den abgeschotteten Spielern mit der Außenwelt zu kommunizieren.

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Pasha Rozenberg: Die Sportpsychologie sichert das Betriebssystem des Sportlers

Pasha Rozenberg war einer der besten deutschen Wasserspringer. 2012 beendete er seine Karriere. Beginnend mit den Vorbereitungen zu den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde er als Mitglied der Olympia-Mannschaft von Prof. Dr. Oliver Stoll sportpsychologisch begleitet. Mittlerweile lebt und arbeitet Pasha Rozenberg in der Schweiz.

Für die-sportpsychologen.de berichtet:

Pasha Rozenberg

– Mehrfacher Deutscher Meister; 5. und 6. Platz bei den Olympischen Spielen in Beijing; Bronze Medaille Europameisterschaften 1m; Bronze Medaille Weltmeisterschaften 1m; Mehrfache Medaillen International Diving Grand Prix

 

Vor zwei Jahren habe ich mit dem Leistungssport aufgehört. Inzwischen bin ich 31 Jahre jung und habe davon 22 Jahre Wasserspringen betrieben.

Früher oder später erlebt jeder Sportler die Bedeutung des Wortes Psychologie im Zusammenhang mit der sportlichen Leistung, also die Sportpsychologie. In meinem Fall ist dies bereits im Alter zwischen 14 und 15 passiert. Mein Vater, der gleichzeitig mit Trainer war, hat mir vom Autogenen Training erzählt. Er zeigte mir dann einen Artikel, auf dessen Grundlage ich üben sollte. Ich habe dann versucht, die eine oder andere Technik des Autogenen Trainings anzuwenden, was mit relativ leicht gelangen. Sich zu entspannen, mal die Wärme von einer Extremität zur anderen wandern lassen, die Atmung „zu beobachten“, sich vorzustellen, wie eine Extremität schwerer wird als die andere und so weiter.

Leider wurde mir dies irgendwann langweilig und ich habe es sein lassen. Nichtsdestotrotz habe ich, ohne es wahrzunehmen, weiter die Elemente der Sportpsychologie im alltäglichen Training geübt und verbessert. So bin ich allein darauf gekommen, mit Schlüsselwörtern zu arbeiten. Die erwachsenen Sportler haben mir immer gesagt, ich solle mir vor dem Sprung, den Sprung im Kopf vorstellen – allerdings sagten sie mir nicht, wie ich das anstellen könne. Irgendwann war ich dann nicht nur in der Lage, mir den Sprung mental vorzustellen, sondern auch die Schwerkraft dabei zu fühlen. Die Vorstellungen waren so real, dass ich auch manchmal außerhalb des Schwimmbades trainieren konnte.

Kurze Kommandos

Nun zu den Schlüsselwörtern: Das waren gezielte und lautlose Kommandos zu mir selbst, quasi zur Beachtung der technischen Elementen des Sprunges. Mein Trainer hat mir immer wieder irgendwelche Fehler genannt. Aber die Sätze waren viel zu lang, um sie im Kopf während oder vor der Imitation mir selbst anzusagen, also habe ich die Anweisungen immer abgekürzt, bis aus einem Satz ein Wort geworden ist.  So wurde zum Beispiel aus dem Satz: „Während des Absprungs Arme schneller nach oben führen“ ein einfaches „Arme“.

Die Kommandos habe ich mir sowohl bei der mentalen Sprungvorstellung gegeben als auch im realen Sprung. Sie waren kurz und haben mich ganz genau daran erinnert und darauf hingewiesen, was ich machen sollte.  Das war so wie ein Step-by-Step-Ablauf, nach einer Bewegung folgt die andere, nach einem Kommando folgt das andere. Nichts ging durcheinander. Das hört sich zwar etwas komisch an, aber wenn die Bewegungsabläufe sehr komplex sind, ist es sehr wichtig, die bestimmte Reihenfolge zu beachten. Die Selbstinstruktionen haben mir dabei sehr geholfen.

Als Sportler habe ich bei den mentalen Imitationen und Vorstellungen immer aus der Perspektive der ersten Person gearbeitet. Es gibt auch sehr viele, die dies aus der Dritten Person tun. Ich kann nicht sagen, was mehr oder weniger effektiv ist – hier sollte jeder Sportler das bevorzugen, womit er sich wohler fühlt.

Hilfreiche Selbstgespräche

Zudem haben mir Selbstgespräche sehr geholfen. Wenn ich mir den Ablauf (sei es im Sportlerleben oder privat) einer Handlung logisch nachvollziehbar erklären konnte, hat es mir sehr viel innere Ruhe gegeben und ich konnte mich viel besser auf den Prozess fokussieren. Also Selbstinstruktionen/-gespräche habe ich intuitiv irgendwann im Trainingsprozess eingeführt und dann täglich benutzt. Besonders, wenn ich in schlechter Form war, musste ich die Instruktionen sehr präzise geben.

Es ist ziemlich offensichtlich, dass die Sportpsychologie in allen Belangen und in jedem einzelnen Detail ein sehr mächtiges und sogar notwendiges Werkzeug ist. Dazu kommt mir ein Vergleich in den Sinn: Ein PC kann einen aktuellen und schnellen Prozessor und einen riesigen Speicher haben. Aber wenn das Betriebssystem wacklig ist, können wir vom PC nicht profitieren. Wir würden also versuchen, ihn zu reparieren, ohne genau zu wissen, wo das ursächliche Problem liegt.

Die Sportpsychologie ist ein Werkzeug, dass das Betriebssystem einer Sportlers in einen optimalen und leistungsfähigen Zustand bringt. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Teil  des Mechanismus ausfällt. Aus meiner Sicht sollte ein Sportler sich sowohl physisch, technisch als auch mental (psychisch) entwickeln – je ausgewogener dieses Dreieck ist, desto großer sind am Ende die Siegchancen.

 

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