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Prof. Dr. Oliver Stoll: Stigma Homosexualität im Fußball

“Schwulencombo”. Dieses Beinamen handelte sich 2010 die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ein. Michael Becker, der einstige Ballack-Berater, geiferte damals in Richtung Bundestrainer Joachim Löw und dessen Nationalspieler. Den Ruf, dass Löw auf Männer stehe und im Kreise der Nationalmannschaft einige  Homosexuelle zu finden  wären, ist sogar schon älter. Unter Sportjournalisten sollen sogar Wetten laufen, wer diese eingangs erwähnten “Combo” angehöre. Aber wo, bitte sehr, ist denn eigentlich das Problem? Diese Frage stellt Prof. Dr. Oliver Stoll in seinem Leitartikel, in dem er sich dem Stigma Homosexulaität widmet. Interessant sind dabei fundamental unterschiedliche Blickwinkel innerhalb der Sportwelt und die Betonung, dass unheterosexuelle Fähigkeiten für den Teamerfolg nicht irrelevant seien. Möglicherweise hatte ja sogar der Weltmeistertitel 2014 in Brasilien den ein oder anderen homosexuellen Vater…

Für die-sportpsychologen.de berichtet Prof. Dr. Oliver Stoll:

Wir haben es bei diesem Problem, was eigentlich gar keines mehr sein sollte, klassischerweise mit einem Stigmatisierungsprozess zu tun. Unter Stigmatisierung wird in der Soziologie ein Prozess verstanden, durch den Individuen bestimmte andere Individuen in eine bestimmte Kategorie von Positionsinhabern einordnen. Dies geschieht durch Zuschreibung von Merkmalen und Eigenschaften, die diskreditierbar sind oder aber durch Diskreditierung bereits vorhandener, sichtbarer Merkmale und Eigenschaften (Goffman, 1963). Einem homosexuellen Fußballer werden also ganz spezifische Eigenschaften und Merkmale zugeordnet, die in einem offensichtlichen Widerspruch zum Leistungssport stehen – wie z.B. „Weiblichkeit“ und die damit in der Gesellschaft weit verbreiteten Grundannahmen zur Rolle und zu den Eigenschaften einer Frau. Hinzu kommt noch eine Bewertung sehr persönlicher und privater Art, nämlich die Annahme, dass diese Spieler z.B. bestimmte sexuelle Praktiken bevorzugen, die in unserer eher „abendländisch“ geprägten Weltsicht nicht mit den Werten und Normen dieser Gesellschaft einhergehen. Wie schon angedeutet, es geht hier nicht um die Realität, sondern lediglich um eine Zuschreibung solcher Merkmale oder Eigenschaften.

Andere Sportarten, andere Welten

Wenn dann also eine Person oder eine Gruppe von Personen von anderen durch gesellschaftlich oder gruppenspezifisch negativ bewertete Merkmale charakterisiert werden, werden sie selbstverständlich dadurch in sozialer Hinsicht diskriminiert. Ein Stigma ist eine unerwünschte Andersheit gegenüber dem, was wir erwartet hätten und es ist also damit auch eine Verallgemeinerung einer spezifischen Handlung oder Eigenheit einer Person auf deren Gesamtcharakter. Dabei bewirkt das Stigma einen Status der Person, der gegenüber ihren übrigen Eigenschaften hervorsticht (Goffman, 1974). Oder anders ausgedrückt: Einem homosexuellen Fußballer werden ganz spezifische negative Merkmale (siehe weiter oben) zugeschrieben. Damit wird er automatisch sozial diskriminiert und viel schlimmer noch: Diese nicht erwartete „Andersartigkeit“ wird auf seinen gesamten Charakter verallgemeinert.  Und genau das ist das Problem. In den allermeisten Fällen ein krasser „Fehlschluss“, der immer dann zuschlägt, wenn man sich genau diesem Problem nicht bewusst ist. Einige Sportler, die sich in der Regel erst nach ihrer Karriere „geoutet“ haben, hätte man dies gar nicht zugetraut. Sie waren in ihrer Fussballerkarriere genauso erfolgreich und in ihrem Handeln genauso leistungssportlich ausgerichtet wie heterosexuell orientierte Sportler. Diese Tatsache alleine sollte schon deutlich machen, dass diese „Verallgemeinerung“ vorher zugeschriebener negativer Merkmale oder Eigenschaften Unsinn ist und dennoch überleben diese Zuschreibungen noch lange. Genau dieser Aspekt ist es jedoch, dass so viele Sportler davon abhält, sich zu „outen“, ihre sexuelle Orientierung offen zu leben, die eben überhaupt nichts über ihre sportlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten aussagt. Interessanterweise finden wir diese Stigmatisierungen in den klassischen „eher maskulin“ geprägten Mannschaftssportarten viel häufiger als in anderen, z.B. eher technisch-ästhetischen oder technisch-akrobatischen Sportarten. Matthew Mitcham, der Turmspringer, der 2008 in Peking die Goldmedaille im Einzelwettbewerb vom 10-Meter-Turm gewann geht schon seit Jahren sehr offen mit seiner sexuellen Orientierung um. Tom Daley, ebenfalls ein äußerst bekannter und erfolgreicher Turmspringer gab sein „Outing“ 2013 bekannt und ist nach wie vor aktiv. Interessanterweise gibt es in der Wasserspringer-Szene keine Stigmatisierung. Beide Sportler werden in der „Szene“ sehr respektiert und die Öffentlichkeit scheint sich ebenfalls nicht daran zu stören.

Bedeutung der positiv-weiblichen Eigenschaftszuschreibungen

Warum ist dies also gerade im Fußball ein Problem? Weil eben diesem Sport eine ganze Reihe von Eigenschaften und Merkmalen zugeschrieben werden, die einen erfolgreichen Spieler eben auch mutmaßlich ausmachen. Körperliche Härte, Durchsetzungsvermögen, Aggressivität, also eben alles Eigenschaften, die man klassischerweise als maskulin, positiv und somit eben nicht im Einklang mit den Werten und Normen, die man einer Fußballmannschaft zuschreibt, stehen. Hierzu wird sich meine Kollegin Elvina Abdulleva noch mit einem eigenen Blog-Beitrag (siehe: Bau ein Dream-Team) beschäftigen. Wie schon gesagt, diese oben genannten Werte werden einem erfolgreichen Fußballer zugeschrieben. Ob sie dies in der Tat auch sind, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Warum sollten denn solche Eigenschaften wie zum Beispiel die Fähigkeiten sich in andere Einfühlen oder „Eindenken“ zu können, oder aber Soziale- bzw. Kommunikationskompetenz (die man klassischerweise eher Frauen zuschreibt) nicht weniger erfolgreich sein? Wie wir aus der Gruppenkohäsionsforschung wissen, sind es genau diese Fähigkeiten, die ein Team in ganz spezifischen Bereichen (z.B. im Prozess der kollektiven Zielsetzung zu Beginn der Saison) besonders auszeichnen und erfolgreich machen. Und wer würde wohl widersprechen, wenn man diese einerseits positiv-männlichen und andererseits diese positiv-weiblichen Eigenschaftszuschreibungen einen Fußballspieler als ganz besonders wertvoll bezeichnen würde?

Wie könnte man also einer solchen Stigmatisierung, die mit einem Outing eines Fußballspielers zur Homosexualität in dieser unserer Gesellschaft immer einhergeht, entgegentreten? Spontan fällt mir da lediglich „Psychoedukation“ ein. Damit ist ein breites  Aufklären über Stigmatisierungsprozesse im Sport verbunden. Darüber hinaus sehe ich hier die Initiierung von sozialen Lernprozessen. Je mehr erfolgreiche Trainer und Sportler zu ihrer sexuellen Orientierung stehen, sich dazu bekennen und je transparenter sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten machen, desto stärker werden diese Stigmatisierungen verschwinden.

 

Literatur:

Goffman, E. (1974). Stigma. Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität. Frankfurt 1974. S. 56 f

Goffman, E. (1963). Stigma, Notes on the Management of Spoiled Identity. New York , S. 6.

 

Foto:

Julia Manzerova, Roll-a-Ball, 24.10.2010, Quelle: Flickr, CC-Lizenz

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Philippe Müller: Noch kein Weihnachtsgeschenk?

Warum nicht ein Buch über Sportpsychologie? Jede Sportlerin und jeder Sportler weiß, dass mentale Stärke eine wichtige Komponente ist. Doch fehlt vielen eine Vorstellung, was die Sportpsychologie überhaupt ist. Ein guter Einstieg, sozusagen die Erwärmung, bieten Bücher. Diese versuchen die Materie für jeden Einzelnen verständlich und anschaulich darzustellen.

Zum Thema: Worauf sollte beim Kauf eines sportpsychologischen Buches geachtet werden?

Das Angebot an sportpsychologischen Büchern ist groß. Sucht man beispielsweise via «amazon.de» mit dem Suchbegriff «Sportpsychologie» nach Büchern, werden 3311 Treffer verzeichnet (Stand 22.12.14). Bezieht man den englischsprachigen Raum mit ein, ist das Sortiment kaum mehr zu überblicken. Von allgemeinen Ratgebern über sportartspezifische Lektüre bis hin zu Lehrbüchern findet sich auf dem Büchermarkt alles. Doch wie finde ich das Richtige für mich?

Zwei Typen von Büchern

Der Vermerk soll zu Beginn gestattet sein, dass dieser Artikel weder Anspruch auf Vollständigkeit nimmt, noch eine Rezession der ausgewählten Bücher darstellen soll. Das Ziel ist es, etwas Licht ins Dunkel zu bringen sowie die Unterschiede aufzuzeigen, damit jede/r, eine für ihn/sie passende Entscheidung treffen kann.
Im Folgenden werden also zwei Arten von Büchern, Lehrbücher und Ratgeber, miteinander verglichen. Um das Ganze plastischer zu gestalten und mit Beispielen zu untermauern, wird aus jeder Sparte auf ein Buch zurückgegriffen.

Ein Lehrbuch
«Alfermann & Stoll (2010).Sportpsychologie. Ein Lehrbuch in 12 Lektionen. Aachen: Meyer & Meyer Verlag»
Lehrbücher verfolgen das primäre Ziel, Wissen zu vermitteln. Dies klingt sehr banal, ist jedoch einer der wichtigsten Unterschiede. Dieser Tatsache geschuldet, greift das Geschriebene auf wissenschaftlich fundierte Daten zurück. Sowohl Praxisbezug als auch Verständlichkeit bleiben deshalb manchmal auf der Strecke. Die Abbildungen und Tabellen geben Modelle wieder, welche in der Forschung entwickelt und geprüft wurden. Diese sind meist schwer zu verstehen und beinhalten statistische Kennzahlen. Mit genügendem Hintergrundwissen, lassen sich aus den Lehrbüchern aber Nützliches für die Praxis ableiten. Hin und wieder werden auch konkrete Tipps für die Praxis aufgeführt. So zum Beispiel findet der/die Leser/in, im ausgewählten Lehrbuch, nützliche Tricks zur Selbstmotivation oder auch eine Anleitung zum Autogenen Training.

Größter Vorteil der Lehrbücher: Sie beziehen sich auf evidenzbasierte Daten. Die Themen werden ausführlich beschrieben und auch kritisch diskutiert. Wenn man sich mit der Materie intensiv auseinandersetzt, lassen sich wertvolle Informationen für die Praxis generieren. Werden konkrete Durchführungshinweise gegeben, können diese mit gutem Wissen durchgeführt werden.

Größter Nachteil der Lehrbücher: Es sind wenig Übungen vorhanden. Um das meiste umsetzen zu können, müssen aus den Informationen Schlussfolgerungen gezogen werden und diese selbständig, für die Praxis tauglich, umgeformt werden. Durch die vielen Fachausdrücke und statistischen Kennzahlen leidet teilweise die Verständlichkeit.

Ein Ratgeber

«Loehr (2003). Die Neue Mentale Stärke. München: BLV Verlagsgesellschaft»

Auf dem Markt sind unzählige Ratgeber erhältlich. Die erste Schwierigkeit besteht bereits darin, ein seriösen von einem weniger seriösen zu unterscheiden. Die Ratgeber versuchen möglichst viele Techniken, in einer einfachen und verständlichen Sprache, zu vermitteln. Als Hilfe werden Tabellen und Fragen zum Ausfüllen angeboten. Im ausgewählten Buch gibt es zum Beispiel eine Checkliste zum Erstellen eines individuellen Trainingsplans oder auch vier Schritte zur Erweiterung der eigenen Bewusstheit. Für die Erläuterungen wird auf die Alltagssprache zurückgegriffen.

Größter Vorteil der Ratgeber: Durch die interaktive Gestaltung kann das Interesse stets aufrecht gehalten werden. Es bietet zudem die Möglichkeit, direkt etwas auszuprobieren und ein Gefühl für die Sportpsychologie zu bekommen. Die Anwendung wird durch bereitgestellte Tabellen und Arbeitsblätter erleichtert. Die Übungsunterlagen müssen somit meist nicht selber erstellt werden.

Größter Nachteil der Ratgeber: Wissen über spezifische Themen werden nur sehr spärlich vermittelt. Die Themen werden eher oberflächlich abgehandelt. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Materie bleibt somit aus. Beim Versuch, die Themen sehr verständlich und vereinfacht zu vermitteln, gehen viele Informationen verloren. Auf welcher Grundlage das Beschriebene und die Übungen basieren, bleibt im Dunkeln. Man weiß somit nie, ob die beschriebenen Techniken, wissenschaftlich fundiert sind.

Wofür soll ich mich nun entscheiden?

Je nach Vorliebe empfiehlt es sich, sich für das Eine oder das Andere zu entscheiden. Für Personen, die etwas Neues durch praktische Anwendung erfahren möchten, sind Ratgeber die bessere Wahl. Jene, die sich von der Theorie überzeugen müssen, greifen bevorzugt auf ein Lehrbuch  zurück.

Wo sind die Grenzen eines Buches?

Bücher sind gut geeignet, um einen Einblick in das Gebiet der Sportpsychologie zu erlangen. Interessierende Themen können selbständig vertieft werden. Doch an einem bestimmten Punkt gelangen auch Bücher an ihre Grenzen. Ohne psychologische Vorkenntnisse sind viele Themen schwer verständlich. Zudem ist die Umsetzung des Geschriebenen in die Praxis nicht ganz einfach. Rückfragen bei Schwierigkeiten sind ebenfalls nicht möglich. Auch die Kontrolle des Geübten und Rückmeldungen des Lernerfolges werden durch Bücher nicht gewährleistet. Es empfiehlt sich somit für Interessierte, für intensivere und zielgerichtete Arbeit, mit einem Sportpsychologen zusammenzuarbeiten.

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Sebastian Reinold: Laufmotivation im Winter

Nicht nur für ambitionierte Läufer sondern auch für diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen laufen, sind die Wintermonate eine psychologische Herausforderung. Um für die kalten Tage vorbereitet zu sein, lesen Sie folgende Strategien, die sie zu Hause oder auf der Arbeit durchführen können.

Zum Thema: Welche Strategien helfen gegen mangelnde Laufmotivation?

Der Winter ist nass, kalt und dunkel. Die geliebte Laufstrecke kann mitunter nicht benutzt werden, weil Eis diese zu gefährlich macht oder mangelndes Licht diese zu unheimlich erscheinen lässt, so dass gerade das Loslaufen zu einer wahren Hürde werden kann. Jeder Läufer hat wahrscheinlich seine eigenen Ausreden, warum er oder sie ausgerechnet heute nicht laufen gehen sollte oder gar kann.

Der Läufer hat unter diesen Umständen immer noch Motivation zum Sporttreiben. Der Wille, also die Fähigkeit diese Motivation aufrechtzuerhalten, ist allerdings deutlich verringert. Motivation im engeren Sinne bedeutet nämlich, dass eine Absicht besteht, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Der Wille hingegen zeigt sich, indem diese Absicht durch konkretes Handeln in die Tat umgesetzt wird. Die im vorherigen Absatz beschriebenen Fälle sind Beispiele von Barrieren des Sporttreibens (Fuchs, 1997), die den Willen brechen.

Die folgenden Strategien zielen darauf ab, den Willen aufrecht zu erhalten.

  1. Suchen Sie sich einen markanten Ort in Ihrer Wohnung, der Ihnen oft im Blick ist und bringen Sie dort etwas an, dass Sie an den Grund erinnert, warum sie überhaupt laufen gehen z. B. ein Poster mit ihrer Zielzeit für den nächsten Marathon.
  2. Eine grundlegende Strategie zur Aufrechterhaltung der Motivation ist es, sich einen Trainingspartner zu suchen. Dieser muss nicht unbedingt mitlaufen sondern kann auch mit dem Fahrrad nebenher fahren. So wird die winterliche Dunkelheit um einiges weniger gefährlich. Zusätzlich kann ein Radfahrer Gegenstände transportieren. Zur Not kann er beispielsweise die eigenen Handschuhe abnehmen, wenn der Körper trotz der Kälte nach einiger Zeit des Laufens warm wird.
  3. Erzählen Sie Ihren ebenfalls sportbegeisterten Arbeitskollegen oder anderen Personen, die sie im Laufe des Tages treffen, davon, dass sie laufen gehen werden. Damit setzen Sie sich einer sozialen Verpflichtung aus. Je näher diese Personen Ihnen stehen. desto mehr wirkt dieser Mechanismus. Oder wollen Sie sich vor Ihren Kindern rechtfertigen, warum sie zu bequem zum Laufen waren? Diese Strategie funktioniert leider nicht, wenn die Coach-Potatos aus Ihrer Firma Sie für verrückt erklären.
  4. Wenn der vorangehende Punkt noch nicht genug ist, dann probieren Sie Folgendes: Geben Sie einer Vertrauensperson einen Geldbetrag, der ihnen richtig wehtun würde, wenn Sie diesen nicht mehr hätten, mit der Bitte, diesen erst wieder herauszugeben, wenn Sie auch tatsächlich laufen gewesen sind. Sie können der Person natürlich auch eine noch größere Summe für die ganze Woche geben. Jedes Mal wenn Sie laufen gewesen sind, bekommen Sie einen Teil zurück. Ihre Vertrauensperson muss dabei selber sehr eisern sein, Ihnen diesen Betrag nicht auszuhändigen, wenn sie nicht laufen waren.
  5. Wenn Ihnen jetzt noch der letzte kleine Tritt in den Hintern fehlt, dann geben Sie mal bei Youtube „sport motivation“ ein. Über 400.000 Videos warten darauf, Ihre Lust auf Bewegung zu steigern. Solche kurzen Videos sind oft ein wahres Wunder. Effektiver wäre natürlich nur noch ein persönliches Motivationsvideo, das Sie zusammen mit einem Sportpsychologen erstellt haben.

Bedenken Sie, dass Winterzeit häufig auch Erkältungszeit ist. Wenn sie erkältet laufen, zeugt dies nicht von hoher Motivation sondern lediglich von Leichtsinn, der Sie eher zurückwirft als weiter zu bringen. Gönnen Sie sich also eine Pause und beherzigen erst dann die Tipps von Neuem. Zudem können Sie die Pause für das mentale Training nutzen. Nutzen Sie die Zeit, die Sie sonst für das Laufen aufwenden doch einmal, um sich nochmal ein paar Gedanken über ihre Ziele und die damit verbundenen Pläne zu machen. Auch können Sie sich mit dem Thema Entspannung auseinandersetzen. Vielleicht beschleunigt das die Genesung ja sogar.

 

Literatur:

Fuchs, R. (1997). Psychologie und körperliche Bewegung. Grundlagen für theoriegeleitete Interventionen. Göttingen: Hogrefe.


Sauerland, M., Ullrich, M., Gaukel, S., Frank, A. & Ufer, M. (2013). Selbstmotivierung für Sportler. Balingen: Spitta

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Philippe Müller: Fluch oder Segen voller Ränge

Bei der Floorball-Weltmeisterschaft in Schweden geht es nun in die entscheidenden Spieltage. Für nicht wenige Akteure sind allen voran die Halbfinal- und Finalpartien eine besondere Herausforderung: Schließlich gehört es beispielsweise für die Schweizer Akteure nicht zum Alltag, vor über 10.000 Zuschauer aufzulaufen. 

Zum Thema: Was kann der Druck durch das gesteigerte breite Interesse bewirken?

Der Aufstieg der Sportart auf die Bühne des öffentlichen Interesses bringt sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich. Durch die gesteigerte Bedeutung nimmt der Druck auf jeden einzelnen Spieler zu. Während Meisterschaftsspiele in der Schweiz im Regelfall von weniger als eintausend Zuschauer verfolgt werden, sind bei den entscheidenden Partien im Göteborger Scandinavium bis zu 12’000 Leute zu erwarten. Obwohl alle Sporttreibenden bestätigen werden, dass es vor einem großen Publikum mehr Spass macht zu performen, darf diese neue und spezielle Herausforderung nicht unterschätzt werden.

Unter gewohnten Bedingungen ist das Abrufen der Leistung am einfachsten. Es kann auf antrainierte Muster zurückgegriffen werden. Um eine neue und unbekannte Situation erfolgreich meistern zu können, müssen demnach mehr Ressourcen eingesetzt werden. Nebst dem eigentlichen Geschehen, dem Spiel, müssen die neuen Eindrücke aus der Umgebung verarbeitet werden. Die Schwierigkeit liegt dabei in der «richtigen» Verarbeitung. Irrelevante Informationen sollten möglichst ausgeblendet oder ignoriert werden, während die zielführenden und hilfreichen erkannt und genutzt werden müssen. Ein Beispiel: Der Geräuschpegel in einer ausverkauften Halle mit tausenden von frenetischen Fans ist um einiges höher als gewohnt. Dies kann anspornend wirken. Die Gefahr besteht jedoch, dass bereits in den ersten Minuten über das Limit, sowohl im physischen als auch im taktischen Bereich, hinausgegangen wird und die Luft zum Ende hin fehlt, oder man gnadenlos in die Konter der Gegner läuft. Im weiteren kommt hinzu, je mehr Informationen zur Verfügung stehen, desto schwieriger und langsamer laufen die Entscheidungsprozesse ab. In einer Sportart wie Floorball, in der die Spielgeschwindigkeit enorm hoch ist, sind verlangsamte Entscheidungen von großem Nachteil und können matchentscheidend sein.

Ist man dieser Situation machtlos ausgeliefert?

Nein! Eine gründliche Auseinandersetzung mit der anstehenden Aufgabe, kann die möglichen negativen Folgen minimieren. Dies kommt jedoch in vielen Spielvorbereitungen zu kurz. Man konzentriert sich minutiös auf den Gegner. Laufwege werden analysiert, Spieltaktiken studiert und Schwachstellen aufgedeckt. Darauf aufbauend wir dann das eigene Verhalten im Spiel bestimmt. Doch das genügt meist nicht. Um den ausgearbeiteten Plan umzusetzen, müssen die oben erwähnten Einflüsse berücksichtigt werden. Die Spieler müssen auch auf die psychologischen Aspekte des Spiels vorbereitet werden. Dazu zählt zum einen die Aufklärung über mögliche Störeinflüsse, sowie das Erarbeiten geeigneter Strategien, um sie zu bewältigen. Auch der Trainer sollte in dieser Hinsicht sensibilisiert werden, denn er kann während dem Spiel direkt Einfluss nehmen. Zum Beispiel kann er, wenn seine Mannschaft zu forciert startet, durch Anweisungen die Spieler bremsen, oder durch schnellere Wechsel ein frühzeitiges Übermüden verhindern.

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Elvina Abdullaeva: Einen Fehlgriff verdauen

Das Torwartspiel ist ein Fehlerspiel. Soll heißen: Fehler gehören dazu, sollten aber einen Torhüter nicht beeinflussen. Die ganze Spielzeit muss ein Tormann voll fokussiert auf das Spielgeschehen bleiben. Daher ist es kein Wunder, dass eine richtige Fehlerverarbeitung zu den wichtigsten mentalen Merkmalen eines guten Torwarts gehört.

Zum Thema: Umgang mit Torwart-Fehlern

Eine emotionale Reaktion ist oft die Folge von Fehlern. In der Regel ist es eine Mischung von Niedergeschlagenheit und Wut, die oft von Selbstbeschuldigung und Selbstvorwürfen begleitet werden. Durch Auseinandersetzung mit diesen Fehlern und Selbstvorwürfen während des Spiels, kann der Torwart gedanklich hängen bleiben. Der Fokus seiner Aufmerksamkeit ist in dem Fall auf ihn selbst ausgerichtet, verursacht Konzentrationsschwächen und kann höchstwahrscheinlich zu weiteren Fehlern führen.

Um dies zu vermeiden und um die begangenen Fehler schnell „abzuhaken“ und sich auf weitere Spielaufgaben zu konzentrieren, benutzen erfahrene Torhüter gewisse Techniken. Eine Ausgangsvoraussetzung ist dabei das Verständnis, dass ein Fehler ein unveränderliches Ereignis ist. Keiner besitzt mehr darüber eine Kontrolle! Wie kann man dann sich in so einer subjektiv unkontrollierten und unveränderlichen Situation helfen? Die Antwort ist nicht neu:

• sich beruhigen;
• die Situation anders bewerten;
• sich ablenken (vgl. Lazarus& Launier, 1978)

Wie lassen sich aber diese Bewältigungsstrategien unmittelbar im Spiel realisieren, wenn die Aufmerksamkeit und der Spieleinsatz eines Torwarts jede Minute für das Spiel selbst gebraucht werden. Dazu bieten sich einige schnell anwendbare sportpsychologische Techniken an.

Mit Wort und Tat helfen

Als Gegenmittel für die negativen leistungsschädigenden Gedanken nach einem Fehler wird oft die Technik „Selbstgespräch“ eingesetzt. Durch diese Methode kommt eine Beruhigung in solchen Situationen wesentlich schneller. Hier geht es darum, für die aufgetauchten – meist negativen – Kognitionen eine Alternative auszuarbeiten und dies im Spiel sofort nach dem Fehler laut oder vor sich hin sprachlich auszudrücken. Beispiele werden unten angezeigt:

Destruktive Gedanken 
• ich habe schlecht gespielt, dummer Fehler;
• oh Gott, jetzt verlieren wir…;
• was denken die Mitspieler über mich?

Konstruktive Gedanken
• die ganze Mannschaft hat gerade nicht optimal gespielt, aber das Spiel geht weiter;
• Ich bleibe ruhig;
• geschehen ist geschehen, meine Mannschaft braucht mich weiter

Ein weiteres Mittel eine Fehlersituation emotional abzuschließen, sind sogenannte „Triggers“. Ein symbolisches Ritual, welches hilft, den Fehler „loszulassen“, z.B., etwas trinken, ein paar auflockernde Bewegungen durchzuführen oder sogar ausspucken (vgl. Karageorghis & Terry, 2011). Auf jedem Fall soll ein Triger ein Signal für den Torwart sein: „Ab jetzt beginne ich mich wieder auf das Hier und Jetzt im Spiel zu konzentrieren.“

Nach dem sich der emotionale Zustand gebessert hat, soll der Fokus von sich selbst auf das weitere Spielgeschehen umgestellt werden. Dabei hilft eine Ablenkung, z.B. durch gewisse Handlungsstrategien. Der Torwart soll sich auf eine Aufgabe konzentrieren. Wenn er nicht viel zu tun hat und das Spiel überwiegend in der Gegnerhälfte verläuft, wird insbesondere dann eine Geschicklichkeit von ihm gebraucht. In dem Fall kann der Torwart Coachen, Mitspieler anspornen, das Spiel lesen oder sich für eine aktive Spielbeteiligung engagieren, z.B. durch Spieleröffnung.

So sieht ein beispielhaftes Szenario für den Torwart nach einem bedauerlichen Fehler aus. Allerdings ist jeder Torwart einzigartig. Daher soll eine Erarbeitung von Selbstgesprächen, Ritualen und Handlungsstrategien immer auf die individuellen Bedürfnisse gestützt werden. Außerdem sollen diese mentalen Strategien genau wie beim Technik- und Taktik lernen regelmäßig trainiert und geübt werden. Schließlich ist es ja eine reine Kopfdisziplin, bei den Fehlern hängen zu bleiben oder nicht.

Quellen
1. Karageorghis, C.&Terry P., (2011). Inside sport psychology. Champaign, IL: Human Kinetics
2. Lazarus R., Launier R. (1978). Stress-related transactions between person and environment. In: Pervin, L.A. & Lewis, M. (eds.): Perspectives in interactional psychology. New York: Plenum Press, 287-327

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Zur Historie der Angewandten Sportpsychologie in Deutschland – Teil 2

Wie im letzten Blog zum Thema im Sommer 2014 (Zur Historie der Angewandten Sportpsychologie in Deutschland – Teil 1) schon angedeutet, entwickelte sich die Sportpsychologie in Deutschland (damit meine ich zunächst die „alten Bundesländer“ – die Sportpsychologie in der ehemaligen DDR behandele ich mal in einem Extra-Blog) im sportwissenschaftlichen Kontext. Bis zum heutigen Tag existieren auch universitäre, sportpsychologische Master-Studiengänge nur in sportwissenschaftlichen Einrichtungen (wie z.B. auch unser Studiengang an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg). An Psychologischen Institutionen im universitären Kontext sucht man solche Studiengänge vergebens. Diese Tatsache zeigt jedoch auch schon das Dilemma, in dem aktuell die bundesdeutsche Sportpsychologie steckt. Dies betrifft zum einen die Führung der Berufsbezeichnung „Sportpsychologe/Sportpsychologin“ von potenziellen Absolventen solcher Studiengänge. Zum anderen betrifft dies natürlich auch die weitere Entwicklung unseres Berufsfeldes.

Richtungsdiskussion: Wohlbefinden oder Leistungsoptimierung?

Das erste Problem – also die Frage nach der Berufsbezeichnung – ist aus meiner Sicht nicht wirklich ein Problem, denn ob sich jemand Sportpsychologe oder sportpsychologischer Berater oder als sportpsychologischer Experte bezeichnet, wird in der Öffentlichkeit wahrscheinlich gar nicht so sehr unterschiedlich bewertet. Hier entscheidet meines Erachtens die Qualität der universitären Ausbildung sowie der berufsständigen Fortbildung  bzw. der sportpsychologischen Arbeit, die diese Person dann tatsächlich durchführt. Alles andere sind berufspolitische Diskussionen. Die kann man beruhigt den im Feld agierenden Berufsverbänden (also dem Bund Deutscher Psychologen bzw. der Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie) überlassen. Viel spannender ist dabei die Diskussion des zweiten hier thematisierten Problems. Für mich bleibt die Frage: „Wendet sich die angewandte Sportpsychologie in Zukunft – basierend auf ihrer Grundhaltung eher der Psychologie (also primär der Frage nach dem Wohlbefinden, bzw. dem Wohlbefinden des Athleten) oder eher der Sportwissenschaft (die primär eine Leistungsoptimierung  im Blick hat) zu? Oder gelingt es unserer Disziplin hier eine eigene, integrative Sicht bzw. Grundhaltung zu entwickeln?“

Hinzu kommt mittlerweile noch eine weitere Disziplin, die in das Feld der Sportpsychologie drängt, nämlich die Berufsgruppe der Sportpsychiater. Damit sind die eher medizinisch ausgebildeten Ärzte gemeint, die sich eigentlich – ähnlich wie die Psychologischen Psychotherapeuten – mit psychischen Erkrankungen beschäftigen. Der Suizid von Robert Enke hat dieser Berufsgruppe in der Öffentlichkeit eine besondere „Bühne“ beschert. Die wenigen guten, wissenschaftlichen Überblicksarbeiten, die zu dieser Thematik vorliegen, zeigen jedoch, dass es im Leistungssport nicht mehr psychopathologische Erkrankungen gibt, als in der Normalbevölkerung. Zugegeben, es ist plausibel, dass die Anforderungen bestimmter Sportarten, unter Umständen die Entwicklung ganz spezifischer, psychischer Erkrankungen Vorschub leisten könnte (z.B. Essstörungen bei Sportarten, in denen das Körpergewicht leistungslimitierend wirkt). Zusammenfassend spricht dies jedoch  nicht unbedingt dafür, dass es spezialisierte Psychiater für den Bereich des Spitzensports geben müsste. Eine psychische Erkrankung beträfe also nur wenige Athleten und diese würde unter Umständen auch von den im Feld tätigen Sportpsychologen in Zusammenarbeit mit den Sportärzten zumindest erkannt werden, um dann einen Spezialisten hinzu ziehen zu können. So verfahren zumindest die mir bekannten Kolleginnen und Kollegen in ihrer sportpsychologischen Praxis.

Konstruktive Lösung des Dilemmas 

Eine besondere Rolle nimmt also hier der Berufsverband der deutschen Sportpsychologen – die Arbeitsgemeinschaft für Sportpsychologie (asp) – ein, die sich natürlich auch all der hier dargestellten Probleme bewusst ist und aktuell versucht, dieses „Dilemma“ mit den anderen Partnern, die im Feld tätig sind, konstruktiv zu lösen. Traditionell hat sich die Sportpsychologie jedenfalls aus der Sportwissenschaft heraus entwickelt und diese Sportpsychologie ist sehr gut mit den Partnern im Leistungssport (wie z.B. dem DOSB) vernetzt. Dabei handeln die von der asp zertifizierten Sportpsychologinnen und Sportpsychologen, sowie auch die Absolventinnen und Absolventen der vorliegenden akademischen Master-Studiengängen auf der Basis einer qualitätsgesicherten Ausbildung, unter Nutzung von den auch in der Psychotherapieausbildung wichtigen Supervions- und Intervisionsangeboten, mit Fortbildungspflicht und auf der Basis von Ethischen Richtlinien.

Mit Spannung können wir also die nächsten Jahre der Entwicklung des Faches Sportpsychologie in Deutschland verfolgen, insbesondere die Antworten auf die oben gestellten Frage, die genuine, integrative Grundhaltung betreffend, aber auch bezogen auf die öffentliche Wahrnehmung sowie ihrer Bedeutung für die sportliche Leistungsentwicklung der Athletinnen und Athleten auf einem aus meiner Sicht wichtigen, humanistisch geprägten Hintergrund.

 

Fachredakteur:

Prof. Dr. Oliver Stoll (* 5. Februar 1963) studierte an der Justus-Liebig-Universität Gießen Sportwissenschaft, Psychologie und Pädagogik sowie am College of Charlestin (S.C., USA). Er promovierte 1993 zum Dr. phil. im Fach Sportwissenschaft an der Universität Gießen und wechselte 1995 an die Universität Leipzig. Hier absolvierte er eine wissenschaftliche Assistentenzeit und habilitierte hier im Jahr 2000. Im Jahr 2002 folgte er einen Ruf auf eine Professur für Sportwissenschaft mit dem Schwerpunkt Sportpsychologie und Sportpädagogik an die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

 

Prof. Dr. Oliver Stoll

phone: +49 345 5524440
mail: oliver.stoll@sport.uni-halle.de

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Sportpsychologische Inhalte via eese.com

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Ab Januar 2015 werden ausgewählte Blog-Beiträge von die-sportpsychologen.de auch über die Plattform eese.com gestreut. Dahinter verbirgt sich ein News-Aggregator, der unter anderem die Veröffentlichungen von Qualitätsmedien wie die Zeit, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung oder The Guardian sowie Inhalte von Fachportalen wie die-sportpsycholgen.de bündelt und verbreitet. Nutzer können sich entsprechend ihrer Interessen ein individuelles News-Angebot zusammenstellen lassen.

Derweil endet zum 31. Dezember 2014 die Zusammenarbeit mit dem 15.30 Blog. Das Angebot des Axel Springer Konzerns, welches Beiträge von diversen Fußball-Blogs zusammenfasste, wurde eingestellt.

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Désirée Hess: Probleme lösen mit Sport?

„Flexibel“ ist heute keine Zustandsbeschreibung mehr, sondern eine Eigenschaft die man als moderner Mensch nicht nur in Krisenzeiten mitbringen muss. Doch wie passen gerade im Leistungssport private Probleme und die Leistungserbringung zusammen? Kann der Leistungssport sogar eine Hilfe sein, um diesen Emotionen und privaten Problemen entgegen zu wirken und sich abzulenken?

Zum Thema: Leistungssport und Krisenbewältigung

Psychologisch betrachtet fördert Sport viele Aspekte, die dazu beitragen, Krisen besser zu bewältigen. Regelmäßige Trainingseinheiten können helfen, dem „aus den Fugen“ geratenen Leben wieder einen planbaren Rahmen zu geben. Stück für Stück kann so wieder die Kontrolle über den eigenen Körper, über die eigene Leistungsfähigkeit und vielleicht ebenso das eigene Leben erlangt werden. Zudem kommt man an die frische Luft und auf andere Gedanken. Gerade im Mannschaftssport werden gleichzeitig soziale Kontakte aufrechterhalten und der Grundstein für ein unterstützendes Netzwerk von sportlichen Gleichgesinnten gelegt. In Phasen der Trennung und persönlichen Krisen leidet häufig auch der Selbstwert. Hier kann Training ebenfalls eine Hilfe sein, denn mit regelmäßigen Einheiten gehen auch körperliche Adaptionen einher. Man wird stärker oder ausdauernder und bemerkt schnell die Verbesserungen, die durch das eigene Bemühen beeinflusst werden können. Ideale Bedingungen zur Krisenbewältigung für Leistungssportler!

Doch kann tatsächlich regelmäßige Bewegung das Mittel sein, um private Probleme zu verarbeiten? Oder ist Training in diesem Falle nur eine Flucht vor der eigentlichen Bewältigung und den aufkommenden Emotionen?

Vier Phasen der Bewältigung

Um diese Frage beantworten zu können, ist es wichtig, den Prozess der Krisenbewältigung näher zu betrachten. Die Psychologin Verena Kast (vgl. 2013, S. 65) beschreibt vier Phasen, die Menschen in persönlichen Krisensituationen durchleben:

Die erste Phase äußert sich in einem Zustand des „Nicht-Wahr-Haben-Wollens“. Der Verlust, beispielsweise eines geliebten Menschens, ist so unwirklich und wir wehren uns regelrecht gegen diese drastischen Veränderung. Dies kann sogar so weit gehen, dass die offensichtliche Krise verleugnet und verdrängt wird.

Wurde von der betroffenen Person die Krise und deren Auswirkungen realisiert, folgt die zweite Phase der „aufbrechenden Gefühle“. Hoffnungslosigkeit, Trauer, Ängste oder Schuldgefühle bestimmten die Gefühlswelt.

Die dritte Phase der „Neuorientierung“ bringt die gezielte Suche nach Lösungen mit sich. Langsam kommt die Freude an den Kleinigkeiten des Lebens wieder und ein Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit ist in Sicht.

Mit dem neu gefundenen „Gleichgewicht“ in der letzten Phase beginnt die Akzeptanz der Situation. Wir vergessen nicht, was wir verloren haben, jedoch realisieren wir, dass diese Krise zu unserem Leben gehört und nun ein neuer Schritt gemacht werden muss.

Gefahren für Leistungssportler

So wird klar, dass gerade Sport etwas Positives bewirken kann, um nach und nach die Phaseninhalte zu bewältigen. Wird Sport also genutzt, um die eigenen Ressourcen zu mobilisieren, bietet dieser damit unterstützende Möglichkeiten in Krisenzeiten. Ist jedoch abzusehen, dass mit regelmäßiger Bewegung das Ziel verfolgt wird, sich dauerhaft abzulenken und eine Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühle zu verhindern, kann Sport auch das Gegenteil bewirken. In diesem Fall wird das Verharren in der ersten Phase des „Nicht-Wahr-Haben-Wollens“ begünstigt und der eigentliche Prozess der Krisenbewältigung wird ausgebremst. Dies birgt gerade für Leistungssportler die Gefahr des Leistungseinbruchs, da es auf Dauer viel Energie kostet, heftige Emotionen und belastende Gedanken zu unterdrücken und gleichzeitig volle Leistung zu erbringen. Wird Sport zum einzigen Mittel gemacht, um mit den eigenen Gefühlen umgehen zu können, ist bei Krankheiten oder schlechten Trainingsergebnissen die nächste Krise vorprogrammiert. Aus Sicht des krisengeplagten Sportlers kann nun auch diese, vermeintlich sichere Strategie nicht mehr angewendet werden.

In diesem Fall kann sportpsychologisch gestütztes Krisenmanagement eine Möglichkeit bieten, um eine adäquate Bewältigung zu unterstützen und eine analytische Sicht der Krisensituation zu erlangen. Denn auch durch das Meistern einer Hürde können Fähigkeiten gestärkt und neue Wege einschlagen werden, damit einige Problemsituation erst gar nicht entstehen. Jede Krise ist auch eine Chance zur Weiterentwicklung.

 

Kast, V. (2013). Trauern – Phasen und Chancen des psychischen Prozesses (35. Aufl.). Freiburg: Kreuz Verlag.

 

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Thorsten Loch: Das lange Warten auf den Anpfiff

Diese Situation kennt jeder Spielsportler: Bis sich beide Teams gesammelt haben und von den Offiziellen auf das Spielfeld gebeten werden, vergehen halbe Ewigkeiten. Im internationalen Fußball sind es, je nach Wettbewerbsformat, nicht selten mehr als zehn Minuten, die die zuvor intensiv physiologisch sowie psychisch auf das bevorstehende Match eingestimmten Spieler “überbrücken” müssen. Eine Zeitspanne, die locker ausreicht, einen Sportler ins Grübeln zu bringen, sofern die Minuten zwischen Kabine und Spielbeginn nicht effektiv genutzt werden.

Zum Thema: Welche Strategien nutzen die Sportler unmittelbar vor Wettkampfbeginn um eine positive Wirkung auf die wettkampfbezogene Kompetenzerwartung zu erzielen?

Das Stichwort lautet Routine. Unter Routine wird ein stets annähernd gleich ablaufender Vorgang bezeichnet. Im Allgemeinverständnis bedeutet „in etwas Routine haben“, dass man dies ohne nachzudenken sicher erledigen kann. Wer routiniert handelt, ist dabei auch nur schwer aus dem Konzept zu bringen und zu stören (Beckmann/Elbe, 2008). Viele Sportler integrieren sportpsychologische Fertigkeiten in eine Routine mit dem Ziel, eine wettkampfbezogene Kompetenzerwartung unmittelbar vor dem Wettkampfbeginn herzustellen. Diese können von Sportler zu Sportler völlig anders aussehen. Gemeinsam haben sie jedoch alle gegenüber Ritualen, dass Routinen gut organisiert sind, jedoch Flexibilität zu lassen (Schack et al. 2005). Außerdem – und hierbei handelt es sich um die wichtigste Unterscheidung – umfassen Routinen Fertigkeiten, die für die anstehenden Aufgaben funktional sind, wie z.B. zum Beseitigen von störenden Gedanken und zum Aufbau von Konzentration und Wettkampfspannung.

Die Funktion von Routinen liegt demnach in einer Stabilisierung von Verhalten über Fertigkeiten. Mit ihnen ist es möglich, einen abgeschotteten Raum zu schaffen, der vom Sportler kontrolliert werden kann, mit dem Ziel, die Handlungsvorbereitung zu optimieren. Der Sportler durchläuft eine Reihenfolge von Aktionen, die sich auf die folgenden Handlungen (bspw. typische Spielsituationen) beziehen. Indem diese Aktionen in einer Routine durchlaufen werden, wird zum einen sichergestellt, dass keine Aktion, die jede für sich eine Funktion erfüllt, vergessen wird. Die einzelnen Sequenzen der Aktionen innerhalb der Routine bestehen sinnvollerweise aus Fertigkeiten, die zielführend sind. Es ist zum einen wichtig das die Sequenz von Aktionen geschlossen ist, sprich keine Zeit übrig bleibt, die nicht durch eine gewollte Aktion ausgefüllt wird. Unausgefüllte Zeit bringt Raum für störende, dysfunktionale Gedanken. Eine gute Routine lässt keinen Freiraum und bringt den Grübler sozusagen zum Schweigen. Zum anderen ist für eine Automatisierung der Routine und der damit gewonnenen Handlungssicherheit wesentlich, dass die Aktionen und deren Anzahl nicht beliebig von Handlung zu Handlung variieren, sondern relativ konstant ausgeführt werden.

Individuelle Routinen müssen entwickelt und tariniert werden

Sportler müssen ihre ganz individuellen Routinen entwickeln und trainieren. In diesem Zusammenhang ist von besonderer Bedeutung, dass die Sportler die Funktion ihrer Routine verstehen. Die Funktionalität der Routine steigt, je mehr diese den individuellen Bedürfnissen des Einzelnen entspricht. Eine weitere Unterscheidung findet in der zeitlichen Dimension statt. So gibt es so genannte Vor- (prä), Nach- (post) und Zwischen- (between) Routinen für sportliche Leistungshandlungen.

Routinen beschränken sich aber nicht ausschließlich auf den Einzelnen selbst. So kommt es auch vor, dass Routinen in Mannschaftssportarten vorkommen. Hier sei an die Weltmeistermannschaft von 1994 aus Brasilien genannt. Diese lief bei den Spielen und den USA Hand in Hand auf den Platz und gab sich so Handlungssicherheit. Als ein weiteres Beispiel sei die Rugbynationalmannschaft aus Neuseeland genannt. Während der Hymne legen sich die Spieler die Arme auf die Schultern und präsentieren sich als Einheit oder tanzen den Haka einen rituellen Tanz der Maori. Wichtig ist jedoch, dass individuelle Routinen nicht im Konflikt mit der Mannschaftsroutine stehen.

Den Sportlern steht mit der Routine eine Möglichkeit zur Verfügung, handlungsrelevante Fertigkeiten sicher einzusetzen und zu etablieren. Absicht dessen ist, eine positive Wirkung auf die wettkampfbezogene Kompetenzerwartung zu erzielen und Wartezeiten vor, nach und zwischen Wettkampfhandlungen aktiv selbst zu gestalten. Dass die Routine eine höchst individuelle Angelegenheit des Sportler ist, die zu den Bedürfnissen des Athleten passen muss, ist eine mögliche Erklärung dafü,r warum manche Nationalspieler die Hymne mitsingen oder auch nicht.

Literatur:

Beckmann, J./Elbe, A.M. (2008). Praxis der Sportpsychologie im Wettkampf- und Leistungssport. Spitta Verlag: Balingen.

Schack, T. (2006). Mentales Training. In: M. Tietjens, B. Strauss (Hrsg.). Handbuch Sportpsychologie, 254-261. Schorndorf: Hofmann.

 

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Philippe Müller: Blick über den Zaun

Um eine qualitativ hochwertige und seriöse Arbeit als Sportpsychologe anbieten zu können, gehören Fort- und Weiterbildung genauso zur Notwendigkeit wie Inter- und Supervision. Eine zentrale Rolle für die Qualitätssicherung nimmt dabei der Berufsverband ein. In der Schweiz ist dies die «Swiss Association of Sport Psychology» (SASP). Mit einer reglementarisch verankerten Fort- und Weiterbildungspflicht zieht der Verband seine Mitglieder in die Verantwortung, sich auf dem aktuellen Stand zu halten. Im Gegenzug bietet er jedes Jahr spannende Kurse an. Im Zeichen der diesjährigen Fortbildung standen sportpsychologische Phänomene aus hypnotherapeutischer Sicht.

Zum Thema: Hypnotherapeutische Sicht der Sportpsychologie

Als Referent der Forbildung 2014 gastierte der Psychologe Dr. Reinhold Bartl in Zürich. Er arbeitet in eigener Praxis und als Leiter des Milton Erickson Instituts in Innsbruck. Dort beschäftigt er sich nicht nur mit den klassischen klinischen Fragestellungen, sondern hat auch Arbeitsschwerpunkte in der Ausbildung von Systemischen Psychotherapeuten. Zudem widmet er sich Teamentwicklungsprozessen in der Privatwirtschaft. Im Zentrum seiner Arbeitsweise steht der systemische Ansatz sowie die Eriksonsche Hypnotherapie.

Viele Leute, mich eingeschlossen, denken beim Wort «Hypno» primär an die Bühnenhypnose, bei der ein Hypnotiseur eine Person in Trance versetzt und anschliessend mit ihr machen kann, was er will. Oft besteht auch die Vorstellung, dass der Therapeut als Macher fungiert und in die Köpfe der Patienten eindringt. Unter diesen Umständen ist es nicht überraschend, dass eine gewisse Zurückweisung beim Wort «Hypnotherapeut» entsteht. Aus diesem Grund ist es notwendig, die wesentlichen Punkte der Hypnotherapie zu erläutern: In der Hypnotherapie geht es darum, die Selbstorganisation des Organismus zu unterstützen. Dabei ist die Unterstützung das Zentrale. Der Berater bietet somit dem Klienten eine Hilfestellung an, ihm bei seinen eigenen Prozessen zu unterstützen.

Die Stärken der Hypnotherapie

Meiner Meinung nach besitzt die Hypnotherapie drei wesentliche Stärken, welche in der Zusammenarbeit mit Athletinnen und Athleten von großer Bedeutung sind. Zum einen verfolgt die Hypnotherapie einen humanistischen Ansatz. Der Mensch wird so akzeptiert, wie er ist. Es wird davon ausgegangen, dass er Stärken und Fähigkeiten besitzt, Probleme selbst zu lösen. Mit anderen Worten: Jeder Mensch verfügt über die Ressourcen, sich selbst zu organisieren. Dies führt zum zweiten wichtigen Punkt. Es wird vom Positiven ausgegangen und rückt somit das Gute in den Vordergrund. Nicht die negativen Erlebnisse, Gedanken oder Emotionen stehen im Fokus der Beratung, sondern die bereits positiv erlebten Erinnerungen und Gefühle. Dies führt dazu, dass das Selbstwertgefühl – eine der wichtigsten mentalen Fähigkeit eines Sportlers, um erfolgreich zu sein – effektiv gestärkt wird. Die dritte Stärke ist darin verankert, den Fokus der Aufmerksamkeit nicht nur auf die Welt der Logik und Rationalität zu lenken. Gerade im Sport laufen viele Handlungen zu einem großen Teil unbewusst oder zumindest nur teilweise bewusst ab. Aussagen wie «Es geschieht einfach!» untermauern die Tatsache, dass nicht jede Handlung bis ins Detail bewusst geplant wird.  Die Therapieform geht stark auf die Welt der Intuition und Gefühle ein. Es wird versucht, auf allen Sinnesmodalitäten erfolgreiche Momente nochmals im «Jetzt» zu erfahren und für zukünftige Situationen verfügbar zu machen. Die Ressourcen für ein wiederholtes erfolgreiches Handeln sind somit schon länger vorhanden, müssen aber für einen erneuten Einsatz neu organisiert werden.

Wie jede Technik besitzt auch die Hypnotherapie – meiner Meinung nach – Schwächen. Auf konzeptioneller Ebene wird vorgegeben auf der unwillkürlichen-unbewussten Ebene zu arbeiten. Beim Wiedererleben von Gefühlen und Eindrücken wird jedoch bewusst auf Erinnerungen zurückgegriffen. Inwiefern diese Prozesse also unbewusst sind, wenn man darauf zurückgreifen kann, sei dahingestellt. Für die praktische Anwendung hat dies jedoch kaum Relevanz. Es lohnt sich auf jeden Fall, sich mit unbekannten Techniken auseinanderzusetzen, um sein eigenes Spektrum zu erweitern. Ob nun die Hypnotherapie in ihrer reinen Form, oder als Teilaspekt in der Beratung eingesetzt werden, steht im Ermessen des jeweiligen Sportpsychologen.

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