Belastung, Hochbelastung und Überlastung gehören im Profi-Sport dazu. Keine Frage, auch im Breitensport lieben wir es, unsere Grenzen weiter zu verschieben. Im Profi-Fußball hat die seit Jahren ungebremst fortschreitende Entwicklung spätestens mit der FIFA Klub-WM eine neue Dimension erreicht. 32 Club-Teams spielen im Sommer 2025 in den USA ein Turnier, welches wir vom Umfang und Dauer nur von den Weltmeisterschaften der Nationalteams kennen. Reizvoll, irgendwie schon. Rücksichtslos, absolut. Aber ungehört von Warnungen von hoch angesehenen Trainerpersönlichkeiten wie Jürgen Klopp, Thomas Tuchel, Xabi Alonso, Pep Guardiola oder Vincent Kompany wird weiterhin an der Belastungsschraube in Bezug auf Spielanzahl, Gegnerqualität, Reisestrapazen und Erholungszeit gedreht. In dieser Serie beschäftigen wir uns mit ausgewählten Aspekten aus sportpsychologischer Perspektive.
Zum Thema: Mentale Erholung
In vielen Sportart gibt es Hochbelastungsphasen. Schauen wir nur zum Eishockey: In der Playoff-Phase treten die Teams aller zwei, drei Tage gegeneinander an. Zuhause, auswärts, immer mit Druck, alles, was geht, raushauen. Aber: Die Sommerpause dauert im Eishockey gut und gern drei, vier Monate. Zum Fußball: Durch die Klub-WM, die direkt auf das Nations League Final4 und die entscheidenden Wochen in der Champions League, Pokal und Liga folgt, reduziert sich die Anzahl an zusammenhängenden freien Tagen für die Nationalspieler der beteiligten Clubs auf ein absolutes Mindestmaß. Ist die Klub-WM Mitte Juli beendet, beginnt im Prinzip die Vorbereitung auf die nächste Saison.
Frage: Was macht mentale Erholung mit Profi-Sportlern? Wann setzt sie ein, was ist dabei zu beachten? Und was passiert, wenn die Erholung auf Dauer fehlt? Was wären Lösungsansätze – Prof. Dr. René Paasch hat mal gefordert, Urlaubstage für Profis in der Saison einzuführen?

Antwort von: Yvonne Dathe (zum Profil)
Mentale Erholung ist wichtig zur Wiederherstellung der physischen und psychischen Ressourcen. So wird Stress abgebaut und die mentale Leistungsfähigkeit wiederhergestellt. Die Konzentration verbessert sich. Erholte Sportler sind fokussierter und womöglich auch motivierter. Nicht zu vergessen ist, dass die Zeit mit der Familie und Freunden die soziale Umwelt stärkt. Die emotionale Unterstützung von Freunden und Familie ist für viele Sportler eine wichtige Ressource, damit sie diese nutzen können, müssen Sportler auch mit ihnen Zeit verbringen können.
Die mentale Erholung kann bereits kurzfristig einsetzen und die Stimmung und kognitive Leistungsfähigkeit verbessern. Nach etwa 1-2 Wochen reduziert sich das Stressniveau und die Schlafqualität verbessert sich. Regelmäßige Erholungsphasen über die Saison hinweg können kumulative Belastungen verhindern und die Leistungsentwicklung langfristig fördern.
Wie viel Erholungszeit jemand benötigt, ist sehr individuell. Reine körperliche Pausen reichen oft nicht. Wichtig sind auch soziale Kontakte mit Freunden und der Familie sowie Entspannungsübungen oder sogenannte “Gegenwelten”, also Tätigkeiten, die nichts mit dem Sport zu tun haben, aber dennoch Freude machen.
Entscheidend ist, eine Balance zwischen Belastung und Erholung zu finden. Zu viel Pause kann zu Leistungsverlust führen, zu wenig Pause erhöht das Verletzungs- und Erschöpfungsrisiko. Wichtig sind definierte Pausenzeiten zur mentalen Regeneration. Der Trainingsplan sollte an die individuellen Erholungsbedürfnisse angepasst werden.

Antwort von: Janosch Daul (zum Profil)
Das Nutzen eines Diagnostikinstruments kann zunächst dabei helfen, sich einen Überblick über dein eigenen Belastungs-Erholungszustand zu verschaffen.
Ganz entscheidend ist es für den Sportler, mentale Erholungsquellen zu identifizieren, diese gezielt in eine Wochenstruktur einzubauen und letztlich aufzusuchen. Was erholend wirkt, ist bei jedem Sportler höchst individuell. Sinnvoll ist das Aufsuchen von Gegenwelten, also Lebenswelten, die dadurch gekennzeichnet sind, dass sie in Kontrast stehen zum Leisten, die Freude am Tun im Mittelpunkt steht, man Herr über sein eigenes Handeln ist und keinerlei Verpflichtungen bestehen.

Antwort von: Norbert Lewinski (zum Profil)
Mentale Erholung spielt eine zentrale Rolle im Leben von Profi-Sportlerinnen und Sportlern – insbesondere aus psychodynamischer und psychophysiologischer Perspektive. Sie beeinflusst nicht nur die kurzfristige Leistungsfähigkeit, sondern auch die langfristige körperliche und psychische Gesundheit. In einer Sportwelt, die durch immer dichtere Wettkampfkalender geprägt ist – wie etwa durch die geplante Aufstockung der Fußball-Weltmeisterschaft – gewinnt dieses Thema zunehmend an Bedeutung. Aus psychodynamischer Sicht steht der Mensch im Spannungsfeld zwischen inneren Bedürfnissen, unbewussten Konflikten und äußeren Erwartungen. Profi-Sportlerinnen und Sportler sind permanenten Leistungsanforderungen, öffentlicher Bewertung und einem hohen Erfolgsdruck ausgesetzt. Mentale Erholung – etwa durch Urlaub, Familienzeit oder bewusst sportfreie Phasen – ermöglicht es, aus dem Hochleistungsmodus auszusteigen, emotionale Belastungen zu verarbeiten und psychische Spannungen abzubauen. Sie dient damit der Stärkung des Selbstwertgefühls, der inneren Stabilität und einer gesunden Beziehung zum eigenen Körper und zur eigenen Identität. Ohne diese Rückzugsräume droht eine Überidentifikation mit der Sportrolle, was langfristig zu Erschöpfungszuständen, innerer Leere oder sogar depressiven Symptomen führen kann.

Antwort von: Anke Precht (zum Profil)
Klar, Erholung und Regeneration ist extrem wichtig. Aber: Erholung ausschließlich mit Zeit in Relation zu setzen, wäre zu kurz gegriffen. Es gibt Sportler, die sich auch in mehreren Tagen nicht gut erholen, und andere, denen drei Stunden Fahrt von einem Wettkampfort zum nächsten ausreichen, um sich zu resetten. Teil der sportpsychologischen Arbeit kann also auch genau das sein: Zu schauen, wie sich knappe Zeitlücken optimal nutzen lassen, um nicht nur die körperlichen, sondern eben auch die mentalen Akkus wieder aufzuladen.
Dabei geht es um folgende Fragen:
- Welche Aktivitäten (oder passive Beschäftigungen) gleichen die sportlichen Herausforderungen optimal aus? Wie wirkt mentale Regeneration möglichst effektiv?
- Wie kann Zeitverzerrung als aktiv genutztes Phänomen der Erholung zugutekommen? Heißt: Objektiv kurze Zeit subjektiv viel länger empfinden, mit erhöhtem Erholungseffekt?
- Wie können Sportler möglichst schnell und effektiv abschalten, um mit kurzen Übergangszeiten schnell in die Erholung zu wechseln?
Genau das gilt es dann zu erarbeiten. Denn so schön es wäre: Hochleistungssport ist kein “normaler” Job, und wer nach 40 Stunden auf Feierabend besteht, wird im internationalen Vergleich abgehängt.
Auch aus psychophysiologischer Perspektive ist Erholung essenziell. Der Hochleistungssport aktiviert dauerhaft Stressachsen im Körper – etwa durch erhöhte Cortisolwerte, Schlafstörungen und vegetative Dysbalancen. Mentale Regeneration setzt dann ein, wenn Sportlerinnen und Sportler in der Lage sind, Abstand zum Trainings- und Wettkampfbetrieb zu gewinnen, sei es durch sportfreie Zeit am Ende der Saison, gezielte Pausen nach Belastungsspitzen oder auch durch mikrozyklische Ruhephasen im Alltag.
Wichtige Faktoren dabei sind die Qualität der Erholung – also nicht nur „Nichtstun“, sondern aktive Regeneration durch Natur, soziale Nähe, ausreichenden Schlaf und gezielte Entspannungstechniken – sowie die bewusste mentale Abgrenzung vom Leistungsgeschehen. Bleibt diese Regeneration jedoch dauerhaft aus, drohen gravierende Konsequenzen: körperlich etwa durch chronische Verletzungen oder Übertraining, psychisch durch Burnout, emotionale Instabilität und zunehmende Entfremdung vom eigenen Tun. Die Kombination aus körperlicher Erschöpfung und psychischer Überforderung kann letztlich auch zu einem vollständigen Verlust des inneren Antriebs und zu Identitätskrisen führen – insbesondere dann, wenn der Sport die einzige Säule der Selbstdefinition darstellt.
Um dem entgegenzuwirken, sind strukturelle Veränderungen erforderlich. So hat Prof. Dr. René Paasch angeregt, verbindliche Urlaubstage für Profi-Sportlerinnen und Sportler während der Saison einzuführen – ein Schritt in Richtung nachhaltiger Gesundheitsfürsorge. Darüber hinaus sollten flexiblere Turnierkalender, verpflichtende psychologische Betreuung und Räume für mentale Hygiene etabliert werden. Ebenso wichtig ist es, Sportlervertretungen stärker in Entscheidungsprozesse einzubinden, um eine Balance zwischen sportlicher Leistung und menschlichem Wohlbefinden zu gewährleisten. Mentale Erholung ist kein Luxus, sondern eine physiologische, psychologische und ethische Notwendigkeit. Sie schützt vor Überlastung, stärkt die Persönlichkeitsentwicklung und ermöglicht eine gesunde, langfristige Karriere im Leistungssport.
Das klappt mit Sicherheit im Amateurbereich, wenn es verbindliche Absprachen durch eine ganze Liga gibt. Im Profibereich halte ich das spätestens im internationalen Vergleich für unrealistisch. Bis weltweite Absprachen getroffen sind (und erst recht, bis solche dann auch eingehalten werden!), würden Jahre oder Jahrzehnte vergehen. Solange das also noch nicht der Fall ist, braucht es auch in der Erholung Optimierungsstrategien.

Antwort von: Robin Conen (zum Profil)
Sportpsychologen spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Profi-Sportlern während Hochbelastungsphasen, indem sie Strategien zur mentalen Erholung und Regeneration entwickeln. Die mentale Erholung umfasst verschiedene Aspekte wie Urlaub, Regenerationsphasen, Familienzeit und sportfreie Zeiten, die wesentlich zur Erhaltung der psychischen Gesundheit der Athleten beitragen. Eine Erholungsphase ist entscheidend, um mentale Erschöpfung zu verringern, die Trainings- und Wettkampfleistungen negativ beeinflussen kann. Die Einführung von Urlaubstagen während der Saison, wie von Prof. Dr. René Paasch vorgeschlagen, könnte eine praktikable Lösung sein, um den Stresslevel von Athleten zu senken und Burnout vorzubeugen. Wenn allerdings eine angemessene Erholung fehlt, können sich psychische Probleme wie Angstzustände und Depressionen verschlimmern, was langfristig die Leistung beeinträchtigt und potenziell zu Verletzungsrisiken durch Überbeanspruchung führen kann. Sportpsychologen entwickeln Programme und Interventionen, die mentale und körperliche Erholung miteinander verbinden, um den Sportlern zu helfen, effektiv zu regenerieren. Diese Programme können Interventionen wie Zielsetzung, Achtsamkeit und kognitive Umstrukturierung umfassen, um die mentale Belastbarkeit zu stärken. Auch das Verständnis der psychologischen Aspekte von Verletzungen und Schmerzen (z.B. Rückenschmerzen) sowie die psychosozialen Risikofaktoren (u.a.enorme Stressbelastung, Ignorierung des Schmerzes um Leistung zu erbringen) im Sportumfeld entscheidend sein. Neben sportpsychologischen Interventionsansätzen sollte auch ein multidisziplinärer Ansatz in Betracht gezogen werden, der sowohl sportpsychologische als auch medizinische und ernährungswissenschaftliche Strategien integriert, um die langfristige mentale und körperliche Gesundheit von Athleten zu sichern. Während ihrer Karriere profitieren Sportler von einer Unterstützung, die nicht nur auf ihre körperliche, sondern auch auf ihre mentale Erholung und Gesundheit etwa durch gezielten Einsatz der Sportpsychologie, ausgerichtet ist und der Sportpsychologie der erste Ansprechpartner sein kann.
Titelfoto: AI generiert mit Hilfe von Magic Studio bei Canva
Views: 64