Künstliche Intelligenz und Sportpsychologie – Gesucht und gefunden?

Die künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Zuletzt kam mit Wucht das Dialogsystem ChatGPT auf den Markt, welches in Sekundenschnelle Antworten auf alle denkbaren Fragen digital generiert. Beginnt für die Sportpsychologie ein goldenes Zeitalter? Oder ziehen dunkle Wolken auf? 

Zum Thema: Künstliche Intelligenz und Sportpsychologie

Unsere ExpertInnen Anke Precht (zum Profil), Prof. Dr. René Paasch (zum Profil) und Dunja Lang (zum Profil) haben sich dazu Gedanken gemacht. Aufgepasst: Eine dieser drei Personen hat sich bezüglich der aufgeworfenen Fragen übrigens von ChatGPT höchstpersönlich helfen lassen. Ob die künstliche Intelligenz der leibhaftigen Sportpsychologie wohl kritisch gegenübersteht, lest ihr hier.

Welche Trends gibt es im Arbeitsfeld der künstlichen Intelligenz mit Blick auf die Sportpsychologie? 

Antwort von Anke Precht (zum Profil): 

Zur Zeit sind die Einsatzfelder speziell in der Sportpsychologie noch sehr begrenzt. KI-gestützte Leistungsbewertungen werden vermutlich bald dazu führen, dass genauere Leistungsvorhersagen getroffen werden können – mit Konsequenzen für Aufstellungen in Teams, vielleicht auch auf dem Transfermarkt. Wir beobachten im Schach oder beim chinesischen Brettspiel Go, dass die KI für physische Spieler schwer zu schlagen ist. Heißt: Es können von der KI neue Strategien gelernt und in das Spiel übernommen werden. Und natürlich hat die Leistung der KI speziell in diesen Sportarten Auswirkungen darauf, wie Turniere eventuell manipuliert werden können. Wir werden sehen, ob das geschieht und wenn ja, wie die Sportler darauf reagieren.

Antwort von Prof. Dr. René Paasch (zum Profil): 

In den vergangenen Jahren hat die Anwendung von KI in vielen Bereichen an Bedeutung gewonnen und es wurden teils beeindruckende Ergebnisse erzielt. So wird die KI u.a. vermehrt in gesellschaftlichen Anwendungsszenarien eingesetzt. Auch im Sport haben Methoden der KI in den letzten Jahren mehr und mehr Einzug gehalten. Der Nutzen von Methoden der KI im Sport ist unbestritten, jedoch treten bei der Umsetzung in die Praxis gravierende Probleme auf, was den Zugang zu Ressourcen, die Verfügbarkeit von Experten*innen und den Umgang mit den Methoden und Daten betrifft. Die folgenden Herausforderungen müssen dabei besonders betrachtet werden: Es ist unklar, wie mit den verfügbaren Daten (Menge/Umfang, Validität etc.) umgegangen werden soll, d.h. wie man von den Daten zu praktikablen Informationen gelangt. Hinzukommt, dass nicht alle Sportler*innen und Trainer*innen gleichermaßen Zugriff auf das Wissen und Ressourcen haben. Die Möglichkeiten sowie Art und Weise, wie sich die künstliche Intelligenz im Spitzensport einsetzen lässt, wird zum Teil noch unzureichend mit den jeweiligen Zielgruppen kommuniziert.

Mittels künstlicher Intelligenz können wir immersive kognitive Umgebungen schaffen, die ein sportpsychologisches Coaching nachhaltiger gestalten können. Mit Extended-Reality-Brillen und virtuellen Großbildprojektionen können Bewegungen direkt beobachtet und simuliert werden. Oder es kann die Gedankenschnelligkeit trainiert werden. Siehe dazu:

Dunja Lang

Antwort von ChatGPT, gefragt von Dunja Lang (zum Profil):

Es gibt mehrere Trends im Arbeitsfeld der künstlichen Intelligenz mit Blick auf die Sportpsychologie:

  1. Personalisierte Trainingsprogramme: Künstliche Intelligenz kann genutzt werden, um Trainingsprogramme individuell auf die Bedürfnisse und Ziele von Sportlern anzupassen. Durch die Analyse von Daten wie Leistung, Fitness-Level, Verletzungshistorie und Ernährungsgewohnheiten kann ein personalisiertes Trainingsprogramm erstellt werden, das die individuellen Bedürfnisse und Ziele berücksichtigt.
  2. Leistungsanalyse und Prognose: Durch die Analyse von großen Datenmengen wie Trainingsdaten, Wettkampfergebnissen und Biometriedaten können Algorithmen erstellt werden, die die Leistung von Sportlern vorhersagen und analysieren können. Diese Analysen können dazu beitragen, die Leistung von Sportlern zu verbessern und Verletzungen zu vermeiden.
  3. Mentaltraining: Künstliche Intelligenz kann auch genutzt werden, um Sportlern dabei zu helfen, ihre mentale Stärke und Konzentration zu verbessern. Dies kann durch die Erstellung von personalisierten Meditationsprogrammen oder durch den Einsatz von Chatbots erreicht werden, die auf Basis von Machine-Learning-Algorithmen lernen, wie sie am besten mit Sportlern interagieren.
  4. Automatisierte Datenanalyse: Künstliche Intelligenz kann auch genutzt werden, um große Datenmengen automatisch zu analysieren und zu interpretieren. Dadurch können Sportpsychologen schneller und effizienter Entscheidungen treffen und wertvolle Erkenntnisse gewinnen, die dazu beitragen, die Leistung von Sportlern zu verbessern.

Obwohl die Möglichkeiten, die künstliche Intelligenz in der Sportpsychologie bietet, vielversprechend sind, gibt es auch Bedenken hinsichtlich der Abhängigkeit von Technologie und der menschlichen Interaktion. Es ist wichtig, dass Sportpsychologen sich bewusst sind, dass Technologie nur ein Werkzeug ist und dass die menschliche Interaktion weiterhin eine wichtige Rolle bei der Betreuung von Sportlern spielt.

Auf welche Entwicklungen freut ihr euch bzw. was könnte für uns, SportlerInnen und TrainerInnen interessant werden?

Antwort von Anke Precht (zum Profil): 

Ich kann mir gut vorstellen, dass die KI künftig dabei helfen kann, anhand von Mikro-Mimik oder Haltung noch besser zu identifizieren, wo bei Sportlern möglicherweise Blockaden liegen, bevor diese zum Problem werden. Gerade weil die KI in der Lage ist, jeden Athleten separat zu analysieren und aktuelle Daten mit Daten aus anderen Situationen zu vergleichen, liegen hier sicher spannende diagnostische Möglichkeiten. Gleichzeitig kann die KI Sportlern aber auch stark entlasten. Wenn wir zum Beispiel an ChatGPT denken, so könnten Sportler im semiprofessionellen Bereich, die viel Eigenwerbung machen müssen und das nicht immer gut können, mit Hilfe von KI gute Posts oder Sponsorenanschreiben erstellen. Heißt: Entlastung, weil ja auch das Drumherum immer einen Load mit sich bringt. Die Energie, die da eingespart wird, kann dann für etwas anderes gut verwendet werden. Für TrainerInnen werden vermutlich besonders die noch kommenden Analysetools spannend werden, für Aufstellungsplanung und Scouting. Ich denke aber, dass das noch dauern wird. Wir werden es vermutlich zuerst in den Sportarten sehen, in denen es um eine Menge Geld geht.

Prof. Dr. René Paasch

Antwort von Prof. Dr. René Paasch (zum Profil): 

Ganz besonders freue ich mich auf die weitere Entwicklung „Exekutiver Funktionen“ und die Fähigkeit zur Selbstregulation. Viele Befunde aus den Bereichen der Psychologie und kognitiven Neurowissenschaften deuten darauf hin, dass den exekutiven Funktionen eine zentrale Schlüsselrolle zugeschrieben wird. Sie sind insbesondere dann von Wichtigkeit, wenn in einer sportlichen Situation ein Abweichen von gut eingespielten, automatisierten Denk- und Handlungsweisen gefordert wird. In diesem Zusammenhang sprechen die Forscher*innen und Praktiker von „Gedankenschnelligkeit“ oder „Higher Level Exekutivfunktionen (HEF)“. Die Bedeutung von kognitiven Fähigkeiten ist im Sport noch nicht ganz angekommen. Dennoch befinden wir uns in einer spannenden Phase, sowohl für die Sportpsychologie als auch für die Sportpraxis. Erste Ansätze der KI im Feld finden Sie hier:

Antwort von ChatGPT, gefragt von Dunja Lang (zum Profil):

Sportpsychologen können sich auf eine Vielzahl von Entwicklungen freuen, die ihnen dabei helfen können, die Leistung von Sportlern zu verbessern und ihre Arbeit effektiver zu gestalten. Einige der Entwicklungen sind:

  1. Wearables und Sensoren: Immer mehr Sportler tragen heutzutage Wearables und Sensoren, die Daten über ihre körperliche Aktivität, Leistung und Gesundheit sammeln. Sportpsychologen können diese Daten nutzen, um die Leistung von Sportlern zu analysieren und personalisierte Trainingsprogramme zu erstellen.
  2. Virtuelle Realität: Virtuelle Realitätstechnologie wird zunehmend für das Training von Sportlern eingesetzt, um sie auf Wettkämpfe vorzubereiten und ihre Reaktionsfähigkeit und Entscheidungsfindung zu verbessern. Sportpsychologen können die virtuelle Realität nutzen, um mentales Training und Visualisierungstechniken zu verbessern.
  3. Chatbots und künstliche Intelligenz: Chatbots und künstliche Intelligenz können Sportpsychologen dabei helfen, personalisierte Trainingsprogramme zu erstellen und mentales Training anzubieten. Sie können auch genutzt werden, um Sportler zu motivieren und ihre Leistung zu verbessern.
  4. Psychologische Tests und Fragebögen: Fortschritte in der digitalen Technologie haben die Entwicklung von psychologischen Tests und Fragebögen erleichtert, die schnell und effektiv online durchgeführt werden können. Dies ermöglicht es Sportpsychologen, schnell Feedback von Sportlern zu erhalten und ihre Arbeit zu verbessern.

Für Sportler und Trainer können diese Entwicklungen auch interessant sein, da sie ihnen dabei helfen können, ihre Leistung zu verbessern und ihre Ziele zu erreichen. Personalisierte Trainingsprogramme können dazu beitragen, dass Sportler effektiver trainieren und Verletzungen vermeiden. Virtuelle Realität kann Sportlern dabei helfen, ihre Fähigkeiten zu verbessern und in schwierigen Situationen besser zu reagieren. Chatbots und künstliche Intelligenz können Sportlern dabei helfen, ihre mentale Stärke und Motivation zu verbessern. Psychologische Tests und Fragebögen können Sportlern helfen, ihre Stärken und Schwächen besser zu verstehen und ihre Leistung zu verbessern.

In welchen Bereichen sind der automatisierten Technik Grenzen gesetzt? Wo wird (oder sollte) immer das Menschliche zählen?

Anke Precht

Antwort von Anke Precht (zum Profil): 

Natürlich in allen Bereichen, in denen Beziehung wichtig ist. Das beginnt beim Bearbeiten emotionaler Belastungen bei Sportlern. Da kann man auch automatisiert einiges machen, gerade mit den bifokalen Techniken. Spätestens aber, wenn ein Thema knackig ist, braucht es zum Bearbeiten einen echten Menschen, der mitgeht und Sicherheit gibt, und der zum Beispiel auch körperlich berühren kann, was bei bestimmten Methoden nötig ist. Dazu kommt der persönliche Austausch über Erfahrungen im Training und Wettkampf und die Reflektion bei Sportlern und Staff. Da spielt es eine große Rolle, dass Vertrauen in der Beziehung ist. Ich glaube nicht, dass eine Maschine das wirklich hinbekommen kann, auch nicht mit Hilfe von Virtual Reality. 

Antwort von Prof. Dr. René Paasch (zum Profil): 

Es ist festzuhalten, dass KI systematisch und leistungsstark arbeitet und wir wiederum gut darin sind, menschlich, flexibel und kreativ zu agieren. Vor allem interpersonale Intelligenz kommt unserem Feld in diesem Zusammenhang zugute. Ich sehe somit Potenzial für eine Symbiose, in der die KI unsere Disziplin unterstützt. Ein selbstständiges kreatives Verhalten von der KI ist aktuell nicht möglich, sodass der Mensch die Führung weiterhin übernehmen wird.  Die nachvollziehbare Frage, ob der Mensch durch die KI in Zukunft obsolet wird, kann deutlich verneint werden. Zum einen braucht es den Menschen, um KI zu programmieren und „die richtigen Fragen zu stellen“. Und zum anderen liegen die Stärken unserer Disziplin genau dort, wo die Schwächen der KI liegen – und andersrum. 

Antwort von ChatGPT, gefragt von Dunja Lang (zum Profil):

Obwohl die automatisierte Technik viele Vorteile bietet, gibt es auch Bereiche, in denen sie an ihre Grenzen stößt und in denen das Menschliche immer zählen sollte. Einige dieser Bereiche sind:

  1. Menschliche Interaktion: Obwohl Chatbots und künstliche Intelligenz genutzt werden können, um mit Sportlern zu interagieren und ihnen zu helfen, ihre Leistung zu verbessern, sollte die menschliche Interaktion immer zählen. Ein persönliches Gespräch mit einem Sportpsychologen kann oft viel wertvoller sein als ein automatisiertes Feedback.
  2. Individualität: Jeder Sportler ist einzigartig und hat unterschiedliche Bedürfnisse und Ziele. Obwohl die automatisierte Technik genutzt werden kann, um personalisierte Trainingsprogramme zu erstellen, sollte die Individualität des Sportlers immer berücksichtigt werden. Ein erfahrener Sportpsychologe kann besser auf die individuellen Bedürfnisse und Ziele eines Sportlers eingehen als ein automatisiertes System.
  3. Kulturelle Unterschiede: Kulturelle Unterschiede können einen großen Einfluss auf die Leistung von Sportlern haben. Ein automatisiertes System kann Schwierigkeiten haben, die kulturellen Unterschiede und die damit verbundenen Bedürfnisse und Erwartungen zu berücksichtigen. Ein Sportpsychologe, der sich mit der Kultur und den Bedürfnissen eines Sportlers auskennt, kann besser auf die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen eingehen.
  4. Kontextuelle Faktoren: Leistung im Sport hängt oft von Kontextfaktoren ab, wie zum Beispiel dem Wetter, der Beschaffenheit des Platzes oder der Atmosphäre im Stadion. Automatisierte Systeme können Schwierigkeiten haben, diese Kontextfaktoren zu berücksichtigen und ihre Auswirkungen auf die Leistung von Sportlern zu verstehen. Ein erfahrener Sportpsychologe kann den Kontextfaktoren besser verstehen und auf die individuellen Bedürfnisse des Sportlers eingehen.

Insgesamt sollte die automatisierte Technik als Werkzeug für Sportpsychologen und Trainer betrachtet werden, das ihre Arbeit effektiver und effizienter machen kann. Es sollte jedoch immer berücksichtigt werden, dass die menschliche Interaktion, die Individualität, kulturelle Unterschiede und kontextuelle Faktoren wichtige Faktoren sind, die bei der Betreuung von Sportlern berücksichtigt werden müssen.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de