Mit Depressionen verhält es sich im Sport wie mit dem bekannten Elefanten im Raum. Denn psychische Probleme gehören im Hochleistungssport genauso dazu, wie im Amateursport. Nur wird im sportlichen Alltag trotz vieler guter Initiativen noch zu selten offen über mentale Schwierigkeiten gesprochen. Noch schlimmer: Häufig besteht zu wenig oder keine Kenntnis bezüglich Warnsignalen oder ernsten Anzeichen. Kürzlich wurde Cristina Baldasarre von der Deutschen Welle zum Thema befragt (Link zum Beitrag), hier beantwortet sie drei zentrale Fragen für den Alltag in Sportvereinen.
Cristina Baldasarre, was sind für dich Warnzeichen für Depressionen?
Es braucht unbedingt ein Gespräch, um bei Athleten möglichen depressiven Episoden auf die Schliche zu kommen. Sportler und Sportlerinnen sind gut darin trainiert, sich von aussen und in der Öffentlichkeit nichts anmerken zu lassen. Darum ist der erste Schritt ein aufmerksames Hinschauen, um auch kleinste Veränderungen im Verhalten zu erfassen. Zeichen können beispielsweise sozialer Rückzug sein, vermehrt traurige Momente oder negative Bemerkungen, sowie Äusserungen zu Hilflosigkeit. Auch ein unerklärlicher Abfall der Leistungen ist ein Alarmsignal, sowie auch erhöhte Müdigkeit und ein Abfall des Selbstvertrauens. Allgemein kann ein langanhaltendes, hohes Stressniveau immer als Warnzeichen gewertet werden, welches einer depressiven Episode vorangehen kann.
Wie gehst du in deiner Praxis mit Sportlern und Sportlerinnen um, die bei sich Warnsignale gespürt haben? Was sind deine Ansätze, vielleicht erste Fragen?
Die Athleten und Athletinnen finden bei mir einen geschützten Ort, wo sie erst einmal grosses Verständnis für ihre Situation erleben. Sie dürfen über ihre Ängste und Verzweiflung sprechen und auch weinen, das machen fast alle. Lösungsansätze stehen zu Anfang nicht im Vordergrund, vielmehr geht es darum, einfach da zu sein, zu verstehen und das Leid zu teilen. Die weitere Arbeit geschieht immer über Gefühle und innere Bilder. Wir suchen zusammen nach Situationen, bei denen sich der Athlet oder die Athletin ein bisschen anders gefühlt hat: etwas weniger negativ, etwas wohler oder sicherer – egal wie klein dieser Moment auch gewesen sein mag. Dies schürt die Hoffnung, dass Veränderung möglich ist. Dieser Schritt ist zentral, da depressive Sportler und Sportlerinnen meist perspektivlos sind und nur noch in «schwarz-weiss» Kategorien denken können. Zusammen machen wir uns auf die Suche nach inneren Grautönen.
Was sollten Trainerinnen im Umgang mit mental zumindest angeschlagenen Sportlern und Sportlerinnen wissen? Was können die besonders richtig machen, was sind demgegenüber No-go’s?
No-go’s gibt es haufenweise, eine Aufzählung dieser macht keinen Sinn. Darum ist es mir wichtig, auf der Metaebene zu arbeiten: Behandeln Sie als Trainer oder Trainerin ihr Gegenüber so, wie Sie selber behandelt werden möchten. Im Zweifelsfall seien Sie positiv: Ein präventiv Selbstvertrauen förderndes Trainingsumfeld ist zentral. Oft sage ich Trainern: «Sammeln Sie gute Momente im Training». Wir wissen, dass ein negatives, abwertendes Feedback drei bis fünf positive, vertrauensbildende Feedbacks benötigt, um quasi emotional ausgeglichen und verarbeitet zu werden. Somit rückten die Kommunikationsfähigkeiten von Trainern in den Fokus.
Sprechen Sie immer sachlich, also über Technik und Taktik. Niemals sollten Kommentare entstehen, die auf Persönliches abzielen (z.B. auf Figur, Aussehen, Intelligenz, Motivation oder Trainingsfleiss). Trainer sollten den Menschen und nicht nur den Athleten oder die Athletin sehen. Schon diese Haltung enthält viele gute Ansätze: Verständnis, Interesse für den Menschen, Empathie, Wissen über Entwicklungsstufen und sensible Phasen junger Sportler und Sportlerinnen, Kennen des Umfeldes (Eltern, Schulsituation etc.).
Hinweis: Wir von Die Sportpsychologen verfügen über gute Kontakte zu Therapeuten und Therapeutinnen, die auf psychische Probleme spezialisiert sind. Zum Teil bringen einzelne ProfilinhaberInnen entsprechende Qualifikationen mit. In jedem Fall sind unsere Experten und Expertinnen (zur Übersicht) eine gute erste Instanz, um sich im sportnahen Umfeld Unterstützung zu holen.
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