Immer neue und aufgeblähte Wettbewerbe. Die Klub-WM war über viele Jahre ein nur wenige Tage in Anspruch nehmender Wettbewerb. Für europäische Clubs war er zudem nur dann wichtig, wenn er gewonnen wurde. Mit 32-Teams über vier Wochen ist der Wettbewerb nun ein Hochglanzprodukt geworden. Die Klub-WM ist Teil einer Entwicklung, einer ungezügelten Ausweitung und Ergänzung von Wettbewerben. Zuvor wurde die Champions League mit einer erweiterten Gruppenphase ausgeweitet und die Nations League sowie die Conference League erfunden. Die Anzahl der Spiele für die Topstars wächst kontinuierlich. Was macht das mit Themen wie Volition und Motivation, wollte Mathias Liebing, Gründer und Redaktionsleiter von Die Sportpsychologen wissen…
Zum Thema: Volition und Motivation
Wie wirken sich immer neue und veränderte Wettbewerbe auf die Volition und Motivation aus? Was ist das eigentlich, Motivation und Volition – und was sollten Trainer und Spieler darüber wissen? Wie lässt sich sportpsychologisch auf die neue Situation mit dem Mehr an Wettbewerben in Bezug auf Motivation und Volition reagieren?

Norbert Lewinski (zum Profil):
Die ständige Ausweitung von Wettbewerben – wie die neue Klub-WM oder die verlängerte Champions-League – verändert die psychische Belastung von Profi-Fußballern massiv. Aus sportpsychologischer Sicht betrifft das besonders zwei zentrale Prozesse: Motivation (das „Warum“ des Handelns) und Volition (das „Wie“ – die Willenskraft zur Umsetzung von Zielen trotz Widerständen). Motivation ist dynamisch und eng mit inneren Bedürfnissen, Zielen und Sinnfragen verbunden. Wird der Sport durch zu viele, immer gleichwertig inszenierte Turniere entwertet, droht ein Verlust an intrinsischer Motivation – also der Freude, dem inneren Antrieb, dem Sinn. Spiele wirken austauschbar, die emotionale Bedeutung schwindet. Volition leidet, wenn die mentale Kraft zur Zielverfolgung durch Überforderung nachlässt. Spieler funktionieren zwar, aber innerlich entsteht Distanz, Erschöpfung, oft auch Resignation. Aus psychodynamischer Perspektive zeigen sich hier innere Konflikte: zwischen Pflichtgefühl, Erfolgsdruck und dem Wunsch nach Autonomie oder Sinn. Um dem entgegenzuwirken, braucht es gezielte Strategien: individuelle Zielklärung, bewusste Spielrotation zur mentalen Entlastung, sowie Reflexionsräume im Team – etwa mit sportpsychologischer Begleitung.
Motivation und Volition sind nicht fix, sondern entwickelbar – durch ständiges, selbstreflexives Lernen. Wer den inneren Sinn wiederfindet, bleibt auch in einem überladenen Spielplan handlungsfähig – und psychisch gesund.

Anke Precht (zum Profil):
Ergänzend zu den Ausführungen von Norbert gibt es ein weiteres Momentum, das auch positiv ist: Mehr Wettbewerbe bedeuten, dass Sportler mehr von dem tun können, wofür sie jahrelang hart gearbeitet haben – Sie messen sich mit anderen und zeigen, was sie können. Gibt es nur ganz wenige Wettbewerbe, konzentriert sich die gesamte Motivation auf diese, und häufig entsteht dadurch ein extrem hoher Druck. Dieser wirkt sich ungünstig auf die mentale Situation gerade jener Sportler aus, die sich noch nicht gut selbst regulieren können: Ein wenig wie vor einer Prüfung, für die es nur eine einzige Chance gibt.
In 2024 habe ich im MTB erlebt, dass die für die Fahrer extrem anstrengende Olympia-Qualifikation mit vielen harten Entscheidungen für manche leichter mental zu stemmen war, weil sie wussten: Da kommt noch eine WM, und es gibt noch ein Weltcup-Ranking, wo ich mich beweisen kann. Druck verteilt sich, das erleichtert auch manches.

Robin Conen (zum Profil):
Die zunehmende Anzahl und die Formatänderungen von Wettkämpfen im Sport können die Motivation und den Willen von Sportlern erheblich beeinflussen, und Sportpsychologen spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Auswirkungen. Motivation bezieht sich auf die inneren und äußeren Kräfte, die einen Sportler dazu antreiben, sportliche Aktivitäten zu beginnen und fortzusetzen, während Willenskraft die Entschlossenheit und Ausdauer ist, die erforderlich sind, um ein Ziel trotz Schwierigkeiten zu erreichen. Sportpsychologen können Sportlern helfen, ihre Motivation und Willenskraft aufrechtzuerhalten, indem sie verschiedene Strategien und Maßnahmen einsetzen. Psychologisches Training, das Zielsetzung, Selbstgespräche, mentale Bilder und Entspannungstechniken umfasst, verbessert nachweislich die Leistung, indem es psychologische Faktoren wie Selbstvertrauen stärkt und Ängste abbaut. Regelmäßige sportpsychologische Interventionen können die mentale Stärke und die Bewältigungsfähigkeiten von Sportlern verbessern und ihnen helfen, mit Druck umzugehen und unter wechselnden Wettbewerbsbedingungen konstante Leistungen zu erbringen. Darüber hinaus ist das Verständnis von Motivationstheorien, wie z.B. der Selbstbestimmungstheorie, von entscheidender Bedeutung. Diese Theorie betont die Bedeutung von Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit für die Förderung der intrinsischen Motivation von Sportlern. Positive Emotionen, wie z.B. Selbstvertrauen und verminderte Angst, stehen in Zusammenhang mit einer besseren Erholung von Sportverletzungen und können für die Anpassung an neue Wettkampfformate von entscheidender Bedeutung sein. Für Trainer und Spieler ist das Verständnis dieser psychologischen Konzepte von entscheidender Bedeutung. Trainer sollten ein Umfeld schaffen, das das psychische Wohlbefinden fördert, indem sie eine offene Kommunikation hervorheben, die Autonomie unterstützen und das Selbstvertrauen durch positive Verstärkung stärken. Die Spieler sollten auch darin geschult werden, psychologische Strategien anzuwenden, um Stress und Druck während Wettkämpfen effektiv zu bewältigen.
Zusammenfassend kann der Sportpsychologe ein Ansprechpartner sein, um bei der Anpassung an ein höheres Wettkampfvolumen sportpsychologische Interventionen zur Stärkung der mentalen Belastbarkeit und Bewältigungsfähigkeiten anzubieten und um die Leistung unter neuen Wettbewerbsbedingungen zu steigern.
Titelfoto: AI generiert mit Hilfe von Magic Studio bei Canva
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