Freitag, 17. Mai 2024. Dieses Datum soll als Zäsur in die Sportgeschichte eingehen. Es soll für einen offeneren und vor allem vorurteilsfreien Umgang mit dem Thema sexueller Orientierung im Profi-Fußball stehen. Nach ersten Verlautbarungen im November 2023 wurde für diesen Tag sogar ein Gruppen-Outing von mehreren homosexuellen Profi-Fußballern erwartet. Die Initiative geht auf den Ex-Fußballer und Aktivisten Marcus Urban zurück.
Sportler und Sportlerinnen, die ein öffentliches Outing planen, können seit dem 17. Mai nun die geschaffene Plattform Diversoro (Link) nutzen. Eine Möglichkeit, Flagge zu zeigen. Aber ganz so einfach verhält es sich mit individuellen Outing-Prozessen dann eben doch nicht. Hier kommt nicht zuletzt die Sportpsychologie ins Spiel.
Zum Thema: Homosexualität im Fußball
Wir von Die Sportpsychologen unterstützen Sportler, Sportlerinnen, TrainerInnen, Vereine und Verbände. Auch in Begleitung von Outing-Prozessen. Hier beantworten wir die Frage, wie die Begleitung eines solchen Weges durch Sportpsychologen, Sportpsychologinnen oder qualifizierte MentaltrainerInnen aussehen kann?

Antwort von: Klaus-Dieter Lübke Naberhaus (zum Profil)
Die Begleitung eines Outing-Prozesses ist wie jeder psychologisch begleitete Prozess sehr individuell und vor allem auf tiefem Vertrauen basierend. Die Frage nach dem ob und wann des “Outings” wird zentraler Mittelpunkt sein. Welche Ressourcen stehen zur Verfügung, welche Konsequenzen drohen und bin ich für diese gewappnet, bin ich bereit, diese auf mich zu nehmen?
Der Kontakt mit ebenso betroffenen Sportlern kann sehr hilfreich sein, vor allem der Austausch mit denen, die diesen Weg schon gegangen sind. Eine gemeinsame Initiative erleichtert die Entscheidung für sich einzustehen durchaus, somit kann ein “Gruppen-Outing”, wie von Marcus Urban angeregt, eine mögliche Hilfestellung sein.

Antwort von: Kathrin Seufert (zum Profil)
Wenn man das Thema betrachtet, ist es aus meiner Sicht wichtig, dass es nur ein „großes“ ist, wenn der Spieler es selbst als dieses empfindet. Es kann eine Hilfe sein, dass es eine Gruppe gibt, die sich gleichzeitig traut, und genau so kann es ein Hemmnis sein, dass es einer Gruppe und einer öffentlichen Ankündigung bedarf, seine Orientierung ausleben zu können. Eine Begleitung kann dabei helfen, für sich zu reflektieren und eine unterstützende Rolle an seiner Seite zu wissen. Aus meiner Sicht kann sich diese Haltung oder Meinung auch im Laufe der Zeit ändern. Diese Veränderung sollte wahrgenommen werden und entsprechend dem persönlichen Gusto bearbeitet werden. Vielleicht reicht es ja auch, sich selbst zu akzeptieren, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. Oder ist es einem wichtig, auch in der Öffentlichkeit seine Partnerschaft zeigen zu können, ohne Bedenken. Also so wie immer im psychologischen Kontext… Jeder so, wie er es braucht und will 🙂
Wichtig bleibt, dass ich mit gutem Gefühl sagen kann: Ich bin gut so, wie ich bin!

Antwort von: Johannes Wunder (zum Profil)
Queere Menschen sind Teil unserer Bevölkerung und nach aktueller Studienlage betreffen queere Themen immer mehr Personen, weil ein Outing vermeintlich einfacher geworden ist oder entsprechende Aufklärung Bestandteil des Heranwachsens ist.
Selbstverständlich bleibt es jeder Person überlassen, ob ein öffentliches Outing bevorzugt wird. Eine Akzeptanz der eigenen Person ist für die mentale Gesundheit jedoch von großer Wichtigkeit. Und auch ein Versteckspiel im Freundes- und Familienkreis kann nachweislich zu einer großen Belastung führen ebenso wie die Angst eines Fremdoutings, weil man als öffentliche Person des Sports vermeintlich auch im Fokus der gesamten Öffentlichkeit steht.
Zur Akzeptanz und Sensibilisierung sollten deshalb auch Sportvereine, Verbände, Trainer*innen beitragen. Was eint: queere Menschen gibt es nicht nur unter Spieler*innen verschiedener Altersklassen, sondern zahlenmäßig auch in den verschiedenen Ämtern im Sport, unter Schiedsrichter*innen oder auch unter Zuschauer*innen.

Antwort von: Elisa Lierhaus (zum Profil)
Homosexualität und queere Lebensrealitäten sind schon sehr lange Teil unserer vielfältigen Gesellschaft. Doch gerade im Fußball der Männer ist es noch ein viel zu großes Tabuthema. Mehr Öffentlichkeit und Sichtbarkeit sind wichtig, um dieses Tabu langfristig zu brechen und queeren Menschen im Sport damit noch besser zu unterstützen. Insgesamt gibt es in Deutschland positive Entwicklungen hinsichtlich der Unterstützung von Outing-Prozessen im Sport, aber es besteht weiterhin die Notwendigkeit, die Sensibilisierung zu erhöhen und Diskriminierung aktiv entgegenzuwirken, um ein wirklich inklusives Umfeld für alle Sportler zu schaffen. Denn die Akzeptanz der eigenen Person ist für die mentale Gesundheit enorm wichtig. Dabei bleibt die Begleitung eines Outing-Prozesses aber genauso wie andere psychologische Prozessbegleitungen eine individuelle Angelegenheit. Ein offenes Umfeld – wie der Sportverein, Trainer*innen und auch Verbände – welche eine klare, reflektierte und sensibilisierte Haltung zeigen, können in jedem Fall dabei unterstützen, wenn sich ein Athlet oder eine Athletin dazu entschließt, die sexuelle Orientierung öffentlich zu machen.
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