Uwe Knepel: Trainer sein…

Was ist eigentlich mit denjenigen Trainern, die montags, mittwochs und freitags früher zur Arbeit fahren, um nachmittags pünktlich auf dem Spielfeld zu stehen? Diejenigen, die bei jedem Wetter samstags und sonntags die Sportplätze mit meist ehrenamtlichem Engagement und der Liebe zum Sport füllen und erst danach Zeit mit ihren Familien verbringen? Brauchen die sportpsychologisches Wissen? Immer wieder höre ich, diejenigen machten es so gut sie es eben können. Für eine tiefere Auseinandersetzung mit der Sportpsychologie bliebe da keine Zeit. Dem will ich etwas entgegensetzen.

Zum Thema: Sportpsychologie für Amateur-Trainer im Jugendfußball

Wenn Du Dich jetzt angesprochen fühlst, dann fragst Du Dich sicherlich auch, was Du mit dem Thema Sportpsychologie zu tun haben könntest? Ist das nicht eher (nur) etwas für den Profisport?! Ja, auch! Aber nicht nur!

Besonders im Kinder- und Jugendsport bedeutet Trainer zu sein mehr, als nur Verantwortung zu übernehmen. Im Detail heißt es, Vorbild zu sein, sportlich wie auch menschlich; methodisch und inhaltlich qualifiziert zu sein; Organisator und Manager zu sein; Überbringer von guten und schlechten Nachrichten; Tröster und Motivator, gerecht zu sein und noch so vieles mehr.

Übersicht Führungsstile

Als Trainer entscheidest Du ganz allein, wie Du dein Team führst. Und genau das ist die Frage mit der sich dieser Artikel beschäftigt: Wie leitest Du Deine Spieler*innen an? Kurt Lewin beschreibt ursprünglich drei verschieden Arten, Teams anzuleiten: 

  • den autoritär-hierarchischen Führungsstil, bei dem es vor allem darum geht, dem Team Anweisungen zu geben, die die Spieler*innen dann zu befolgen haben
  • den demokratisch-kooperativen Führungsstil, hierbei würden die Spieler*innen zum Beispiel in das Trainingsprogramm mit einbezogen und Diskussionen sind ausdrücklich erwünscht
  • (und) den Laissez-faire-Führungsstil, der den Spieler*innen sehr viele Freiheiten lässt, so dass diese selbst bestimmen, welche Aufgaben sie wie und wann absolvieren. Der Trainer greift dabei nicht in das Geschehen ein.

Welchem Trainertyp Du am ehesten entsprichst, überlegst Du gerade? Viel wichtiger ist vielleicht die Frage, ob Du mit einem dieser Stile das erreichst, was du erreichen willst – und was genau willst Du eigentlich erreichen?

Anforderungen im Jugendfußball

Aus sportpsychologischer Sicht beschreiben folgende Anforderungen den modernen Jugendfußballer/die moderne Jugendfußballerin: 

  • eigene Gefühle regulieren können
  • freie Pass- und Laufwege bemerken
  • aktives Coaching der Mitspieler
  • schnelles Umschaltspiel
  • hohe Konzentration
  • Vorherbestimmen des Ballflugs
  • Aufmerksamkeit bis zum offiziellen Spielende
  • Techniken abrufen und vorstellen können
  • überzeugt sein vom eigenen Können, usw.
Mehr Infos zu Uwe Knepel: https://www.die-sportpsychologen.de/uwe-knepel/

Das Erreichen dieser Anforderungen mit nur einer der oben genannten Führungsstile scheint ausgeschlossen. Was bedarf es nun, um den Anforderungen gerecht zu werden? Eine Möglichkeit beschreibt das SITUATIVE FÜHREN (Hersey und Blanchard). Ein Ansatz, der ursprünglich aus der Führung in Wirtschaftsunternehmen stammt. Hier wird zwischen aufgabenbezogenen und beziehungsbezogenen Führungsstilen unterschieden. Je nach Auffassung-, Umsetzungs- und Entwicklungsgrad der Spieler*innen (physisch wie auch psychisch) führt unterschiedliches Verhalten der Trainer*innen zum Erfolg.

Aufgaben- und beziehungsbezogen

Aufgabenbezogen meint, dass die Trainer*innen dabei detailliert vorgeben, wie etwas umgesetzt werden soll. Die Frage dahinter ist also: Wer soll was, wann, womit und wie gut machen? (Ergänzungen sind natürlich ebenso möglich wie das Entfernen einzelner Frageworte.)

Hersey und Blanchard definieren beziehungsbezogen als die Ebenen des zwischenmenschlichen Kontakts, das bedeutet, die Trainer*innen bieten individuelle Hilfestellungen an, motivieren die Spieler*innen und sind geprägt von Wertschätzung den Spieler*innen gegenüber.

Der Entwicklungsgrad als Orientierung

Nach Hersey und Blanchard ergeben sich daraus vier Führungsmöglichkeiten, welche sich an dem Entwicklungsgrad der Spieler*innen orientieren. Im Folgenden erläutere ich diese kurz und praxisnah.

Niedriger Entwicklungsgrad der Spieler*innen:

Lernen Spieler*innen neue motorische Spiel- und Bewegungsformen, zum Beispiel in der G- oder F-Jugend das Passspiel mithilfe des Seiteninnenstosses, wird eine hohe Aufgabenorientierung und eine niedrige Beziehungsorientierung empfohlen, die Trainer*innen sollen also die Spieler*innen anleiten (Vormachen, Erklären, Nachmachen und Üben).

Geringer bis mittleren Entwicklungsgrad der Spieler*innen:

Können Spieler*innen Aufgaben selbständig (eventuell auch noch durch Anleitung) durchführen, wie zum Beispiel freie Lauf- oder Passwege bespielen, so wird empfohlen, beide – den aufgaben- und den beziehungsbezogenen Stil – gleichzeitig anzuwenden.

Mittlerer bis hohen Entwicklungsgrad der Spieler*innen:

Hierbei gilt es weniger aufgabenbezogen und mehr beziehungsorientiert anzuleiten, so dass die Spieler*innen auch bei der Formulierung des Zieles oder bei anderen Entscheidungen mit eingebunden werden. Zum Beispiel bei der Frage (eventuell ab C- oder D-Jugend), welche Form des Spiels (Ballbesitz- oder Kontermannschaft) gespielt werden soll.

Sehr hoher Entwicklungsgrad der Spieler*innen:

Bei sehr hoch entwickelten Spieler*innen sollte weder der aufgabenbezogene noch der beziehungsbezogene Führungsstil im Vordergrund stehen. Vielmehr geht es darum, Verantwortung abzugeben und auf die Spieler*innen zu übertragen. Das kann im Einzelnen, also bestimmte Spieler*innen oder Positionen oder auch im Mannschaftsrahmen erfolgen.

Liebe Trainer, meine Kollegen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Uwe Knepel) stehen gern bereit, wenn ihr weitere Fragen habt oder euch Unterstützung wünscht.

Mehr zum Thema:

https://www.die-sportpsychologen.de/2015/06/29/dr-rene-paasch-mentales-training-im-nachwuchsfussball/

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Literatur:

  • Vgl. Lewin, K. et al (1939) Patterns of aggressive behavior in expermentally created social climates. In: Journal of Social Psychology (10).
  • Vgl. Beckmann-Waldenmayer, D. & Beckmann, J. (2012). Handbuch sportpsychologischer Praxis. Balingen: Spitta GmbH
  • Vgl. Hersey, P. & Blanchard, K. (1982). Management of organizational Behavior (4. Auflage). New York

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Uwe Knepel
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