Uwe Knepel: Aus Anspannung und Stress gute Leistungen machen

In diesem dritten Teil der Reihe „Wettkampfvorbereitung“ werden wir das Thema Anspannung beleuchten. Dabei führt kein Weg am Modewort “Stress” vorbei. Wir wollen herausfinden, wie wir mit Hilfe der Anspannung negativen Stress in nützlichen, positiven Stress umwandeln können (vgl. Hobmair, 2017).

Zum Thema: Sportpsychologische Aspekte der Vorbereitung auf einen Wettkampf (Teil 3)

In aller Kürze lässt sich sagen, dass Stress eine emotionale Belastung darstellt. Emotionale Belastungen können allerdings von verschiedener Dauer sein. In ihrer längsten Form wird solch eine emotionale Belastung als psychische Störung beschrieben. Länger andauernde aber noch nicht über einen längeren Zeitraum anhaltende emotionale Belastungen werden als Krisen interpretiert. Die Grenze zwischen Krise und psychischer Störung können dabei fließend sein. In beiden Fällen solltest Du unbedingt professionelle Unterstützung in Anspruch nehmen. Ist die emotionale Belastung nur von kurzer Dauer, spricht man allgemein von Stress.

Sowie der Begriff “Belastung” negativ behaftet ist, wird normalerweise auch der Begriff “Stress” negativ verstanden. Wir erleben Stress im Alltag als einen Zustand, in dem wir uns nicht wohl fühlen und den wir als unangenehm wahrnehmen. Dieser Stress kommt immer dann zum Vorschein, wenn wir uns in Situationen befinden, in denen wir vor einer Aufgabe stehen, die wir nicht lösen können und dieses Nicht-Lösen-Können gleichzeitig eine bedrohliche Situation zur Folge hat. 

Beispiel

Du kannst bei einem Lauf (Kurz- oder Langstrecke) in einer vorderen oder gar auf der vordersten Position laufen und Dich dabei sehr wohl und gut fühlen, bis ein schnellerer Läufer oder eine schnellere Läuferin Dich überholt. In dieser Situation fühlst Du dich selbst und Dein Lauf sich nicht mehr so gut an. Wenn Du es jetzt mit Deinen Mitteln (Ausdauer, Tempo oder Technik) nicht schaffst, diesen vorderen Platz zurück zu erobern (Nicht-Lösen-Können), wirst Du am Ende vielleicht nicht mehr in den Top 3 oder 10 sein, oder gar eine Qualifikation nicht erreichen (bedrohliche Situation). In dieser Situation erlebst Du Stress.

Uwe Knepel

Sportpsychologe aus Berlin

Sportarten: Fußball, Futsal, Basketball, Tennis, Hockey, Triathlon, Handball, Schwimmen, Wasserball, Boxen, Volleyball, Faustball, Radsport, Motorsport, Leichtathletik, Klettern

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Stressauslöser

Faktoren, die Stress auslösen, nennt man Stressoren. Allerdings lösen diese Stressoren nicht per se Stress aus, sondern vielmehr die Art und Weise, wie wir diese Stressoren (kognitiv) bewerten. Grundsätzlich werden drei Typen von Stressoren unterschieden:

  • physische Stressoren, wie Hitze, Lärm oder Schmerzen
  • psychische Stressoren, wie Angst, einen Sponsor zu verlieren oder Leistungsdruck
  • soziale Stressoren wie Streit im Team, Ablehnung oder Mobbing durch Freunde oder Team-/ Vereinsmitglieder

All diese Arten von Stressoren lösen eine körperliche Reaktion aus. Dabei kann es unter anderem zu einer Erhöhung der Muskelanspannung, des Blutdrucks, des Herzschlages und des Hautwiderstandes kommen. Auch die Ausschüttung von Adrenalin (ein körpereigenes Hormon der Nebenniere), die Erregung des vegetativen Nervensystems (insbesondere Sympathikus (Anspannung) und Parasympathikus (Entspannung), ein reduzierter Speichelfluss und Schwitzen sind körperliche, stressbedingte Symptome (vgl. Kaluza, 2010).

Disstress und Eustress

Ob wir es pünktlich zur Bahn schaffen, in der Schule oder auf der Arbeit tatsächlich gut bewertet werden oder ob wir uns in einer anderen Alltagssituation befinden; dieses Stressgefühl kennen wohl alle. Ebenso können auch sportliche Situationen und Entscheidungen Stress auslösen. Wir merken, Stress ist dabei nichts künstlich herbeigeführtes, sondern diente ursprünglich einem bestimmten Zweck. Er schärft unsere Sinne und macht Deinen Körper reaktionsbereit (aus evolutionspsychologischer Sicht geht es um das bekannte Kampf- und oder Fluchtverhalten). Studien belegen sogar, dass Höchstleistungen ausschließlich erbracht werden, wenn ausreichend Adrenalin produziert und freigegeben wird, was eine Aktivierung des vegetativen Nervensystems voraussetzt. Was sich also bis hierhin festhalten lässt, ist die Tatsache, dass Stress eine natürliche Anpassungsreaktion des Körpers ist.

Sportpsychologische Aspekte der Vorbereitung auf einen Wettkampf

Alle bisherigen Beiträge der Serie im Überblick:

– Uwe Knepel: Der Pakt mit der Niederlage (Link)

– Uwe Knepel: Motivier Dich – oder verliere! (Link)

Dabei lassen sich aber zwei Arten von Stress unterscheiden. Disstress beschreibt die Art von Stress, die negativen Einfluss auf unseren Organismus hat. Also die Art Stress, die ein Nicht-Lösen-Können und eine bedrohliche Situation zur Folge hat. So können langanhaltende Belastungen zu dauerhaften physischen und psychischen Schädigungen führen. Blech (2012) verdeutlicht, dass anhaltender Stress die Anzahl von Stresshormonen im Körper verändert. Eine Folge daraus ist ein Verkümmern von Zellen. Dies wiederum ist der Grund für einen sinkenden Stoffwechsel und das Abstumpfen des Gehirns.

Unter Eustress versteht man die Art von Stress, die eine positive und handlungsaktivierende sowie -steuernde Funktion hat. Also die Art Stress, die wir erleben, wenn wir Situationen, welche gleichzeitig aber auch eine Herausforderung darstellen, mit unserem Können meistern. Dieser Stress ist in der Regel nur von kurzer Dauer und hat keine Schädigungen zur Folge. Wie kann es nun gelingen, den negativen Stress, dem Nicht-Bewältigen-Können, in einen positiven Stress zu wandeln?

Stressbewältigung

Abb. 1: Stressbewältigungstechniken nach Wagner-Link, 2010

Nach Wagner-Link (2010) können wir zwischen kurzfristigen und langfristigen Methoden zur Stressbewältigung unterscheiden (siehe hierzu Abb.1). Dazu lassen sich drei Ansätze zur Bewältigung von Stress (auch Coping genannt) aufzeigen:

  1. Die Stressoren beseitigen, verringern oder umgehen.
  2. Sich als Mensch selbst verändern, so dass man die Stressoren anders bewerten kann, ein positives Verhalten aufbaut und oder die eigene Belastbarkeit erhöht (internales und emotionsorientiertes Coping).
  3. Die Spannung in den Situationen des Stresses durch Verhinderung von Phasen höchster Erregung, durch Verhinderung von Eskalationen und oder durch schnelle Erholung verringern (aktives und problemorientiertes Coping).

Beim Coping spielen Deine Ressourcen – also die Kräfte, die Dir zur Verfügung stehen – eine große Rolle. Ressourcen kannst Du bei Dir selbst finden und ausbauen, aber auch in Deinem sozialen Umfeld.

Praxisbezug

Was heißt das für Dich? Mach Dir zuallererst bewusst, was in Deiner Wettkampfvorbereitung Stress auslöst, also was für Aufgaben Du nicht lösen kannst und welche negativen Folgen dadurch für Dich entstehen können? 

Was Du im Hier und Jetzt tun kannst? Neben vielen anderen Möglichkeiten möchte ich Dir hier drei Beispiele für eine kurzfristige Stressbewältigung aufzeigen. Aber Achtung, auch diese Methoden gilt es zu trainieren, also erwarte nicht gleich zu viel von Dir:

  • Zu einer der einfacheren Methoden gehört die Atementspannung, die man problemlos in den Trainingsalltag integrieren kann. Diese Art von Entspannungsübungen dauern ungefähr zehn Minuten (verschieden Variationen möglich). Dabei geht es insbesondere um das bewusste und anstrengungsfreie Ein- und Ausatmen. Dies lässt sich im Liegen, im Sitzen und für geübte sogar im Stehen anwenden. Mittlerweile lassen sich eine Vielzahl guter Anleitungen online finden.
  • Achtsamkeitsübungen gibt es sehr viele, prinzipiell geht es darum, die Gegenwart (im Sinne der Umwelt oder Umgebung, des eigenen Körpers und der eigenen Gedanken und Gefühle) wahrzunehmen. Nimm Dir doch mal drei Minuten Zeit und versuch es. Dafür benötigst Du zum Beispiel eine Nuss (ohne Schale) oder etwas anderes und schaue sie Dir genau an, untersuche sie regelrecht. Welche Form und Farbe hat sie, wie riecht sie? Lege sie Dir im Anschluss auf die Zunge. Wie fühlt sich die Nuss zwischen Gaumen und Zunge an? Verändere Deine Gedanken und Gefühle dabei nicht aktiv, nimm sie einfach nur wahr. Was schmecke ich und welche Konsistenz kann ich spüren? Was verändert sich, wenn Du langsam anfängst sie zwischen Deinen Zähnen zu zerdrücken, sie zu kauen? 

Du darfst sehr gerne schmunzeln oder lachen dabei. Wenn möglich, mach täglich eine Übung (auch hier gibt es eine Vielzahl bereits online) und beobachte, was sich an Dir oder an Deiner Wahrnehmung verändert.

  • Eine weitere Möglichkeit lässt sich in der Selbstgesprächsregulation finden. Hierbei geht es unter anderem darum, sich situativ selbst zu motivieren oder zu instruieren. Zum Beispiel kannst Du, bei einer schwierigen Trainingseinheit, Dir im Selbstgespräch so etwas sagen wie: „Ich bin gut!“, “ich schaffe das!“ oder „ich bin voll konzentriert“. Aber auch wichtige Hinweise, wie zum Beispiel „jetzt muss ich mich auf die Atmung konzentrieren“ oder „schnelles Umschalten“ können hilfreich sein. Erlaubt ist, was hilft.

Was kann Dich langfristig unterstützen? Langfristig solltest Du unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, da die initiierten Prozesse bestmöglich begleitet und ausgewertet werden sollten. Auch hier gibt es viele Methoden, um eine langfristige Stärkung herbei zu führen.  Zwei Beispiele sollen Dir einen kleinen Überblick geben:

  • Neben dem Autogenem Training und Yoga ist die Progressive Muskelentspannung (kurz PMR – Progressive Muskelrelaxation) nach Jacobson eine der bekanntesten Entspannungsverfahren. An mehreren aufeinander folgenden Terminen erlernst Du, Dich gezielt zu entspannen. Dies wird zu Beginn mit Phasen der Anspannung und der darauffolgenden Entspannung erreicht. Später, im fortgeschrittenen Stadium, kann es Dir gelingen, durch die reine Vorstellung einer Entspannung tatsächlich in einen Entspannungszustand zu gelangen. Dabei zeigen Studien auf, dass regelmäßige PMR-Übungen zu einem erhöhten psychischen Wohlbefinden führen. Neben der Stress- und Angstreduktion gilt die PMR auch als allgemeine gesundheitsförderliche Prävention.  Sogar muskuläre Schmerzzustände können dabei gelockert werden und eine Linderung herbeiführen. Aber auch viele weitere Veränderungen können sich bei Dir einstellen, wie zum Beispiel eine Harmonisierung und Optimierung psychischer Prozesse, allgemeine Regenerierung, Verbesserung der Konzentration sowie die Optimierung von Bewegungswahrnehmungen.
  • Einstellungsänderung beschreibt die Fähigkeit, Stressoren oder Situationen anders, neu bewerten zu können. Eine andere Einstellung zu den Dingen zu entwickeln, klingt erst einmal logisch, scheint auf den zweiten Blick jedoch schwierig zu sein. Zumindest, wenn man sich dieser Herausforderung allein stellen soll. In der einen oder anderen Situation scheint man sich eh recht gut damit arrangiert zu haben, mit diesem Gefühl, dass alles zu viel ist, vor allem zu viel auf einmal. Das muss aber nicht sein, Du kannst gezielt daran arbeiten. Neben vielen Methoden bietet die Reflexion eine gute Möglichkeit, um sich Situationen zu vergegenwärtigen. Stell dabei heraus, wie Du Dich gefühlt hast, was die Situation mit Dir gemacht hat? Wie lange hat dieses Gefühl angehalten und was hat dieses Gefühl im Anschluss noch beeinflusst? Würdest Du wieder so reagieren? Wie würde diese Situation ablaufen, könntest Du Sie noch einmal erleben? Versuche in der Reflexion auch einmal von außen auf Dich zu sehen, wie hast Du selbst auf Dich gewirkt? Was würdest Du zukünftig gern anders machen? Spiele diese Situation gedanklich neu und achte darauf, was sich verändert hat. Diese Situationen sind zwar nicht mehr konkret, aber die Erfahrung, die Du darin machen kannst, diese sind konkret.

Ich hoffe ich konnte Dir einen guten Überblick verschaffen und würde mich freuen, wenn Du auf einer unserer Seiten Feedback hinterlassen würdest. Vielleicht hast Du gute Erfahrungen machen können, die auch anderen helfen.

Nimm Kontakt auf

Du möchtest mehr zum Thema erfahren oder hast bereits konkrete Fragen? Frag uns! Wir sind Dein Netzwerk. Hier gibt es eine Übersicht zu den Experten in deiner Nähe und den Link zur Profilseite von Uwe Knepel.

Mehr zum Thema:

Quellen:

Blech, J. (2012) auf https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-83865282.html, letzter Seitenaufruf: 30.12.2019

Eberspächer, H. (2009). Ressource Ich: Der ökonomische Umgang mit Stress. München: Carl Hanser Verlag 

Hobmair, H. et. al (2017). Psychologie (5. Auflage). Köln: Bildungsverlag EINS GmbH

Kaluza, G. (2010). Stressbewältigung (3.Auflage). Heidelberg: Springer Medizin Verlag

Lazarus, R. (1991). Emotion and Adaption. New York: Oxford University Press, Inc.

Lazarus, R. (1999). Stress and Emotion. New York: Springer Publishing Company, Inc.

Wagner-Link, A. (2010). Verhaltenstraining zur Stressbewältigung. Bonn: VG Bild-Kunst

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