Markus Gretz: Was der Herbert-Schröder-Streit mit Feuersteinen zu tun hat

Im letzten Zwischenrundenspiel der Basketball Weltmeisterschaft 2023, in dem die deutsche Nationalmannschaft die slowenische Mannschaft, um NBA Superstar Luca Dončić, souverän besiegte, war im ersten Viertel sowohl auf dem Feld als auch auf der Bank noch wenig Souveränität des deutschen Teams zu sehen. Die Emotionen wurden besonders sichtbar, als Dennis Schröder mit seinem langjährigen Freund und Teamkollegen Daniel Theis aneinander geriet und dann der Bundestrainer Gordon Herbert in einer Auszeit die Fassung verlor, weil sich sein Teamkapitän lieber dem Konflikt mit seinem Freund widmete als sich hinzusetzen und ihm in seiner Ansprache zuzuhören. Nach dieser Szene stellten sich viele Zuschauer und vermutlich auch Mitspieler die Frage: Ist durch diesen Konflikt die bisher so erfolgreiche Weltmeisterschaft für die deutsche Mannschaft gefährdet worden?

Zum Thema: Umgang mit Konflikten im Teamsport

Schon in der Steinzeit wussten unsere Vorfahren, dass sich durch Reibung Energie erzeugen lässt. So wurden vermutlich viele Feuer durch die Reibungsenergie erzeugt und dadurch auch viele Waldbrände verursacht.

Auch wenn es nicht im physischen Sinne, sondern zwischen Menschen zu Reibungen im Sinne von Streit und Konflikten kommt, kann eine zerstörerische Energie entstehen. Beziehungen können durch Konflikte belastet, Zusammenarbeit kann erschwert und Vertrauen kann zerstört werden.

Produktive Konflikte

Ähnlich wie bei einem Feuer kann die Energie von einem Konflikt jedoch auch produktiv genutzt werden. Dazu sind nach meinem Dafürhalten drei psychische Kompetenzen notwendig.

1. emotionale Kompetenz

2. motivationale Kompetenz

3. Konfliktkompetenz

Sobald eine Person eine dieser Kompetenzen beherrscht, kann sie zumindest für sich etwas Produktives aus einem Konflikt entstehen lassen.

1. Als emotional kompetenter Mensch kann man sowohl seine eigenen Gefühle als auch die von einer anderen Person erkennen, einordnen und schätzen lernen, auch wenn sie unangenehm sind. Außerdem sind verwandte Gefühle bekannt und so können lähmende Emotionen wie Frust und Traurigkeit mit aktivierendem Ärger oder Wut ergänzt werden.

2. Diese aktivierende Eigenschaft von unangenehmen Emotionen führt uns direkt zur motivationalen Kompetenz. Besitzt ein Mensch diese Fertigkeit, kann er unangenehme Gefühle und Situationen als Antrieb nutzen. In einem Konflikt kann er die Energie nutzen, um etwas für sich und/oder andere zu verändern.

3. Als Konfliktkompetenz kann man die Fertigkeit einer planvollen und systematischen Aufarbeitung und Nutzung von Konflikten beschreiben, da durch Konflikte immer auch Verbesserungsmöglichkeiten (vor allem bei der Kommunikation) aufgezeigt werden. Hier ist es wichtig zu analysieren und zu besprechen, was den Konflikt ausgelöst hat, was die Situation offen gelegt hat und welche Chancen sie birgt.

Die Gefahr von Konflikten

Je ausgeprägter alle drei Kompetenzen bei den Konfliktparteien vorhanden sind, oder durch einen Mediator oder psychologischen Berater bereitgestellt werden, desto produktiver kann die Energie im Konflikt genutzt werden. Wenn jedoch keine der Kompetenzen bei irgendeiner Konfliktpartei vorhanden ist, kann ein Konflikt sehr zerstörerisch auf Beziehungen und soziale Systeme wie eine Mannschaft wirken.

Zurück zur Basketball-WM: Aus dem weiteren Spielverlauf lässt sich erahnen, dass die ersten zwei Kompetenzen zur Genüge in der deutschen Nationalmannschaft vorhanden sind und die Spieler und der Coach die Reibungsenergie gut kontrollieren können. Nach dem Spiel wurde hoffentlich auch die dritte, die Konfliktkompetenz, genutzt, um die Chance der Teamentwicklung, die der Streit mit sich gebracht hat, zu nutzen. Gordon Herbert, der selbst Sportpsychologie studiert hat, wird sicher nicht unbedacht mit dieser Chance umgegangen sein.

Viele Lösungen

Was ich an diesem Konflikt sogar ein wenig lustig fand, war, dass sich der Grund des Konfliktes zweimal wiederholt hat. Beide Male wollte eine Führungsperson jemandem etwas erklären und jeweils war der andere mit dem Ton, in dem die Kritik geäußert wurde, nicht einverstanden.

Vorausgesetzt, dass ich das über die Fernsehbilder richtig interpretiert habe. Mir fallen hierzu spontan zwei unterschiedliche mögliche Lösungen zur teaminternen Weiterentwicklung ein. Entweder der Ton wird mannschaftsintern geändert, oder alle Beteiligten müssen sich an den rauen Ton während des Spiels gewöhnen. Sicher gibt es aber auch noch viele Lösungen irgendwo dazwischen.

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Markus Gretz
Markus Gretzhttp://www.die-sportpsychologen.de/markus-gretz/

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