Frage und Antwort: Was tun, wenn mein Spieler den Spaß am Fußball verliert?

Kürzlich erreichte uns ein Hilferuf. Ein Fußballtrainer meldete sich über unsere Rubrik “Frage und Antwort”. Das Problem: Einer seiner Nachwuchsfußballer verliere offenkundig den Spaß am Sport. Der Neunjährige sei athletisch, schnell, gut am Ball und gehörte immer zu den Besten im Team. Seit drei, vier Monaten sei das aber nicht mehr der Fall, was auch das Kind gemerkt habe. Der Trainer habe das Gespräch gesucht, sei aber nicht wirklich weitergekommen. Entsprechend sucht der Nachwuchstrainer eine Anregung bei Die Sportpsychologen.

Zum Thema: Spaß am Sport  

Die konkrete Frage des Trainers lautet: Was können wir tun, um den Kopf des Spielers wie frei zu bekommen, um zu verhindern, das er den Spaß am Fußball verliert?

Antwort von: Markus Gretz (zum Profil)

Vor kurzem hat mir ein Trainer gesagt: “Fußball ist ein Spiegel des Lebens”. Ein sehr schönes Bild, wie ich finde, da ein Spiegel immer nur einen Ausschnitt zeigt – aber man kann diesen sehr genau betrachten und den Blickwinkel verändern.

Wenn wir in diesen Spiegel schauen, hält der Sport wie auch das Leben viele Höhen und Tiefen für uns bereit. Genau das ist es ja auch, was den Sport und das Leben erst interessant macht. Wir sind ständig dabei, eine Balance zu finden, um nach Erfolgen nicht zu hoch zu fliegen oder nach Niederlagen zu tief zu fallen. Teilweise verschaffen wir uns die Tiefen auch selbst, weil wir uns nach vielen Höhen eine neue Vergleichsgruppe suchen und dadurch plötzlich nicht mehr oben stehen sondern von unten zu den anderen aufschauen. Andererseits kann es auch sein, dass wir durch viele Erfolge faul und träge werden und dadurch andere irgendwann besser dastehen werden als wir. 

Unser Selbstbild

Nach der mindset theory von Carol Dweck können für junge Sportler*innen vor allem Niederlagen zu einem Problem werden, wenn sie mit einem sogenannten statischen Selbstbild (fixed mindset) ausgestattet sind. Menschen mit diesem Selbstbild gehen von einem festen Talent aus, an dem sich nicht mehr viel machen lässt. Dadurch zweifeln die Personen durch Niederlagen sofort an ihrem Talent und dadurch an ihrer Person. Sie tendieren dazu, aufzugeben, Ausreden zu suchen oder sogar eher zu betrügen. Auch Erfolge können problematisch sein, da sie die Latte immer höher hängen und den Druck dadurch erhöhen. Auch hier kann es dazu führen, dass sich die Sportler*innen nur noch Wettbewerbe suchen, bei denen sie sicher Erfolge holen werden. Oder sie treten aus Angst zu versagen gar nicht mehr an.

Der Gegenpol zum statischen Selbstbild ist das dynamische Selbstbild (growth mindset). Menschen mit dieser Einstellung und mit diesem Glaubenssatz denken im Extremen, dass alle ihre Eigenschaften veränderbar sind. Intelligenz, sportliches Talent, Musikalität, Geschick sind für sie alles Eigenschaften, die nur genügend Übung benötigen. Diese Einstellung schafft zwar eine große Motivation und einen sportlichen Ehrgeiz. Aber auch hier kann sehr viel Druck entstehen, wenn man sich unerreichbare Ziele setzt oder sich mit den falschen Personen vergleicht. Allerdings werden mit diesem Selbstbild Niederlagen und Erfolge eher als Chance zu wachsen gesehen, indem sie die veränderbaren Stärken und Schwächen aufzeigen, an denen gearbeitet werden kann. 

Die gute Nachricht

Das Schöne an einem Selbstbild oder einer Einstellung ist, dass man zumindest diese ganz gut verändern kann und lernen kann, sie flexibel einzusetzen. Meiner Meinung nach geht es deshalb auch beim Selbstbild darum, es gut zu balancieren. Denn genau darum geht es ja im Leben und dem Fußball als eines seiner Spiegelbilder sehr oft.

Wir sollten lernen, möglichst flexibel auf das, was kommt, zu reagieren und Niederlagen als Chance zu wachsen zu sehen, ohne das Ziel des Spiels und des Lebens aus dem Auge zu verlieren. Meiner Meinung nach liegt genau in dieser Formulierung der Schlüssel: spielen und leben. Gerade Kinder können das eigentlich ganz gut. Sollten aber immer wieder daran erinnert werden: “Das ist nur ein Spiel.” Dann kann das Spiegelbild zu einer schönen Lebensschule werden. Gerade wenn man bei Kindern heraushört, dass das Kind den Spaß daran verliert, könnte es am zu statischen oder zu dynamischen Selbstbild liegen. Vielleicht hat die Balance zwischen beiden verloren?

Balancieren, nicht Balance finden

Zum konkreten Fall: Vielleicht macht der Fußball aber auch wirklich keinen Spaß mehr? Dann ist es wichtig, die Kinder ernst zu nehmen und mit ihnen ins Gespräch zu gehen. Vielleicht gibt es ja auch einen anderen Grund (Gewalt oder Mobbing) in der Mannschaft oder im Trainerteam? Oder das Kind hat einfach Lust auf einen anderen Spiegel. Es gibt ja auch sehr viele weitere schöne Spiegelbilder des Lebens in anderen Sportarten und Hobbys.

Ich sage übrigens bewusst, zwischen statischem und dynamischen Selbstbild zu BALANCIEREN und nicht, eine gute Balance zu finden, denn dann würden wir ja stehen bleiben und uns nicht weiterbewegen. Das BALANCIEREN begleitet uns aber glücklicherweise ein Leben lang.

Literaturtipp:

Dweck, C. (2016). Selbstbild: wie unser Denken Erfolge oder Niederlagen bewirkt. Piper ebooks.

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Markus Gretz
Markus Gretzhttp://www.die-sportpsychologen.de/markus-gretz/

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