Dr. René Paasch: Führungskompetenz im Jugendfussball

In so manchem Vereinen folgen Führungskräfte ihrer eigenen Agenda. Anstatt im Sinne der gemeinsamen Mission zu entscheiden, handeln sie versteckt auf Kosten der Trainer. Dabei lohnt es, sich selbst zu hinterfragen und den eigenen Führungsstil gegebenenfalls zu überdenken und anzupassen. Im folgenden Beitrag habe ich mich mit den unterschiedlichen Führungskompetenzen im Nachwuchsfussball auseinandergesetzt und meine eigenen Erfahrungen mit eingebracht. 

Zum Thema: Was können sportliche Leiter und Bereichsleiter tun, um ihren Führungskompetenzen im Jugendfussball gerecht zu werden?

Sportliche Leiter und Bereichsleiter im Jugendfussball nehmen im Nachwuchsfussball für Trainer eine besondere Position ein. Sie bewegen sich mitunter im Spannungsfeld ihrer Mehrfachrolle als Führungskraft des Vereins und ihrer Position als omnipräsenter Leitwolf im Nachwuchsbereich. Zunächst einmal ist ein sportlicher Leiter und Bereichsleiter für die Führung und Entwicklung der Trainer, weitere Mitarbeiter sowie der Kinder und Jugendlichen verantwortlich. Darüber hinaus müssen sie für die Umsetzung des gesetzlichen Auftrags des Vereins und die Einhaltung sozialer, pädagogischer und psychologischer Standards sorgen. Die Rollenerwartung erstreckt sich weit über eine umfassende Fachkompetenz hinaus. Leitungskräfte müssen Ansprechpartner für ihre Trainerkollegen sein und sollten dabei den Verein nach außen präsentieren. Sie müssen in der Lage sein, ihre fachliche Kompetenz an Trainer und Mitarbeiter zu vermitteln und diese in schwierigen Situationen zu beraten. Sie müssen Konflikte erkennen und klären sowie den alltäglichen Ablauf des Vereins “im Griff haben”. Sie müssen Entscheidungen treffen und Anweisungen erteilen. Dies verlangt eine Reihe von Kompetenzen und nicht selten kann dies zu Spannungen und Rollenkonflikten führen. Die wesentlichen Aufgaben von Leitungskräften im Jugendfussball sind in der folgenden Aufstellung nochmals zusammengefasst:

Von einem sportlichen Leiter und Bereichsleiter wird erwartet, dass sie…

  • den täglichen Ablauf der einzelnen Bereiche planen und gerecht organisieren
  • für die Einhaltung sportlicher, pädagogischer und sozialer Standards verantwortlich sind 
  • den Verein und die einzelne Bereiche in der Öffentlichkeit repräsentieren
  • fachkompetente, pädagogische und fürsorgliche Arbeit leisten 
  • Trainer auswählen, entwickeln und führen
  • Trainerkollegen in Zukunftsfragen beraten  
  • ehrliche Kommunikations- und Informationsstrukturen installieren
  • Entscheidungen treffen und Anweisungen erteilen
  • Aufgaben delegieren und überprüfen sowie Trainerteams fördern 

Die Art und Weise die einzelnen Bereiche im Verein zu leiten, hängen größtenteils von der jeweiligen Persönlichkeit ab. Im Folgenden werden zwei unterschiedliche Führungstypen im Nachwuchsfussball vorgestellt:

1. Die Herrscher

Diese Führungskräfte beherrschen ihre Untergebenen. Macht ist kein Fremdwort für diese Personen. Sie sind die vermutlich Stärksten (behaupten sie zu mindestens) und dulden wenig Widerspruch, auch wenn sie im Zweifel im Unrecht sind. Es wird gemacht, was sie sagen – diskutiert wird gar nicht bis selten und wenn, dann nur über Dritte. Sie dominieren und unterdrücken – und das wissentlich. Wenn es sein muss, vertreten sie ihre Interessen auch gegen ihre eigenen Mitarbeiter. Denn in der eigenen Karriere gibt es wenig Miteinander. Unter den Trainern verursachen sie Angst und drohen mit Ignoranz und Rauswurf. Manche werden begünstigt, wie bspw. „Ja-Sager & Sympathisanten“ und manche werden ausgestoßen. Es bilden sich Schuldige, das Trainerteam wird gespalten. Trainer spielen sich gegenseitig aus. Ein wunderbarer Nährboden für Neid, Missgunst, Macht und Ohnmacht.  

2. Die Menschenführer

Diese Führungskräfte entwickeln sich aus der Berufserfahrung und persönlichen Kontakten heraus. Sie sind die am besten geeigneten Leitungspersonen und werden von allen anerkannt. Sie sind kompetent und zuverlässig. Ihre sportliche und soziale Motivation ist hoch. Sie legen besonderen Wert auf das Miteinander im Team. Ziele und Aufgaben des Vereins und der Trainerkollegen stehen hier ganz oben. Der Sinn und Zweck des Teams ist klar. Gemeinsame Interessen werden gefördert. Durch ihren Führungsstil schaffen sie Vertrauen und Zusammenhalt in den Trainergruppen. Sie beziehen alle in Entscheidungsprozesse mit ein. Kritik und Anerkennung verteilen sie gleichmäßig. 

Die Alternativen

Beide Führungsstile kommen im Nachwuchssport vor und können sich überlappen. Jeder von uns ist jedoch sicher schon dem einen oder anderen im Vereinssport begegnet, der diesen Beschreibungen auch in absoluter Ausformung ziemlich nahe kommt. Ich möchte nun verschiedene Leitungsstile näher beschreiben und dabei Anregungen liefern, wie sich  Führungspersönlichkeiten auch mit Hilfe der Sportpsychologie weiterentwickeln können. Denn wir wissen ja – der Führungsstil einer Leitungsperson beeinflusst das Miteinander im Team und die pädagogische Arbeit mit den Trainerkollegen sowie die Außendarstellung (z.B. gegenüber den Vereinen oder Elternkontakten). Auch klar: Grundsätzlich müssen Führungskräfte mit ihrer Persönlichkeit hinter dem stehen, was sie machen. 

Schauen wir uns die vier Leitungsstile im Nachwuchsfussball also an:

1. Die Kontrollsüchtigen

Dieser Führungsstil setzt eine sehr aktive Führungskraft voraus. Verantwortliche Personen leiten matriarchalisch und fürsorglich, lassen den Trainerkollegen dabei allerdings wenig eigene Entscheidungsspielräume. Diese verfallen dadurch eher in ein ängstliches Verhalten und sind dementsprechend angepasst. Die Atmosphäre kann z.B. durch Respekt gepaart mit Angst vor Entlassung geprägt sein. Das Team wirkt unselbständig. 

2. Die Sorglosen

Hier zeigen sich die Leitungskräfte sehr passiv. Sie äußern weder Kritik noch Anerkennung. Es gibt also wenig Rückmeldung. Sie wirken gleichgültig. Es finden kaum Entscheidungsprozesse statt. Im Team kann sich unter einer solchen Führung schnell Lustlosigkeit und Aggression breit machen. Da jeder macht, was er will, kann leicht eine Atmosphäre von Rücksichtslosigkeit entstehen. Die Arbeit hat wenig Kontinuität und wirkt bisweilen strukturlos. 

3. Die Führenden

Hier finden wir Leitungskräfte, die anderen wenig eigenen Entscheidungsspielraum lassen. Es werden Befehle erteilt. Kritik und Anerkennung wird auf der Beziehungsebene kommuniziert. Eine autoritäre Leitung unterbricht oft die Arbeit und lässt wenig Arbeitsfluss zu. Sie “dirigieren” ihre Teams und es gibt wenige Absprachen. Eine gemeinsame Arbeitsplanung ist schwer durchzusetzen. Für die Trainerkollegen sind Arbeitsaufträge oft nicht nachvollziehbar. Im Team herrscht eine erhöhte Reizbarkeit. Die Trainerkollegen zeigen dabei wenig Eigeninitiative und verhalten sich anweisungsorientiert. Die Verhaltensmuster reichen von übertriebener Unterwürfigkeit bis zur Rebellion.

4. Die Teamplayer

Eine Leitung, die diesen Stil kultiviert, lässt ihren Trainerkollegen viel Spielraum zur Eigeninitiative und fördert somit die Selbstständigkeit des Teams. Bei Entscheidungsprozessen wird das gesamte Team einbezogen. Kritik und Anerkennung wird auf der Sachebene ausgesprochen und ein verständnisvoller Umgang mit Gefühlen wird vorgelebt. Die Teammitglieder unterstützen sich gegenseitig, sind freundlich und hilfsbereit. Im Kontakt mit den Führungskräften besteht eine persönliche Ebene. Das Team zeichnet sich durch Konfliktfähigkeit und konstruktive Zusammenarbeit aus. 

Führungsverhalten im Nachwuchsfussball 

In der Praxis überschneiden sich die jeweiligen Führungsstile natürlich. Eine aus meiner Sicht ideale Mischung will ich nun vorstellen:

Eine besondere Form von Leitung ist aus meiner Sicht das Leitungsteam im Jugendfussball. Diese bestehen aus engagierten und empathischen Trainern. Ein gutes Leitungsteam zeichnet sich dadurch aus, dass die Persönlichkeiten sich gut ergänzen und ihr kreatives Potenzial zielgerichtet einsetzen. Sie müssen ähnliche Auffassungen vom Führungsverständnis haben und dürfen nicht konfliktscheu sein. Ein gutes Leitungsteam hebt sich außerdem durch eine hohe fachliche, organisatorische und soziale Kompetenz hervor. Sie sind meistens für die gesamten Bereiche oder Teilbereiche im Verein zuständig. Das heißt allerdings nicht, dass sie alles alleine erledigen müssen. Im Gegenteil, sie sollten einige Bereiche delegieren, um sich nicht zu überfordern und um die Effektivität des Vereins nicht zu gefährden. Dafür ist eine gute Teamarbeit unter der Voraussetzung von Kooperation und Vertrauen notwendig. Sie müssen dafür sorgen, dass sich die Trainerkollegen mit ihren unterschiedlichen Kenntnissen und pädagogischen Perspektiven gegenseitig kennenlernen. Sie fördern die Kooperationsbereitschaft ihres Trainerteams, indem sie z.B. Trainergruppen in Kleinteams initiieren. Darüber hinaus sollten sie für klare Kommunikationskanäle (regelmäßige Teambesprechungen und persönliche Gespräche) und die Einhaltung dieser sorgen. Grundlage bilden die Führungsstile „Die Führenden“ und „Die Teamplayer“. Zu betonen ist dabei jedoch, dass der Führende den kleinsten Teil ausmachen und der Teamplayer vordergründig zur Anwendung kommen sollte. 

 

Selbstcheck für Führungskräfte im Jugendfussball

Sie wollen überprüfen, in welchen Bereichen Sie sich als Führungskraft verbessern können? Dafür hat Dr. René Paasch einen kurzen Check vorbereitet. Nehmen Sie sich gut fünf Minuten Zeit, um die Aussagen zu bewerten. Dr. René Paasch übernimmt die fachliche Auswertung und meldet diese an Sie zurück. Selbstverständlich werden die Daten absolut vertraulich behandelt. 

Zum Check: https://forms.gle/sVXnz1KkBWiknsgPA

Zusammenfassung

Sportliche Leiter und Bereichsleiter sollten delegieren und ihre Verantwortung auf ihre Trainerkollegen übertragen. Dadurch wird die Motivation derer gefördert, die Ziele und Aufgaben des Vereins und der Mannschaften selbstverantwortlich verfolgen. Sie unterstützen einzelne Kollegen durch konstruktive Kritik und Anerkennung. Sie sprechen z.B. besondere Fähigkeiten an und heben Leistungen hervor. Sie sollten sich regelmäßig fortbilden und keine Autoritätsprobleme haben. Letztendlich und vor allem sollte sie sich selbst kontinuierlich und konstruktiv mit ihrer eigenen Persönlichkeit und ihrer Leitungsfunktion auseinandersetzen. Denn Führung bedeutet auch sich selbst führen zu können!

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Prof. Dr. René Paasch
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