Die Schwimm-Weltmeisterschaften 2025, von World Aquatics durchgeführt, finden gerade in Singapur statt. Unsere Schweizer Delegation ist klein aber fein, und ich darf sie als Sportpsychologin begleiten. Es ist ein klares Statement von Swiss Aquatics gegenüber der Wichtigkeit unserer sportpsychologischen Arbeit. Für diese Möglichkeit bin ich sehr dankbar und auch für alle Einsichten, die ich dadurch in Sport und Grossanlass bekomme.
Ich möchte meine Beobachtungen und Eindrücke heute mit euch teilen, mit Fokus auf mentale Aspekte, vorwiegend auf die Herausforderungen bei der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung.
Zum Thema: Hinter den Kulissen der Schwimm-Weltmeisterschaften 2025 in Singapur
Für die WM wurden hier in Singapur zwei komplette Schwimmhallen neu aufgebaut. Im Trainingsbad haben die einzelnen Teams ihre Zonen, die Rückzugs- und Treffpunkte der einzelnen Nationen sind. Unser Territorium, abgemessen und mit Klebeband umrandet, misst neun Quadratmeter. Bei einem Teilnehmerrekord mit 202 Nationen (!) sind wir noch gut weggekommen. Andere begnügen sich mit zwei Quadratmetern oder Gemeinschaftsplätzen.

Es wimmelt nur so von Athlet:innen, Trainer:innen und Betreuungspersonal. Physios massieren, Trainer rufen laut ins Wasser, die Eisbäder haben alle auch ihren Platz gefunden und die Athlet:innen geben ihr Bestes, sich unter ihren Badetüchern umzuziehen.
Sportpsychologische Fragen
Der Lärmpegel ist immens, die Halle hallt, ständige Wassergeräusche, grosse Ventilatoren brummen … den ganzen Tag.
Da stellen sich doch ein paar sportpsychologische Fragen:
⁃ Wie konzentrieren sich die Schwimmer:innen?
⁃ Was tun sie für etwas Privatsphäre?
⁃ Wer hält das besser und wer weniger gut aus?
⁃ Wie lange ist dieser Lärmpegel erträglich und ab wann wird‘s schwierig?
Ich weiss, alle Schwimmer:innen und Schwimmtrainer:innen werden nun sagen: „Das ist ja normal, alles wie immer.“ So auch die Statements unseres Staffs. Aber aus vielen Studien ist bekannt, dass Lärmbelastung Auswirkungen auf unsere Konzentration hat. Sie beeinflusst auch unsere Leistungsfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden. Vor allem Hintergrundgeräusche wie wir sie hier an der WM vorfinden, führen dazu, dass unser Gehirn ständig zwischen Reizen hin und her springt. Auch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass bei mentalen Aufgaben Fehler passieren. Vor allem erhöht dauerhafter Lärm das Stresslevel und führt zu schnellerer geistiger Ermüdung.
Die gestörte Wettkampfvorbereitung
Dies kann die Wettkampfvorbereitung beeinträchtigen, vor allem bei weniger Erfahrenen, die zum ersten Mal an einem solchen Grossanlass mit dabei sind. Oder aber bei Sportler:innen, die sehr sensitiv auf Lärm und auf die Vielzahl an Reizen reagieren.
Obschon viele Profischwimmer:innen wie beispielsweise Noè Ponti, der über 50m Schmetterling die Silbermedaille geholt hat, sich mit der Zeit an die Geräuschkulisse gewöhnen und lernen, den Lärm besser auszublenden. Zum Glück findet Schwimmen im Wasser statt – dort spielt die Geräuschkulisse eine weniger zentrale Rolle als vor- und nachher.
Der Umgang mit äusseren Störfaktoren wie Lärm (und z.B. auch Hitze/Kälte) ist ein wichtiger Teil der mentalen Vorbereitung von Sportler:innen. Dabei kann Mentales Training helfen, die Routinen zur Wettkampfvorbereitung trotz erschwerten Bedingungen aufrechtzuerhalten.
Unsere Lösungen
Wir haben im Schweizer Team grundsätzlich darüber gesprochen, wie mit diesen Störfaktoren umgegangen werden soll. Und die Jüngeren lernen zusätzlich auch noch von den erfahreneren Schwimmer:innen.
Konkret haben wir es so gelöst, dass die Schwimmer:innen möglichst wenig Zeit in der Einschwimmhalle verbringen. Weiter benutzen sie vermehrt ihre Kopfhörer, um durch gewohnte Musik ein gewohntes Gefühl zu erhalten und sich bewusst abzuschotten.
Positives Selbstgespräch im Sinne der Akzeptanz der äusseren Gegebenheiten hilft, sich nicht ständig darüber aufzuregen. Diese Emotionskontrolle ist wichtig, um die gesamte Energie fürs Schwimmen zur Verfügung zu stellen. Wir vom Staff versuchen, ihnen genügend Platz zu verschaffen und gehen aus dem Weg.
Privatsphäre gibt es praktisch keine, aber alle haben sich mehr oder weniger arrangiert. Nach dem Motto: “Wir sitzen alle im selben Boot.”
Ruhe als Genuss
Die Athleten verbringen dadurch so viel Zeit wie möglich im Hotel, wir vom Staff hingegen stehen mehr oder weniger den ganzen Tag in der Schwimmhalle und sind diesem Lärmpegel ausgeliefert. Abends machen sich dann die Auswirkungen der permanenten Lärmbelastung bemerkbar. Wir sind erschöpft und am Tisch wird weniger als sonst gesprochen. Und dann sind alle froh, im eigenen Zimmer verschwinden zu können, um endlich die Ruhe zu geniessen.
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