Kathrin Seufert: Allein daheim – Der Umgang mit Spielern in Quarantäne und der Umgang mit der Quarantäne für Spieler

Ein Problem, welches aktuell immer häufiger Vereine in Deutschland und der Welt beschäftigt: Einzelne Fußballer, die in engmaschigen Corona-Tests positives getestet und vom örtlichen Gesundheitsamt in häusliche Quarantäne geschickt werden. Im konkreten Fall heisst es dann meist 14 Tage Isolation, 14 Tage kein Mannschaftstraining, 14 Tage „gefangen“ in den eigenen vier Wänden. Natürlich geht das auch vielen Privatpersonen und anderen Sportlern so. Ich möchte nur mit dem Beispiel aus dem Fußball aufzeigen, welche Maßnahmen eine solche Zeit unterstützen können und wie aus sportpsychologischer Sicht dort gehandelt werden kann. 

Zum Thema: Rausgerissen aus dem Alltag

Für Fußballprofis dreht sich der Tag normalerweise um ihren Job, den Fußball. Training, Regeneration, Psyche, Ernährung, Schlaf, Ausdauer, Technik, Taktikverständnis… So lauten die Bausteine, die dort für gewöhnlich eine Rolle spielen. Im Mittelpunkt steht der Fußball MIT ihren Mannschaftskollegen und nicht selten auch Freunden. 

In der Aufzählung der Bausteine werden einige Punkte deutlich, die in dieser Ausnahmesituation der Quarantäne zu beachten sind.

Tagesroutine

Ein Fußballer hat durchaus feste Abläufe in seinem Arbeitsalltag. Meist ein bis zwei Stunden vor Trainingsbeginn wird sich am Vereinsgelände eingefunden. Umziehen, vielleicht der Besuch beim Physio, Erwärmung, Aktivierung, individuelle Videoanalysen, Gespräche usw. Dann das Mannschaftstraining, mal mit, mal ohne größeren Athletiktraininganteil und natürlich eine Spielform, wo die Spieler einfach auch spielen dürfen. 

Ohne daran teilnehmen zu dürfen, wird einem Spieler sehr viel bewusster, wieviel Zeit der Job am Tag einnimmt. Diese Zeit muss zuhause gefüllt werden. Wenn es anfangs vielleicht noch ganz entspannend wirkt, mal nichts zu machen, fängt es oftmals schon am vierten Tag an, dass sich die Lücke doch sehr groß anfühlt. Playstation, TV und Couch können eben nicht Fußballschuhe, Ball und Mitspieler ersetzen.

Andere Säulen

Es gilt also zu eruieren, welche Säulen der eigenen Persönlichkeit neben dem Fußball noch existieren und wie diese nun die entstandene Lücke füllen können. Sich mit sich selbst auseinander zu setzen, um daraus auch Stärken für den Fußball zu ziehen, kann eine wichtige Komponente in der Zeit der Quarantäne sein. Dazu später mehr.

Neben all dem, was auf dem Rasen passiert, sind es aber auch Mitspieler, Trainer, Staff und Mitarbeiter im Verein, zu denen der Kontakt in persönlicher Form nicht möglich ist. Es ist daher unbedingt empfehlenswert, dem Spieler an allen Sitzungen, die das Team betreffen, teilhaben zu lassen. In der heutigen Zeit ist das über Videochat oder eines der gängigen Online-Meeting-Tools ja überhaupt kein Problem mehr. Eine tägliche Einbindung des Spielers, der daheim sitzen muss, würde klar das Signal senden, dass er inhaltlich nicht außen vor ist. Er kann sich wie alle anderen auch, mit Taktik, Gegnervorbereitung und Trainingsausrichtung beschäftigen. Auch wenn derjenige es nicht mit auf den Rasen bringen kann, wird die Teilnahme sowohl für die Mannschaft als auch den Spieler als gewinnbringend wahrgenommen. ALLE sprechen GEMEINSAM darüber, können ihre Meinungen äußern und auf den Informationen und Gesprächen kann im Weiteren aufgebaut werden. 

Virtuelle Nebenstrecken

Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und da, wo es möglich ist, das Athletiktraining beispielsweise auch mit einer Videoschalte durchzuführen. Es gibt sicherlich einige Übungen, die ein Spieler auch daheim im Wohnzimmer oder im Garten mitmachen kann. Sollte es mehrere Spieler betreffen, die in häusliche Isolation müssen, würde ich sogar einen eigenen virtuellen Trainingstermin für diese Gruppe einrichten. Neben dem Training darf dort aber auch dann ein Austausch stattfinden, wie es den einzelnen Personen in ihrer Situation geht.

Vielleicht wäre es auch ratsam, einen Spieler, der am Training teilnehmen darf, als Buddy einzusetzen, der den in Isolation befindlichen Mitspieler immer auf dem laufenden hält und dafür Sorge trägt, dass dieser an all den wichtigen Entscheidungen und Informationsflüssen beteiligt ist. Das Wissen darüber auch trotz der Quarantäne nicht in Vergessenheit bei der Mannschaft zu geraten, nimmt einem Spieler viele Sorgen und bringt ein positives Gefühl in diese einsame Zeit. Für diejenigen, für die regelmäßig ein gemeinsamer Restaurantbesuch anstand, könnte eine Option sein, sich zeitgleich beispielsweise etwas zu essen liefern zu lassen, um dann vor dem Videochat zusammen zu dinieren.

Grenzen und Möglichkeiten

Da die sportlichen Betätigungen im häuslichen Bereich limitiert sind und die Ausdauer meist nur über das Fahrradergometer auf Trapp gehalten werden kann, wäre ein expliziter Trainingsplan, der auch hier bestenfalls mit dem Athletiktrainer via Onlinechat/Videokonferenz abgehalten wird, ratsam. Schließlich haben auch die Athletiktrainer der Vereine in jüngster Zeit ihre Arbeit angepasst und sich weiterentwickelt. Ein solches virtuelles Programm hat nicht nur das Ziel, den Spieler während der Quarantänephase möglichst nah an seinem bisherigen Leistungsniveau zu halten, sondern vor allem den Wiedereinstieg ins Mannschaftstraining zu erleichtern und Verletzungen vorzubeugen. Dies zeigte sich nach der Wiederaufnahme des Mannschaftstrainings zu Beginn des Jahres, als eine der größten Schwierigkeiten, da die Belastbarkeit der Spieler in nicht wenigen Fällen schlichtweg nicht mehr den Belastungen des Trainingsbetriebs gewachsen war. Oliver Peters, Reha- und Athletiktrainer im Nachwuchsleistungszentrum des VfL Osnabrück, gibt noch weiteres zu bedenken: “Die Verletzungsrate in der Bundesliga stieg nach dem Lockdown von 0,27 auf 0,88 Verletzungen pro Spiel. Entsprechend wichtig ist es, nicht nur die Ausdauerfähigkeit, sondern vor allem die muskuläre Belastbarkeit während des Quarantänezeitraums zu erhalten.” Ergänzend können Themen wie Ernährung oder Beweglichkeitshygiene in das Athletiktraining aufgenommen werden und vielleicht sogar zu einem gemeinsamen Kochabend per Videokonferenz führen. 

Kathrin Seufert

Kathrin Seufert

Sportarten: Fußball, Schwimmen, Eishockey, Basketball, Schießsport, E-Sports aber auch offen für alle anderen Sportarten

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Darüber hinaus kann in der Zeit der Quarantäne an individuellen Themen gearbeitet werden. Angefangen von technischen Komponenten, physischen Defiziten oder eben auch sportpsychologischen Themen und der präventiven Arbeit an diesem Fachbereich. Gern stehen meine Kollegen (zur Übersicht) und ich (zum Profil von Kathrin Seufert) gern zur Verfügung – nehmt Kontakt auf.

Von der individuellen bis kollektiven Ausnahmesituation

Wenn auch die gesamte Mannschaft kein Trainingsbetrieb durchführen kann, so sollte zu den eigentlichen Trainingszeiten regelmäßig ein Online-Meeting stattfinden. Ob dort nun ein gemeinsames Home-Workout gemacht wird, sich einfach nur ausgetauscht wird oder vielleicht auch Ziele und Mannschaftswerte thematisiert werden, ist erst einmal zweitrangig. Wichtig ist, dass jeder Beteiligte weiterhin das Mannschaftsgefühl und den Zusammenhalt spüren kann.

Die häusliche Isolation ist in jedem Fall eine Ausnahmesituation, die für den einen mehr und den anderen weniger erträglich ist. Daher ist es eben von solcher Wichtigkeit zu schauen, wie die eigenen Spieler damit umgehen. Eine enge sportpsychologische Betreuung ist dort anzuraten. Nicht, weil ich glaube, dass die Spieler mit dem mehr an Zeit nicht umgehen können, sondern vielmehr, um ihnen gerade in dieser Zeit Möglichkeiten aufzuzeigen, auch ohne Fußballschuhe am Fuß trainieren zu können. Handlungsschnelligkeit, Aufmerksamkeit und Konzentration oder auch den Umgang mit Nervosität und Stress… Natürlich werden die Spieler nach den 14 Tagen nicht alle diese Fähigkeiten erlernt haben, aber diese Zeit ist bestens geeignet, um den Grundstein zu legen. Und dann wird sich dies auch auf das Spiel mit dem Ball auswirken.

Fazit

Zusammengefasst geht es bei Isolationen sowohl für den Verein als auch für die betroffenen Spieler darum, die Kommunikation so hoch wie möglich zu halten, die Betroffenen in allen Aktionen und Gesprächen zu integrieren und eben auch Angebote zu machen, die dem Sportler das Gefühl geben, dass es keine verlorene Zeit ist. Sie ist anders, aber sie lässt sich sinnvoll nutzen.

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