Viele Athleten nutzen sie – oft unbewusst, manchmal instinktiv: Selbstgespräche. Dabei sind sie ein fester Bestandteil mentaler Selbstregulation und können einen echten Unterschied machen, wenn es um Fokus, Motivation und Leistungssteigerung geht. Gerade im Bodybuilding, wo neben dem äußeren Erscheinungsbild oft auch der Wunsch nach messbaren Kraftzuwachs besteht, können gezielte Selbstgespräche helfen, mentale Barrieren zu durchbrechen.
Zum Thema: Ein Athlet, ein Ziel, ein Plateau (Praxisbericht)
Seit Ende 2022 begleite ich einen ambitionierten Bodybuilder, der sich auf sein erstes Bühnen-Debüt vorbereitet (An dieser Stelle ein herzliches Danke an Jannik – mit seinem Einverständnis darf ich unsere Geschichte hier teilen.)
Interessant war: Er hatte anfangs wenig Interesse an mentalem Training – er ist zu mir gekommen, um „nur“ trainiert zu werden. Kein psychologisches Coaching. Seine Vorstellung von meinem Coaching als Personal Trainer war klar auf das Physiologische ausgerichtet – Trainingsplanung, Technik, Ernährung, Regeneration. Für mentale Themen zeigte er eher höfliches Desinteresse. Wenn ich solche Inhalte andeutete, kam meistens ein knappes:
„Lass uns einfach trainieren, ich will nur stärker werden.“
Genau das wollte er – vor allem beim Latzug, einer Übung, bei der er über Monate auf einem hartnäckigen Plateau festhing. Sein geschätztes 1RM lag Ende 2024 konstant bei etwa 120 kg. Nach einem weiteren stagnierenden Versuch sagte er halb im Scherz:
„Vielleicht muss ich das Ding mal anschreien, damit’s endlich hochgeht.“
Was als Witz gemeint war, wurde für mich endlich ein strategischer Einstiegspunkt. Kein neues Mentalprogramm, kein „großes Kino“ – sondern die Idee, ganz pragmatisch mit einfachen Selbstgesprächen zu arbeiten. Alltagsnah, konkret und umsetzbar. Und siehe da: Er ließ sich darauf ein.
Mentale Vorbereitung: Was vorher im Kopf passiert, zeigt sich später an der Maschine
Wir begannen damit, seine typischen Gedanken vor dem Latzug zu analysieren. Immer wieder fielen Sätze wie:
„Heute ist wieder Pullday – mal sehen, ob ich das überhaupt schaffe…“
„Bestimmt geht das heute wieder nicht.“
Ich fragte irgendwann:
„Wenn dein Trainingspartner sowas sagen würde – was würdest du antworten?“
Seine Antwort war im O-Ton:
„Halt die Klappe und zieh.“
Warum sagen wir uns selbst nicht das, was wir anderen motivierend entgegnen würden?
Wir entwickelten also kurze, klare Selbstansprachen, die er sich vor jeder Trainingseinheit sagen sollte – bewusst und mit Überzeugung, manchmal sogar laut.
„Ich bin fokussiert. Ich ziehe kontrolliert. Mein Rücken wächst mit jeder Wiederholung.“
„Ich arbeite heute an meiner Bestleistung. Ich bin bereit.“
Anfangs war ihm das ein wenig unangenehm – nach dem ersten Mal im Studio sagte er:
„Ich glaube, dass die an der Beinpresse dachten, ich hab ’ne Schraube locker…“
Aber es wirkte. Die Konzentration stieg, der Fokus war klar, die Wiederholungen sauberer. Nach ein paar Wochen wurde es zur Routine – so selbstverständlich wie das Aufwärmen.
Aktivierende Cues im Training: Einfach, aber effektiv
Zusätzlich integrierten wir kurze verbale Cues direkt im Satz. Ein besonders einfacher, aber wirkungsvoller war:
„Komm, zieh!“
Ich erinnere mich an eine Personal-Training-Einheit im Gym voller Leute. Nach einem lauten „Komm, zieh!“ kam vom Nachbargerät ein trockener Kommentar: „Alles klar, Kollege, ich zieh auch – aber am Kabelzug.“
Ich gebe zu: Dieses „Komm, zieh!“ war sehr häufig mehr ein Kampfgeschrei als ein „Selbstgespräch“. Aber genau das hat es so wirksam gemacht: roh, direkt, ehrlich – und genau im richtigen Moment.
Ergebnis: 1RM-Leistungssteigerung von 120 kg auf 140 kg
Im April 2025 konnten wir seinen geschätzten 1RM-Wert im Latzug auf 140 kg steigern:
Was war nun ausschlaggebend?
Natürlich war es nicht nur das Selbstgespräch, das diesen Fortschritt möglich gemacht hat. Die Leistungssteigerung war das Ergebnis aus:
- kontinuierlichem, gut strukturiertem Krafttraining
- durchdachter Ernährung
- solider Regeneration
- progressivem Training … und, und, und zuletzt: gezielter mentaler Arbeit
Die Selbstgespräche haben dabei nicht die Muskeln wachsen lassen – aber sie haben geholfen, mentale Bremsen zu lösen. Und das genau in den Momenten, wo es zählt.
Fazit: Es muss nicht immer kompliziert sein
Selbstgespräche im Training wirken – nicht als Wundermittel, sondern als Werkzeug. Wer lernt, sich selbst klar, motivierend und zielgerichtet anzusprechen, schafft oft mehr als durch Technikfeinschliff allein.
In diesem Fall war der Satz „Komm, zieh!“ kein psychologisches Fachkonzept – aber er hatte Wirkung. Und der Weg dahin zeigte: Auch Skeptiker können von mentalen Methoden profitieren, wenn sie alltagstauglich und individuell passen.
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