Janosch Daul: Tipps für Trainer, die verstanden werden wollen

Welcher Trainer kennt das nicht? Ein Spiel, in dem taktische Inhalte einfach nicht wie gewünscht umgesetzt werden. Dabei können zahlreiche Faktoren eine Rolle spielen – die meisten lassen sich sehr gut kontrollieren. Im Beitrag will ich aufzeigen, was Trainer wissen sollten, um von ihren Spielern besser verstanden zu werden. 

Zum Thema: Kommunikationstipps für Trainer

Trainer-Spieler-Beziehung, Kommunikation und Lernprozesse

Als Trainer und Führungskraft gilt es, zu jedem einzelnen Spieler in jeder Saisonphase eine Beziehung zu gestalten, die auf gegenseitigem Respekt und Wertschätzung basiert. Hier muss ein Trainer seinen individuellen Zugang zu jedem einzelnen Spieler finden und auch keine Mühe scheuen, gerade auch in herausfordernden Phasen auf den Spieler zuzugehen. Sobald ein Trainer innerlich – mit Blick auf die Beziehung mit einem Spieler – Störgefühle oder ein negatives Bauchgefühl empfindet, gilt es, akribisch Wege zu finden, um mögliche Themen zwischen Trainer und Spieler aufzulösen und Beziehung (auch immer wieder neu) zu gestalten. Fakt ist: Botschaften und Inhalte können aus Sendersicht noch so klar vermittelt worden sein – bei einer gestörten Beziehungsebene fordert es den Spieler heraus, Inhalte 

a) kognitiv bewusst aufzunehmen und 

b) auch bewusst umsetzen zu wollen. 

Kommunikation ist grundsätzlich keine Einbahnstraße. Wer anderen etwas vermitteln muss, wundert sich mitunter, wie wenig von dem, was man zuvor so gut und ausführlich erläutert hat, auf Rückfrage wiederholt und in die Praxis umgesetzt werden kann. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Wir unterschätzen z.B. oft die nonverbale Kommunikation, die selektive Wahrnehmung oder die Aufmerksamkeitskapazitäten der Spieler. Worauf gilt es also zu achten?

Körpersprache

Wir Menschen denken oft, Gestik und Mimik seien wie ein Beiwerk, und das Wichtigste sei das, was wir sagen. Es gibt aber viele Experimente, die aufzeigen: Wenn man etwas sagt und dabei ängstlich oder unsicher rüberkommt, nimmt man dem Redner seinen Inhalt nicht ab. Nicht nur das, was man sagt, sondern vor allem WIE man es sagt, ist also entscheidend. Trainer sollten also bewusst auf ihre Körpersprache achten. Körperhaltung, Gestik und Mimik müssen zu den Aussagen passen. 

Zeitpunkt der Informationsvermittlung

Es gibt Zeitpunkte am Tag, an denen sich Menschen, und somit auch Spieler, besser bzw. schlechter erreichen lassen, denn wir sind nicht zu jeder Uhrzeit gleich leistungsfähig. Die Forschung zeigt: Die Leistungsfähigkeit schwankt im Tagesverlauf um ein Vierteil, 25% der Infos gehen also schon dadurch verloren, dass zu einem ungünstigen Zeitpunkt kommuniziert wird. Nun lassen sich Taktikbesprechungen im Nachwuchs nicht immer z.B. um 11 Uhr ansetzen, einem Zeitpunkt, an dem wir zumeist leistungsfähig sind. Wenn zu später Stunde Inhalte vermittelt werden, gilt es umso mehr – bevor ein Trainer loslegt – die Spieler zu beobachten: Wie nehme ich sie wahr? Was brauchen sie gerade? Wenn Trägheit und Müdigkeit wahrnehmbar ist, macht es Sinn, die Spieler zunächst bewusst dabei zu unterstützen, in eine Aktivierung zu kommen – z.B. durch eine einmütige Life Kinetik-Übung. 

Schaffen sozialer Situationen

Es müssen Situationen geschaffen werden, in denen das angeeignete Wissen, z.B aus Videoanalysen, direkt umgesetzt werden kann. Anders formuliert: Das sogenannte „Natural Learning Environment“ gewinnt immer mehr an Stellenwert, also „natürliche Schutzräume“, in denen Menschen das Wissen für sich ausprobieren können. Lernen funktioniert nicht, wenn man Wissen irgendwann anwenden soll, nachdem man die Infos bekommen hat, sondern muss – gerade in Bezug auf motorische und kognitive Lernprozesse – auf vielfältige Art und Weise angewendet werden. In Taktikbesprechungen kann z.B. eine Mini-Gruppenarbeit in Form einer Kleingruppendiskussion eingebaut werden: „Beschreibt euch gegenseitig so konkret wie möglich eine Teamsituation, an die ihr euch erinnern könnt, in der wir in einem Spiel die Position in unserer Kette gehalten haben… (…).“ Oder der Trainer ermutigt seine Spieler, noch einmal bewusst eine Situation aus der Vergangenheit zu visualisieren, in der das umzusetzende Verhalten an den Tag gelegt wurde. Ideal ist es, wenn im anschließenden Training gleich das geübt wird, was besprochen wurde und somit direkt „motorisches Lernen“ – mit Wiedererkennungswert – stattfinden kann. Es reicht also nicht, jemandem etwas ausschließlich auf kognitiver Ebene klarzumachen, der Trainer muss sich stattdessen überlegen, wie er die Spieler dabei unterstützen kann, dass sie die Info auch motorisch umsetzen können. 

Selbststudium 

Unter klassischer Bildung wird folgendes verstanden: Menschen kommen in einen Raum, im zweiten Schritt wird das Wissen (vom Lehrer, Trainer etc.) vermittelt und dann gehen wir davon aus (3. Schritt), dass die Empfänger es verstanden haben und umsetzen können. Viel erfolgversprechender ist es, wenn der Lehrer, Trainer o.Ä. seine Schützlinge dazu bringt, sich schon im Vorfeld inhaltlich zu aktivieren, sich also vorher schon mit der dann zu besprechenden Thematik auseinanderzusetzen. Innovative Lehre versucht, “umzudrehen”. Die Wissensvermittlung beginnt schon VOR der Präsenzphase. Konkret kann dies im Fußball so aussehen, dass z.B. vor der Matchplanbesprechung schon eine bewusste Reflexionsaufgabe, bezogen auf einen taktischen Inhalt, der dann besprochen wird, kommuniziert wird. 

Aktiver Spielereinbezug

Lernen funktioniert nicht in einer passiven Rolle. Kognition hat immer auch etwas mit Affektion zu tun. Soll heißen: Über die Emotion kommt die Motivation, sich überhaupt mit Infos auseinanderzusetzen. In einer Besprechung müssen die Spieler also in eine aktive Rolle versetzt werden, z.B. durch das Stellen konkreter Fragen. Sie müssen sich als aktives Mitglied der Besprechung verstehen!

Bewusstes Absichern

Selbst bei den einfachsten Zusammenhängen gilt es, Spieler immer wieder zu fragen, was denn bei ihnen angekommen ist. Denn ob wir wollen oder nicht – manchmal „schalten“ wir einfach „ab“. Es gilt also z.B. im Plenum nachzufragen, was angekommen ist oder man lässt einen Spieler einen besprochenen Inhalt nochmals an der Taktiktafel für alle aufzeigen. 

Aufmerksamkeitskapazität beachten

Je länger eine Besprechung dauert und je „müder“ Spieler sind, umso mehr muss darauf geachtet werden, dass neue Reizpunkte in die Besprechung integriert werden, um Aufmerksamkeit (wieder) zu binden. Ab etwa zwölf Minuten fällt es uns Menschen schwerer, sich willentlich zu fokussieren. Es gilt immer wieder zu überlegen: Was braucht der Spieler, um in eine optimale Aufmerksamkeitsphase reinzukommen? So kann der Trainer bewusst eine kurze Geschichte einbauen, um den Informationsduktus zu brechen. Auch durch ganz viele einfach umsetzbare Tools (Pausen einlegen, mit der Stimme spielen, Veränderung der Position im Raum, Spieler namentlich ansprechen, Wechsel in der Lautstärke usw.) kann ein Trainer die Spieler unterstützen, Aufmerksamkeit (wieder neu) zu binden. 

Verschiedene Lerntypen beachten

Es gibt verschiedene Lerntypen: auditiv, visuell, haptisch, kommunikativ und einen „Kombinationstypen“. Auditiv bleiben circa 20 Prozent des Gesagten hängen, visuell schon etwa 30 Prozent des Gesehenen, z.B über bewegte Bilder bei einer Videoanalyse, kommunikativ – also durch zielgerichteten Austausch – circa 50 Prozent. Schon dies zeigt auf, wie wichtig es ist, dass wir nicht nur ein „Informationspaket“ in die Menge geben und denken: “Das war´s!”. Die Spieler müssen die Inhalte verarbeiten. Konkret: Sie müssen das Paket aufmachen, schauen, was drin ist und die Inhalte zusammensetzen. Wenn die ersten drei Wege kombiniert werden, werden schon etwa 70 Prozent der Infos erinnert, wenn neben dem Sehen, dem Hören und Diskutieren noch das Selbertun hinzukommt, dann sogar circa 90 Prozent. Es ist also extrem wichtig, die Spieler auf verschiedenen Kanälen anzusprechen!

Nachhaltige (taktische) Lernprozesse ermöglichen

Mal angenommen, ein Trainer arbeitet über eine Saison mit einem Team zusammen, sollte dieser sicherstellen, nachhaltige (taktische) Lernprozesse zu ermöglichen. So kann ein Trainer z.B. ein „Workbook“ und/oder Onlineordner einführen, in dem relevante – besprochene – Inhalte händisch bzw. digital abgelegt werden. Gleichzeitig sollte eine Lernkultur erarbeitet werden, die eine entsprechende regelmäßige Beschäftigung mit den Inhalten vorsieht. Auch die Einführung eines „Besprechungstagebuchs“, in dem die Spieler sich bei Besprechungen Notizen machen können, ergibt Sinn. Durch das Mitschreiben werden Infos besser erinnert und gleichzeitig erhält der Spieler eine aktivere Rolle im Rahmen der Besprechung – er ist schlichtweg kein passiver Konsument mehr. Außerdem verleiht diese Maßnahme der Besprechung eine zusätzliche Bedeutung. 

Relevanz und Identifikation schaffen

Diese Tipps helfen dabei, die gewünschten Informationen an die Spieler zu vermitteln. Dennoch fehlt (vielen) Spielern ein Bewusstsein für die Wichtigkeit z.B. von Taktikbesprechungen. Es gilt also, für den Zusammenhang zwischen dem taktischen Input und der individuellen Leistungsentwicklung sowie der Spielperformance immer wieder zu sensibilisieren. Der Spieler muss immer wieder neu das Gefühl in sich tragen: „Das, was wir hier besprechen, hat eine brutale Relevanz für mich!“

Letztlich sind es die Spieler auf dem Feld, die Entscheidungen treffen und eine Spielidee umsetzen (müssen). Von dieser Idee müssen sie schlichtweg überzeugt sein – sonst entsteht ein innerer Widerstand, der dann oft dazu führt, dass sie eben nicht das machen, was besprochen wurde. Deshalb sollten die Spieler bei der Entwicklung einer Spielidee und auch eines Matchplans für das Spiel XY immer aktiv miteinbezogen werden – je älter sie sind, umso intensiver. Schließlich werden sie mit den zunehmendem Fußball-Lernerfahrungen immer mehr zu Experten, die selbst am besten wissen, was sie spielen können und wie sie ihre Stärken effektiv in die Anwendung bringen.

Widerstände auflösen 

Idealerweise gehen alle Spieler und Trainer nach einer Matchplanbesprechung mit einem Gefühl von „Yes, das ist ein geiler Plan, mit diesem kann ich mich voll identifizieren!“ aus dem Besprechungsraum. Wenn Spieler individuelle Widerstände empfinden, sollte der Trainer versuchen, diese aufzulösen und Handlungssicherheit zu vermitteln  – durch zielgerichtete Kommunikation. Zudem stehen individuelle Verhaltensweisen, die der Trainer von Spieler XY einfordert, oft in einem inneren Konflikt mit den inneren Überzeugungen, Glaubenssätzen und Charaktereigenschaften des Spielers. Einen mutigen, vielleicht auch extrovertierten Innenverteidiger wird es wohl immer herausfordern, „nicht mutig“ zu agieren/zu verteidigen. Sich anders zu verhalten, löst in dem Spieler – ganz natürlich – einen inneren Konflikt aus. 

Diese Individualität gilt es schon bei Kaderzusammenstellungen, aber auch bei der Entwicklung von Spielideen und Matchplänen zu beachten. Zugleich sollte ein Trainer dann – z.B. im Zusammenspiel mit einem Sportpsychologen – mit dem Spieler daran arbeiten, auch alternative taktische Verhaltensmuster in sein Handlungsspektrum zu übernehmen, und zwar so, dass es sich – ganz natürlich – „gut“ und „stimmig“ anfühlt. 

Verhalten verstehen

Grundsätzlich ist es in vielen Situationen sehr sinnvoll, zielgerichtet mit den eigenen Spielern in einen Austausch zu treten. Je älter die Spieler, umso mehr. Dieser Austausch ermöglicht es u.a., die Spieler – und deren Verhaltensweisen – besser zu verstehen. Der Trainer könnte den Spieler z.B in einer Videobesprechung (oder noch besser: im Face-to-face-Gespräch) fragen: „In Situation XY habe ich wahrgenommen, dass du dich entgegen unserem Plan verhalten hast. Du hast dich für ein anderes taktisches Verhalten entschieden. Mich interessiert: Was hat dich daran gehindert? Und mit Blick auf die Zukunft: Was hätte es von dir selbst, aber auch von mir als Trainer gebraucht, um in die Umsetzung zu kommen?“ 

Letztlich wissen die Spieler am besten, was sie daran gehindert hat, sich entsprechend zu verhalten. Außenstehende, auch Trainer (!), können ja immer nur Hypothesen aufstellen. Entsprechend den Antworten des Spielers kann dieser künftig noch zielgerichteter unterstützt werden.

Feedback und Austausch 

In einem zweiten Teil, der in der kommenden Woche veröffentlicht wird, werde ich die Spielerseite in den Fokus nehmen. Bis dahin freue ich mich auf Feedback und Austausch. 

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Janosch Daul
Janosch Daul

Sportarten: Fußball, Handball, Basketball, Volleyball, Leichtathletik, Schwimmen, Tennis, Tischtennis, Badminton

Halle/Saale, Deutschland

+49 (0)176 45619041

E-Mail-Anfrage an j.daul@die-sportpsychologen.de