Danijela Bradfisch: Trainer:in oder Sportpsycholog:in?

Kürzlich war ich Gast des DBBL-TOP4 Pokalfinales. Die Topteams des Pokalwettbewerbs haben in Berlin um den Titel gespielt. Als langjährige Trainerin habe ich mir vorgenommen, das Event „als Trainerin“ anzuschauen. Wieder einmal Hallenduft schnuppern, Leute aus der Sportart wieder treffen und über das Trainer:innen sein, mit Kollegen fachsimpeln. So weit der Plan, wenn da nicht die Sportpsychologin in mir sich immer wieder gemeldet hätte. Was sollte denn das? Kann ich nicht mal in Ruhe etwas anschauen, ohne sie auf meiner Schulter zu haben? Wie ein Papagei bei einem Piraten auf der Schulter, der ständig was zu sagen hat?

Zum Thema: Sportpsychologische Arbeit und ihre Rollen

Über 20 Jahre habe ich vorrangig junge Sportler:innen ausgebildet und an die oberen Leistungsklassen herangeführt. Rückblickend betrachtet, ist mir das sehr gut gelungen, obwohl ich da noch keine sportpsychologische Ausbildung hatte. „Nur“ Einfühlungsvermögen, Wissensdurst, aktive Kommunikation und den Antrieb, um mich als Trainerin parallel mit meinen Sportler:innen auch weiterzuentwickeln. Gemeinsam wachsen als Team, war damals mein Motto. 

Dann kam ich aber an die Grenzen der Lizenzsystems, welches ich als sehr statisch erlebte. Außerhalb von Technik und Taktik entdeckte ich kaum Neues. Daher das Studieren von Sportwissenschaft und Sportpsychologie, nebenbei, um das Bedürfnis zu stillen. Was mich überrascht hat, ist die Erkenntnis dahinter, dass es mich als Mensch selber verändert. Früher war ich an der Seitenlinie ein kleiner Tasmanischer Teufel – heute bin ich zwar immer noch umtriebig, laut und voller Emotion dabei. Aber: Ich kann mich besser regulieren, steuern und positiver auftreten lassen. Auch im Sinne meines Teams. Während meiner letzten beiden Saisons war ich als Assistenztrainerin tätig und durfte so auch auf den Head Coach Einfluss nehmen, da er von meiner langjährigen Erfahrung ebenso profitieren wollte, wie das Team. Was ich als sehr schön und erfrischend fand, da er ebenso wie ich lange im Basketball Zirkus mitgemacht hat und was Neues machen wollte. 

Gegenseitiges Wertschätzen und Fördern

Zurück zum DBBL-TOP4 Pokalfinale in Berlin: Da ich als Basketballtrainerin eine Pause eingelegt habe und etwas zeitlichen Abstand hatte, dachte ich, das Event entspannter betrachten zu können. Eben als Trainerin. Aber das war ein Irrtum.

Ganz ehrlich, zuerst dachte ich mir: „Was soll das?“ (Thema Selbstgespräche ☺) Alle Spiele an diesem Wochenende waren sehr schön anzuschauen und spannend. Ebenso war es echt toll, wieder mal andere Trainer:innen bei der Arbeit zu erleben, wie sie auf Aktionen agieren bzw. reagieren. Und „zack“ da war schon der erste Papageienaufschrei! „Wer hat eigentlich welchen Einfluss auf das Spiel? Coach auf Team oder Team auf Coach?“ Früher als Coachine war mir bewusst, dass ich kaum Einfluss auf den Spielablauf nehmen kann. Im Raum standen immer die Fragen: Welche Rolle spielen die Emotionen und deren Zurschaustellung? Sind diese in (wichtigen) Momenten funktional oder dysfunktional für das Team? 

Im Laufe meiner Zeit als Trainerin und Coachine habe ich oft mit Kollegen in der Trainer Aus- und Fortbildung über den Unterschied dieser Rollen diskutiert. Für mich gibt es definitiv einen. Selbst der Trainer muss an seinen Fähigkeiten (z.B. Emotionsregulierung, nonverbale und verbale Kommunikation) im Training arbeiten, um es im Spiel anwenden zu können. Auch hier ist die gegenseitige Unterstützung im und mit Team sehr wichtig, da man als Coach eine andere Rolle einnimmt und sich dessen auch bewusst sein sollte. Hier kommen die Soft Skills zum Tragen, z.B. Auftreten in der Halle, Führungsverhalten, Emotionsregulierung und sehr viel (nonverbale) Kommunikation. … Der Papagei auf meiner Schulter wurde immer lauter…

Blick als Trainer:in

Während des Wochenendes gelang es mir dennoch oft, nur das Spiel als Trainerin oder Coachine anzusehen. Viele schöne tolle neue Ideen für mich, die spielerischen Komponenten mit in mein Training und Spiel zu übernehmen – wenn ich zur Zeit nur ein Team hätte! Solche „Übernahme“-Gedanken hatte ich früher oft, aber nun, „zack“, der nächste Papageien-Aufschrei: „Schon mal an deine Sporlter:innen gedacht, was sie wollen? Was  brauchen sie, damit es auf dem Feld besser geht?“

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Ganz ehrlich: Anfangs meiner Karriere als Basketballtrainerin (jung, wild, voller Tatendrang, aber mit sehr wenig Lebenserfahrung) habe ich das Bedürfnis gespürt, mehr sein zu wollen. Ich hatte eine Abzweigung erreicht, die einer Entscheidung bedurfte. Wollte ich so weitermachen und dasselbe immer wieder machen oder wollte ich über den Tellerrand hinaus blicken und mich neu definieren und mehr Möglichkeiten für alle um mich herum entdecken? Ich wählte damals den zweiten Weg.

Aus der sportpsychologischen Perspektive

Aktuell als sportpsychologische Referentin für Trainer:innen Aus- und Fortbildung stelle ich wiederholt fest, dass es wichtig ist, über diese Soft Skills zu sprechen/diskutieren/sich auzutauschen. Für die Trainer:innen, um ihren „persönlichen Akku aufzuladen” und Leistung zu entwickeln und für die Athlet:en, um deren Persönlichkeitsentwicklung optimaler voranzutreiben. Daher freut es mich immer wieder, wenn meine gesammelten Erfahrungen diesbezüglich z.B. beim Motorsportverband Baden Württemberg und Badminton Verband Baden Württemberg in die Grundausbildung einfließen. Beide Verbände haben sich freiwillig zum Thema der Sportpsychologie in der Grundlagenausbildung bekannt und diese Inhalte integriert.

Gleichzeitig macht es mich aber traurig, mitzuerleben, da die Sportpsychologie immer noch nicht in allen Sportarten angekommen ist. Obwohl die Rahmenrichtlinien für Trainerqualifizierung des DOSB seit 2005! beinhalten, dass persönliche und sozial-kommunikative Kompetenzen noch vor der Fachkompetenz und der Methoden- und Vermittlungskompetenz (also der Technik-Taktik-Didaktik) umgesetzt werden sollten. Und hier schreit mein Papagei erneut auf…

„Wieso setzt man nicht wenigstens kleine Impulse der persönlichen und sozial-kommunikativen Kompetenzen in der Grundausbildung ein, wenn es doch überhaupt immer an erster Stelle in der DOSB-Richtlinien erwähnt wird? Warum nur im Leistungssportbereich, z.B. der A-Lizenz oder des Diplomtrainers?“

Am liebsten wieder auch ein Team betreuen

Das tolle Basketball Wochenende ist längst vorbei. Nach dem Besuch in Berlin habe ich wieder Lust, ein Team zu betreuen. Wieso? Weil der Papagei auf meiner Schulter ein Teil von mir ist und auch ein Wörtchen mitzusprechen hat. Durch meine diversen Ausbildungen bin ich als Trainerin und Coachine gewachsen und kann guten Gewissens beide Stimmen gebrauchen. Sowohl als Sportpsychologin und als Coachine kann ich beide Seiten sehr gut verstehen, kann aber auch (heute besser) die Ruhe und den Überblick behalten, was beiden Seiten gut tun würde. Derzeit betreue ich nur Individualsportler:innen, was sehr schön ist, aber auf das Ganze habe ich kaum Einfluss und somit kann ich nicht optimal darauf wirken, was aber oft als Auftrag an mich formuliert wird.

Über das Wochenende habe ich mit meiner Kollegen Elisa Lierhaus gesprochen, sie betreute ein Team, welches am DBBL-TOP4 Pokalfinale teilgenommen hat. Wir sind beide der Meinung, dass der Einfluss von Team auf Coach und andersherum gleich verteilt ist! Und ich stehe vielleicht wieder am Anfang einer Reise. 

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Links

https://cdn.dosb.de/alter_Datenbestand/fm-dosb/arbeitsfelder/Ausbildung/Rahmenrichtlinien_2006/Rahmenrichtlinien_fuer_Qualifizierung_von_2005.pdf

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