In meiner Jugend und auch lange Jahre meines Erwachsenenlebens wäre es undenkbar gewesen, dass ich eine große Sportveranstaltung nicht verfolge. Als Kind weckte mich mein Vater zu den Kämpfen von Muhammad Ali. Olympia und jede Mannschaftswelt- und Europameisterschaft sowie alle großen Tennis Events, die Tour de France und die Formel 1 habe ich neben meinen eigenen sportlichen Höhepunkten im Handball förmlich eingesogen, eine Art Lebenselixier. Heute stelle ich fest, dass spätestens mit der Weltmeisterschaft 2014 der Fußball nach und nach von meinem Radar verschwunden ist, zuerst der Ligafußball, dann die Champions League und seit 2018 auch die großen Events. Ebenso erging es mir mit der Tour de France und der Formel 1. Geblieben ist ein wenig Tennis, eingeschränkt Olympia und die Großereignisse meiner Heimatsportart Handball sowie des Eishockeys. Ein schleichender Prozess.
Nun ist die Fußball WM in Katar für mich der Anlass, diesen meinen eigenen Prozess des Verlustes von Interesse, Aufmerksamkeit und Leidenschaft zu reflektieren. Was ist passiert? Mit dem Sport und mit mir? So habe ich diesen kleinen Blog mit dem Auftakt der WM begonnen, dann liegen lassen und nun, da das Turnier vorbei ist, wieder vorgeholt. Von der WM habe ich ein paar Spiele der marokkanischen Mannschaft gesehen, die Halbfinals und das Endspiel. Wie lautet mein Fazit jetzt? Der Sport ist letztendlich das Abbild unserer gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklung. Und da begeistert die Geschichte von David und Goliath immer wieder, vom „Entwicklungsland“ gegen hochgezüchtete Industrienationen. An dieser Stelle hat mich Marokko abgeholt. Und doch konstatiere ich kritisch, dass die perverse „Neoliberalisierung“ des Sportes manches an der Idee und der Begeisterung des Spieles Fußball schlicht und einfach tötet. Wahrscheinlich unwiederbringlich. Denn wenn auch die argentinischen Kicker ein Land mit großen wirtschaftlichen Problemen vertreten, reden wir dann doch von einer Gruppe Multimillionären. Verbietet sich damit nicht ein emotionaler Zugang? Nein, denn am Ende siegt der Homo ludens, der spielende Mensch, dann doch immer wieder. Auch bei dieser WM in Katar. War es nicht ein episches Finale? Hat das nicht Spaß gemacht? Die Hoffnung, den Sport von übermäßigen wirtschaftlichen Interessen befreien zu können, dürfen wir jetzt wahlweise auf unsere Weihnachtswunschzettel schreiben oder als guten Vorsatz für das neue Jahr formulieren.
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