Robin Gosens. Er war bei der Europameisterschaft 2020, die im Sommer 2021 stattfinden musste, derjenige Fußballer, der die deutschen Fans wirklich mitriss. Vor allem im zweiten Gruppenspiel gegen Portugal. “Es ist ein emotionales Gefühlschaos für mich”, berichtete der 26-Jährige von Atalanta Bergamo nach dem Portugal-Match. Damit sei ein Traum in Erfüllung gegangen. “Eine EM spielen ist eine Sache, aber eine Hütte in so einem wichtigen Spiel zu machen, das ist next level. Magisch!” (Sport1) Wo setzen wir also an, wenn wir als Fußballer von ihm individuell oder als Trainer und Verantwortliche kollektiv lernen wollen? Sind die Schlüsselfaktoren Emotionen und die dazugehörige Körpersprache für diese großartige Leistungsfähigkeit verantwortlich? Diesen spannenden Fragen möchte ich in diesem Blog nachgehen.
Zum Thema: Körpersprache und Emotionen im Fußball
Emotionen beschreiben ein komplexes Muster körperlicher und mentaler Veränderungen in Reaktion auf eine auslösende Situation, die als persönlich bedeutsam wahrgenommen wird. Diese Veränderungen beinhalten physiologische Erregung, Gefühle, kognitive Prozesse, Ausdruck und Verhalten. Sie spielen eine wichtige Rolle im Fußball. Das Erleben von Emotionen ist ein entscheidender Faktor, warum Millionen von Zuschauern bei sportlichen Großereignissen gebannt vor dem Fernseher gefesselt sind oder Spieler über sich augenscheinlich hinauswachsen. Denken Sie zum Beispiel an den Moment, als Mario Götze in der Verlängerung des Fußballweltmeisterschaftsfinales 2014 in Brasilien das 1:0-Siegtor erzielte und ganz Deutschland im Freudentaumel aufblühte. Ähnliches lässt sich jetzt auch bei den Reaktionen für Robin Gosens feststellen. Fleiß, harte Arbeit, Mentalität und Disziplin sind seine Tugenden, die ihn zum EM-Startspieler gemacht haben. Es war sein Ziel, sich zu empfehlen. Großartige Geschichte, die seines gleichen sucht. Intensive Emotionen, wie in den geschilderten Beispielen, sind ein mächtiges Instrument im Sport. Dennoch haben die meisten Spieler und Fans ein intuitives Verständnis, was mit dem Begriff „Emotionen“ gemeint ist.
Wie würden Sie mit der Nervosität beim Elfmeterschießen umgehen? Versuchen Sie sich mit all Ihren Sinnen daran einzulassen. Was fällt Ihnen auf und wie haben sie sich dabei verhalten?
Dazu ein paar hilfreiche Tipps:
1) Sich aufrecht und zielgerichtet den Ball nehmen.
2) Blickkontakt zum Torhüter aufnehmen.
3) Den Ball auf den Punkt legen.
4) Beim Zurücklaufen zum Anlaufpunkt den Torhüter anschauen
5) Nach dem Pfiff des Schiedsrichters tief durchatmen, sich zwei Sekunden Zeit lassen und dann den Anlauf durchführen. Kurz vor dem Schuss zögern, Reaktion des Torhüters abwarten und mutig sich dann für eine Ecke entscheiden.
Und welche Rolle spielt dabei der emotionale Ausdruck?
Moll et al. (2010) analysierten alle Elfmeter, die während Fußballwelt- und -europameisterschaften geschossen worden waren. Sie konnten zeigen, dass je nachdem, ob ein Elfmeter getroffen wurde oder nicht, von den Spielern unterschiedliche emotionale Verhaltensweisen ausgedrückt wurden. Sie stellten fest, dass gewisse emotionale Ausdrücke, wie bspw. das Gefühl von körperlicher Gelassenheit und Stärke, mit dem nachfolgenden Erfolg oder Misserfolg der Mitspieler und Gegenspieler zusammenhingen und die Wahrscheinlichkeit eines Sieges ihrer Mannschaft beim Elfmeterschießen erhöhten. Obwohl die Autoren der Studie die Ergebnisse anhand des Mechanismus der emotionalen Ansteckung erklären, deutet Furley et al. (2015) die Zahlen zusätzlich daraufhin, dass die Prozesse der schlussfolgernden Verarbeitung und der emotionalen Ansteckung zum Tragen kamen. Es lohnt sich also, an seinen emotionalen Ausdrücken zu arbeiten.
Körpersprache
Es vergeht kaum eine Liveübertragung im Fußball, in welcher der Kommentator nicht irgendwann auf die Körpersprache der Spieler zu sprechen kommt. Aussagen wie „Man sieht, dass die Mannschaft sich aufgegeben hat“ oder „Der Spieler ist voller Selbstvertrauen“ sind im Fußball an der Tagesordnung. Wir bekommen alle mit, dass gewisse emotionale Zustände relativ einheitlich kommuniziert werden. Daher ist es auch kein Wunder, dass wir uns mit Körpersprache so gut auskennen und sie zuverlässig interpretieren können. Schließlich waren unsere Vorfahren darauf angewiesen, nonverbal zu kommunizieren (Fridlund, 1994). In diesem Zusammenhang haben aktuelle Studien die bemerkenswerte Beobachtung gemacht, dass Sieg und Niederlage in Wettbewerben dazu führen, dass sich gewisse Hormonspiegel im Blut verändern (Booth et al. 1989), die mit dominanten bzw. unterwürfigen Verhaltensweisen einhergehen. Vor diesem Hintergrund ergeben auch die häufigen Kommentare zur Körpersprache im Fußball Sinn.
Von noch größerer praktischer Bedeutung sind Studien, die zeigen, dass dominante Verhaltensweisen einen entscheidenden Einfluss auf den Gegner haben (Furley, Dicks 2012). Die Experimente demonstrieren, dass dominante Körpersprache unbewusst mit positiven Eigenschaften wie Selbstvertrauen und Kompetenz in Verbindung gebracht wird und umgekehrt mit negativen Eigenschaften wie Unsicherheit oder Ängstlichkeit. Bereits durch geringste Signale der Dominanz bzw. Unterwürfigkeit werden gespeicherte Schemata aktiviert. Beispielsweise führt eine unterwürfige Körpersprache bei Gegnern dazu, sie negativ einzuschätzen und daraufhin die eigene Wahrnehmung zu stärken. Zahlreiche Studien zur Selbstwirksamkeitsüberzeugung zeigen, dass die Gewissheit, eine Leistung erbringen zu können, in enger Verbindung mit dem Erfolg bei der Umsetzung steht. Umgekehrt haben Zweifel am Gelingen häufig ein Scheitern der Aktion zur Folge (Furley und Schweizer 2014a).
Näheres zum Thema Selbstwirksamkeit finden Sie hier:
- https://www.die-sportpsychologen.de/2017/02/dr-rene-paasch-selbstvertrauen-im-fussball/
- https://www.die-sportpsychologen.de/2015/08/dr-rene-paasch-selbstwirksamkeit-im-fussball/
- https://www.die-sportpsychologen.de/2019/03/dr-rene-paasch-mentalitaetstrainer-im-fussball-ein-job-mit-grosser-zukunft/
Emotionen steuern lernen
Selbst wenn wir nichts sagen, senden wir ständig Signale: Die aufgerichtete Körperhaltung ist ebenso eine Mitteilung, wie das Verschränken der Arme. Gestik, Haltung und Bewegung beeinflussen das, was unser Gegenüber wahrnimmt. Bereits beim Betreten des Rasens hinterlässt der Spieler bzw. die Mannschaft einen Eindruck bei der gegnerischen Mannschaft. Dies führt uns zu einer Frage, die für die Praxis von riesiger Relevanz ist aber viel zu selten aufgeworfen wird: Wie lassen sich Emotionen steuern?
Spieler können lernen ihre Emotionen zu steuern. Ein Schlüssel ist die Art und Weise, wie Sportler Informationen wahrnehmen, interpretieren und bewerten.
Näheres dazu:
- https://www.die-sportpsychologen.de/2017/06/dr-rene-paasch-ruediger-und-der-hass/
- https://www.die-sportpsychologen.de/2021/02/dr-rene-paasch-mit-meditation-zu-mehr-gelassenheit-und-gesundheit/
- https://www.die-sportpsychologen.de/2016/09/dr-rene-paasch-der-trend-zur-achtsamkeit/
Fazit
Emotionen zu regulieren und zu steuern, ist eine aktive und dauerhafte Aufgabe. Entscheidend ist, wie Spieler emotional auf Fehler, Tore, frühe Rückstände und Schiedsrichterentscheidungen reagieren. Aber auch eine frühe Führung, Dominanz, gewonnene Zweikämpfe und viel Ballbesitz können eine beeinflussbare Euphorie auslösen. Emotionen beeinflussen unsere Leistung und entscheiden letztlich auch über Sieg oder Niederlage. Bin ich als Spieler also in der Lage, meine Emotionen so zu regulieren, dass sie meine Leistung unterstützen, verbessern sich auch meine Chancen auf Leistung zum definierten Zeitpunkt. Für einen souveränen Auftritt kommt es nicht nur darauf an, was jemand sagt. Genauso entscheidend sind nonverbale Zeichen, wie etwa Körperhaltung, Mimik und Gestik.
Literatur
Booth, A., Shelley, G., Mazur, A., Tharp, G., & Kittok, R. (1989). Testosterone and winning and losing in human competition. Hormones and Behavior, 23, 556–571.
Fridlund, A. J. (1994). Human facial expression: An evolutionary view. San Diego: Academic.
Furley, P., & Dicks, M. (2012). “Hold your head high”. The influence of emotional versus neutral nonverbal expressions of dominance and submissiveness in baseball. International Journal of Sport Psychology, 43, 294–311
Furley, P., & Schweizer, G. (2014a): “I’m pretty sure that we will win!” The influence of score-related nonverbal behavioral changes on the confidence in winning a basketball game. Journal of Sport and Exercise Psychology, 35, 316–320.
Furley, P., & Schweizer, G. (2016). In a flash: Thin slice judgment accuracy of leading and trailing in sports. Journal of Nonverbal Behavior, 40, 83–100.
Moll, T., Jordet, G., & Pepping, G.-J. (2010): Emotional contagion in soccer penalty shootouts: Celebration of individual success is associated with ultimate team success. Journal of Sports Sciences, 28, 983–992
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