Dr. René Paasch: Selbstwirksamkeit im Fußball

Gibt es eine Erfolgsformel im Sport? Wenn ja, dann ist das Selbstvertrauen eine zentrale Variable für diese Rechnung. Aber wie lässt sich das Vertrauen in die eigene Kompetenz, eine gewünschte Handlung erfolgreich durchzuführen (Bandura, 1977), eigentlich trainieren? Dr. René Paasch nimmt diesen Ball auf und erklärt an greifbaren Beispielen wie Trainingssituationen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft das Thema Selbstwirksamkeit und bricht dessen Bedeutung mit praxisrelevanten Tipps für die Anwendung im Mannschaftssport herunter.

Für die-sportpsychologen.de berichtet: Dr. René Paasch

Die Selbstwirksamkeit ist im Sport die zentrale Größe, die dazu beiträgt, dass Trainer und Athleten ihre Leistung zum geforderten Zeitpunkt abrufen können. Das Konzept der „Selbstwirksamkeit“ stammt aus der sozial-kognitiven Lerntheorie von Albert Bandura (1977, 1982, 1986). Selbstwirksamkeit bedeutet, dass jemand die Überzeugung besitzt, dass seine eigenen Fähigkeiten ausreichen, um eine Handlung zielgerichtet und erfolgreich durchführen zu können. Weitere Publikation zum Thema Selbstwirksamkeit (Bandura, 1977) folgten dann in den verschiedensten Bereichen, wie die Behandlung von Phobien (Bandura, 1977, 1983), Behandlung von Depressionen (Davis & Yates, 1982), soziale Fertigkeiten (Moe & Zeiss, 1982), Raucherentwöhnung (Garcia et al., 1990), Schmerzkontrolle (Manning & Wright, 1983), Gesundheit (O´Leary, 1985), Schule und Studium (Schunk, 1985, 1989, Zimmerman, 2000; Pajares, 1996, 2002) und im Sport (Barling & Abel, 1983; Lee, 1982; Eberspächer, 2007, 2008; Eberspächer & Immenroth, 1998; Hermann, 2006; Short et. al., 2005). Aus den zahlreichen Studien lässt sich ableiten, dass das Konzept der Selbstwirksamkeit der beste Indikator für die kontinuierliche Leistung ist. Erst eine über Jahre hinweg aufgebaute Selbstwirksamkeit, lassen den Trainer und Sportler Souveränität ausstrahlen. Die kann sich jedoch auch in bestimmten Situationen oder Umständen zeigen. Dies bezeichnet man als situative Selbstwirksamkeit.

Profifußballer erwecken für gewöhnlich den Eindruck, dass sie ein großes dispositionales Selbstvertrauen besitzen. Wenn ihr Team aber bei einer wichtigen Meisterschaft ins Elfmeterschießen muss, kann ihr situatives Selbstvertrauen jedoch plötzlich in den Keller sinken. So erlebte Lionel Messi im Champions League-Achtelfinalhinspiel gegen Manchester City eine Schockstarre beim verschossenen Elfmeter. Barcelonas Superstar, der ansonsten mit dem Ball alles kann, scheint beim Elfmeterschießen fehlendes Selbstvertrauen aufzuweisen. Oder denken wir an David Beckmann im Viertelfinalspiel England gegen Portugal bei der Europameisterschaft im Juni 2004. Während des Elfmeterschießens fokussierte er nicht richtig und schoss den Ball über die Querlatte.

Diese und andere Beispiele zeigen sehr deutlich, dass die innere Überzeugung, eine zentrale Rolle spielt, für erfolgreiches situatives agieren. Wie kann ich nun die Selbstwirksamkeit trainieren? In den nun folgenden Abschnitten gehe ich näher darauf ein:

Training der individuellen und kollektiven Selbstwirksamkeit

Die Selbstwirksamkeit besteht aus fünf wichtigen Quellen und weiteren Bedingungen, die den Einzelnen und der Mannschaft dienlich sein können.

  • Die eigene Erfahrung

Die eigene Erfahrung ist maßgeblich für die Entwicklung der Selbstwirksamkeit. Erlebte Erfolge steigern die Selbstwirksamkeit, Misserfolge hingegen senken sie. Letzteres gilt besonders dann, wenn Misserfolge bereits zu Beginn des Lernens auftreten. Allerdings kann ein gelegentliches Scheitern zu mehr Beharrlichkeit führen. Somit hat der Zeitpunkt des Scheiterns erheblichen Einfluss auf die Selbstkompetenz (Bandura, 1977). Einen weiteren Anhaltspunkt liefert die 10.000-Stunden-Regel von Ericsson (1990). Die besagt, dass alle erfolgreichen Sportler mindestens 10.000 Stunden üben, um eine nachvollziehbare hohe Kompetenz zu erreichen. Diese Studie steht zwar auf wackligen Beinen, dennoch zeigt sie den wichtigen Zusammenhang von Training und Erfahrung. Selbst die Trainererfahrung und die damit verbundenen Trainerkompetenzen sind bereits nachgewiesen worden (Feltz, Short, Sullivan 2008). Was bedeutet dies für den Trainer aber auch für den Sportler? Passende Ziele setzen, immer wieder daran arbeiten und die gestellten Anforderungen nach und nach erhöhen.

  • Die Stellvertretende Erfahrung

Stellvertretende Erfahrungen werden auch dann erworben, wenn sie nicht direkt selbst ausgeführt werden. Sie ist zwar eine weniger verlässliche Quelle, dennoch hat sich herausgestellt, dass Beobachtungen und deren Handlungsabläufe eine positive Kompetenzüberzeugung bedingen können. In diesem Zusammenhang konnte eine interessante Studie mit Affen im Kortex Neuronen nachweisen, die bei einer bloßen Beobachtung aktiviert wurden (Rizzolatti et. al. 1996). Selbst Handlungen, die bei anderen Menschen wahrgenommen werden, führen im Gehirn des Sehenden zu ähnlichen motorischen Aktivitäten, wie bei dem Auszuführenden (Avikainen Forss, Hari 2002).

die-sportpsychologen.de vom 30.07.2015
die-sportpsychologen.de vom 30.07.2015

Folgende Empfehlungen lassen sich auf den Fußball übertragen: Schauen Sie sich regelmäßig Videos eigener und fremder Handlungen an, zum Beispiel vor wichtigen Wettkämpfen. Wichtig dabei ist, sich ein Video anzuschauen, dass eine gelungene Aktion wiederspiegelt und bereits persönlich erlebt wurde. Des Weiteren ist dies auch in der reinen Vorstellung möglich. Man stellt sich vor, wie man selbst eine bevorstehende Aktion erfolgreich meistert. Diese Technik ist in der angewandten Sportpsychologie ein gängiges Mittel und wissenschaftlich bewiesen worden (Mayer, Hermann, 2011; Munroe-Chandler, Hall, Fishburne, 2008). Fördernd diesbezüglich können auch die sogenannten Effekte des Priming sein (Bargh, Chen, Burrows 1996). Allein die Beschäftigung mit bestimmten Wörtern oder Wortlisten können das Verhalten eines Fußballers positiv beeinflussen. Die nun folgende dritte Quelle zur Verbesserung der Kompetenzüberzeugung ist die sprachliche Überzeugung, die auf das Priming aufbaut (siehe auch Elvina Abdullaeva: Ohne Angst zum Kopfball).

  • Die sprachliche Überzeugung
die-sportpsychologen.de vom 22.05.2015
die-sportpsychologen.de vom 22.05.2015

Die sprachliche Überzeugung sollte aus zweierlei Perspektiven gesehen werden. Die externen Einflüsse, im Fußball vorrangig der Trainer, der den Sportler sprachlich überzeugen möchte, und die interne Quelle, also das innere Selbstgespräch. Besonders, wenn Leistung zum definierten Zeitpunkt gefordert ist, sollten innere Gespräche handlungsfördernd sein und nicht hemmend wirken. Diese Form des Trainings ist aus meiner Erfahrung die am häufigsten genutzte Strategie im Fußball. Das Selbstgespräch kann gedanklich stattfinden (internal) oder aber auch laut durchgeführt werden (external). Diese regulatorische Form der positiven Beeinflussung ist mächtig und vielen Sportlern gar nicht bewusst, welchen Einfluss ein schlechtes inneres Gespräch haben (siehe auch Prof. Dr. Oliver Stoll: Gute Selbstgespräche) kann.

  • Imaginative Erfahrungen

Diese entstehen bei Sportlern, wenn sie innere Bilder von Erfolgserlebnissen erzeugen. Solche mentalen Repräsentationen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Aufgabe zu meistern.

  • Emotionaler Zustand

Hier geht es um die Kontrolle von Emotionen in Zusammenhang mit einem Wettkampf, z.B. von Nervosität. Vor wichtigen Wettkämpfen kommt es häufig zu Selbstzweifeln. Daher ist es wichtig, die innere Gespräche und Emotionen kontrollieren zu können. Hierbei helfen Atementspannungs-Techniken, wie etwa in „4 Sekunden Einatmen, 10 Sekunden Ausatmen“.

Eine große Anzahl von Studien hat gezeigt, dass ein hohes Maß an Selbstvertrauen zu besseren sportlichen Ergebnissen führt. Einer recht aktuellen Veröffentlichung zufolge ergab die Untersuchung von 24 Studien eine durchschnittliche Korrelation zwischen Selbstvertrauen und sportlicher Leistung von 0,54 was auf einen mäßig starken Zusammenhang hinweist (Sport Psychology, 2004). Positiv wirkt es sich anscheinend auch aus, wenn Sportler von Kindheit an mentale Trainingsprogramme absolvieren. Sie bauen dadurch so viel Selbstvertrauen auf, dass sie als Erwachsene in ihrer sportlichen Laufbahn noch davon zehren können.

Das Training der Selbstwirksamkeit im Fußball

Die Selbstwirksamkeit ist für die sportliche Leistungsfähigkeit auf Wettkampfniveau gut nachgewiesen worden (Barling & Abel, 1983; Feltz & Chase, 1998; Moritz et al., 2000; Short et al., 2005;). Dies gilt gleichermaßen auch für Mannschaftssportarten „Collective Efficacy“ (Bandura, 1986). Unter gemeinsamer Selbstwirksamkeit wird die mannschaftliche Überzeugung eines Teams verstanden, eine anstehende Aufgabe aufgrund eigener Fähigkeiten gemeinsam bewältigen zu können. Viele Fußballer/innen, die im Training sehr gute Leistungen erbringen, sind oftmals nicht in der Lage, ihre Leistung auf den Wettkampf zu übertragen. Dies liegt oft am Glauben an dessen Einflüsse. Man spricht auch vom Phänomen des „Trainingsweltmeisters“ (Eberspächer, 2007). Die beste Vorbereitung hat wenig nutzen, wenn mentale Blockaden die Leistung hemmen. Die zwingende Voraussetzung fürs Gelingen, vor allen Dingen unter Druck, ist die innere und äußere Überzeugung, die Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich erbringen zu können.

Für ein gezieltes psychologisches Training zum Aufbau einer Kompetenzerwartung müssen nach Eberspächer (2007) drei Unterschiede zwischen Trainings- und Wettkampfsituation berücksichtigt werden:

  • Eine Spielssituation ist nicht wiederholbar.
  • Spielsituationen gehen bewusst oder unbewusst mit einer Erwartung über das Ergebnis einher. Diese Erwartungshaltungen erkennt man an emotionalen Zuständen der Fußballer/innen vor, während und nach dem Wettkampf, die sich in Zufriedenheit, Enttäuschung, Frustration und dergleichen äußern.
  • Spielsituationen und deren Ergebnisse ziehen immer Konsequenzen nach sich (Eberspächer, 2007).

Eberspächer (2007, S. 32) hat dafür drei Varianten eines Selbstwirksamkeitstrainings entwickelt:

  • Das Prognosetraining
  • Das Einmaligkeitstraining oder Training der Nichtwiederholbarkeit
  • Das Prognosetraining und das Training der Nichtwiederholbarkeit mit Zeitverzögerung

Im Folgenden sollen diese Formen des Selbstwirksamkeitstrainings nach Eberspächer (2007) beschrieben werden:

Der Gedanke des Prognosetrainings ist die Überzeugung des Trainierenden, dass man den Umgang mit Erfolg und Misserfolg und psychischer Beanspruchung nur lernt, wenn man sich zuerst ein Ziel setzt, anschließend diese umsetzt und nachher den Ausgang der Handlung beurteilt. Hermann (2006) bezeichnet das Prognosetraining als Verfahren zur Steigerung der Kompetenzerwartung mit dem Stress und Belastung im Training induziert und der adäquate Umgang damit geübt werden kann. Das Prognosetraining gibt dem Trainer eine Methode in die Hand, mittels derer Sportler bereits im Training systematisch hohem Stress ausgesetzt werden können. Anhand des Prognosetrainings können Fußballer/in lernen, mit erlebten Belastungen besser umzugehen und in der Konsequenz in Drucksituationen eine höhere Leistung zu erbringen. Die praktische Relevanz und Umsetzung des Prognosetrainings im Fußball wurde von Eberspächer und Immenroth im Jahr 1998 erstmals beschrieben. Ausgangspunkt des Prognosetrainings ist die Intention, eine Leistungssituation im Training möglichst realistisch zu simulieren, um jedem Spieler die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen mit psychischen Belastungsreaktionen und deren Bewältigung zu sammeln. Zur Provokation einer höheren psychischen Beanspruchung definiert der Sportler oder die Mannschaft ein konkretes (gemeinsames) Ziel, an dem man oder die Mannschaft auch scheitern kann. Ein solches Ziel kann beispielsweise die Anzahl der geschossenen Tore, die Anzahl der erfolgreich abgeschlossenen Aktionen oder die Anzahl der verhinderten Torschüsse sein. Eine realistische und damit auch motivierende Zielsetzung ist hierfür unabdingbar (Hermann, 2006).

In der sportlichen Trainingspraxis kann dies so aussehen:

Zunächst werden die Anforderungen und das Ziel festgelegt, zum Beispiel: zehn Angriffe des Sturms gegen die Abwehr. Jeder Angreifer gibt zuvor seine Prognose über das erwartete Ergebnis ab („acht von zehn Angriffe führen zum Torerfolg) Das Prognosetraining endet mit einer Ergebnisanalyse. Hierbei werden die Gründe für das Gelingen oder das Scheitern analysiert. Die Analyse bezieht sich sowohl auf den Spieler als auch auf den Trainer (Hermann, 2006). Anhand des Ausgangs der Handlung lässt sich nun feststellen, ob die zuvor abgegebene Prognose realistisch oder unrealistisch war, woran es gelegen hat, dass sie nicht erreicht, erreicht oder sogar übertroffen wurde. Die Athleten wie der Trainer lernen somit, mit psychischer Beanspruchung durch selbstgestellte Anforderungen und Zielsetzungen sowie mit Erfolg und Misserfolg umzugehen (Eberspächer, 2007). Diese Form des Prognosetrainings lässt sich durch das sogenannte „offene Prognosetraining“ noch verschärfen: Dabei wird die aufgestellte Prognose nicht nur zwischen Trainer und Sportler vereinbart, sondern der gesamten Trainingsgruppe, in diesem Fall also der Konkurrenz, vor der sportlichen Handlung mitgeteilt. Eine Ergänzung des Prognosetrainings durch zusätzliche stressinduzierende Elemente empfiehlt Hermann (2006): Vor allem die Integration von negativen Konsequenzen bei Nicht-Erreichen der Prognose erhöht das individuelle Stresspotential. Bei Misserfolg erfahren die Sportler Sanktionen, wie zum Beispiel unbeliebte, aber sinnvolle zusätzliche Übungen. Diese Form des Trainings nähert sich realen Wettkampfbedingungen stark an, da viele Sportler über die Stärken und Schwächen ihrer Gegner bereits im Vorfeld bestens im Bilde sind. Sie wissen oftmals lange vor dem Wettkampf, mit welchen Techniken ihre Gegner in der Vergangenheit erfolgreich waren und planen entsprechende Abwehrmaßnahmen ein. Das Prognosetraining wird nun in 8 Schritten erklärt:

Das Prognosetraining als Training der Kompetenzerwartung.

Die Schritte des Prognosetrainings nach Hermann (2006, S. 139):

  1. Festlegen der Aufgabenstellung (Trainer)
  • Instruktion und Quantifizierung der Ausführungsqualität
  1. Übungsphase
  • Vor allem bei unbekannten Aufgabenstellungen
  1. Prognose
  • Je nach Aufgabenstellung
  1. Festlegen der Konsequenzen
  • „Sanktionen“
  1. Aufgabenbewältigung
  • In der Regel nur ein Versuch
  1. Vergleich
  • Prognose versus erbrachte Leistung
  1. Analyse
  • Durch Spieler und Trainer, Kausalattribuierung
  1. Konsequenzen (im negativen Fall, wenn erbrachte Leistung schlechter als die Prognose)

Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe der deutschen Nationalmannschaft, zeigt in einem beeindruckenden Videoausschnitt der WM-Dokumentation “Deutschland. Ein Sommermärchen”, wie ein Prognosetraining anhand eines Elfmeterschießens aussehen kann.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Es gibt auch weitere Formen des Prognosetrainings, eine Auswahl:

Das Einmaligkeitstraining – Training der Nichtwiederholbarkeit

Trainingssituationen unterscheiden sich von Wettkampfsituationen oftmals darin, dass Abläufe beliebig oft wiederholt werden können, während in Wettkämpfen nur ein einziger Versuch zur Verfügung steht. Das Wissen, nur eine einzige Chance zu haben, erhöht die Beanspruchung enorm („Jetzt oder nie“). Der Athlet darf seine Leistung nur ein einziges Mal erbringen, unabhängig vom Ausgang der Leistung. Im Falle eines Misserfolgs kann er die Handlung nicht wiederholen.

Prognosetraining und Training der Nichtwiederholbarkeit mit Zeitverzögerung

Eine zusätzliche Beanspruchung kann dadurch erreicht werden, dass der Zeitpunkt des Abrufens hinausgezögert wird. So kann zunächst eine Prognose aufgestellt werden, der/die Fußballer/innen erhält anschließend aber einen gewissen Zeitraum (zum Beispiel 10 oder 20 Minuten), währenddessen er/sie sich auf die Leistung vorbereiten kann. Das Erbringen einer Leistung wird in der Regel umso schwieriger, je länger die Zeitvorgabe ist. Das rührt daher, dass während Wartezeiten störende Gedanken auftreten, die die Konzentration auf das Wesentliche ablenken und „an den Nerven zehren“. Dieser „Effekt“ ist aber notwendig, da die Realität des sportlichen Wettkampfes oftmals so aussieht. Der Sportler lernt also, sich auf den Ernstfall vorzubereiten. Nach jedem Prognosetraining sollte immer die Ist-Soll-Diskrepanz festgestellt werden. Man überprüft gemeinsam mit dem Trainer ob die prognostizierte Leistung erbracht wurde, warum sie nicht erbracht oder sogar übertroffen wurde. Dann werden die Gründe analysiert, warum gerade dieses und kein anderes Ergebnis eingetroffen ist. Abhängig von der Analyse werden die Prognose und die Zielsetzung an künftige Situationen angepasst.

Kollektive Selbstwirksamkeit

die-sportpsychologen.de vom 19.06.2015
die-sportpsychologen.de vom 19.06.2015

Die kollektive Selbstwirksamkeitsüberzeugung ist die Überzeugung jedes einzelnen Mannschaftsmitglieds, eine Aufgabe zusammen bewältigen zu können. In diesem Zusammenhang zeigt eine Studie an zehn Football-Teams, dass die Teamüberzeugung einen nachhaltigen Zusammenhang hinsichtlich erzielter Leistungen aufweist (Feltz, Short, Sullivan 2008). Wie ist es nun möglich, individuelle Kompetenzen zu bündeln und daraus kollektive Kompetenzen einer Mannschaft zu entwickeln? Feltz, Short und Sullivan (2008) benennen dazu folgende Punkte:

  • Zusammenhalt innerhalb einer Mannschaft
  • das Klima im Team
  • Umgang miteinander
  • behutsame und zurückhaltende Steuerung und Moderation dieses Prozesses durch die Führungsperson

(siehe auch Dr. René Paasch: Führung und Teamentwicklung im Fußball)

Zusammenfassung

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass die Selbstwirksamkeit (Gerlach, 2004) trainierbar ist, aber einer sensiblen Führung bedarf. Die individuelle und gemeinsame Überzeugung gründet auf dem Zusammenhalt innerhalb einer Mannschaft und eines langfristig angelegten Teambuildings. Im Alltag lässt sich gezielt an der Team- und Sportler-Kompetenzüberzeugung arbeiten – das Prognosetraining stellt eine der Möglichkeiten dar. Kurzum: In der Entwicklung und Festigung individueller und kollektiver Kompetenzen können Sportpsychologen in Verbindung mit dem Trainer, dem Funktionsteam und den Verantwortlichen effektiv unterstützen. Die Komplexität dieser Kompetenzen macht es aus meiner Sicht unerlässlich, dass Sportpsychologen als fester Bestandteil in den Trainerstäben der Fußball-Bundesligisten wirken.

Literatur

Avikainen, Sari, Forss, Nina. , Hari, Riitta (2002): Modulated activation of the human SI and SII cortices during observation of hand actions. In: Neuroimage, 15, S. 640-646.

Bandura, A. (1977). Self-efficacy: Toward a Unifying Theory of Behavioral Change. Psychological Review, 84 (7), 191-215.

Bandura, A. (1980). Gauging the Relationship Between Self-Efficacy and Action. Cognitive

Therapie and Research, 4(2), 263-268.

Bandura, A. (1982). Self-efficacy mechanism in human agency. American Psychologist, 37(2), 122-147.

Bandura, A. (1983). Self-efficacy determinants of anticipated fears and calamities. Journal of Personality and Social Psychology, 45, 464-469.

Bandura, A. (1986). Social foundations of thought and action: A social cognitive theory. Englewood Cliffs, NJ: Prentice–Hall.

Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The Exercise of Control. New York: Freeman.

Bargh, John A.; Chen, Mark; Burrows, Lara (1996): Automaticity of social behavior: Direct effects of trait construct and steriotype acitvation on action. In: Journal of Personality and Social Psychology, 71, S. 230-244.

Barling, J., & Abel, M. (1983). Self-efficacy beliefs and tennis performance. Cognitive Therapy and Research, 7, 265-272.

Bong, M. & Skaalvik, E.M. (2003). Academic Self-concept and Self-efficacy: How Different Are They Really? Educational Psy ch ol o gy Review 15(1), 1–40.

Burke, Stephen T.; Jin, Putai (1996): Predicting performance from a triathlon event. In: Jorunal of Sport Behavior, 19. S. 272-287.

Bråten, I. and Olaussen, B. (2000). The Learning and Study Strategies of Norwegian First-Year College Students. Learning and Individual Differenc e s 10(4), 309–27.

Crews, D. J.; Landers, D. M. (1993): Electroencephalographic measures of attentional patterns prior to the golf putt. In: Medicine & Science in Sports and Exercise, 25, S. 116-126

Davis, F. W., & Yates, B. T. (1982). Self-efficacy expectancies versus outcome expectancies as determinants of performance deficits and depressive affect. Cognitive

Therapy and Research, 6, 23-35.

Eberspächer, H. (2007). Mentales Training. Das Handbuch für Trainer und Sportler. 7. durchgesehene Neuauflage. München: Copress.

Eberspächer, H. (2008). Gut sein, wenn´s drauf ankommt. Erfolg durch Mentales Training. 2. überarbeitete Auflage. München: Carl Hanser.

Eberspächer H, & Immenroth, M. (1998). Kognitives Fertigkeitstraining im Fußball. Psychologie und Sport 1, 16-27.

Ericsson. Anders K. (1990): Peak performance and age: An examination of peak performance in sports. In: Paul B. Baltes, Margret M. Baltes (Hrsg).

Feltz D. L. & Chase M. A. (1998). The measurement of self-efficacy and confidence in Sport. In: J. L. Duda (Ed.): Advances in Sport and Exercise Psychology Measurement. (65-80) Morgantown, WV: Fitness Information Technology.

Feltz, D. L.; Short, S. E.; Sullivan, Ph. J. (2008): Self-Efficacy in Sport. Champaign: Human Kinetics.

Garcia, M. E., Schmitz, J. M., & Doerfler, L. A. (1990). A fine-grained analysis of the role of self-efficacy in self-initiated attempts to quit smoking. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 58, 317-322.

Hermann, H.-D. (2006). Psychische Belastungsreaktionen im leistungsorientierten Fußball – Übersicht und Trainingsmöglichkeiten. Deutsche Zeitschrift für Sportmedizin, 57 (5), 138- 141.

Hermann, H.-D., Mayer, J. (2014): Make them go! War wir vom Coaching für Spitzensportler lernen können. Murmann Verlag; Auflage: 2

Jerusalem M. (1990). Persönliche Ressourcen, Vulnerabilität und Stresserleben. Göttingen: Hogrefe.

Jinks, J. & Lorsbach, A. (2003). Introduction: Motivation and self-Efficacy Belief. Reading and Writing Quarterly 19, 113–18.

Kahnemann , D. (2011) Schnelles Denken, langsames Denken. München: Siedler

Krampen, G. (1991). Fragebogen zu Kompetenz- und Kontrollüberzeugungen. Göttingen: Hogrefe.

Lee, C. (1982). Self-efficacy as a predictor of performance in competitive gymnastics. Journal of Sport Psychology, 4, 405-409.

Lee, C. (1983). Self-efficacy and behavior as predictors of subsequent behavior in an assertiveness training programme. Behavior Research and Therapy, 21, 225-232.

Lee, C. (1984). Accuracy of efficacy and outcome expectations in predicting performance in a simulated assertiveness task. Cognitive Therapy and Research, 8, 37-48.

Lehmann, A.C. (1997). The Acquisition of Expertise in Music: Efficiency of Deliberate Practice as a Moderating Variable in Accounting for Sub-Expert Performance. In: I. Deliège & J. Sloboda (Eds)   Perception and Cognition of Music , (161–87). Hove: Psychology Press.

Manning, M. M., & Wright, T. L. (1983). Self-efficacy expectancies, outcome expectancies, and the persistence of pain control in childbirth. Journal of Personality and Social Psychology, 45, 421-431.

Mayer, J. & Hermann, H.-D. (2009). Mentales Training. Heidelberg: Springer.

Maynard I. W., Smith M. J., Warwick-Evans L. (1995). The effects of a cognitive intervention strategy on competitive state anxiety and performance in semiprofessional soccer players. Journal of Sport & Exercise Psychology 17, 428-446.

McCormick, J. & McPherson, G. E. (2003). The Role of Self-Efficacy in a Musical Performance Examination: An Exploratory Structural Equation Analysis. Psychol o gy of Music 31(1), 37–51.

McPherson, G. E. & McCormick, J. (2006). Self-efficacy and music performance. Psychology of music, 34(3), 322-336.

Moe, K. O., & Zeiss, A. M. (1982). Measuring self-efficacy expectations for social skills: A methodological inquiry. Cognitive Therapy and Research, 6, 191-205.

Moritz D. E., Feltz D. L., Fahrbach K. R., Mack D. E. (2000). The relation of self-efficacy measures to sport performance: A meta-analytic review. Research Quarterly for Exercise and Sport 71, 280-294.

Nielsen, S. G. (2004). Strategies and self-efficacy beliefs in instrumental and vocal individual practice: a study of students in higher music education. Psychology of Music 32(4), 418-431.

O’Leary, A. (1985). Self-efficacy and health. Behavior Research and Therapy, 23, 437-451.

Pajares, F. & Miller, M. D. (1994). Role of Self-efficacy and Self-concept Beliefs in Mathematical Problem Solving: A Path Analysis. Journal of Educational Psychology 86, 193–203.

Pajares, F. & Kranzler, J. (1995). Self-efficacy Beliefs and General Mental Ability in Mathematical Problem-solving. Contemporary Educational Psychology 20, 426–443.

Pajares, F. (1996). Self-Efficacy Beliefs in Academic Settings. Review of Educational Research 66(4), 543-578.

Pajares, F. (2002). Gender and Perceived Self-Efficacy in Self-Regulated Learning. Theory into Pra ctice 41(2), 116–25.

Pajares, F. (2003). Self-efficacy Belief, Motivation, and Achievement in Writing: A Review of the Literature. Reading and Writing Quarterly 19, 139–58.

Pintrich, P.R. (1999). The Role of Motivation in Promoting and Sustaining Self-Regulated Learning. International Journal of Educational Resear ch 31(6), 459–470.

Pintrich, P.R. & De Groot, E.V. (1990). Motivational and Self-Regulated Learning Components of Classroom Academic Performance. Journal of Educational Psy ch ol o gy 82(1), 33–40.

Rizzolatti, Giacomo et. al. (1996): Premotor cortex and the recognition of motor

Radner, C. (2010). Steigerung der Selbstkompetenz durch Prognosetraining im Instrumentalunterricht. Unveröffentlichte Diplomarbeit. Linz: Anton Bruckner Privatuniversität.

Schneider, W. & Weinert, F. E. (1990). The Role of Knowledge, Strategies, and Aptitudes in Cognitive Performance: Concluding Comments. In: W. Schneider & F. E. Weinert (Eds) Interactions among Aptitude s, Strategie s, and Knowle d g e in Cognitive Performa n c e (286–302). New York: Springer.

Sport Psychology (2004): Theory, Applications, and Issues (2nd ed), Queensland, Australia: Wiley, 344-387

J Sports Sci 2007; 25:1057-1065

Schunk, D. H. (1989). Self-Efficacy and Achievement Behaviors. Educational Psychology Review, 1(3), 173-208.

Schunk, D. H. (1991). Self-Efficacy and Academic Motivation. Educational Psychologist 26(3&4), 207–231.

Schunk, D. H. & Pajares, F. (2001). The Development of Academic Self-Efficacy. In A. Wigfield & J. S. Eccles (Eds): Development of Achievement Motivation (15–31). San Diego, CA: Academic Press.

Short, S. E., Tenute, A. & Feltz, D. L. (2005). Imagery use in sport: Mediational effects for efficacy. Journal of Sport Sciences, 23(9), 951-960.

Zimmerman, B. J. (1998). Academic Studying and the Development of Personal Skill: A Self-Regulatory Perspective. Educational Psy ch ol o gi st 33(2/3), 73–86.

Zimmerman, B. J. & Martinez-Pons, M. (1990). Student Differences in Self-Regulated Learning: Relating Grade, Sex, and Giftedness to Self-Efficacy and Strategy Use. Journal of Educational Psychol o gy 82(1), 51–59.

Views: 12555

Prof. Dr. René Paasch
Prof. Dr. René Paaschhttp://www.die-sportpsychologen.de/rene-paasch/

Sportarten: Fußball, Segeln, Schwimmen, Handball, Volleyball, Hockey, Eishockey, Tennis

Gelsenkirchen, Deutschland

+49 (0)177 465 84 19

E-Mail-Anfrage an r.paasch@die-sportpsychologen.de

11 Kommentare

  1. “Positiv wirkt es sich scheinbar auch aus”

    Wirkt es sich tatsächlich nicht positiv aus, oder verwechselt der Autor anscheinend mit scheinbar?

    • Der Autor meinte anscheinend, was nun an benannter Stelle im Text auch so steht. Vielen Dank für den Hinweis!

  2. […] Aber wie lässt sich der positive Effekt der Glücksbringer erklären? Dies untersuchte Damisch (2010) in den folgenden beiden Studien. Es wurden alle Teilnehmer/innen gebeten, einen persönlichen Glücksbringer mitzubringen. Die Probanden bearbeiteten zunächst einen Fragebogen zu diesem Thema. Währenddessen nahm die Versuchsleiterin den jeweiligen Glücksbringer mit ins Nebenzimmer, um ihn dort zu fotografieren. Das wichtige war, dass nur die Hälfte der Teilnehmer/innen ihren Glücksbringer zurückbekam, wohingegen die andere Hälfte aufgrund angeblicher technischer Probleme auf ihren Glücksbringer verzichten musste. Bevor alle Probanden dann zum Test ihrer Gedächtnisleistung ein Memory-Spiel lösen sollten, wurden sie gefragt, wie sicher sie sich seien, diese Aufgabe erfolgreich zu bewältigen. Das Ergebnis: Die Teilnehmer/innen mit Glücksbringer waren besser als die ohne Glücksbringer. Dieser Leistungsunterschied ließ sich darauf zurückführen, dass Probanden  mit Glücksbringer zuversichtlicher waren als Probanden ohne Glücksbringer. Im vierten Experiment zeigte sich dieser Befund erneut – diesmal beim Lösen von Anagrammen: Wiederum waren Teilenehmer/innen Glücksbringer erfolgreicher als Teilnehmer/innen ohne Glücksbringer, weil sie höhere Selbstwirksamkeitserwartungen hatten. Näheres zum Thema Selbstwirksamkeitserwartungen finden Sie auf der Seite http://www.die-sportpsychologen.de/2015/08/25/dr-rene-paasch–selbstwirksamkeit-im-fussball/. […]

Kommentarfunktion ist geschlossen.