Sportpsychologie im Profi-Fußball: Zwischen Trend und Träumerei

Das Millerntor-Stadion, die Spielstätte des FC St. Pauli

Für viele Sportpsychologen ist der professionelle Fußball das berufliche Traumziel. Allerdings gestaltet sich in der Realität der Weg dorthin lang und steinig: Insbesondere, weil es trotz vieler positiver Entwicklungen im Erwachsenenbereich immer noch an Akzeptanz für und Vertrauen in die Disziplin mangelt. Nur die wenigsten Bundesligisten arbeiten mit Sportpsychologen auf Vollzeitbasis. Bei vielen Vereinen findet sportpsychologische Arbeit im Profi-Team, wenn überhaupt, nur abseits der öffentlichen Wahrnehmung statt.

Im Sommer sind wir von Die Sportpsychologen auf den deutschen Zweitligisten FC St. Pauli aufmerksam geworden, der recht offensiv in den Medien von seiner Suche nach einem geeigneten Fachmann bzw. Fachfrau berichtete. Anlass genug, dass Redaktionsleiter Mathias Liebing für die neue Interviewserie “Die Sportpsychologen treffen…” nach Hamburg fuhr, um dort Uwe Stöver, den Sportchef des FC St. Pauli, zu interviewen.

Zum Thema: Sportpsychologie im Profi-Fußball

Anders als viele andere Fußball-Bundesligisten geht der FC St. Pauli offen mit seinem Bedarf an sportpsychologischem Know-How um. Nach der Analyse der durchwachsenen Saison 2017/2018 kamen die Hamburger zu dem Schluss, dass es im Trainerstab sowie auf Ebene der Verantwortungsträger im Verein schlicht an Expertise fehle, die Mannschaft im Sinne von Zusammenhalt, Mentalität und Selbstvertrauen weiterzubringen. Die Lösung? Es soll ein Sportpsychologe verpflichtet werden. Das Problem: Es ist alles andere als einfach, eine geeignete Person zu finden. In der folgenden Multi-Media-Story berichtet Uwe Stöver von der schwierigen Suche, von den hohen Ansprüchen und den realistischen Erwartungen, die beim FC St. Pauli an die Personalie Sportpsychologe geknüpft werden:

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Direkt zur Multi-Media-Story: “Die Sportpsychologen treffen Uwe Stöver”

In mehreren Interviews hatte Sportchef Uwe Stöver in der Sommerpause von der schwierigen Suche nach einem Sportpsychologen berichtet. Ursache? Für Außenstehende ist der Markt höchst intransparent. Meist fällt es schwer, belastbare Informationen zu Qualifikationen, Abschlüssen und Erfahrungen ausfindig zu machen (Hinweis: Auf unseren Profilseiten versuchen wir, die Informationen zu jedem einzelnen Sportpsychologen im Netzwerk optimal aufzubereiten und frei zugänglich zu machen. Zu den Profilseiten). Hinzukommt, dass auf Ebene von Bundesliga-Vereinen personelle Akquise in der Regel über persönliche Kontakte funktioniert – ist ein Sportpsychologe nicht oder noch nicht ausreichend vernetzt, ist er quasi nicht existent.

Insofern ist der Schritt des FC St. Pauli in die Öffentlichkeit bemerkenswert. Denn hier verlässt ein Verein bewusst den geschützten Bereich, in dem der professionelle Fußball nicht nur in Deutschland stattfindet.

Hohe Ansprüche

Spannend sind die Ansprüche, die Uwe Stöver als sportlicher Verantwortungsträger mit der bevorstehenden Verpflichtung eines Sportpsychologen verbindet. Der Sportchef gibt klar zum Ausdruck, dass die neue Person im Funktionsteam dafür Sorge tragen soll, dass aus den Einzelspielern eine Mannschaft geformt wird, dass Spieler selbstwirksam agieren und dass das Team eine bestimmte Mentalität entwickelt. Im folgenden Auszug bringt Stöver seine Anforderungen auf den Punkt:

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Problemorientierter Zugang

Deutlich wird an Stövers Aussagen auch, dass der Zugang zum Thema Sportpsychologie aktuell problemorientiert passiert. Soll heißen: Die Verantwortlichen haben ein bestimmtes Problemfeld identifiziert und wollen dieses mit Hilfe eines Experten bearbeiten. Nicht verwerflich, allerdings scheint bei den Überlegungen noch keine Rolle zu spielen, dass Sportpsychologie auch gezielt zur Leistungssteigerung genutzt werden kann. Dass es zahlreiche Methoden und Techniken gibt, die den Trainingsalltag bereichern und über das im Fußball etablierte Bild des Sportpsychologen als Reparateur hinausgehen.

Aber zurück zum Ausgang: Die Sportpsychologie ist noch nicht im Alltag des Bundesliga-Geschäfts angekommen. Die vielen wichtigen Schritte, die schon vor der Installation von Prof. Dr. Hans-Dieter Hermann als Sportpsychologe der deutschen Fußball-Nationalmannschaft im Jahr 2004 passiert sind, bis hin zur festen Etablierung von Sportpsychologen in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten, scheinen noch nicht auszureichen. Vielleicht braucht es gerade deshalb Vereine wie den FC St. Pauli, die die Sportpsychologie nutzen wollen und dabei keine Hand vor den Mund nehmen.

Interviewserie “Die Sportpsychologen treffen…”

Die Interviewserie “Die Sportpsychologen treffen…” ist durch die Unterstützung und Finanzierung von Jürgen Walter (zum Profil von Jürgen Walter) möglich. Der Profilinhaber von Die Sportpsychologen hat das Konzept zur Serie gemeinsam mit Redaktionsleiter Mathias Liebing entwickelt. In einer der nächsten Folge treffen Die Sportpsychologen auf Dorian Rogozenco, den Schach-Bundestrainer.

Habt ihr, liebe Leser, eine Idee, wen Die Sportpsychologen treffen sollten, um über das Thema Sportpsychologie zu sprechen? Dann her mit euren Vorschlägen. Am besten per Mail an Redaktionsleiter Mathias Liebing.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de