Jürgen Walter: Dartitis – Wenn der Dartpfeil nicht mehr fliegen will

Eric Bristow, Mervyn King, Bob Johnson, Mark Walsh, Richie Bernett, Mensur Suljovic oder Berry Van Peer – sie alle sind Dart-Profis, doch sie verbindet noch eine weitere Gemeinsamkeit: Dartitis („Dart-eye-tis“). Dartitis wird im Oxford English Dictionary als „Zustand der Nervosität, der einen Spieler davon abhält, den Dart während des Wurfs zum richtigen Zeitpunkt loszulassen“, beschrieben und ist damit keine Krankheit, sondern eine mentale Blockade. Erwähnt hat den Begriff 1981 Tony Wood zum ersten Mal als damaliger Redaktionsleiter vom Darts World magazine.

Zum Thema: Was steckt hinter dem Phänomen Dartitis

Das Vorkommen der Symptomatik lässt sich nicht auf den Dartsport eingrenzen. Golfer plagt der „Yips“, Bogenschützen das „Goldfieber“ und sogar Musiker können davon betroffen sein. Ursache könnte eine neurologische Erkrankung, die so genannte Fokale Dystonie, sein. Diese äußert sich in unkontrollierbaren Muskelkontraktionen wie Verdrehungen, abnormalen Körperhaltungen, sich wiederholenden Bewegungen, Verkrampfungen oder dem Einfrieren einer Bewegung. Fokal ist die Dystonie, weil jeweils nur ein einzelner, abgegrenzter Bereich des Körpers von der Symptomatik betroffen ist. Im Falle der Dartitis sind dies die Finger, denn diese wollen den Dartpfeil vermeintlich nicht mehr loslassen oder bringen ihn mit einer unkontrollierten Bewegung in Richtung Zielscheibe.

Wissenschaftliche Studien sehen vor allem zwei Theorien hinter der zumeist im Erwachsenenalter vorkommenden Dartitis: Die Distraction-Theory und die Self-Focus-Theory. Laut der Distraction-Theory kommen in Sportlern Sorgen und Bedenken über deren Leistung in Drucksituationen auf. Diese blockieren im Gehirn das Arbeitsgedächtnis, das folglich nicht in der Lage ist, die für die Bewegung relevanten Reize zu verarbeiten, da die Ressourcen bereits für die Sorgen und Bedenken verbraucht worden sind.

Auswege aus der Dartitis-Falle

Die Self-Focus-Theory nach Baumeister (1984) geht davon aus, dass Sportler in für sich als wichtig empfundenen Situationen ihre Aufmerksamkeit nach innen, auf sich selbst lenken. Trotz ursprünglicher Absicht, die Bewegung (z.B. den Dartwurf) zu stabilisieren, verhindert die Verschiebung der Aufmerksamkeit den ungehinderten Ablauf der automatisierten Bewegung. Resultat: Leistungsversagen.

Für den Umgang mit Dartitis existieren verschiedene Ansätze:

  1. Oft ist die Dartitis kontext-abhängig. Ein Situations- oder Ortswechsel könnte daher bereits eine erste Hilfestellung sein.
  2. Handschuhe können als sensorische und visuelle Hilfe genutzt werden, mit dem unser Gehirn sich austricksen lässt.
  3. Entspannungs- und Atemtechniken sowie mentale Übungsformen zielen auf eine veränderte Wahrnehmung des (Leistungs-)Drucks in Wettkampfsituationen ab und sollen somit das Aufkommen von damit verbundenen Ängsten und Bedenken verhindern. Im Mentalen Training wird die negative Gedankenspirale identifiziert unterbrochen. Tiefe Atemzüge, die als Ritual im Dartspiel eingebunden werden, können direkt vor dem Abwurf angewendet werden.
  4. Spieler mit einem externalen Fokus ihrer Aufmerksamkeit konzentrieren sich auf die Effekte einer Bewegung in der Umwelt. Anstatt die Aufmerksamkeit auf die Ausführung des Wurfs (internal) zu lenken, sollten Spieler das Feld der Dartscheibe oder eine Zahl anvisieren.

Grundsätzlich kann jedem Sportler im Laufe seiner Karriere eine mentale Blockade begegnen. Studien zeigen jedoch, dass vor allem perfektionistisch orientierte Personen betroffen sind, die eher zu zwanghaften Gedanken und der bewussten Kontrolle über Situationen und Bewegungen neigen.

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Jürgen Walter
Jürgen Walterhttp://www.die-sportpsychologen.de/juergen-walter/

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