„Ich will unbedingt gewinnen!“ versus „Ich führe jeden Schlag mit perfekter Technik aus!“ – Welche Intention führt zu besserer Leistung? Die Antwort überrascht: Oft ist es die zweite. Warum? Weil Intention weit mehr ist als Wunschdenken. Sie ist der bewusste Dirigent unserer mentalen Prozesse – ein neurobiologisch messbares Phänomen, das unser Handeln orchestriert.
Zum Thema: Sportpsychologie – mehr als eine grosse Werkzeugkiste
Die drei Gesichter der Intention – oder: Wie unser „Wollen“ wirklich funktioniert:
1. Ergebnis-Intention: „Ich will das Tor treffen“
Fokus liegt auf dem Endergebnis. Problem: Erzeugt oft Druck und Verkrampfung, weil wir Dinge kontrollieren wollen, die ausserhalb unserer direkten Macht liegen.
2. Prozess-Intention: „Ich führe die Bewegung sauber aus“
Fokus liegt auf der Technik und Ausführung. Vorteil: Direkt kontrollierbar, reduziert Nervosität. Wie ein Uhrmacher, der sich auf jeden einzelnen Handgriff konzentriert, nicht auf die fertige Uhr.
3. Präsenz-Intention: „Ich bin voll da“
Fokus liegt auf der Aufmerksamkeit im Moment. Wirkung: Fördert Flow-Zustände und natürliche Reaktionen. Wie ein Jazz-Musiker, der völlig im Hier und Jetzt aufgeht.
Warum systemisches Denken die Sportpsychologie revolutioniert
Aus systemtheoretischer Sicht ist das faszinierend: Intention ist ein selbstorganisierender Prozess. Nicht wir steuern bewusst jeden Aspekt unserer Leistung, sondern wir schaffen Bedingungen, unter denen sich Spitzenleistung entwickeln kann.
Das klassische Mentaltraining denkt linear: „Richtiger Gedanke → richtige Leistung“. Die Systemtheorie weiss: Das System bestimmt, wie es auf unsere Intentionen reagiert. Wie ein Garten – wir können säen und giessen, aber das Wachstum passiert von selbst.
Das Ende der Illusion der Kontrolle
Hier wird’s spannend: Athleten, die sich auf Prozess- und Präsenz-Intentionen konzentrieren, erzielen oft bessere Ergebnisse als jene, die nur an das Gewinnen denken. Warum? Sie sind direkt kontrollierbar.
Eine Basketballspielerin kann ihre Wurftechnik kontrollieren, nicht aber ob der Ball ins Netz geht. Diese Kontrollierbarkeit reduziert Angst und ermöglicht paradoxerweise bessere Ergebnisse. Wie ein Bergsteiger, der nicht den Gipfel anstarrt, sondern jeden einzelnen Schritt bewusst setzt.
Praktische Integration ohne Zeitverlust
1. Intentions-Check vor jeder Übung (30 Sekunden)
Frage: „Worauf konzentrierst du dich bei dieser Bewegung?“ Umformulieren:
- „Ich will treffen“ → „Ich führe meinen Arm gerade durch“
- „Ich will schnell sein“ → „Ich setze jeden Schritt kraftvoll auf“
2. Die 3-2-1 Regel (in bestehende Übungen integriert)
- 3 Sekunden: Intention klar formulieren
- 2 Sekunden: Einatmen und fokussieren
- 1 Sekunde: Ausführung starten
Beispiel beim Freistoss:
- 3: „Ich treffe den Ball mit der Innenseite in die rechte Ecke“
- 2: Tief einatmen, Ball anschauen
- 1: Anlauf beginnen
3. Schnelle Integration während der Aufwärmung
- Vor jedem Lauf: „Ich laufe mit aufrechtem Oberkörper“
- Vor Sprints: „Ich ziehe die Knie aktiv hoch“
- Statt nur „nochmal“ → „nochmal mit Fokus auf…“
4. Partner-Intention (in Paarübungen)
Ein Spieler sagt: „Ich will…“ (seine Intention) Der Partner bestätigt: „Du konzentrierst dich auf…“ (wiederholt die Intention) Effekt: Macht Intentionen bewusster, sozialer Druck hilft bei der Umsetzung.
Der systemische Durchbruch
Aus systemtheoretischer Sicht: Organisationen und Teams können nichts vermittelt bekommen – sie können es nur selbst entdecken. Die Kunst liegt darin, Bedingungen zu schaffen, unter denen Ihre Athleten ihre eigenen optimalen Intentionsmuster entwickeln.
Der Paradigmenwechsel
Statt „Du musst gewinnen wollen“ → „Du bist der bewusste Regisseur deiner Handlungen“ Statt „Fokus auf das Ergebnis“ → „Fokus auf das, was du direkt beeinflussen kannst“
Die systemische Kernfrage für Ihr Team: „Was von dem, was wir uns vornehmen, liegt wirklich in unserer Macht?“
Die Realität für gestresste Trainer
Gute Nachricht: Diese Techniken brauchen keine extra Trainingszeit. Sie verwandeln bestehende Übungen in Intentionslabore. Das Ergebnis: präzisere Bewegungen, weniger Nervosität und konstantere Leistung – auch unter Druck.
Intention ist wie ein innerer Trainer, der immer da ist. Mit wenig Aufwand können Sie Ihren Athleten beibringen, diesen inneren Trainer gezielt zu nutzen.
Lust auf mehr
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Literatur:
- Burton, D. et al. (2001). Goal setting in sport. In R. N. Singer et al. (Eds.), Handbook of sport psychology (pp. 497-528). John Wiley & Sons.
- Gollwitzer, P. M. (1999). Implementation intentions: Strong effects of simple plans. American Psychologist, 54, 493-503.
- Locke, E. A. & Latham, G. P. (2002). Building a theory of goal setting and task motivation. American Psychologist, 57, 705-717.
- Zimmerman, B. J. (2008). Investigating self-regulation and motivation. American Educational Research Journal, 45, 166-183.
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