Björn Korfmacher: Die Diskrepanz zwischen Teamspirit und Konkurrenzkampf

Einer für alle, alle für einen! Diesen Grundsatz haben wir alle schonmal gehört. Vor allem Mannschaftssportler bekommen ihn als Mantra regelmäßig eingetrichtert. Zu Recht! Denn Spiele gewinnt man nur als Mannschaft, nicht allein. Jeder gibt sein Bestes und zieht, so stark er kann, mit am Strang. Fehler, die man selbst macht, werden von Mitspielern wieder ausgebügelt und umgekehrt. Schwächelt ein Mitspieler und ist nicht bei hundert Prozent, arbeitet man für ihn mit. Das alles leuchtet ein. Aber selbstverständlich ist es nicht.  

Zum Thema: Konkurrenzdenken als Problem im Mannschaftssport

Selbstlos in den Dienst der Mannschaft zu treten, seine Mitspieler mit allen Kräften zu unterstützen, seine eigenen Bedürfnisse und persönliche Erfolge hinten anzustellen und den Teamerfolg über allem zu sehen, ist gerade für Nachwuchstalente oft eine große Herausforderung. 

In diesem Zusammenhang höre ich bei jungen Sportlerinnen und Sportlern immer wieder Neid und Missgunst als demotivierende Faktoren heraus. Was auf den ersten Blick egoistisch oder „unsportlich“ klingt, sind ganz normale, menschliche Emotionen. Nicht jeder kommt mit jedem Teamkollegen auf persönlicher Ebene gut klar. Wie in jedem gesellschaftlichen Bereich, gibt es auch hier Antipathien bis hin zu handfesten Abneigungen, die das Prinzip „Einer für alle, alle für einen!“ konterkarieren. Hinzu kommt, dass einige Mitspieler, unabhängig von Sympathie und Antipathie, auch immer direkte Konkurrenten um den heißbegehrten Stammplatz sind, der Sichtbarkeit für Scouts und Talentspäher bedeutet. Es ist also oft auch das individuelle Streben nach Erfolg und Anerkennung, das den Teamspirit an seiner vollen Entfachung hindert. All diese Gedankenkonstrukte und Gefühlswelten, die im Mannschaftssport immanent sind, lassen sich nicht einfach abschalten. Meiner Meinung nach helfen da auch keine Teambuildingmaßnahmen à la Kletterpark. 

Ist Teamspirit erlernbar?

Nicht nur an sich, sondern zuerst an die Mannschaft zu denken, ist eine Frage der Einstellung, eine Charakterfrage. Aber Charakter lässt sich bilden. Allerdings geht auch das nicht auf Knopfdruck. Das Umdenken von Einzelkämpfer- auf Teamplayer-Modus ist ein Prozess – neue Einsichten müssen wie Zahnräder ineinandergreifen.  

Hier die in meinen Augen fünf wichtigsten Punkte, die ich mit meinen Sportlern in mehreren Sitzungen ausführlich erörtere:

  1. Bessere Mitspieler nicht als Bedrohung ansehen, sondern als Freund und Orientierungshilfe, an der man wachsen kann!
  2. Der Beste von allen zu sein, bedeutet oft Stillstand: Hab nicht den Anspruch, der Beste im Team zu sein, sondern der Fleißigste! 
  3. Wirklich gute Spieler machen auch andere besser: Lass deine Mitspieler gut aussehen! 
  4. In einem unschlagbaren Team wirkt jeder wie ein Star (HALO-Effekt): Tue alles dafür, damit deine Mannschaft gewinnt – und sei Teil davon!
  5. Kaum ein Trainer oder Scout sucht nach Einzelkünstlern: Teamplay zahlt sich aus – habe Geduld und Vertrauen!

Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten

Last but not least ist auch hier wieder das viel zitierte Selbstvertrauen ein ganz entscheidender Punkt. Wenn das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten erstmal da ist, rücken Neid, Missgunst und Konkurrenzangst in weite Ferne. Denn Letztere haben ihren Ursprung oft in Unsicherheit und mangelndem Selbstwertgefühl. 

Entgegen der allgemeinen Annahme, ist die Arbeit am Teamspirit meines Erachtens also mehr Einzel- als Gruppenarbeit. Denn Teamplay ist nicht zuletzt eine Charakterfrage.

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