Als Sport-Mentaltrainer arbeite ich überwiegend mit jungen Nachwuchstalenten aus Einzel- und Mannschaftssportarten. Und ob Tennis, Fußball, Eishockey oder Boxen – es kommt immer wieder vor, dass die Eltern die abhanden gekommene „Spielfreude“ beklagen, die sie bei ihren Kindern plötzlich beobachten. Da ist dann die Rede von „hängenden Schultern“, „fehlendem Biss“ oder „Zaghaftigkeit“. Solange es nur die Eltern sind, die diese Phänomene beobachten, für die Kinder selbst aber alles in Ordnung ist, sehe ich als Mentaltrainer noch keinen Grund zur Intervention. Wenn aber auch die Kinder diesen Wesenswandel als störend wahrnehmen und ihre sportlichen Ziele als gefährdet sehen, helfe ich gerne. Oft liegt der Schlüssel zur Situation aber gar nicht auf der Ebene der Kinder.
Zum Thema: Motivation und Spielfreude im Nachwuchsleistungssport
Jugendliche, die ihren Sport auf höchstem Niveau betreiben, haben in der Regel schon sehr früh damit angefangen. Beispielsweise im Eishockey ist es keine Seltenheit, dass Kinder mit drei Jahren das erste Mal die Schlittschuhe schnüren und ab dem fünften Lebensjahr dann mit beiden Beinen im Leistungssport stehen: Drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche; Spiele oder Turniere statt Kindergeburtstage; Trainingscamp statt Urlaub; Selektionsverfahren; Leistungsdruck. Selbstredend ist es da nicht leicht, die Motivation über Jahre aufrechtzuerhalten. Selbst dann nicht, wenn die Sportart per se Erfüllung verspricht. Denn das Leben hat – und das ist auch gut so! – sehr viel mehr zu bieten als Pokale, Medaillen, Training und Leistungsdruck. Gerade im Teenageralter werden die Entbehrungen, die man als Leistungssportler in Kauf nehmen muss, verstärkt spürbar. Der Lieblingssport wird zuweilen zum lästigen Pflichtprogramm. Da ist es dann nicht verwunderlich, dass auch die Körpersprache dieses Unbehagen ausdrückt.
In gar nicht mal so seltenen Fällen geben talentierte und vielversprechende Nachwuchssportler ihren Sport dann irgendwann auf, um endlich auch mal die anderen Facetten des Lebens kennenzulernen und auszukosten. Denn nicht jeder Sportler, der gut ist, will auch Profi werden. Nebenbei bemerkt: Für die stolzen Eltern ist das oft ein größeres Drama als für die Sportler selbst.
Leistungssport ist Druck
Wer aber in seiner Sportart ganz oben mitspielen will und eine Profikarriere anstrebt, kommt an hohen Leistungsanforderungen nicht vorbei. Kurz: Leistungssport ist Druck. Aber: Der Druck muss gewollt sein. Stichwort „intrinsische Motivation“. Häufig wird aber der ohnehin schon sehr große Druck, den sich leistungsorientierte Sportler mit Profi-Ambitionen freiwillig machen, von außen unnötig erhöht. Etwa dann, wenn Trainer und/oder Eltern die Anstrengungen und Erfolge der Kinder nicht adäquat wertschätzen.
In meiner Arbeit als Sport-Mentaltrainer habe ich immer wieder mit Nachwuchstalenten zu tun, die trotz aller Erfolge immer ein “aber” zu hören bekommen. „Du hast das Tennisturnier zwar gewonnen, aber nicht dein bestes Tennis gespielt.“ „Du hast im Spiel zwar zwei Tore geschossen, aber immer noch zu viele Chancen liegen lassen.“ Keine Frage: Das Streben nach Perfektion ist auf dem Weg zum Profi legitim und wichtig. Dennoch sollte man es mit Strenge und Kritik nicht übertreiben. Denn Lob und Anerkennung stärken das Selbstvertrauen – ein unschätzbar wichtiges Element für Motivation, Ehrgeiz, Spaß und ERFOLG!
Die Arbeit mit Sportlern und Eltern
Wenn man Nachwuchstalenten das Gefühl gibt, nie gut genug zu sein, ebnet man den Weg für Demotivation, Trotz und Resignation. Oder eben für „hängende Schultern“ oder „fehlenden Biss“. Dementsprechend liegt das oben angesprochene Problem also oft auch bei den (ambitionierten) Eltern, die nach einem erfolgreichen Wettkampf lieber das Haar in der Suppe suchen, als ihren Kindern anerkennend auf die Schulter zu klopfen. So ist es dann für mich als Mentaltrainer sinnvoll, auch das Gespräch mit den Eltern zu suchen. Und aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass Eltern in aller Regel offen für Ratschläge sind und diese auch gerne beherzigen.
In meiner Arbeit mit den Sportlern selber geht es dann darum, ihnen ein Bewusstsein für ihre Stärken zu geben und ihnen dabei zu helfen, ihre sportlichen Erfolge konstruktiv einzuordnen. Denn nur, wenn man weiß, was man kann, zu was man fähig ist (Selbstwirksamkeit) und was man schon alles erreicht hat, ist eine positive und optimistische Grundhaltung möglich. Dann hängen auch die Schultern nicht mehr.
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