Andreas Humbert: Im Sportverein kommt es darauf an, wie offen und verständnisvoll die Menschen sind

Im Sport ist es immer noch eines der großen Tabu-Themen: Depressionen. Dies gilt nicht nur für den Profibereich, sondern auch für den Freizeit- und Breitensport. Dabei ist unumstösslich, dass sportliche Aktivität ein wichtiger Baustein für Betroffene ist, mit ihrer Krankheit umgehen zu lernen. Wir haben die Chance genutzt und den Blogger Andreas Humbert für ein Interview gewonnen, der auf seinen Seiten (Link: https://www.meinwegausderangst.de) als Betroffener über seine Depressionserkrankung schreibt.

Zum Thema: Depression und Sport

Andreas, welche Rolle hat für dich der Sport vor deiner Erkrankung gespielt? Was war dein schönstes oder auch schlimmstes sportliches Erlebnis?

Ich war schon von klein auf immer sportbegeistert. Bis ins junge Erwachsenenalter habe ich Fußball und Tennis gespielt. Da ich gerade in der Jugend relativ erfolgreich im Fußball gewesen bin (zumindest bei uns im Verein ;-), zog ich daraus auch immer einen Teil meines Selbstbewusstseins. Auch Tennis habe ich oft und gerne mit meinen Freunden aus dem Ort gespielt. 

Im jungen Erwachsenenalter konnte ich dann im Fußball den Anschluss nicht so finden, wie ich mir das vorgestellt hatte. Vermehrte Verletzungen und das beginnende Studium führten dann dazu, dass ich die Fußballschuhe an den Nagel hängte. Auch Tennis war kein Thema mehr, nachdem auch viele Freunde damit aufgehört hatten. Stattdessen ging ich ins Fitnessstudio und machte viel Ausdauersport in Form von Joggen, Schwimmen und Radfahren.

Eines meiner schönsten Erlebnisse war der Gewinn der Vereinsmeisterschaft in unserem örtlichen Tennisclub als Kind. Auch die Aufstiege mit der Tennismannschaft waren sehr schön. Und natürlich war es immer super, wenn ich viele Tore geschossen hatte. Einmal hatten wir 6:5 gewonnen – und fünf Tore gingen auf mein Konto. Daran kann ich mich noch heute gut erinnern.

Das schlimmste Erlebnis, an das ich mich gut erinnern kann, war, als ich als Jugendlicher im Pokalfinale verletzungsbedingt ausgeschieden bin. Ich hatte zuvor noch das 1:0 erzielt und wir haben dann noch 1:4 verloren. Schlimmer fand ich aber, dass das meine erste ernste Verletzung gewesen ist, die sich ein paar Monate hinzog. Ein Physiotherapeut meinte, es war eine Bänderdehnung und eine Meniskusreizung im Knie gewesen. Ich weiß immer noch, wie verzweifelt ich damals war, dass es einfach nicht besser werden wollte und wie ich aus Angst das Knie auch im Alltag geschont hatte.

Wie hast du später ganz persönlich erlebt, dass sportliche Betätigung für psychisch Erkrankte zu einem Schlüssel werden können?

Das war, als ich nach meiner ersten depressiven Phase, als es mir schon besser ging, zum Tischtennis gekommen bin. Eigentlich wollte ich erstmal bei den Hobbyspielern “probieren”, bin dann aber doch bei den “Aktiven” gelandet, die mich ganz herzlich aufgenommen haben. Da kam dann auch die soziale Komponente hinzu. Ich hatte mich wirklich sehr wohl in der Gruppe gefühlt und auch der Zusammenhalt war wirklich super gewesen. Nach dem Training oder nach den Spielen sind wir regelmäßig ins gegenüberliegende inoffizielle Vereinsrestaurant gegangen und haben den Abend ausklingen lassen.

Hast du ganz konkrete Tipps, die sich gegen deinen inneren Schweinehund bewährt haben? Gerade in Phasen der Antriebslosigkeit…

Wenn es mir (körperlich wie psychisch) gut geht, habe ich generell gar keine Probleme mit der Motivation. Aber in antriebslosen Phasen ist es wirklich eine super Hilfe, wenn man regelmäßige Termine zum Training oder Spiel hat, bei denen man sich mit anderen trifft.

Geht es körperlich gerade nicht so gut mit einer bestimmten Sportart, ist es auch gut, wenn man auf eine andere Sportart ausweichen kann. Z.B. kann man bei Überlastungserscheinungen vom Joggen aus Radfahren oder auf’s Schwimmen ausweichen, was einfach viel schonender ist.

Mit deiner Erkrankung gehst du sehr freizügig um. Welche Absicht steckt dahinter und welche Art von Feedback bekommst du?

Ich finde es wichtig, dass andere Menschen erfahren, dass sie nicht alleine mit ihrer (psychischen) Erkrankung sind. Ein Blog ist für mich persönlich das beste Ausdrucksmittel, da ich mich meiner Einschätzung nach schriftlich am besten ausdrücken kann. Im Mündlichen oder gar vor der Kamera z.B. bei YouTube sehe ich mich persönlich nicht so. 

Ich bekomme sehr viel Feedback und Rückfragen v.a. zu meinen persönlichen Erfahrungsberichten: zu der Einnahme und zum Absetzen von Antidepressiva oder gar zum Absetzen von Benzodiazepinen. Auch zur Einnahme von CBD und der Dosierung werde ich sehr viel gefragt. Diese Fragen sind nicht immer ganz einfach zu beantworten und viele Fragen darf und sollte ich auch nicht beantworten, weil ich ja auch kein Psychiater bin. Ich biete zusätzlich auch eine Facebook-Gruppe und eine Telegramm Gruppe an, die ich gegründet habe und auf die ich von meiner Webseite aus verweise. Dort tauschen sich viele meiner Leser aus. 

Der offene Umgang mit psychischen Erkrankungen ist immer noch nicht selbstverständlich. Warum ist aus deiner Sicht der eigene Sportverein vielleicht so etwas wie der ideale Ort, um über eigene Probleme zu sprechen? 

Ich bin mir gar nicht so sicher, ob der eigene Sportverein immer der ideale Ort dazu ist. Das hängt meiner Meinung nach vielmehr von der Gruppe der Leute ab, wie offen und verständnisvoll die ist. Es ist aber auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, sich in dieser Hinsicht mal ranzutasten und zu schauen, wie das Verständnis ist und wer ein offenes Ohr hat.

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Mathias Liebing
Mathias Liebinghttps://www.torial.com/mathias.liebing
Redaktionsleiter bei Die Sportpsychologen und freier Journalist Leipzig Deutschland +49 (0)170 9615287 E-Mail-Anfrage an m.liebing@die-sportpsychologen.de