Björn Korfmacher: Sport-Mentaltraining mit Kindern – weniger ist mehr

Ein nicht zu vernachlässigender Teil meiner Klienten sind Kinder – junge Nachwuchstalente aus den Bereichen Tennis, Fußball oder Eishockey. Jungen und Mädchen, die das Teenageralter noch nicht erreicht haben. Hier treten deren Eltern an mich heran, weil sie bei ihren Kindern mentale Defizite beobachten oder psychische Blockaden vermuten, die dem sportlichen Weiterkommen auf dem Weg zum Profi vermeintlich im Wege stehen könnten. Meistens lautet die erste Frage an mich: „Kann man in diesem Alter schon Sport-Mentaltraining machen?” Meine Antwort lautet immer: „Ja, klar!” Obgleich Sport-Mentaltraining bei Kindern anders ablaufen sollte als bei Teenagern oder Erwachsenen. 

Zum Thema: Kindgerechtes Mentaltraining im Hochleistungssport

Grundsätzlich kann Mentaltraining bei Kindern – den Begriff „Sport” klammere ich hier  erst einmal mit Absicht aus – genauso sinnvoll sein wie für Jugendliche und Erwachsene. Mentaltraining hilft Kindern dabei, Selbstvertrauen aufzubauen und zu selbstbewussten, starken und optimistischen Persönlichkeiten heranzuwachsen und ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Kitas, Schulen und Internate, die dieses Thema in ihren Lehr- und Ausbildungsplänen berücksichtigen, haben zweifellos eine Vorbildfunktion und verdienen höchste Anerkennung – leider sind es hierzulande nur die allerwenigsten. 

Aber kommen wir zum Mentaltraining für Kinder im Sport. Hier geht es, wenn ich die Anzahl und die Art der Anfragen, die ich persönlich bekomme, als Grundlage nehme, zumindest von Seiten der Eltern weniger um Persönlichkeitsentwicklung und Lebensführung. Was hier im Vordergrund steht, ist Leistungsoptimierung. Eltern, die für ihre Kinder einen Sport-Mentaltrainer konsultieren, wollen ihren Schützlingen nicht unbedingt dabei helfen, Selbstachtung und Selbstliebe aufzubauen. Primär geht es ihnen darum, ihre Kinder beim Traum von einer Profikarriere zu unterstützen und ihnen dafür das mentale Rüstzeug mitzugeben: die Fähigkeit, in Drucksituationen zu funktionieren, starkes Selbstvertrauen, robuste Widerstandsfähigkeit, hohe Leistungsbereitschaft und anhaltende Motivation. Dies sind sicherlich die wesentlichen Faktoren der mentalen Stärke im sportlichen Kontext – ob für Kinder, Junioren oder Senioren. Dennoch genießt die Vorgehensweise beim Sport-Mentaltraining für Kinder eine Sonderstellung. Zu berücksichtigen sind hier vor allem der eingeschränkte Wortschatz, die noch begrenzten geistigen Fähigkeiten und die eingeschränkte Aufmerksamkeitsspanne.  


Kinder nicht überfordern

Aber wie ich gehe ich vor, um Kinder nicht zu überfordern? Atemübungen, Affirmationen oder Visualisierungen sind zum Beispiel geeignete Methoden, um Kinder ans Sport-Mentaltraining heranzuführen und schnell gute Ergebnisse zu erzielen. Wie spielerisch man mit diesen Techniken umgeht, hängt von der Persönlichkeit des Mentaltrainers und nicht zuletzt auch von der Persönlichkeit des Kindes ab. 

Kürzlich habe ich ein 11-jähriges Fußballtalent betreut und ein Stück weit auf seinem sportlichen Weg begleiten dürfen. Sein Anliegen: Leistungsblockade bei starken Gegnern. In der Regel blockieren wir dann, wenn wir glauben, etwas nicht zu können bzw. einer Situation nicht gewachsen zu sein. Kurz gesagt: Wenn das Selbstvertrauen fehlt. Gerade bei Kindern – wie im Falle des 11-jährigen Fußballers – kann man hier für den Anfang sehr gut mit Affirmationen, also mit kurzen, bestärkenden Sätzen arbeiten, durch die sich der Sportler bei regelmäßigem Aufsagen relativ einfach in eine starke mentale Verfassung bringen kann. Auch die Arbeit an der Körperhaltung hat sich in diesem Fall positiv auf das Selbstvertrauen ausgewirkt (Embodiment). Hierbei greife ich auch gerne auf Schauspiel- bzw. Improvisationsübungen zurück, um vor allem schüchterne und introvertierte Kinder aus ihrer Komfortzone zu holen und über ihren Schatten springen zu lassen.

Nicht zu viele Bälle

Je länger die Betreuung dauert, desto mehr Wissenschaftlichkeit, mehr Informationen und mehr Hintergründe über tiefergehende Zusammenhänge kann man natürlich in die weiteren Sitzungen einfließen lassen – Stück für Stück. Das gilt übrigens auch für die Arbeit mit Teenagern oder Erwachsenen. Auch ihnen sollte man nicht zu viele Bälle auf einmal zuwerfen. 

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