Klaus-Dieter Lübke Naberhaus: Das DHB-Team braucht eine gute Psychohygiene

Das deutsche Handball-Nationalteam ist jetzt schon so etwas wie die Mannschaft des Jahres. Nachdem neun Akteure nach positiven PCR-Tests in Isolation mussten und eilig Nationalspieler nachnominiert worden sind, hat die die deutsche Handball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in der Slowakei und Ungarn auch ihr abschließendes Vorrundenspiel gegen Polen gewonnen. Der 30:23-Erfolg war die bislang beste Turnierleistung. Und dies trotz widrigster Umstände – inklusiver Trainingsausfall, Ausfall der regulären Spielvorbereitung und vorsorglicher Quarantäne der negativ getesteten Nationalspieler bis zur Abfahrt zum Vorrundenspiel. Wie es nun im Turnier weitergehen kann, wollten wir von Klaus-Dieter Lübke Naberhaus, einem unserer Handball-Experten aus der Netzwerk, wissen. 

Zum Thema: Der Umgang mit dem Corona-Ausbruch bei der Handball-Nationalmannschaft

Klaus-Dieter Lübke Naberhaus, das Gruppenspiel gegen Polen hätte wegen der Corona-Ausfälle ein Debakel werden können. Aber es kam ganz anders. Wie schätzt du die Leistung und die Lage der deutschen Handball-Nationalmannschaft mit Beginn der Hauptrunde ein? 

Wir wissen, dass solche externen Ereignisse, wir können Sie ruhig Bedrohungen nennen, ungeahnte Kräfte frei setzen und ein Team schnell zusammenschweißen können. Das gestrige Spiel kann damit auch eine Initialzündung sein. Auch die Reduzierung des Teams muss für ein solch einzelnes Spiel kein Nachteil sein. Für das gesamte Turnier schränkt sie die Optionen jedoch ein und erhöht die Belastung des Einzelnen. Wir sollten auch nicht vergessen, dass wir es mit Spielern zu tun haben, die andere belastende Situationen gemeistert haben und damit über eine gute Resilienz verfügen. 

Die Aufgabe für das Team um das Team ist wahnsinnig herausfordernd, denn auch um die wegen Corona isolierten Spieler gilt es sich ja zu kümmern. Für sie ist die diese Situation ja fast noch belastender als für diejenigen, die spielen oder die nachnominiert worden sind. Neben der Isolation, die für jeden schwer zu ertragen ist, kommt natürlich die mögliche Gefahr, die gesetzten sportlichen Ziele nicht verwirklichen zu können. Dies empfinden die Spieler individuell sicher sehr unterschiedlich. Zudem können noch eigene Schuldzuschreibungen hinzu kommen – also Vorwürfe, die ich mir selber mache. Und in dieser Situation isoliert zu sein, dass macht es noch schwerer. Da können Gespräche sehr helfen, die ja aufgrund moderner Technik möglich sind. Hier hoffe ich, dass auch professionelle Unterstützung eingebunden wird, die ja auch außerhalb des betreuenden Teams geleistet werden kann. Denn dieses hat mir der Betreuung des neuen, jetzt in der Verantwortung stehenden Teams sicherlich genug zu tun. 

Gut ist, dass die nachnominierten Jungs fast alles erfahrene Spieler sind, die das System grundsätzlich kennen und sich so durchaus auch recht schnell einfinden können. Und die individuelle Fokussierung traue ich ohnehin allen zu. 

Lass uns das aber mal genauer anschauen: Von der Mannschaft, die am vergangenen Freitag in das Turnier startete, ist nach den neun Corona-Fällen nur noch wenig übrig. Was können die Trainer, die Betreuer oder was können die Spieler nun tun, dass sich aus der neuformierten Havarie-Mannschaft quasi über Nacht ein echtes Team formt?

Es braucht Gespräche, eigentlich gemeinsame Zeit und natürlich auch Trainingszeit. Es braucht die Fokussierung und das Ausblenden der störenden Faktoren. Die Isolation macht das nicht einfach, technische Mittel können das ermöglichen, sind jedoch aus eigener Erfahrung auch beschränkt. Es braucht zur optimalen Effektivität durchaus aus meiner Sicht den persönlichen Kontakt. Und jeder muss ja erst einmal auch selbst mit dieser in dieser Form einzigartigen Situation umgehen, bevor er oder sie eine Hilfe für den anderen oder für die gesamte Mannschaft sein kann. Da wird es kein Patenrezept geben, doch eine gute Idee ist es, auf die Intuition, das Bauchgefühl zu hören, was in dieser Situation für den Einzelnen und die Mannschaft hilfreich sein kann. Da wird die Erfahrung des Trainer- und Betreuerteams helfen, auch die Unterstützung der vertrauten Menschen hier aus der Heimat. 

Bislang ist ja erst die Vorrunde gespielt. Das Turnier dauert also noch eine halbe Ewigkeit. Durch die neuen internen Regeln verlassen die Spieler ihr Einzelzimmer nur für die Trainings und Wettkämpfe. Wie kann bei dieser Isolation verhindert werden, dass es zu einem Lagerkoller kommt oder der Gemeinschaftsgedanke im Laufe der Zeit leidet?

Ja, das Turnier dauert hoffentlich für die Mannschaft noch lange. Es braucht Räume der Begegnung und bei allem Sicherheitsdenken muss das berücksichtigt werden. Ansonsten ist das ein Damoklesschwert, was über den Häuptern schwebt. Es braucht einer guten Psychohygiene und Möglichkeiten, in dieser Situation auch sinnvolle Dinge tun zu können. Vielleicht gibt es ja Möglichkeiten unter Einhaltung von strengen Hygieneregeln doch Begegnungen zu ermöglichen, die der Prävention der oben genannten Gefahr dienen. Da bin ich mir sicher, werden alle versuchen kreative Lösungen zu schaffen. Auch hier ist es gut, auf den gesunden Menschenverstand und die Intuition zu hören, was möglich ist und was auch zu risikoreich ist.

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Klaus-Dieter Lübke Naberhaus
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