Verletzungen können schwerwiegende Folgen für die Karriere eines Athleten bedeuten und ihn emotional schwer belasten. Wenn es um den Weg von der Verletzung hin zum Wiedereinstieg in den kompetitiven Sport geht, spielen auch psychologische Faktoren eine wichtige Rolle. Wichtig: Aber auch schon präventiv kann die Sportpsychologie einen bedeutsamen Beitrag dazu leisten, dass die Wahrscheinlichkeit sinkt, eine Verletzung zu erleiden.
Zum Thema: Die Rolle der Sportpsychologie bei Sportverletzungen
Wie auch in einer guten physiotherapeutischen Betreuung, kann die psychologische Zusammenarbeit in verschiedene Phasen eingeteilt werden (siehe Abbildung 1). In jeder dieser Phasen finden sich unterschiedliche psychologische Herausforderungen und Belastungen. Daraus resultieren verschiedene Lösungsansätze und Interventionen, um den Herausforderungen gerecht zu werden.
Im vorliegenden Artikel möchte ich ein solches Konzept kurz vorstellen und werde dieses anschließend in einzelnen Blogbeiträgen konkretisieren und mit Praxisbeispielen dazu beitragen, dass dieses Thema nicht ein theoretisches Konstrukt bleibt.
Die präventive Phase
Die präventive Phase beschreibt den Zeitraum vor einer Verletzung. Leider spielt hier die Psychologie oft nur eine sehr kleine Rolle. Denn die Einstellung, dass psychologische Interventionen erst dann wichtig werden, wenn ein Problem vorliegt, ist weit verbreitet. Dabei birgt präventive Arbeit ein riesiges Leistungspotential in der Entwicklung eines Sportlers. Denn jede Verletzung führt zwangsläufig dazu, dass der Sportler sein potentiell maximales Leistungsniveau nicht mehr erreichen kann. Er kann also immer noch sehr gut werden, aber niemals so gut, wie er ohne Verletzung hätte werden können.
Viel zu selten wird berücksichtigt, dass Stress einer der größten Risikofaktoren für Verletzungen ist. Gerade im Leistungssport. Allerdings erfahren die Sportler oft unheimlich viel Stress. Jedoch nicht nur dort, also im sportlichen Umfeld, sondern wie bei jedem Menschen kommt zusätzlich das Stresserleben im privaten Umfeld und Alltag hinzu. Wie genau Stress Einfluss auf die Entstehung von Verletzungen nimmt und welche Interventionsmöglichkeiten die Sportpsychologie bietet, wird in einem der angekündigten Blogbeiträge näher beleuchtet und soll in diesem Artikel vorerst nicht genauer betrachtet werden.
https://www.die-sportpsychologen.de/2019/03/07/andreas-meyer-stress-als-risikofaktor-nummer-1/
Die Akutphase
Kommt es zu einer Verletzung, kann das für den Athleten eine traumatische Erfahrung sein, die gekennzeichnet ist, durch Schmerz, Angst, Zweifel und Unsicherheiten. Die zweite Phase, die sogenannte Akutphase, startet mit dem Auftreten der Verletzung, beinhaltet die Auseinandersetzung mit einer eventuell bevorstehenden Operation und endet in einem fließenden Übergang in die Rehabilitationsphase (Aufbauphase). In dieser Akutphase geht es hauptsächlich um die Bewältigung des Ereignisses und das Wecken von der Selbstwirksamkeitsüberzeugung, selbst „Herr der Lage zu sein“. Der Sportler erlebt in dieser Phase häufig Schmerzen, die ihn in seiner Lebensqualität negativ beeinflussen. Dazu kommt die Angst vor einer bevorstehenden Operation, deren Risiken und die Unsicherheit, ob die Verletzung möglicherweise das Aus für die Sportlerkarriere bedeutet. Bei schweren Verletzungen bangt der Athlet um seine physische und psychische Gesundheit. Ein Begleitsymptom dieser Gedanken ist sehr oft eine starke psychosomatische Unruhe, die sich in einer angespannten Nervosität zeigt.
Im Leistungssport kann es vorkommen, dass sich die Athleten stark über ihren Sport definieren. Steht diese Identifikationsmöglichkeit plötzlich in Gefahr, verloren zu gehen, dann kann das zu einem enormen Verlust an empfundenen Selbstwert führen und in einer Sinnkrise enden.
Die Rehabilitationsphase
Hat der Athlet die Akutphase erfolgreich überstanden, begibt er sich in die Rehabilitationsphase (Aufbauphase). Diese Phase ist geprägt durch die Ziele, die Belastbarkeit von Gewebe wiederherzustellen und die Wundheilung zu unterstützen. Außerdem unterstützt der Sportpsychologe den Sportler, seine Leistungsfähigkeit (welche durch die Verletzung in Mitleidenschaft gezogen wurde) wiederaufzubauen und den Wiedereinstieg in die sportliche Aktivität vorzubereiten. Je nach Schwere der Verletzung kann die Rehabilitationsphase einen sehr langen Zeitraum in Anspruch nehmen. Denn bevor der Sportler wieder in das sportspezifische Training einsteigen kann, muss eine adäquate physiologische und psychologische Belastbarkeit vorliegen. Ansonsten ist das Risiko einer Rezidivverletzung enorm hoch.
Die häufig sehr zeitaufwändige und langwierige Rehabilitation (auch aus physiologischer Hinsicht), gepaart mit immer wieder vorkommenden Rückschlägen im Rehaverlauf, ist eine besondere Herausforderung dieser Phase. Häufig kommt es zu Hilflosigkeit, Hadern, Unsicherheit, Ungeduld und auch Ärger sowie Resignation. Wie man diesen Herausforderungen psychologisch gerecht werden kann und welche Ansätze und Methoden die Sportpsychologie bietet, wird in einem gesonderten Beitrag näher vorgestellt.
Hast du gerade mit der Rehabilitationsphase zu kämpfen? Lass uns persönlich darüber sprechen. Gern telefonisch:
Die Wettkampfvorbereitung
Damit der Sportler wieder an Wettkämpfen teilnehmen kann, bedarf es allerdings mehr als einer abgeschlossenen Rehabilitation und der Wiederherstellung der physiologischen Belastbarkeit. Im Wettkampf wird der Sportler mit Dingen konfrontiert, die weit über eine physische Belastung hinausgehen, weshalb im Anschluss an die Rehabilitationsphase eine Wettkampfvorbereitung stattfinden muss. Möglicherweise wird der Sportler im Wettkampf wieder mit angstauslösenden Reizen, im Zusammenhang mit der Entstehung seiner Verletzung, konfrontiert. Außerdem ist die Belastung eines Wettkampfes eine andere als im Training. Denn neben den normalen muskulären Beanspruchungen kommen Wettkampfstress und Anspannung hinzu, die mit der Ausschüttung von Hormonen einhergehen. Unter Umständen sorgen diese Faktoren dafür, dass der Sportler beispielsweise nur halbherzig in Zweikämpfe geht oder nicht voll konzentriert seine Handlung ausführen kann. Zu guter Letzt kann es sein, dass der Athlet noch nicht darauf vertraut, dass seine ehemals verletzten Strukturen der Belastung standhalten. Er zweifelt und fühlt sich unsicher, ob er im Wettkampf bestehen kann.
Keine Frage der Relevanz
Die Relevanz der Sportpsychologie im Kontext mit Sportverletzungen ist nicht zu unterschätzen und sollte unbedingt in die Athletenrehabilitation mit einbezogen werden. Und das gilt nicht nur im Profisport, denn mit sehr vielen der oben genannten Faktoren haben genauso Amateursportler oder Breitensportler zu kämpfen.
Die sportpsychologische Arbeit läuft in der Regel parallel zum physiotherapeutischen und athletischen Rehabilitationsprogramm. Es macht allerdings auch präventiv Sinn, sich als Sportler mit Themen wie Stressmanagement und anderen Ansätzen auseinanderzusetzen und die Angebote der Sportpsychologie zu nutzen. Denn diese können nicht nur das Verletzungsrisiko minimieren oder bei der Genesung helfen, sondern auch generell Leistungen stabilisieren und optimieren.
Noch einmal zum Anfassen: Bei Fragen meldet euch gerne bei meinen Kollegen, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz verteilt arbeiten (zu den Profilseiten), oder mir (zur Profilseite von Andreas Meyer). Oder wartet, falls dies für euch reicht, bis die nächsten Blogbeiträge zu diesem Thema veröffentlicht werden.
https://www.die-sportpsychologen.de/2019/03/07/andreas-meyer-stress-als-risikofaktor-nummer-1/
https://www.die-sportpsychologen.de/2015/06/02/philippe-mueller-verletzungen-bewaeltigen/
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