Thorsten Loch: Mit Vertrauen führen – Psychologische Sicherheit aktiv gestalten

Psychologische Sicherheit zeigt sich oft in kleinen, alltäglichen Momenten: Eine Trainerin beobachtet, wie ein Spieler nach einem Fehlpass den Blick senkt, kaum noch kommuniziert und sich zurückzieht. Für sie ist das ein Alarmsignal – nicht für mangelnde Technik, sondern für ein Klima, in dem Fehler offenbar als gefährlich gelten. Ihr wird klar: Es geht nicht nur um Trainingsinhalte oder taktische Vorgaben. Es geht darum, ein Umfeld zu gestalten, in dem sich Spieler:innen sicher fühlen, sich zu zeigen – mit Stärken, aber auch mit Zweifeln und Fehlern. Und genau hier beginnt die Verantwortung der Trainer:innen.

Zum Thema: In diesem Beitrag erfährst du, wie Trainer:innen gezielt ein vertrauensvolles und offenes Teamklima gestalten können – mit praxisnahen Ideen, fundierten Konzepten und Beispielen aus dem Leistungssport.

1. Führungsverhalten als Basis

Psychologische Sicherheit beginnt an der Spitze. Studien (z.B. Edmondson, 2004; Fransen et al., 2020) zeigen: Teams orientieren sich stark am Verhalten ihrer Führungspersonen. Wer als Trainer:in Offenheit vorlebt, schafft Raum für Vertrauen.

  • Fehlerfreundlichkeit zeigen: Wer selbst auch mal zugibt, eine taktische Entscheidung hinterfragen zu müssen, signalisiert: „Hier darf man lernen.“
  • Unsicherheiten zulassen: Auch als Coach nicht alles wissen zu müssen, kann Teamprozesse stärken.
  • Aktives Zuhören: Spieler:innen ausreden lassen, paraphrasieren, ehrliches Interesse zeigen.

Vertrauen beginnt dort, wo Kontrolle endet.

2. Strukturelle Sicherheit schaffen

Nicht nur das „Wie“ im Verhalten, sondern auch das „Was“ im System ist entscheidend. Psychologische Sicherheit entsteht dort, wo Strukturen Klarheit und Orientierung bieten:

  • Rollen und Erwartungen transparent machen: Spieler:innen wissen, woran sie sind.
  • Regelmäßige Reflexionsformate etablieren: z.B. kurzes Teamfeedback nach jeder Einheit.
  • Verantwortung teilen: Kleine Aufgaben an Spieler delegieren, um Beteiligung zu fördern.

Solche Elemente stärken nicht nur das Vertrauen, sondern auch das Selbstwirksamkeitserleben – eine wichtige Ressource im Leistungssport.

3. Kommunikation gestalten

Ein sicherer Raum ist auch ein sprachlich gestalteter Raum. Wer psychologische Sicherheit fördern will, sollte gezielt eine lernorientierte Kommunikationskultur etablieren:

  • Offene Fragen stellen: Anstelle von „Warum hast du das gemacht?“, lieber „Was war deine Idee dabei?“.
  • Perspektiven einholen: „Wie habt ihr die Szene erlebt?“
  • Beiträge bestärken: „Danke für deinen Impuls.“ – auch (und gerade) bei kritischen Einwänden.

Sprache wirkt – und wer Anerkennung sprachlich sichtbar macht, senkt implizite soziale Risiken.

4. Teamprozesse bewusst fördern

Ein Team ist mehr als die Summe seiner Mitglieder. Psychologische Sicherheit entwickelt sich in der Beziehung zwischen diesen Mitgliedern – und die kann gezielt gestaltet werden:

  • Peer-Coaching ermöglichen: Spieler:innen reflektieren in Zweierteams Trainingsinhalte.
  • Gemeinsame Ziele formulieren: „Was wollen wir in dieser Saison erreichen?“
  • Verantwortung rotieren lassen: z. B. wechselnde Kapitänsrollen im Training.

So entsteht eine geteilte Verantwortungskultur, in der jede Stimme zählt.

Praxisbeispiele aus dem Spitzensport

Dass psychologische Sicherheit kein theoretisches Konstrukt bleibt, sondern in ganz unterschiedlichen Sportarten gelebt wird, zeigen viele erfolgreiche Teams und Trainer:innen:

  • Jürgen Klopp (Fußball): Der langjährige Trainer des FC Liverpool, der seine Tätigkeit zum Ende der Saison 2023/24 beendet hat, war bekannt für seine empathische Kommunikation und die Förderung eines starken Zusammenhalts. In zahlreichen Interviews und Dokumentationen (z. B. „The End of the Storm“, 2021) wurde deutlich, dass Spieler wie Trent Alexander-Arnold oder Mohamed Salah ein Umfeld erlebten, in dem Fehler nicht gefürchtet, sondern als Teil des gemeinsamen Lernprozesses verstanden wurden. Klopp betonte immer wieder: „Meine Spieler sollen wissen: Ich stehe hinter ihnen.“

Diese Beispiele zeigen: Ob Teamsport oder Einzelsport, ob international erfahrene Profis oder Nachwuchsathlet:innen – psychologische Sicherheit ist trainierbar und wirksam, wenn sie durch bewusste Trainer:innenhaltung und klare Strukturen geformt wird.

Fazit: Vertrauen ist trainierbar

Psychologische Sicherheit ist kein Luxus, sondern Voraussetzung für nachhaltige Entwicklung im Leistungssport. Wer als Trainer:in bereit ist, gezielt Strukturen, Kommunikation und Führung zu gestalten, kann ein Klima schaffen, in dem Spieler:innen mutiger, ehrlicher und letztlich erfolgreicher agieren.

In einem meiner vorigen Beiträge habe ich die deutsche Basketball-Nationalmannschaft als Beispiel herangezogen, wie psychologische Sicherheit im Leistungssport wirkt. Wie der öffentlich ausgetragene Konflikt zwischen Dennis Schröder und Daniel Theis vor der Endrunde nicht zum Problem, sondern zum Katalysator für Entwicklung wurde. Wer da noch einmal reinlesen will, unten links ist der Text verlinkt.

Ausblick

Im nächsten Beitrag werfe ich einen Blick auf typische Barrieren, die psychologische Sicherheit im Sport behindern: Hierarchien, Leistungsdruck, Unsicherheiten – und wie man ihnen sportpsychologischer Sicht begegnen kann.

Mehr zum Thema:

Literaturverzeichnis 

Edmondson, A. C. (2004). Learning from mistakes is easier said than done: Group and organizational influences on the detection and correction of human error. Journal of Applied Behavioral Science, 40(1), 66–90. Learning from Mistakes is Easier Said Than Done. Journal of Applied Behavioral Science, 40(1), 66–90.Fransen, K., Vanbeselaere, N., De Cuyper, B., Vande Broek, G., & Boen, F. (2020). How leaders shape team effectiveness: The role of empowering team climates. Journal of Sport and Exercise Psychology, 42(3), 144–156. How leaders shape team effectiveness: The role of empowering team climates.Journal of Sport and Exercise Psychology, 42(3), 144–156.

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Thorsten Loch
Thorsten Lochhttp://www.die-sportpsychologen.de/thorsten-loch/

Sportarten: Fußball, Badminton, Leichtathletik, Sportschießen, Karate, Skateboarding

Hennef, Deutschland

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