Nach einer Auszeit sind Thorsten Loch und Prof. Dr. René Paasch zurück bei Die Sportpsychologen. Beide waren die ersten deutschen Neuzugänge im Netzwerk, nachdem die Plattform 2014 anfangs für Studierende des Master-Studiengangs Angewandte Sportpsychologie der Martin-Luther-Universität gestartet und nach einer Testphase geöffnet wurde. Mathias Liebing, Redaktionsleiter von Die Sportpsychologen, fragt bei Prof. Dr. René Paasch nach den Gründen und den Ambitionen für das Comeback.
René, was hat dich dazu bewogen, ins Netzwerk Die Sportpsychologen zurückzukehren?
Nach einer intensiven beruflichen Phase in Forschung, Lehre und Beratung war es mir wichtig, wieder stärker an einem Ort präsent zu sein, der Austausch, Haltung und fachliche Tiefe verbindet. Die Sportpsychologen sind mehr als ein Netzwerk, sie sind ein Resonanzraum für das, was Sportpsychologie im besten Sinne sein kann: nah an der Praxis, klar in der Position und offen für neue Perspektiven. Nach all der vergangenen Zeit fühlt es sich nicht wie eine Rückkehr an, sondern wie ein Weitergehen – in einem vertrauten, aber gewachsenen Rahmen.
Vor welchen Aufgaben steht die Sportpsychologie aus deiner Sicht und wie willst du mithilfe des Netzwerks daran arbeiten? Wie wirst du dich einbringen?
Die Sportpsychologie befindet sich an einem Punkt der Weiterentwicklung. Nicht, weil sie bislang etwas versäumt hätte, sondern weil die Zeit gekommen ist, ihre Rolle neu zu denken. Sie sollte nicht erst dann sichtbar werden, wenn es eng wird, wenn stabilisiert, begleitet oder gelindert werden muss. Sie kann mehr. Und sie darf mehr. Ihr Platz ist dort, wo der sportliche Alltag gelebt wird: in der Trainingsgestaltung, in der Saisonplanung, in der gemeinsamen Verantwortung für Gesundheit, Entwicklung und Leistung. Nicht als Ersatz für Führung, sondern als Resonanzraum für das, was Menschen im Sport bewegt. Als Impulsgeberin für mentale Stärke, als Begleiterin von Persönlichkeitsprozessen, als Stimme für jene Fragen, die oft untergehen: Was brauchen wir, damit wir im Spiel aufblühen und darüber hinaus? Was lässt uns durchhalten, wenn es schwer wird? Wer im Sport Verantwortung trägt, ob als Trainerin, Athlet, Funktionärin oder Elternteil, spürt, wie eng Leistung, Belastung und persönliche Entwicklung miteinander verflochten sind. Umso wertvoller ist eine psychologische Perspektive, die nicht belehrt, sondern versteht. Die nicht etikettiert, sondern fragt. Die nicht bewertet, sondern begleitet mit Respekt, mit Erfahrung und mit Blick für das Ganze.
Ich weiß, dass psychologische Arbeit oft dann besonders wirksam ist, wenn sie leise geschieht. Wenn sie unterstützt, ohne sich in den Vordergrund zu stellen. Diese Form der Zurückhaltung hat ihren berechtigten Platz und sie hat sich vielfach bewährt. Gleichzeitig glaube ich, dass psychologische Perspektiven auch dort gefragt sind, wo Strukturen wachsen, Haltung entwickelt werden soll und nachhaltige Prozesse mitgestaltet werden können. Nicht laut, nicht aufdringlich, sondern mit Tiefe, Klarheit und einem Gespür für das richtige Maß. Besonders nahe stehen mir dabei die Positive Psychologie und das Life Coaching, Zugänge, die den Blick auf das richten, was Menschen stärkt: auf Ressourcen, auf Entwicklungspotenziale, auf gelingende Beziehungen. Nicht als Gegensatz zur Disziplin, sondern als sinnvolle Ergänzung zur Leistungsorientierung. Menschlich, wach und zugewandt. Es geht nicht nur darum, leistungsfähig zu bleiben, sondern auch darum, innerlich zu wachsen, hin zu einem gesunden, verantwortlichen und erfüllten Leben im und mit dem Sport. Im Netzwerk möchte ich Impulse setzen, Verbindungen stärken und dazu beitragen, dass psychologisches Denken im Sport seinen Platz behält, nicht als akademischer Zusatz, sondern als selbstverständlicher Teil eines ganzheitlichen Verständnisses von Leistung, Entwicklung und Leben. Nicht, weil es Pflicht ist. Sondern weil es möglich ist.
Weshalb ratet ihr erfahrenen Kollegen und Kolleginnen, das Netzwerk zu nutzen? Und was sind die Gründe, die ihr Neulingen im Berufsfeld nennen würdet?
Das Netzwerk lebt davon, dass Erfahrung, Neugier, Reflexion und Austausch zusammenkommen. Für erfahrene Kolleginnen und Kollegen kann es ein Ort sein, an dem man Impulse geben und empfangen kann, ohne sich erklären zu müssen. Ein Resonanzraum, in dem man nicht allein denkt, sondern gemeinsam weiterkommt. Und manchmal auch einfach eine Erinnerung daran, warum wir diesen Beruf gewählt haben, weil es um Menschen geht, nicht nur um Methoden. Für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger ist das Netzwerk eine echte Möglichkeit. Nicht als Bühne für schnellen Erfolg, sondern als Raum, um Haltung zu entwickeln, Orientierung zu finden und sich inspirieren zu lassen. Gerade weil die Sportpsychologie ein vielschichtiges Feld ist, braucht es Orte, an denen man nicht alles schon wissen muss, aber fragen darf. Und Menschen, die zeigen: Man kann in diesem Beruf wachsen, ohne sich zu verbiegen.
Was treibt dich heute nach all den Jahren im Feld noch immer an?
Vielleicht ist es genau dieser leise, aber bleibende Wunsch, mit dem eigenen Denken und Tun etwas zu bewegen, nicht laut, nicht spektakulär, aber spürbar. Mich treibt die Überzeugung, dass psychologische Arbeit im Sport mehr ist als Intervention. Sie ist Beziehungsgestaltung, Haltungsarbeit, Resonanzstiftung. Und sie wirkt dort, wo Menschen in Bewegung sind. Was mich antreibt, ist nicht nur das Neue, sondern das, was sich im Kern nicht verändert: die Frage nach dem Menschen im System. Seine Stärke, seine Zweifel, sein Aufbruch. Wir erleben, dass unser Feld wächst und gleichzeitig bleibt die Essenz dieselbe: zuhören, verstehen, begleiten, manchmal auch irritieren. Vielleicht ist es genau das: die Verbindung von Erfahrung und Neugier, von Gewordenem und Werdendem. Und der Wunsch, Räume mitzugestalten, in denen psychologische Qualität nicht nur gefragt ist, sondern auch willkommen ist.
Zu den beiden Profilen:
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